Sonn- und Feiertage

Version vom 8. Juni 2022, 08:07 Uhr von Staatslexikon (Diskussion | Beiträge) (Sonn- und Feiertage)
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  1. I. Theologisch
  2. II. Rechtlich

I. Theologisch

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1. Allg.-religionsgeschichtlicher Hintergrund

Fest und Feier sind ein menschheitliches Urphänomen. Der Sinn des Festes ist nicht die Erholung vom Alltag und damit die Bestätigung der Alltags- und Arbeitswelt, sondern die Unterbrechung des Alltags und Erhebung über den Alltag. Ein von Alltagsgeschäften und -zwängen freier, festlich begangener Tag gibt dem ständigen Fließen und Verfließen der Zeit erst Rhythmus und Orientierung; ohne Feste gäbe es keinen Kalender, sondern bloß unstrukturiertes Weiterfließen der Zeit, Langeweile und Routine. Zum Fest gehört die Feier mit Musik, Tanz, Mahl, Umzügen, Aufführungen, festtägliche Kleidung u. a. Auf solche Feste ist jede soziale Gruppe zu ihrer sozialen Identität angewiesen. Feste schaffen außerdem eine soziale Ausnahmesituation, in der vieles gestattet und möglich ist, was sonst versagt und verboten ist (Entspannungs-, Ventil-, Kompensationsfunktion). Die Unterbrechung der Zeit ist urspr. religiös begründet. Das Fest ist die Feier der Gegenwart des Heiligen, heilige Zeit. Der Mythos vergegenwärtigt im Kult den Ursprung, das Fest schafft kollektives Gedächtnis, erneuert den Sieg des Lebens über das Chaos und den Tod und sichert so den künftigen Bestand des Lebens und der Welt. Feste sind deshalb Geschenk und Wohltat der Götter; sie werden darum mit Dankopfer und Dankgebeten begangen. In diesem tieferen Sinn ist das Fest demonstrierte Lebensbejahung, im letzten Zustimmung zur Welt und zum Leben.

2. Der christliche Sonntag

Der Sonntag (S.) nahm das Erbe der alttestamentlich-jüdischen Sabbatfeier in sich auf. Diese ist Teilhabe und Vorgeschmack der Sabbatruhe Gottes, auf die hin die Welt geschaffen ist (Gen 2,2 f.; Ex 20,8–11); auch er hat eine kosmische Bedeutung. Er ist Gedächtnis der Befreiung vom Joch der Sklaverei in Ägypten (Dtn 5,12–15). Beides wird im AT zudem in seiner sozialen und humanitären Bedeutung als Wohltat auch für Sklaven und Fremde wie für das Vieh gesehen. Letztlich ist der Sabbat Zeichen des Bundes (Ex 31,12–17; Ez 20,20) und bei den Propheten Vorfeier des verheißenen neuen Exodus (Jes 43; 49). So kann die Sabbatfeier einfach als Wonne bezeichnet werden (Jes 58,13). Im Judentum wird der Sabbat bis heute mit teilweise bis in die Zeit des babylonischen Talmud zurückgehenden Bräuchen begangen.

Bei Jesus kam es schon früh zum Konflikt mit einer legalistischen Auslegung des Sabbatgebots: „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat.“ Dieser Konflikt um die christliche Freiheit wurde zum Grund der Verurteilung Jesu (Mk 2,23–28; 3,1–6). Die urchristliche Gemeinde feierte den S. als ersten Tag der Woche als den Tag der Auferstehung Jesu und des Anfangs der neuen Schöpfung. Als der Herrentag (Offb 1,10) wurde er schon früh durch gemeinsame gottesdienstliche Feier begangen (Apg 20,7; Did 14,1; Barn 15,9; Ign. Magn. 9,1; Iust. 1 apol. 67,3–7; Plin. epist. 10,96).

Im Zusammenhang der Ausbreitung der heidenchristlichen Großkirche hat die Feier des S.s die Sabbatfeier verdrängt. Sie ist als Feier des Pascha-Mysteriums und als „kleines Osterfest“ konstitutiv für die christliche Identität. Als Herrentag ist der S. zugl. Tag des Menschen, Tag der Freude und der Muße (SC 106). Er ist als institutionalisiertes Nein zu einem rein immanentistischen Verständnis des Lebens und der Kultur wie ihrer einseitig ökonomischen Vereinnahmung; er soll den Blick offen halten für das Notwendige, für Gott und den Nebenmenschen. So ist er eine Wohltat und ein Gnadengeschenk.

