Südostasien

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1. Geographie, Klima und Bevölkerungen

Der Begriff S. wurde im Rahmen des Zweiten Weltkrieges für die Region östlich von Indien und südlich von China geprägt. Geographisch können zwei Gebiete unterschieden werden. Zum einen der Festlandbereich mit den Ausläufern des Himalaya, den großen Flüssen (Irawadi, Salween, Mekong) und Ebenen. Zum zweiten der Inselbereich (Indonesien, Philippinen) entlang dem durch Vulkane gebildeten südwestlichen Feuerring. Das Klima ist durchgehend tropisch und vom Monsun geprägt. Bes. die Flussebenen und Deltagebiete gelten als Reisschüsseln Asiens und der Welt.

S. wird oft als Randbereich der indischen und chinesischen Hochkulturen angesehen, was sich in älteren Begriffen wie Hinterindien, Indochina oder Niederländisch Indien ausdrückt. Daraus ergibt sich die Frage, ob man überhaupt von einer Region im kulturellen Sinne sprechen kann. S. ist durch eine extreme kulturelle Vielfalt gekennzeichnet. Alle Weltreligionen sind vertreten, alle Kolonialmächte hatten Kolonien in der Region und die Vielfalt der ethnischen Gruppen spiegelt sich in der Vielfalt der zu ganz unterschiedlichen Familien gehörenden Sprachen. Einwanderungen aus Indien und China fanden parallel zum Seehandel entlang der maritimen Seidenstraße und zu den Gewürzinseln ab 900 statt. Ein Problem S.s war immer der Mangel an Arbeitskraft durch die niedrige Bevölkerungsdichte. Die Kriege der vorkolonialen Staaten dienten auch der Beschaffung von Arbeitskraft durch Kriegsgefangene und Flüchtlinge. Im Rahmen des kolonialen „Coolie“-Handels ab der zweiten Hälfte des 19. Jh. wurde dieses Defizit über Migration aus Indien und China reduziert. Beides erhöhte die kulturelle Vielfalt innerhalb der Territorien.

Heute leben auf etwa 4,5 Mio. Quadratkilometern etwa 660 Mio. Bewohner. Die Bevölkerungsdichte liegt bei 136 Personen pro Quadratkilometer. Allerdings gibt es Gebiete wie bes. Java (1 121 pro Quadratkilometer), in denen die Dichte bei weitem höher ist. In der gesamten Region findet eine Migration vom Land in die Städte statt. Durch die Eingemeindung anderer Städte und den Bau von Subzentren sind die Hauptstädte städtische Agglomerationen. In Kuala Lumpur (Klang Valley Metropolis) leben acht, in Bangkok (Greater Bangkok Metropolis) und Manila (Greater Manila Metropolis) zehn bis 13 und Jakarta (Jabodetabek) mehr als 30 Mio. Einwohner. Diese Zentralisierung hat weitreichende politische Folgen.

2. Vorkoloniale Staaten, Kolonialismus und Unabhängigkeit

Die ersten Staaten entstanden ab dem 7. Jh. Basierend auf dem transasiatischen See- und Gewürzhandel (maritime Seidenstraße) bildete sich an der Straße von Melaka das Handelsreich Srivijaya mit Städten als Handelsstützpunkte. Etwa zur gleichen Zeit entstand aus kleineren politischen Einheiten das v. a. auf der Landwirtschaft (bewässerter Reisanbau) basierende hinduistische Khmer-Reich. Einige Jahrhunderte später bildete sich am Irawadi das buddhistisch geprägte, ebenfalls auf der Landwirtschaft basierende Reich von Pagan. In diesen frühen Reichen galten indische Staatskonzepte. Hinduismus (Angkor) und Buddhismus (Pagan) bildeten die Herrschaftsreligionen gegenüber dem Animismus der bäuerlichen Bevölkerung. Aus diesem Grunde wurden die Staaten auch als indianisiert oder sanskritisiert bezeichnet. Im 11. Jh. wurde Srivijaya durch die Chola, ein südindisches Reich, zerstört. Im 13. Jh. verfiel das Pagan-Reich und etwa ein Jahrhundert später fand das Khmer-Reich ein Ende. Der Verfall dieser antiken Großreiche führte zur Fragmentierung und Bildung mehr oder weniger feudaler Stadtstaaten. In gewisser Hinsicht bilden die Staaten in Java Mataram und Majaphahit eine Ausnahme. Sie dominierten Java und Teile des späteren Indonesien. Im Vergleich zu den antiken Großreichen haben sie allerdings eine eher kleinere auf Indonesien begrenzte Bedeutung, auch wenn der Borobodur Tempel als eine der größten Anlagen weltweit noch heute beeindruckt.

