Sakrament

Der theologische Begriff S. bezieht sich in heutiger Verwendung auf eine konfessionell unterschiedlich bestimmte Zahl von kirchlichen Zeichenhandlungen. Religionswissenschaftlich betrachtet gehören die S.e zu jenen religiösen Riten, die durch Rekurs auf eine transzendente Wirklichkeit der Initiation, der Bewältigung von biographischen Übergangssituationen und der Begründung von Gemeinschaft dienen. In diesem Horizont ist für die christliche S.en-Theologie ein geschichtsbezogenes Verständnis der göttlichen Zuwendung (Gnade) charakteristisch. Im Rückgriff auf die jüdische Kultur des Gedenkens (v. a. im Paschafest) verstehen sich christliche S.e als Gedächtnishandlungen, in denen die in Jesus Christus konkret gewordene Selbstmitteilung Gottes sich auf die gegenwärtig Glaubenden bezieht, um deren Leben in der Gemeinschaft mit dem dreieinen Gott zu erneuern, die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden aufzubauen und in die Gegenwart einen Vorschein künftiger Vollendung einzustiften.

1. Geschichte

Im altkirchlichen Sprachgebrauch umgriff der weit gefasste Begriff mysterion bzw. sacramentum Zeichen in der ganzen biblisch bezeugten Geschichte Gottes mit den Menschen sowie das umfassende Heilshandeln Gottes in Jesus Christus. Bereits in der Antike unterschied sich das im liturgischen Vollzug wurzelnde Verständnis der Mysterien im Osten von dem an rechtlichen Fragen interessierten Denken des Westens, wo in der Folge des donatistischen Streites die Tendenz bestand, sich an Minimalbedingungen der gültigen S.s-Feier zu orientieren. Im Umbruch von der Antike zum Mittelalter kam es in der westlichen S.en-Theologie unter dem Einfluss dinghafter Religiosität zu einer starken Identifikation zwischen den sichtbaren Zeichen und ihrem Gehalt. Die Scholastik suchte ausgewogenere Klärungen mittels aristotelischer Kategorien. Die hier entwickelte Theorie floss in lehramtliche Festlegungen hinsichtlich von Zahl und Gestalt ein (1274 Konzil von Lyon; 1439 Konzil von Florenz, Dekret für die Armenier; 1547 Konzil von Trient), die in der römisch-katholischen Kirche zum großen Teil bis heute maßgeblich sind. Die Reformatoren (Reformation) grenzten sich von der stark verrechtlichten S.s-Praxis der mittelalterlichen Kirche ab, indem sie die Bindung der S.e an die Verkündigung hervorhoben, ihre Zahl reduzierten und eine objektivistische Fixierung der Wirksamkeit der S.e zugunsten einer Betonung des Glaubens ablehnten.

Neuere Theologien machen philosophische sowie religions- und humanwissenschaftliche Forschung (z. B. Kommunikationstheorien) zu Zeichen und Ritus für das Verständnis der individuell-anthropologischen und sozialen Bedeutung der S.e fruchtbar. Sie verstehen S.e anthropologisch und theologisch im größeren Ganzen einer durch Zeichen strukturierten Lebens- und Glaubenswelt und widmen vermehrt der liturgischen Feier Aufmerksamkeit. Nicht zuletzt in ökumenischem Interesse versucht man, Engführungen der Theologiegeschichte aufzubrechen.

2. Systematische Reflexion

Im Leben der Kirchen gelten die S.e als Zeichenhandlungen, die mit einer bes.n göttlichen Verheißung im Blick auf die Teilhabe an Jesus Christus im Heiligen Geist verbunden sind. Für ihre Identifizierung spielt die Begründung im neutestamentlich bezeugten Handeln Jesu von Nazaret und in der Praxis der neutestamentlichen Gemeinde eine zentrale Rolle (Einsetzung durch Christus). Daraus erklärt sich der Rang von Taufe und Eucharistie als Haupt-S.e, da diese Vollzüge durch den Rekurs auf das letzte Mahl Jesu mit dem Gedächtnisauftrag (vgl. v. a. Lk 22,19; 1 Kor 11,24 f.) bzw. auf die Taufpraxis der Urgemeinde (vgl. Apg 2,38) biblisch gut fundiert sind. Andere Zeichenhandlungen – Firmung (orthodox: Myronsalbung), das S. der Versöhnung (Buße), Krankensalbung, Ordination, Ehe, S. des Sauerteigs (altorientalische Kirchen) – sind als solche oder in ihrem Status als S.e zwischen den Kirchen umstritten.

