Social Media

Version vom 8. Juni 2022, 08:07 Uhr von Staatslexikon (Diskussion | Beiträge) (Social Media)
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Der Ausdruck S. M. (deutsch: Soziale Medien) ist ein Sammelbegriff für diverse Angebote auf der Basis von digital vernetzten Technologien, die dazu dienen, Informationen aller Art leicht zu erstellen, verfügbar zu machen (zu „teilen“) und zu rezipieren, sowie in diesem Zusammenhang soziale Beziehungen einzugehen, zu pflegen oder zu verändern. Medien sind in gewissem Sinne zwar immer sozial, da sie stets an menschlichen Kommunikationen und Interaktionen beteiligt sind. Mit dem Begriff S. M. wird aber insb. in Abgrenzung zu Massenmedien wie Zeitungen, Fernsehen und Radio hervorgehoben, dass mit den S. M. konkrete und leicht erreichbare Möglichkeiten für die eigene Beteiligung an Informationserstellung, -verteilung und -veröffentlichung zur Verfügung stehen. Zudem schaffen S. M. vielfältige ortsunabhängige Interaktionsmöglichkeiten und bilden soziale Beziehungen ab. Dies wirkt sich dann auch auf die Informationsrezeption aus. Der Begriff S. M. zielt auf dieses bes. und neuartige Verhältnis von Information, Beteiligung und Beziehung auf der Basis von vernetzten digitalen Technologien (Vernetzung). Im Detail kann dieses Verhältnis in den diversen S. M.-Angeboten unterschiedlich gestaltet sein. Beispiele für S. M. sind Myspace, Facebook, Twitter, YouTube, WhatsApp und Instagram.

1. Entwicklung und Gattungen

Ab den 1990er Jahren etablierte sich das Internet neben den Massenmedien Zeitung, Radio und Fernsehen. Zudem bot das Netz immer mehr Möglichkeiten der zwischenmenschlichen Kommunikation und mehr oder weniger komplexen Mensch-Maschine-Interaktionen. Die Bezeichnung Web 2.0 Mitte der 2000er Jahre steht für einen damaligen Qualitätssprung von Webanwendungen, der v. a. (software-)technisch induziert war, aber auch soziale Fortschrittsgedanken (Fortschritt) formulierte und auf ökonomische Veränderungen abzielte. Weitere Innovationen wie immer bessere ortsgebundene und mobile Breitbandverbindungen, leistungsfähige Computer, Smartphones und Cloud-Services sind bis heute Treiber der Entwicklung.

Man kann (analytisch, nicht trennscharf) vier Gattungen unterscheiden: Plattformen, persönliches Publizieren, Sofortnachrichten bzw. persönliche Kommunikation und Wikis. Plattformen bieten Nutzern Infrastruktur für Kommunikation. Auf sozialen Netzwerkplattformen (Social Network Sites [ Soziale Netzwerke ]) wie Facebook können Nutzer ein Profil erstellen, und sich mit anderen Nutzern („Freunden“) verbinden. Die dadurch öffentlich gemachten sozialen Beziehungen sind die Basis sowohl für die interpersonale Kommunikation als auch für die Rezeption, Erstellung und Verbreitung von Informationen aller Art. Neben diesen „sozialen Netzwerken“ finden sich in dieser Gattung noch Diskussionsplattformen (Foren) und Content Plattformen. Letztere, wie z. B. YouTube und Instagram, bieten die Möglichkeit, eigene und selbst erstellte Inhalte zu veröffentlichen, Inhalte anderer zu kommentieren und zu „liken“ (Videos, Rezepte, Bilder, Präsentationen usw.).

In der Gattung persönliches Publizieren steht mehr ein einzelner Autor im Fokus. Z. T. erlauben die Dienste einen größeren Einfluss der Urheber auf die Kommunikationsinfrastruktur, wie etwa bei den Weblogs. Microblogging-Dienste wie Twitter weisen eine größere Nähe zu Netzwerkplattformen auf. Varianten des Personal Publishing sind Podcasts oder Videocasts.

Die zeitlich unmittelbare Kommunikation zwischen zwei oder mehr Personen steht in der Gattung Sofortnachrichten bzw. persönliche Kommunikation im Mittelpunkt. Diese Dienste wie WhatsApp, Signal oder Threema verbinden Merkmale von Netzwerkplattformen, Chaträumen und SMS-Funktionen. Sie sind meistens textbasiert, zur Unterstützung der Kommunikation werden visualisierte Emotionen (Emojis) verwendet. In der letzten Gruppe der Wikis (z. B. Wikipedia) steht die gemeinsame und verteilte Arbeit an Wissensbeständen im Mittelpunkt.

Studien über die Verbreitung zeigen, dass S. M. gesellschaftlich etabliert und für einen Großteil der Bevölkerung regelmäßiger Bestandteil von Information, Kommunikation und Interaktion geworden sind. Hinzu kommt, dass S. M. als Werbeflächen hochattraktiv sind und auch traditionelle Medien, Institutionen und Professionen S. M. als „Kanäle“ nutzen. S. M. berühren „Praktiken des alltäglichen Informationsverhaltens, der kulturellen Teilhabe und der Beziehungspflege genauso wie die Arbeit professioneller Kommunikatoren in Journalismus, Politik oder PR“ (Taddicken/Schmidt 2017: 19). Damit sind sie für das Alltagshandeln im Hinblick auf Politik, Wissen und Orientierung, aber auch hinsichtlich Überwachung und Kontrolle hoch relevant.