Im Festland S.s dauerte es bis ins 15. Jh. bis wieder neue Reiche entstanden wie Siam und Burma. Vietnam war bis ins 10. Jh. eine Provinz Chinas. Invasionen fanden regelmäßig statt. Staatskonzepte basierten auf chinesischen Vorbildern, ebenso wie die Schrift. Dem entspricht auch, dass der Staat nach den regierenden Dynastien benannt wurde. Der Name Vietnam etablierte sich erst im frühen 19. Jh. In den Philippinen blieb die Staatsbildung begrenzt.

Während sich von den Handelsstädten nur wenige Reste finden, beeindrucken die umfangreichen Tempelanlagen als exemplarische, kosmologische Zentren der Reiche noch heute. Tempelanlagen dienten nicht nur religiösen Zwecken, sondern waren Verwaltungs- und Handelsorte. Die exemplarischen Zentren als kosmologische Weltzentren waren wichtig, denn Grenzen der Reiche waren nicht definiert. So konnte sich jedes größere politische System in einem Tal als „Weltreich“ definieren.

Im frühen 16. Jh. eroberten die Portugiesen die wichtige Handelsstadt Malakka. Dies diente dazu, den Ost-West- und den Gewürzhandel zu dominieren. Dominanz des Gewürzhandels war auch das Motiv der Holländer, die kurze Zeit später in der Region aktiv wurden. Als die Spanier vom Pazifik kommend die Region erreichten, konnten sie zwar die Philippinen besetzen und den Silberhandel mit Mexiko (Acapulco-Manila Silberroute) etablieren, doch blieb ihr Einfluss sehr begrenzt. Franzosen und Engländer waren kaum präsent. Tatsächlich kann diese Phase nicht als Kolonialismus im eigentlichen Sinne bezeichnet werden. Das Interesse der Europäer war der Handel, den die Kompagnien aber gegenüber den einheimischen, indischen, persischen, arabischen und chinesischen Händlern nie dominieren konnten.

Der eigentliche Kolonialismus setzte in der zweiten Hälfte des 19. Jh. ein. Es ging nicht mehr um den Handel von Weltmarktgütern durch die Handelskompagnien, sondern um deren Produktion auf Plantagen. Das wiederum erforderte den Aufbau einer Infrastruktur und eine territoriale Verwaltung, ebenso wie die Etablierung eines Gewaltmonopols durch Militär und Polizei. Diese Aufgaben überstiegen die Möglichkeiten der Handelskompagnien. Die Kolonialstaaten wurden relevant. Um den Bedarf an Arbeitskräften für Plantagen, Minen und den Bau der Infrastruktur zu befriedigen, wurde die Migration aus Indien und China gefördert. Neben der Kolonialwirtschaft weitete sich der Kleinhandel v. a. in den Städten massiv aus und bot vielen Migranten neue Möglichkeiten, da die einheimische Bevölkerung v. a. auf dem Lande als Bauern lebte. Neben den europäischen Banken, die bes. im Ex- und Import involviert waren, bildeten sich informelle Institutionen wie Geldverleiher, Pfandhäuser, Unternehmer, die den Geldtransfer in die Heimatländer organisierten, usw. Nach der Unabhängigkeit gingen daraus einige der einheimischen Banken hervor wie z. B. die Bangkok Bank. In Burma, das bis 1936 als Teil Indiens verwaltet wurde, wurde v. a. die südindische Kaste der Cheddiars als Geldverleiher bekannt. Die Dominanz der Wirtschaft durch Einwanderer (Inder und Chinesen) führte zu Ressentiments und Diskriminierungen.

Siam, das heutige Thailand, ist eine Ausnahme, da es nicht direkt kolonisiert wurde. König Rama V. (Chulalongkorn), der von 1868 bis 1910 regierte, verfolgte mit Verwaltungsreform und dem Bau von Eisenbahnen und Wirtschaftsreformen eine Entwicklungspolitik, im Rahmen derer das Land ähnlich den Kolonien transformiert wurde. Damit konnten die wirtschaftlichen Interessen der Kolonialunternehmen befriedigt, und die kostspielige Etablierung einer kolonialen Verwaltung vermieden werden.

