Regierungssysteme

1. Historische und typologische Grundlagen

Die Vielfalt heutiger R. gründet auf dem Modell des modernen Staates frühneuzeitlicher Herkunft, das nicht nur in Europa, sondern inzwischen weltweit dominiert. Im Zeitalter des Absolutismus entwickelte der Staat sich zum klar abgegrenzten Flächenstaat, der von seinem – zumeist monarchischen – Souverän bürokratisch-zentralistisch und unter Durchsetzung eines verlässlichen Gewaltmonopols regiert wurde. Mit dem Nationalismus trat dann die kollektive Identität der Bürgerschaft (Bürger, Bürgertum) als drittes Kernelement hinzu. Georg Jellinek hat diese Grundelemente des modernen Staates daher treffend mit der Begriffstrias Staatsgebiet, Staatsgewalt und Staatsvolk charakterisiert.

Amerikanische Unabhängigkeitsbewegung und Französische Revolution waren dann die entscheidenden Triebkräfte zur Demokratisierung von Staaten. Der Siegeszug der Volksherrschaft blieb aber nicht ungebrochen, sondern wurde – v. a. im frühen 20. Jh. – durch autokratische Gegenwellen (Samuel Huntington) gebremst. Moderne Diktaturen sind ohnehin oft als bewusste Gegenmodelle zur Demokratie konstruiert und nehmen gezielt deren Schwächen in den Blick. Das macht sie bes. gefährlich. Ein demokratisches „Ende der Geschichte“ (Fukuyama 1992) ist jedenfalls nicht garantiert.

Die Vielfalt moderner R. lässt sich seit Manfred Hättich auf dem Hintergrund dieser historischen Entwicklungslinien typologisch ordnen. Den liberalen demokratischen Verfassungsstaat zeichnet eine gewaltenteilige Herrschaftsstruktur (Verfassungsstaat), die konkurrierende politische Willensbildung (demokratisch) und sein begrenzter Gestaltungsanspruch (liberal) aus, was Freiheit und Gleichheit aller Bürger gleichermaßen garantiert (Gewaltenteilung). Diktaturen sind demgegenüber von monistischen Herrschaftsstrukturen und monopolisierter Willensbildung gekennzeichnet, die der autokratischen Führung und der systematischen Lenkung des gesamten Staatswesens dienen.

Diktaturen und Demokratien zerfallen wiederum in Untertypen. Erstere können in totalitäre und autoritäre Ordnungen unterteilt werden, wobei Totalitarismen durch den unbegrenzten Gestaltungsanspruch einer elaborierten politischen Ideologie gekennzeichnet sind. Autoritäre Diktaturen begnügen sich mit der Sicherung ihrer politischen Machtstrukturen. Demokratien unterscheiden sich hinsichtlich des Aufbaus ihrer Verfassungsordnungen: Präsidialsystemen mit einem direkt gewählten Staatsoberhaupt stehen die parlamentarischen R. gegenüber, in denen die Regierung nicht direkt vom Volk, sondern durch das Parlament konstituiert wird. Zwischen allen diesen Untertypen existieren Mischformen. Eine bunte Vielfalt konkreter Konfigurationen von R.n ist die Folge.

2. Totalitäre Diktaturen

Totalitäre Diktaturen (Totalitarismus) sind im internationalen Vergleich und in historischer Perspektive keineswegs häufig. Denn nur wenigen Diktaturen gelingt die Schaffung eines umfassenden politischen Bauplans gemäß den systematischen ideologischen Vorgaben. In vielen Autokratien – zumal wenn sie v. a. der Bereicherung ihrer Eliten dienen (Kleptokratie) – ist dies auch gar nicht beabsichtigt. Als explizit totalitär können im Grunde nur Theokratien und kommunistische sowie rassistische Diktaturen bezeichnet werden, weil alle drei Spielarten – als „Ideokratien“ – von Ideologien mit umfassendem politischen Wahrheits- und Gestaltungsanspruch geprägt sind.

Theokratien, etwa in Form des IS, nehmen eine extremistische Lesart ihrer Religion zur Grundlage, um damit sowohl Intoleranz im Inneren als auch die militante Bekämpfung anderer Religionen weltweit zu rechtfertigen. Solch theokratische R. beanspruchen den Status eines Gottesstaates, der auf einer metaphysisch-religiösen Legitimationsbasis ruht und keinerlei Zweifel an dieser duldet. Die systematische Unterdrückung von Opposition ist dann nicht nur gerechtfertigt, sondern lässt sich sogar als göttlicher Auftrag verstehen.

Kommunistische Diktaturen sind demgegenüber von marxistisch-leninistischen, maoistischen oder ähnlich gearteten Ideologien geleitet, die gleichermaßen unduldsam sind. Einer lange Zeit dominierenden Lesart der marxistischen Klassiker folgend, wird der Kommunismus zum notwendigen Ziel und Ende der politischen Geschichte (Geschichte, Geschichtsphilosophie) erklärt, weshalb es der Avantgarde der historisch fortschrittlichsten Klasse – nämlich der Arbeiterklasse – in Gestalt von aus Berufsrevolutionären bestehenden Kaderparteien obliegt, nach erfolgreicher Beseitigung des Kapitalismus die sozialistische Staatenwelt auf dieses kommunistische Ende hinzuführen. Auch hier besteht ein klarer Vernichtungsauftrag gegenüber Andersdenkenden, weil sie den Wahrheitsanspruch kommunistischer Ideologie bezweifeln und sich dem als notwendig erachteten Verlauf der Geschichte in den Weg stellen.