3. Christliche Feiertage

Das Christentum übernahm vom Judentum einen reichen Festkalender, den es ebenso wie manche urspr. heidnische Feste um- und neuinterpretierte. Die jüdischen wie christlichen Feiertage (F.) dienen der vergegenwärtigenden Erinnerung der Heilsereignisse und dem hoffenden Ausblick auf die neue Schöpfung. Im Mittelpunkt des christlichen Kirchenjahrs steht die Feier von Passion und Auferstehung Jesu Christi, die zum Osterfestkreis ausgestaltet wurde (österliche Bußzeit mit den heiligen drei Tagen, österliche Zeit von Ostern bis Pfingsten). Daneben trat der Weihnachtsfestkreis (Advent, Weihnachten, Erscheinung des Herrn). Zu den Christusfesten kamen schon bald die Feste der Heiligen, bes. die Marienfeste und später sog.e Ideenfeste (Dreifaltigkeits-, Fronleichnams-, Christkönigsfest u. a.). Die Ostkirchen konzentrieren das Kirchenjahr noch stärker um die Feier von Ostern. Ökumenisch steht heute die Einigung auf einen gemeinsamen Ostertermin im Vordergrund.

Die Reformation reduzierte die Feste im Wesentlichen auf die Christusfeste und rückte dabei den Karfreitag in den Mittelpunkt. Schon die nachtridentinische Reform hat die Zahl der Heiligenfeste beschnitten; das Zweite Vatikanische Konzil brachte eine einschneidende, auf das Wesentliche bedachte Neuordnung (SC 102–111), welche den Bischöfen bzw. Bischofskonferenzen weitgehende Anpassungen an die örtlichen Gegebenheiten erlaubte (cann. 1244 f. CIC/1983).

Das Kirchenjahr ist eine Deutung und Strukturierung der Zeit und der Geschichte von Jesus Christus her und auf ihn hin, die offen ist auf den Bund Gottes mit den Völkern. Sie steht heute in Konkurrenz mit anderen Geschichtsdeutungen und anderen Einteilungen der Geschichte (Geschichte) wie mit einer heute weithin säkularisierten und individualisierten Festzeitpraxis und Feierkultur.

4. Sonntags- und Feiertagsheiligung

In den ersten Jahrhunderten geschah die Heiligung des S.s durch die Eucharistiefeier; sie wurde durch die Synode von Elvira (306) zur S.s-Pflicht. Kaiser Konstantin machte 321 den S. zum öffentlichen Ruhetag. Im Fränkischen Reich wurde die knechtliche Arbeit verboten, was als Kirchengebot bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil weiterwirkte. Nach Thomas von Aquin ist es der Sinn des S.s, dass der Mensch eine gewisse Zeit frei ist für Gott und die geistliche Erneuerung in Gott (STh II-II, 122,4). Das nachkonziliare Kirchenrecht schreibt die Teilnahme an der Messfeier und die Enthaltung von Tätigkeiten vor, die den Gottesdienst, die dem S. eigene Freude oder die Geist und Körper geschuldete Erholung behindern (can. 1247 CIC/1983). Falls die Teilnahme an der Feier der Eucharistie nicht möglich ist, wird möglichst die Teilnahme an einem Wortgottesdienst, sonst eine Zeit des persönlichen Gebets, des Gebets in der Familie oder in Familienkreisen empfohlen (cann. 1248 f. CIC/1983).

Die Reformatoren legten Wert auf das Hören und Studium des Wortes Gottes. In der puritanischen Tradition wird die absolute S.s-Ruhe betont. V. a. im außerdeutschen Raum ist heute in den reformatorischen Kirchen die sonntägliche Eucharistiefeier zunehmend die Regel.