Benedict Richard O’Gorman Anderson weist auf Parallelen zwischen Siam und den indirekt kolonialisierten Staaten hin. Indirekt kolonialisierte Staaten waren im britischen System Staaten an der Peripherie der Kolonien, die weitgehend autonom unter einheimischer Führung blieben. Dem Herrscher stand ein britischer „Berater“ zur Seite, der dafür sorgte, dass die wirtschaftlichen Interessen durchgesetzt wurden und der zudem die Verbindungen zu anderen Staaten insb. der Kolonialverwaltung regelte. Der Vorteil war, dass damit eine kostspielige Kolonialverwaltung eingespart werden konnte, die wirtschaftlichen Interessen aber gewährleistet wurden.

Die japanische Besatzung der Region im Zweiten Weltkrieg ist ein wichtiger Einschnitt. Die Europäer spielten in der Verwaltung und Wirtschaft keine Rolle mehr. Sie wurden durch Japaner und Einheimische ersetzt. Das Militär war aufgelöst und die Polizei von Einheimischen organisiert. Indonesien und Burma wurden als unabhängig bezeichnet, aber im Rahmen der Großostasiatischen Wohlstandssphäre vom japanischen Militär beherrscht.

Nach dem Weltkrieg bildeten sich Unabhängigkeitsbewegungen, deren Grundlage oftmals von den Alliierten unterstützte Guerillaverbände (Guerilla) waren. Als erster Staat wurden die Philippinen 1946 selbstständig, gefolgt von Burma 1948. Mit der Unabhängigkeit und dem Attentat auf Aung San und andere führende Politiker löste sich in Burma die gemeinsame Front der Unabhängigkeitskämpfer (30 Genossen) auf. Hinzu kamen Konflikte mit den Minderheiten. Im Ergebnis entstand ein Bürgerkrieg, in dem ethnische und politische Milizen gegeneinander kämpften. Indonesien folgte 1949 nach einer Phase sehr gewalttätiger Auseinandersetzungen mit bis zu 200 000 Toten. In Indochina endete der Unabhängigkeitskrieg mit der Niederlage der Franzosen in Dien Bien Phu 1954. Im Rahmen der Verhandlungen in Paris wurden Vietnam (geteilt in Nord- und Süd-Vietnam), Kambodscha und Laos 1955 unabhängig. Auch dieser Krieg war durch Gewalt und Massaker gekennzeichnet. Insgesamt waren die Auseinandersetzungen um Unabhängigkeit der Staaten S.s die gewalttätigsten dieser Art.

Die Etablierung der Unabhängigkeit Malayas war kompliziert. Zum einen waren die als Staatsvolk definierten Malaien selbst eine Minderheit. V. a. in Singapur waren fast dreiviertel der Bewohner Chinesen. Ostmalaysia (Sabah und Sarawak) gehörte erst seit 1946 zur Kolonie. Nur wenn diese Gebiete einbezogen wurden, ergab sich ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Malaien, Chinesen und Indern. So wurde in einem ersten Schritt die Föderation Malaya 1957 als Verbindung vierer gleichwertiger Mitglieder geschaffen: Malaya (West-Malaysia), Singapur, Sarawak und Sabah (Ost-Malaysia). 1965 verließ Singapur die Föderation. Noch heute haben Sabah und Sarawak Sonderrechte.

In fast allen neuen Staaten entstanden mit der Unabhängigkeit separatistische Bewegungen (Separatismus). In Indonesien konnten die Auseinandersetzungen in Sumatra und auf den Molukken bis auf Aceh schnell befriedet werden In Aceh kam es erst nach dem Tsunami 2004 zu einem Abkommen. Im Sulu-Archipel der Philippinen sind die Islamische Befreiungsfront der Moros und deren Ableger wie Abu Sajaf (Islamismus) noch heute aktiv. In Südthailand besteht seit langem ein Konflikt mit malaiisch islamischen Gruppen. In Myanmar (seit 1989 offizieller Name von Burma) flammen immer wieder gewalttätige Konflikte mit den Minderheiten (Karen, Shan, Chin und Kachin) auf.