2. Alltagsrelevanz

Kontaktpflege, das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, das Verlangen nach Unterscheidung in einer sozialen Gruppe, Selbstverwirklichung, die Steuerung des Bildes, das andere von mir haben (Selbstpräsentation, Identität), usw. – sowohl die aktive Beteiligung an S. M. z. B. über das Posting eines Instagram-Bildes als auch die nur lesende oder schauende Teilnahme sind stark durch soziale Motive geleitet. Unklar ist, ob die Effekte der S. M. auf zwischenmenschliche Beziehungen und die individuelle psychische Gesundheit positiv oder negativ zu beurteilen sind. Studien zeigen, dass Nutzer recht reflektiert mit den sozialen, beziehungsorientierten Möglichkeiten umgehen. Digitale Technologien, so die empirische Forschung, unterstützen die Pflege von Beziehungen effizient und ermöglichen es den Menschen, ihre Kommunikation an unterschiedliche Beziehungsarten anzupassen. Daneben werden aber auch negative Situationen wie Mobbing beeinflusst und unter Umständen verstärkt (z. B. Cybermobbing). Pädagogisch und ethisch wird erkennbar, dass gerade für Jugendliche und weniger gut gebildete Erwachsene eine gewisse Kompetenz im Umgang mit der Identitäts- und Beziehungsdimension der S. M. notwendig ist.

Neben dem Blick auf (inter)personale Möglichkeiten spielen die S. M. in der Organisationskommunikation (Werbung, Marketing, PR) und in der Unterhaltung eine bedeutende Rolle. Zivilgesellschaftliche, staatliche und wirtschaftliche Organisationen bemühen sich um Aufmerksamkeit in den S. M. Vor allem ökonomisch und im weitesten Sinne ideologisch ist die Kombination aus Beziehungsrelevanz und Information attraktiv. Positiv wichtig ist dies etwa für die Bildungs- und Erinnerungsarbeit (bspw. S. M.-Arbeit von Gedenkstätten). V. a. aber für die strategische Kommunikation entstehen eine Reihe von ethischen Fragen. In der Unterhaltung sind Content-Plattformen wie YouTube relevant, die Marketing, Unterhaltung und Beziehungselemente kombinieren und durch Algorithmen andauernd passende Inhalte vorschlagen und so hohe Attraktivität bes. bei Jugendlichen erzielen.

3. Politische Relevanz

S. M., dabei bes. soziale Netzwerkplattformen und der Microblogging Dienst Twitter, sind politisch hoch relevant, weil sie mittlerweile ein wichtiges Element der Informationsverbreitung, des teil-öffentlichen Austauschs über Politik und der gezielten Ansprache durch strategische Kommunikation und Journalismus sind. Dies hat Auswirkungen auf Meinungsbildung, politische Willensäußerung, sowie auf andere Formen von politischer Beteiligung (Partizipation) bis hin zum Protest.

Einschätzungen über die Veränderungspotentiale der Politik und der politischen Systeme sind ambivalent. Hoffnungen auf deutliche Demokratisierungseffekte sind abgeflaut. Eher hat sich die „Normalisierungsthese“ durchgesetzt, nach der sich etablierte Machtverhältnisse früher oder später auch in den S. M. reproduzieren. Aber auch für gegenteilige Befürchtungen über eine Bedrohung des politischen Systems und der Demokratie lassen sich kaum eindeutige Befunde finden. Drei Elemente dieser Bedrohungen werden bes. diskutiert und erforscht: Fragmentierung der Öffentlichkeit (Echokammern, Filterblasen), politische Polarisierung und Desinformation (Fake News). Obwohl z. T. entspr.e Effekte in kleinerem Ausmaß empirisch nachgewiesen werden können, bleibt der Schluss auf direkte Auswirkungen auf die Politik höchst unsicher. Die gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen sind eher indirekt, kontextabhängig und in verschiedenen Gesellschaftsgruppen unterschiedlich.

Positiv lassen sich Belege dafür finden, dass die Nutzung mit Vertrauen und politischem Interesse einhergeht und dass S. M. politische Kampagnenmöglichkeiten etwa für zivilgesellschaftliche Akteure (Zivilgesellschaft) bieten, die als neue Beteiligungsmöglichkeiten verstanden werden können. S. M. verändern die Öffentlichkeit strukturell. Die den klassischen Theorien der Öffentlichkeit eigene Asymmetrie zwischen journalistischen Medien als Sendern und Bürgern als Lesern bzw. Zuschauern wird aufgebrochen. So können mit Hilfe der S. M. politische Akteure journalistische Medien umgehen und sich direkt an Bürger wenden. In der Medienethik wird überlegt, ob mit dem Bedeutungsverlust journalistischer Medien diskursive Qualität öffentlicher Kommunikation verloren geht. Zugl. können Bürger leicht aus der Zuschauerrolle heraustreten und sich als Kommunikatoren an der öffentlichen Debatte beteiligen.