Durch die moderne Säkularisierung, Individualisierung und Pluralisierung, die Industrialisierung und die Dominanz ökonomischer Gesichtspunkte (Arbeitszeit), das heutige Freizeit-Angebot und durch den Tourismus sind die christlichen S. und F. in der Gefahr, verdrängt oder zum bloßen Wochenende, zur Gelegenheit für Ausflugs und Sportveranstaltungen u. a. zu werden und ihres theologischen und anthropologischen Sinns beraubt und gleichzeitig zum Anlass für neue Zwänge unserer Erlebnisgesellschaft zu werden. Ein bedauerlicher Bruch mit der Tradition war die Empfehlung der ISO, einer Unterorganisation der UNO, ab 1.1.1970 den S. als letzten Tag der Woche zu betrachten.

Angesichts dieser u. a. Gefährdungen veröffentlichten die DBK und der Rat der EKD 1984 ein „gemeinsames Wort“: „Den Sonntag feiern“ und 1988 eine gemeinsame Erklärung „Unsere Verantwortung für den Sonntag“. Dem gleichen Zweck dient das Apostolische Schreiben von Johannes Paul II. „Dies Domini“ „über die Heiligung des Sonntags“ (1998). Die Bewahrung und Erneuerung der S. und F. als gemeinsame und öffentlich begangene Feiern, die der Gottesverehrung wie der Freude und Muße, der Freiheit von Zwängen, der Gemeinschaft in der Familie, dem Dienst am Nächsten wie der Ruhe, der Entspannung und Erholung dienen, ist eine der wichtigsten kulturpolitischen und pastoralen Aufgaben, damit eines der segensreichsten Kulturgüter nicht einseitig ökonomischen Gesichtspunkten geopfert wird.

II. Rechtlich

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Sonntage (S.) und Feiertage (F.) als Ausdruck sozialer Zeitstrukturen sind Regelungsthema sowohl auf Bundes- als auch Landesebene. S. und F. sind dabei nicht ausschließlich religionsverfassungsrechtlich konnotiert, sondern allg. Ausdruck kultureller Selbstbeschreibung. Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV spricht durchaus prosaisch von Tagen der „seelischen Erhebung und der Arbeitsruhe“ und verkoppelt demnach Religiöses mit Profanem. Dem religiösen Sinngehalt des S.s wie der meisten F. treten säkulare Dimensionen gleichberechtigt an die Seite, die dem Schutz von Ehe und Familie genauso dienen wie der körperlichen Unversehrtheit oder der effektiven Wahrnehmung der Vereinigungsfreiheit und das S.s- und F.s-Recht i. S. eines Grundrechtsvoraussetzungsschutzes profilieren. Gleichwohl ist der verfassungsrechtliche S.s-Schutz das deutlichste „konstantinische Erbe“ im geltenden Religionsverfassungsrecht und Ausdruck der christlichen Kulturprägung. Dadurch, dass das S.s- und F.s-Recht Gegenstand verfassungsrechtlicher Regelungen ist, wird die „gewisse zeitliche Synchronisierung des sozialen Lebens in Verfassungsrang erhoben“ (Morlok 2018: Rdnr. 11). Während der S. als siebter Tag der Woche (DIN 1355) zeitlich fest genormt ist, gestaltet sich das F.s-Recht im föderalen Gefüge ungleich vielfältiger.

1. Sonntag als Verfassungsprinzip

Durch die Rechtsprechung des BVerfG erfährt der S.s-Schutz eine wesentliche Aufwertung, die aus der ehedem bloß institutionell-objektiven Garantie eine durchaus schneidige Rechtsposition insb. in der Hand von Kirchen und Gewerkschaften macht (vgl. BVerfGE 125,39). S.s-Öffnungen sind nur nach einem vom BVerfG näher vorgespurten Regel-Ausnahme-Gebot zulässig. Die mit der Föderalismusreform 2006 intendierte Liberalisierung vom Bundes-Ladenschlussgesetz zu Landesladenöffnungsgesetzen erfährt damit gewisse Restriktionen. Recht weitgehende S.s-Öffnungen insb. in touristischen Destinationen (sog.e Bäder-Regelungen) drohen immer wieder den Charakter der S. unter dem Vorwand der Wirtschaftsförderung und des „Shopping-Interesses“ der Touristen beträchtlich auszuhöhlen. Aber auch andere, bspw. anlassbezogene Öffnungsoptionen erweisen sich für den S. als Störpotential. Die mittlerweile ausgedehnte S.s-Rechtsprechung stößt immer wieder auf Kritik, und die gelingende Balancierung der widerstreitenden Interessen und Rechtspositionen mit dem Ziel, den sonntäglichen Charakter zu schützen, erweist sich als rechts- wie religions- bzw. gesellschaftspolitische Herausforderung. Grundsätzlich kann unterschieden werden zwischen Arbeit „für den S.“ und Arbeit „trotz des S.s“. Erstgenanntes dient der Verwirklichung von Nachfrageinteressen der Bürger, um den S. genießen zu können, während die Arbeit trotz des S.s insb. die Tätigkeit in sozialen Dienstleistungseinrichtungen (Pflege, Krankenhaus), Feuerwehr und anderen Trägern der Daseinsvorsorge umfasst. Hier stellen sich ggf. arbeitsrechtliche Probleme, die bspw. im ArbZG geregelt sind.