Der Kolonialismus hat die Multikulturalität der „pluralen Gesellschaften“ (Furnivall 1948: 304) verstärkt und durch die Etablierung der indirekten Herrschaft sowie von Sonderrechten für bestimmte ethnische Gruppen (Divide et impera-Politik der Briten) formalisiert. Dadurch, dass alle Kolonialmächte in der Region aktiv waren, haben sich unterschiedliche Muster der Verwaltung des post-kolonialen Staates gebildet. Trotz der kulturellen und politischen Heterogenität sowie der unterschiedlichen politischen Systeme lassen sich Prozesse der Herrschaft und Staatsbildung ausmachen, die mehr oder weniger gleichzeitig die Staatsentwicklung in der Region prägten.

3. Staatsbildung nach der Unabhängigkeit

Nach der Unabhängigkeit lassen sich drei Phasen der Staatsbildung unterscheiden. Wie in vielen anderen ehemaligen Kolonien war die erste Phase durch charismatische Führer gekennzeichnet. Am bekanntesten sind Sukarno, erster Präsident Indonesiens von 1947 bis 1965 und Ho Chi Minh, Präsident Nord-Vietnams von 1945 bis 1969. Obwohl Thailand nicht kolonialisiert wurde, ist die Phase nach der Abschaffung der absolutistischen Monarchie 1932 durchaus vergleichbar. Lee Kuan Yew gilt als charismatischer Gründer des modernen Singapur. Allerdings weist er selbst in seiner Autobiographie darauf hin, dass Lim Chin Siong und Lee Siew Choh die Massen sehr viel mehr beeindruckten. Erst nachdem diese beiden 1963 vor den Wahlen verhaftet wurden, setzte sich Lee Kuan Yew als Führer der Peoples Action Party (PAP) durch, die bis heute die Politik des Landes bestimmt. Myanmar ist eine Ausnahme, da der charismatische Führer der Unabhängigkeitsbewegung Aung San 1947 ermordet wurde. Sein Nachfolger U Nu (Premierminister Burmas von 1947 bis 1962) versuchte sein begrenztes Charisma durch Religiosität zu kompensieren und etablierte den Buddhismus als Staatsreligion. Das wiederum verstanden die christlichen Minderheiten (Kachin, Chin, Karen) als Diskriminierung.

Charisma wurde deswegen so bedeutend, weil Wirtschaft und Verwaltung als integrative Rahmen der multikulturellen, pluralen Gesellschaften mit der Unabhängigkeit wegfielen bzw. eingeschränkt wurden. Die wichtigsten Unternehmen waren entweder ausländische oder von Ausländern dominiert Betriebe, bzw. mit dem Kolonialismus verwobene Kompradoren. Weiterhin wurde die Wirtschaft von Indern (Myanmar) und Chinesen dominiert, die als Einwanderungsethnien eng mit dem Kolonialismus verbunden waren. Zwar kam es nach der Unabhängigkeit zu einem Bürokratisierungsschub, doch blieb mit Ausnahme Malaysias und Singapurs, die erst in den 60er Jahren volle Unabhängigkeit erreichten, der Grad der Professionalisierung begrenzt. Die vormals von Ausländern bekleideten höheren Positionen wurden von Personen besetzt, deren Hauptqualifikation darin bestand, Leiter von Milizen und Gruppen im Unabhängigkeitskrieg gewesen zu sein. Durch die kulturelle Vielfalt (indigene Minderheiten und Migrations-Minderheiten) fehlte eine nationale Kultur, bzw. implizierte die Kreation einer nationalen Kultur basierend auf der Mehrheitsethnie die Diskriminierung anderer. Separatistische Bewegungen, die teilweise bis heute bestehen, wurden dadurch forciert. Im Ergebnis wurde lange verhandelt, wer überhaupt als Bürger des Landes gilt. Diese Problematik besteht in Myanmar noch heute in Bezug auf die Rohingya. In Indonesien wurde die Panchasila als Staatsideologie mit dem Konzept der „Einheit in der Vielfalt“ als Grundlage entwickelt. Statt einer systemischen politischen Integration basierte die Politik auf personalisierter Herrschaft. In Burma zeigte sich dies deutlich in der Panglong-Konferenz (1947), wo die Minderheiten bereit waren, für mindestens zehn Jahre Teil der Union of Burma zu werden. Das basierte auf ihrem Vertrauen in Aung San als kommenden Premierminister. Als Aung San aber 1947 ermordet wurde, entfiel dieser persönliche Bezug. Die Vereinbarungen wurden obsolet, was wiederum zu separatistischen Auseinandersetzungen führte.

