Religionsdelikte

1. Tatbestände

R. im engeren Sinne sind die Straftatbestände der §§ 166–168 StGB als „Straftaten, welche sich auf Religion und Weltanschauung beziehen“: Der Tatbestand der „Bekenntnisbeschimpfung“ in § 166 StGB erfasst die Beschimpfung des Inhalts religiöser oder weltanschaulicher Bekenntnisse (Abs. 1) sowie von im Inland bestehenden Kirchen, Religionsgesellschaften oder Weltanschauungsvereinigungen, ihrer Einrichtungen oder Gebräuche (Abs. 2); die Beschimpfung muss öffentlich bzw. durch Verbreitung von Schriften erfolgen und geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören. Der Straftatbestand des § 167 StGB betrifft die Störung der Religionsausübung in Gottesdiensten sowie die Verübung beschimpfenden Unfugs an einem dem Gottesdienst gewidmeten Ort. In § 167a StGB wird das Stören einer Bestattungsfeier unter Strafe gestellt und in § 168 StGB die Störung der Totenruhe. Im weiteren Sinne gehören zu den R.n auch solche Tatbestände, welche an religiösen Aspekten anknüpfen: Hierzu sind der Tatbestand des Missbrauchs kirchlicher Titel, Berufsbezeichnungen und Abzeichen in § 132a Abs. 3 StGB zu rechnen. Gleiches gilt für den Tatbestand des Völkermords, der sich in seinem Schutz u. a. auf religiöse Gruppen bezieht. Aufgrund ihres religiösen Charakters sind sakrale Gegenstände nach §§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 4, 304 StGB durch eine schärfere Strafandrohung bes. geschützt. Ebenso wird nach § 306a Abs. 1 Nr. 2 StGB das Inbrandsetzen von zum Gottesdienst bestimmten Gebäuden bes. schwer bestraft. Im Ordnungswidrigkeitenrecht (Ordnungswidrigkeiten) bestehen Bußgeldtatbestände hinsichtlich des Missbrauchs von Berufstrachten und -abzeichen religiöser Vereinigungen in § 126 Abs. 1 Nr. 2 OWiG sowie hinsichtlich der Nichteinhaltung von Regelungen der Sonn- und Feiertagsgesetze der Länder (Sonn- und Feiertage).

2. Schutzgüter

Ein religiös-weltanschaulich neutraler Staat (Kirche und Staat) kann sich religiöse Inhalte nicht dergestalt zu eigen machen, dass er die Befolgung religiöser Gebote sanktioniert, etwa i. S. eines Straftatbestandes der Gotteslästerung. Religiöse Inhalte können daher nicht Schutzgut des staatlichen Strafrechts sein (vgl. BVerfGE 24,236; 33,23; 39,1; 41,29), was sie aber nach vormaliger Fassung bis 1969 waren.

Nach heutigem überwiegenden Verständnis ist Schutzgut der R., wie sie im weltlichen Strafrecht geregelt sind, der öffentliche Frieden in seiner religiösen Dimension. Der öffentliche Frieden findet u. a. Ausdruck im allg.en Pietätsempfinden. Die Legitimität eines derartigen spezifischen Schutzes mit religiöser Dimension über den allg.en ohnehin vom Strafrecht für privates Eigentum und die private Ehre gewährten Schutz hinaus wird in der rechtspolitischen Diskussion immer wieder bezweifelt, andererseits aber teilweise auch als verfassungsrechtliches Gebot postuliert.

3. Praktische Bedeutung

Die praktische Bedeutung der Regelungen ist eher gering; Verurteilungen aufgrund der Begehung von R.n sind selten. Insb. die Religionsbeschimpfung steht häufig im Kontext satirischer Auseinandersetzung mit Religionen und Religionsgemeinschaften, wofür dann regelmäßig die Kunstfreiheit als Rechtfertigung bemüht wird (vgl. OVG Berlin-Brandenburg [BeckRS 2012, 55694]; VG Köln [BeckRS 2012, 50891]; VG Hamburg [BeckRS 2012, 47333]; VGH München [NJW 2011: 793]). Zugl. stellt das Erfordernis der Eignung der betreffenden Handlung zur Störung des öffentlichen Friedens eine hohe Hürde für die Strafverfolgung dar, deren Absenkung in verschiedenen Gesetzesinitiativen gefordert worden war. Praktische Probleme für § 168 StGB ergeben sich namentlich im Hinblick auf die Organspende von Toten.

Das österreichische (§§ 188–191 öStGB) und schweizerische Strafrecht (Art. 261, 262 SchwStGB) decken im Wesentlichen die gleichen Verhaltensweisen wie die §§ 166–168 StGB ab.

Zu den R.n nach Kirchenrecht s. Kirchenstrafen.