2. Feiertagsrecht

Das F.s-Recht als „kulturelles Identitätselement“ (Häberle 1987) bedarf der konstitutiven Ausformung durch den Gesetzgeber. Er muss durch F.s-Gesetze eine „chronopolitische“ Entscheidung treffen, welche Tage als F. anerkannt werden. Die meisten F. sind religiös konnotiert, einige politisch (z. B. 1. Mai, Tag der Deutschen Einheit). Art. 139 WRV schützt nicht einzelne F., sondern v. a. das Institut der öffentlichen F. Mit Ausnahme etwa des 3. Oktober (gesamtstaatlicher Tag der Deutschen Einheit), für den der Bund kraft Natur der Sache die Gesetzgebungskompetenz besitzt, ressortiert das weit überwiegende F.s-Recht bei den einzelnen Bundesländern. Die Zahl der F. variiert zwischen diesen und reicht von neun bis zu 15 Tagen, wobei es regionale Unterschiede gibt, da das F.s-Recht u. U. an die konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung (Konfession) anknüpft. Nachdem zum Reformationsjubiläum 2017 der 31. Oktober als Reformationstag bundesweit als einmaliger F. begangen wurde, haben inzwischen mehrere Bundesländer den 31. Oktober dauerhaft als F. eingeführt. Auch über andere neue F. wird zur Zeit verstärkt nachgedacht. Das F.s-Recht kann sich auf die F. nicht-christlicher Religionen erstrecken. So sind schon seit längerem jüdische F. anerkannt, zunehmend werden auch islamische F. berücksichtigt (z. B. Bremen, Hamburg, Baden-Württemberg). Die Anerkennung als gesetzliche F. hat zur Folge, dass diese Tage grundsätzlich arbeitsfrei sind (§ 9 Abs. 1 ArbZG) und die Entgeltfortzahlung ausgelöst wird (§ 2 EntgeltfortzahlungsG). Neben der Anerkennung als gesetzliche F. werden einzelne F. als sog.e stille F. bes. geschützt, mit dem Ziel, dass der Charakter und die Würde dieser Tage nicht gestört werden dürfen. I. d. R. wird dies unter dem Schlagwort „Tanzverbot“ zusammengefasst, betrifft aber auch Sportveranstaltungen u. a. Gerade der Karfreitag als Tag eines bes.n Stilleschutzes ist angegriffen worden, weil dieser staatliche Schutzauftrag andere Versammlungen und Aktivitätsformen übermäßig beschränke. Das BVerfG hat 2016 den bes.n Stilleschutz von bestimmten F.n grundsätzlich anerkannt, aber auch gefordert, dass der Landesgesetzgeber Ausnahmeregelungen vorsehen müsse (BVerfGE 143,161). Das vom BVerfG mit Art. 139 WRV im Hinblick auf potentiell widerstreitende Grundrechte Dritter postulierte Abwägungskonzept erfährt Kritik. Immer wieder lassen sich Gesetzesinitiativen beobachten, die den „ernsten Charakter“ der stillen F. durch tageszeitliche Spezifizierungen einzuschränken suchen. Zwar darf der Gesetzgeber Änderungen sozialer Lebens- und Arbeitsbedingungen berücksichtigen, doch lassen sich allein aus sozio-demographischen, religionssoziologischen Veränderungen keine zwingenden Schlüsse auf Schutzadäquanz und Bestandsnotwendigkeit dieser F. ziehen.