Mitte der 60er Jahre standen die auf Charisma basierenden politischen Systeme vor einer Krise. Die nationalistisch ausgerichtete wirtschaftliche Entwicklung stagnierte. Sowohl ethnisch begründete Konflikte als auch politische Konflikte zwischen Parteien bzw. politischen Gruppen nahmen zu. Oftmals überlagerte sich beides: in Indonesien z. B. im Konflikt zwischen der Kommunistischen Partei (PKI), Islamisten und dem Militär; in Burma in Konflikten mit den Minderheiten, aber auch den „Weiße Fahne“- oder „Rote Fahne“-Kommunisten. In Singapur und Malaysia gab es den „Ausnahmezustand“ angesichts des Guerillakrieges der kommunistischen Partei. Spannungen zwischen Malaien und Chinesen führten zu gegenseitigen Übergriffen, die in den Race Riots 1969 endeten. In dieser Situation kam es zur Ablösung der alten Führer durch Bürokraten und Generäle, bzw. wurden Bürokratie und Militär zu wichtigen politischen Faktoren.

Die zweite Phase seit den 70er Jahren ist die Transformation der politischen in bürokratisierte Systeme. Sie lässt sich mit Max Webers Argument der „Veralltäglichung des Charisma“ (Weber 1972: Bd. 1, 142) durch Bürokratisierung erklären. Basierend auf einer zunehmend effizienteren Verwaltung konnten Probleme der wirtschaftlichen Entwicklung und Pazifizierung durch Auflösung oder Einschränkung von Widerstandsgruppen wie den Kommunisten in Malaysia oder Separatisten in Indonesien, Thailand und Burma, oder durch die Kriegserfolge Nordvietnams gelöst werden. Damit wurden die Leiter der Verwaltung und des Militärs zunehmend politisch relevant und konnten die vorherigen Führer ablösen. Sukarno wurde 1965 durch General Haji Mohamed Soeharto ersetzt, U Nu 1962 durch General Ne Win, Ho Chin Minh 1965 durch die Parteisekretäre Le Duc Tho und Le Duan, Prinz Norodom Sihanouk 1970 durch General Lon Nol usw. Verwaltung ist jedoch anonym und bietet wenig Ansatzpunkte für Identifikation. Die personalisierte Politik setzte sich dadurch in modifizierter Form fort. Die Erfolge wurden weniger der Verwaltung als den politischen Führern zugesprochen bzw. stilisierten diese sich selbst als Retter der Länder. Personalisierung blieb also i.  S. einer „Charismatisierung“ der politischen Führer durch die Verwaltung bestehen.

Diese Phase von den 70er Jahren bis zur Asienkrise 1997 war durch relative politische Stabilität gekennzeichnet. In Indonesien ebenso wie Malaysia und Singapur hatten sich mehr oder weniger Ein-Parteien-Systeme ausgebildet. Regelmäßig fanden Wahlen statt, in denen die Regierung bestätigt wurde. Die insgesamt sechs Militärputsche in Thailand führten zu keiner großen Veränderung und waren mit Ausnahme von 1976 (Massaker an der Thammasat Universität) und 1992 weitgehend gewaltlos. In den Philippinen bestand von 1972 bis 1986 das Kriegsrecht unter Ferdinand Edralin Marcos. Nach dem Attentat auf Benigno Simeon Aquino jun. 1983 kam es zu Demonstrationen; F. E. Marcos verließ das Land. Indochina war noch durch den Krieg und seine Folgen (Rote Khmer) geprägt.

Durch die wirtschaftliche Entwicklung in den 80er, v. a. aber 90er Jahren bildete sich eine Mittelschicht. Neue erfolgreiche Unternehmer kamen hinzu. Mit den Mittelschichten nahmen Forderungen nach Rechtstaatlichkeit und Demokratisierung zu.