Diese Differenzen relativieren sich, wenn die im Westen scholastisch fixierte Siebenzahl der S.e in die größere Vielfalt religiöser Vollzüge zurückgebunden wird. So sind Wort (das auf der Heiligen Schrift basierende Verkündigungswort) und S. gleichermaßen Heilsvollzüge. Auch lassen sich S. und andere Segenshandlungen (Sakramentalien) nicht scharf voneinander abheben. Der allg.e S.en-Begriff kann zudem nicht übersehen lassen, dass damit sehr unterschiedliche, geschichtlich starken Veränderungen unterworfene Einzel-S.e zusammengefasst werden. Darüber hinaus versteht die römisch-katholische Theologie die Kirche (Katholische Kirche) als S., insofern sie „Zeichen und Werkzeug“ des Heilshandelns Gottes ist (LG 1).

In gnadentheologischem Interesse betont die S.en-Theologie den Vorrang des göttlichen Heilswirkens gegenüber der menschlichen Antwort. In traditioneller Begrifflichkeit wird die Heilswirkung auf den vollzogenen Ritus als solchen (opus operatum) zurückgeführt. V. a. bei den unwiederholbaren S.en geht es dabei auch um die Rechtssicherheit, die durch eine Orientierung am Glauben oder an der Würdigkeit des S.en-Spenders oder -empfängers Einbuße erfahren würde. Eine rein instrumentale Bestimmung der S.e eignet sich jedoch nicht, um die dialogische Begegnung und Beziehung zwischen dem sich frei schenkenden Gott und den sich glaubend dafür öffnenden Menschen zum Ausdruck zu bringen. Die Reformatoren betonten darum stärker die Rolle des Glaubens. Überkonfessionell bevorzugt die neuere S.en-Theologie personale Kategorien. Der philosophische Gabediskurs eröffnet Perspektiven für das Verständnis der im S.s-Geschehen frei und bedingungslos gegebenen Heilswirklichkeit, die sich doch in einer gelebten Annahme entfalten will.

Zentrales Thema der S.en-Theologie ist die symbolhafte Doppelstruktur, die mit einem sichtbaren Zeichen einen nicht direkt wahrnehmbaren Gehalt göttlicher Zuwendung verbindet. Je nach kulturellem Kontext rekurriert die Theologie auf Zeichentheorien, um das Verhältnis von Gehalt und Zeichen (Urbild – Abbild, Typos – Antitypos, ressignum/sacramentum, Signifikat – Signifikant) zu klären. Unterschiedliche Ansätze von S.en-Theologie (auch konfessioneller Art) ergeben sich nicht zuletzt aus der Frage, wie Zeichen und Gehalt zusammenzuschauen bzw. zu unterscheiden sind und inwiefern das Zeichen einen effektiven Charakter hat. Eine Engführung auf das dinghafte Zeichen ist zu überwinden, indem die leibhaftig-konkrete Zeichenhandlung in ihrer Feiergestalt und damit ihrer Bindung an das Wort sowie an das Gebet der kirchlichen Gemeinschaft (mit bes.r Bedeutung der Herabrufung des Heiligen Geistes [Epiklese]) betrachtet wird.

Rechtliche Festlegungen haben ihre Wurzel in der Vergewisserung überregionaler Gemeinschaft und der damit verbundenen Frage nach den Voraussetzungen einer communicatio in sacris (Gemeinschaft im Heiligen). Die Frage nach den Voraussetzungen sakramentaler Gemeinschaft stellt heute eines der dringendsten Problemfelder der Ökumene dar. Typische Felder des S.en-Rechtes sind Klärungen für die als unwiederholbar geltenden S.e (z. B. Taufe), Bestimmungen hinsichtlich der für die Vorsteherschaft der Feier notwendigen Vollmachten bzw. der für den Empfang relevanten Voraussetzungen (z. B. Freiwilligkeit bei Taufe und Ehe) sowie Rechtsfolgen. Während das Recht einerseits den Sinn der S.e schützt, geht eine starke Verrechtlichung nicht selten mit weitgehender Kontrolle einher. In der Praxis der Kirchen sind rechtliche, theologische und pastorale Gesichtspunkte zu vermitteln, was nicht selten zu Kontroversen über die S.s-Disziplin führt.