Die Asienkrise 1997 löste die dritte Phase aus. Als internationale Kredite nicht mehr zurückgezahlt werden konnten und die Wechselkurse verfielen, nahm die Verschuldung noch zu. Um die Kurse zu stabilisieren, mussten die Zinsen stark erhöht werden, so dass Kredite noch weniger bedient werden konnten. Die Regierungen versuchten, die mit ihnen verbundenen Cronies auf Kosten der Mittelschichten zu erhalten, was zu Legitimationsverlusten führte. Die Wirtschaftskrise wurde zur politischen Krise. H. M. Soeharto trat zurück, ebenso wie Chavalit Yongchaiyudh, der Premierminister Thailands, wo eine neue relativ liberale Verfassung verabschiedet wurde. Anwar Ibrahim übernahm temporär die Regierungsgeschäfte von Tun Mahathir bin Mohamad in Malaysia und nutzte die Krise, um seine Cronies gegen die alten Eliten aufzubauen. Anfangs spielten die Parteien der Mittelschichten eine große politische Rolle in den betroffenen Ländern. Allerdings kam es bald zu einer Konsolidierung der alten Eliten. Tun Mahathir bin Mohamad wurde wieder aktiv als Premierminister und Anwar Ibrahim verhaftet. In Thailand vertrat Thaksin Shinawatra die Interessen der Mittelschichten. Als sein Einfluss zu stark wurde, kam es 2006 zu einem Militärputsch, und die relativ liberale Verfassung von 1997 wurde abgelöst. Aber erst mit dem Putsch 2014 und der Verfassung von 2017, die einen durch das Militär ausgewählten Senat vorsieht, konnte sich die alte Elite weitgehend konsolidieren. In Indonesien besetzten nach einer Übergangsphase dem Militär nahestehende Premierminister (Susilo Bambang Yudhoyodo 2004–14; Joko Widodo seit 2014) die Regierungsposten. Die Legitimationskrise besteht weiterhin und führte entweder zur Entwicklung autoritärer Regimes wie in Thailand seit dem Putsch von 2014 oder der Dominanz durch konservative Parteien wie in Indonesien. Malaysia ist eine gewisse Ausnahme. Die seit der Unabhängigkeit regierende Nationale Koalition (Barisan Nasional) verlor die letzten Wahlen. Damit wurde Tun Mahathir bin Mohamad, der von 1981 bis 2003 der Regierung der Nationalen Koalition vorgestanden hatte, wieder Premierminister, diesmal allerdings aus der Rolle des Oppositionsführers.

Die Prozesse in Myanmar sind nur schwer nachvollziehbar. Zur Verblüffung vieler Beobachter setzte 2010, zwei Jahre nach der gewalttätigen Niederschlagung der Proteste der Mönche, eine Öffnung des Landes ein. Das Militär war bereit, die totale Herrschaft aufzugeben. Ein Grund könnte die Unterentwicklung im Vergleich zu den anderen Staaten sein. 2015 fanden Wahlen statt, die von der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) gewonnen wurden. Dort gibt es mit Aung San Suu Kyi, der Tochter Aung Sans, wieder eine eher charismatische Führerin. Der Grund ist, dass Myanmar wieder vor ähnlichen Problematiken steht wie nach der Unabhängigkeit. Die zivile Verwaltung unterstand seit 1962 (Putsch von General Ne Win) direkt dem Militär. Für den Aufbau einer von diesem unabhängigen Verwaltung fehlt professionelles Personal. Die wirtschaftliche Entwicklung wird u. a. dadurch beschränkt, dass es nur wenige Unternehmen gibt, die nicht mehr oder weniger eng mit dem Militär verbunden waren und sind. Daher werden viele Reformen nicht oder nur sehr schleppend umgesetzt.

Vergleichende Betrachtung der gegenwärtigen politischen Systeme zeigt, dass nur in den Philippinen, Malaysia und Singapur mehr oder weniger dauerhafte demokratische Systeme bestehen. Dort gibt es mehrere Parteien und regelmäßige Wahlen. In Singapur hat sich jedoch ein eher dynastisches System herausgebildet mit Lee Hsein Loong, dem Sohn Lee Kuan Yews, als Premierminister seit 2004. Kennzeichen aller Staaten ist eine starke und politisch relevante Verwaltung, die relative Stabilität, v. a. aber Kontinuität gewährleistet. Die Wirtschaft wird (inzwischen auch in Myanmar) von Tycoons dominiert, die in einer speziellen Verbindung zu Verwaltung, Militär und Politik stehen. Auf dieser wirtschaftlichen und politischen Grundlage basieren ganz unterschiedliche politische Systeme. Die Philippinen entsprechen am meisten einer Demokratie. Singapur und weniger ausgeprägt Malaysia können als patrimoniale Demokratie mit regelmäßigen Wahlen und etabliertem Rechtsstaat bezeichnet werden. Die Legitimation beruht auf wirtschaftlichem Erfolg und vergleichsweise hohem Lebensstandard. Patrimonialismus gilt auch für das deutlich autoritärere System in Kambodscha unter Hun Sen. Trotz demokratischer Tendenzen durch Parteienpluralität und regelmäßige Wahlen ist das Militär in Indonesien und Myanmar politisch sehr einflussreich, was weitergehende Demokratisierung und Rechtstaatlichkeit behindert. In Thailand hat sich seit dem Putsch 2014 eine autoritäre Militärdiktatur durchgesetzt. Die Politisierung der Gerichte und Rechtsorgane führt zur Aufweichung von Rechtstaatlichkeit und zu sogenannten „doppelten Standards“. Auch die Wahlen 2019 haben die Dominanz des Militärs und die Politisierung des Rechts kaum eingeschränkt. In Vietnam und Laos bestimmt die Politik weiterhin die Kommunistische Partei. Liberalisierung und weitergehende Demokratisierung sind für die nächste Zukunft in keinem dieser Länder zu erwarten.

4. Überlagerungen zwischen Staat und Wirtschaft: Tycoons und Cronies

Eine der Maßnahmen zur Überwindung der Wirtschaftskrise in den 60er Jahren war die Förderung einheimischer Unternehmen durch Lizenzen, Monopole usw. So entstand das sogenannte Tycoon oder Crony Business, d. h. die Verbindung von Bürokraten und Politikern mit Unternehmern, die für beide profitabel war. Wegen des politischen Stellenwerts von Bürokratie und Militär spielten interne Auseinandersetzungen zwischen Cliquen und Fraktionen eine beträchtliche Rolle. In Malaysia und Singapur, ähnlich auch in Vietnam, bestehen Cliquen in der führenden Partei oder Koalition. Um Machtpositionen zu erreichen, müssten Patronage-Netzwerke geschaffen werden. Da die Mittel dafür nicht innerhalb der Bürokratie oder Politik erworben werden können, ist mehr oder weniger indirektes wirtschaftliches Engagement notwendig; entweder durch Staatsunternehmen und Staatsmonopole wie früher in Thailand und Indonesien oder als Verbindung zwischen Unternehmen und Politik. Tycoons erhielten Lizenzen, Monopole usw., die Reichtum garantierten, während Bürokraten, Militärs oder Politiker Finanzressourcen zufielen, durch die Patronage-Netzwerke finanziert werden konnten. D. h., bürokratische und politische Positionen waren ein Instrument, sich wirtschaftliche Ressourcen anzueignen bzw. zu kontrollieren; umgekehrt konnten wirtschaftliche Ressourcen als politische Mittel genutzt werden. Basierend auf der gegenseitigen Abhängigkeit etablierte sich in den 70er Jahren eine aus Bürokraten, Militärs, Politikern und Unternehmern bestehende, diversifizierte post-koloniale Elite. Gleichzeitig kam es zu trickle down-Effekten, so dass diese Form der Herrschaft als legitim anerkannt wurde. Um trotz divergierender Interessen einen Zusammenhalt der Elite zu schaffen war ein personalisiertes Zentrum notwendig, wie in Indonesien die Familie von H. M. Soeharto, in Burma General Ne Win, in Thailand der König und in Singapur und Malaysia der Premierminister. Nur in diesen beiden letzten Staaten bildete ein Politiker das Zentrum, d. h., dass dort politische Entscheidungen von Politikern im Parlament (Parlament, Parlamentarismus) getroffen wurden und werden. In den anderen Ländern trifft die Elite außerhalb der Parlamente und teilweise gegen die Regierungen Entscheidungen, für die aber die Politiker verantwortlich gemacht werden. Thailand ist ein extremes Beispiel. Ist die Elite negativ von Entscheidungen der Regierung betroffen, was unter Thaksin Shinawatra (2001–06) häufiger der Fall war, macht das Verfassungsgericht darauf aufmerksam, dass diese Entscheidung nicht mit der Verfassung vereinbar ist. Die Verwaltung weist darauf hin, dass solche Entscheidungen nicht implementiert werden können. Intellektuelle sehen die Kultur gefährdet, und Generäle denken öffentlich über einen Putsch nach. In Kambodscha entwickelte sich unter Hun Sen (seit 1997 Premierminister) ein ähnliches System mit ihm als Zentrum. Offensichtlich waren diese Politiken erfolgreich. Die Länder der Region galten in den 90er Jahren als Tigerstaaten.

Die sozialistischen Staaten weichen von diesem Muster ab. In Myanmar setzte sich das Militär als unumschränkte Macht durch. Die Wirtschaft wurde sehr eng geregelt. Die Versorgung basierte zunehmend auf Schmuggel. So konnte zwar Reichtum erworben, aber nicht im Land investiert werden, so dass keine Unternehmerschicht oder -gruppe entstand. Große Teile dieses durch Schmuggel erworbenen Reichtums wurden entweder für die Finanzierung von Milizen verwendet oder den Tempeln gespendet, die damit ihre Wohlfahrtsaktivitäten finanzierten. In Vietnam setzte erst mit der Doi-Moi-Politik (ab 1986), mit der Einführung der Marktwirtschaft, eine wirtschaftliche Erholung ein.

5. Aktuelle politische Fragen

5.1 Neue Seidenstraße

China versucht eine engere ökonomische Bindung mit der Region zu erreichen. Dafür soll die Infrastruktur (Eisenbahnen, Straßen) massiv ausgebaut werden. Zu den Plänen gehört der Bau eines Hafens und Ölterminals in Kyaukpyu, Rakhine verbunden mit einer Pipeline und Straße nach Yunnan; eine Expressbahnverbindung von Kunming, Yunnan nach Singapur. In Thailand und Malaysia sind Industriegebiete geplant, ebenso neue Städte in Malaysia.

Diese Großvorhaben führen zu massiven Spannungen. Die Infrastruktur wird v. a. von chinesischen Unternehmen und Arbeitern geschaffen und über chinesische Kredite an die Länder finanziert. Kritisiert werden die einseitige Kreditvergabe, teilweise zu höheren als den internationalen Zinsraten, dass so gut wie keine einheimischen Firmen in Planung und Bau involviert sind, sowie fehlende Sensibilität gegenüber einheimischen Befindlichkeiten. Die in Myanmar geplante Pipeline führt durch den Kachinstaat und löste erneut bewaffnete Unruhen aus. Eine in Malaysia geplante Stadt war z. B. primär für Chinesen vorgesehen usw. Nach der Wahl von Tun Mahathir bin Mohamad 2019 war einer der ersten Schritte die Kündigung aller Verträge. China ist ebenso ein Investor v. a. in Apartments und touristische Infrastruktur in Thailand und Kambodscha, wo Touristen aus China den bei weitem größten Anteil an Reisenden ausmachen. Weiterhin werden die Märkte von chinesischen Waren geflutet, mit denen die einheimischen Unternehmen kaum konkurrieren können. Langfristig gilt das als Gefahr des Verlustes von Souveränität.

5.2 Konflikt um die Spratly Inseln

Die Atolle im südchinesischen Meer werden teilweise von Malaysia, den Philippinen, Vietnam, Taiwan und China beansprucht. Mit wenigen Ausnahmen handelt es sich um meist überflutete Riffe und Sandbänke, also eigentlich keine Inseln. Da weder Möglichkeiten für Landwirtschaft bestehen, noch Süßwasser vorhanden ist, gibt es auch keine dauerhafte Bewohnung. Allerdings ist dieses Seegebiet an einem der wichtigsten Seefahrtswege, beherbergt Fischereigründe sowie u. a. Ölvorkommen. 2002 wurde in Phnom Phen ein Vertrag zwischen den ASEAN-Außenministern (Vereinigung Südostasiatischer Nationen [ASEAN ]) getroffen, die Konflikte mit diplomatischen Mitteln auszuhandeln. 2012 hatte China einen Code of Conduct vorgeschlagen, der ebenfalls diplomatische Formen der Auseinandersetzung vorsah.

Schon 1988 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen China und Vietnam. China begann auf dem Johnson Riff Sand aufzuschütten, um Anlagen zu bauen, die offiziell zum Schutz der Fischer sowie für die Forschung vorgesehen waren. Allerdings wurden auch militärische Einrichtungen errichtet. 1994 besetzte China das von den Philippinen beanspruchte Mischief Reef. Seit 2013 wurden weitere Riffe ausgebaut, wodurch China seine Ansprüche über fast das gesamte Chinesische Meer ausweitet. Mit diesem Ausbau wird die ausschließliche Wirtschaftszone Chinas über fast das gesamte Südchinesische Meer ausgeweitet. 2016 entschied das internationale Schiedsgericht in Den Haag, dass die Atolle, rechtlich keine Inseln sind und als Riffe oder Sandbänke keinen seerechtlichen Anspruch begründen können. Allerdings akzeptiert China diese Entscheidung nicht und setzt seine Baumaßnahmen fort. In S. gilt dies als Machtdemonstration Chinas.