Nicht weniger intolerant sind rassistische Diktaturen (Rassismus). Sie haben nur andere inhaltliche Vorzeichen: Einem fehlerhaften Verständnis darwinistischer Evolutionsgedanken (Sozialdarwinismus) folgend, wird die Menschheitsgeschichte zum militanten Wettbewerb unterschiedlicher Rassen umgedeutet, an dessen Ende der Sieg der eigenen und die Vernichtung unterlegener Rassen zu stehen habe. In bes. großer Radikalität verkörperte dies v. a. der Nationalsozialismus.

3. Autoritäre Diktaturen

Der große Rest historischer und aktueller Diktaturen ist demgegenüber autoritären Charakters, verzichtet also auf eine umfassende ideologische Basis. Gleichwohl kommen auch diese Systeme nicht ohne eine gewisse politische programmatische Basis aus. Grob einer Systematik von Juan Linz folgend, lassen sich autoritäre Regime mit geringem, mittlerem und hohem programmatischen Gestaltungs- und insb. Modernisierungsanspruch (Modernisierung) unterscheiden. Letztere reichen in Form sog.er Mobilisierungsdiktaturen (z. B. italienischer Faschismus), von prätotalitären Systemen (z. B. Frühphase der NS-Herrschaft) oder von posttotalitären Ordnungen (z. B. Endphase der UdSSR) nahe an den Typ totalitärer Diktaturen heran, weil entweder eine Ideologie noch nachwirkt bzw. sich deren Macht gerade zu entfalten beginnt.

Am unteren Ende der Skala stehen die vielen Autokratien mit nur geringem Programm- bzw. Modernisierungsanspruch. Darunter fallen zum einen sog.e sultanistische Regime, die in erster Linie der Machtsicherung einer familiären Herrschaftselite dienen. Dieser schon von Max Weber popularisierte Begriff verweist auf die große historische Bedeutung dieses Autokratietypus, denn neben dem dynastisch legitimierten Osmanischen Reich fallen unter ihn auch viele vormoderne europäische Monarchien, weil die dortige Denkfigur des Gottesgnadentums oft mehr legitimatorische Kulisse als faktische Staatsraison war. Zum anderen gehören zu diesem Typ auch sog.e Kleptokratien von der Art des Mobutu-Regimes in Zaire, in denen – bisweilen auch ganz unverblümt – die persönliche Bereicherung der herrschenden Clique zum Staatszweck gerät. Damit geht allerdings auch eine ständige Gefährdung dieser Herrschaftsform einher, weil ihr eben eine inhaltliche Rechtfertigung fehlt.

Dazwischen liegt eine Vielfalt autoritärer Regime mit mittelstark ausgeprägtem Modernisierungsanspruch. Eher an deren unterem Ende stehen statisch konstruierte ständestaatliche Regime nach dem Muster der frühen Franco-Diktatur oder etlicher konservativer Militärregime: Ausgehend von einem kruden und zugl. historisch rückwärtsgewandten Staats- und Gesellschaftsverständnis bezwecken sie die korporatistische Formierung (Korporatismus) wie Zementierung einer überkommenen und zugl. als bewährt erachteten Standesstruktur (Ständestaat) der gesamten Gesellschaft. Als deren stabilisierender Schlussstein wird die jeweilige autoritäre Herrschaft definiert und gerechtfertigt.

Demgegenüber sind sog.e Entwicklungsdiktaturen nach dem Beispiel Ghanas unter Jerry Rawlings deutlich modernisierungsorientierter, ohne aber schon unter den ideologischen Vorzeichen prä- oder posttotalitärer Autokratien zu stehen. Bestenfalls existieren dazu Ansätze, wie etwa Juan Peróns „Dritter Weg“ zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Ähnliches gilt für viele Militärregime, die durchaus als „Retter der Nation“ mit Modernisierungsanspruch angetreten sind, ohne diesen programmatisch durchkonstruiert zu haben.

4. Präsidentielle Demokratien

Demokratische R. unterscheiden sich von autoritären R.n v. a. hinsichtlich des Verhältnisses der einzelnen Gewalten untereinander sowie der Muster politischer Legitimation. In präsidentiellen Demokratien nach dem Muster der USA werden Parlament und Regierung jeweils unmittelbar vom Volk gewählt. Beide Verfassungsorgane sind deshalb institutionell gewaltentrennend organisiert: Da jedes Organ über eine eigenständige politische Legitimationsbasis verfügt, ist weder ein Recht des Parlaments zur Abberufung der Regierung vorgesehen noch eine Kompetenz der Exekutive zur Parlamentsauflösung. Entspr. sind die beiden Kammern des Kongresses wie auch der Präsident für fixe Amtszeiten gewählt. Nur bei strafrechtlichen Verfehlungen, nicht aber aus politischen Gründen, kann der Präsident durch ein Impeachment aus dem Amt entfernt werden. Für den Einsatz dieses Instruments gibt es aber hohe Hürden.

Gleichwohl führt die wechselseitige institutionelle Unabhängigkeit von Kongress und Präsident nicht zu einer auch politischen Unabhängigkeit. Im Gegenteil nötigt das Prinzip von checks and balances Regierung und Parlament in Präsidialsystemen regelmäßig zur Kooperation bei entscheidenden politischen Aufgaben: Die Legislative besitzt monopolartige Rechte zur Verabschiedung von Gesetzesprojekten, während der Präsident am Ende des Gesetzgebungsprozesses (Gesetzgebung) über das Vetorecht verfügt. Umgekehrt wird der Exekutive in diesem Systemtyp oft ein eigenständiges, formelles Gesetzesinitiativrecht verweigert, weswegen der Präsident gerade bei eigenen politischen Gestaltungswünschen auf parlamentarische Kooperation angewiesen ist, nämlich auf Abgeordnete, die seine Vorlagen transportieren. Kooperation ist auch bei Personalentscheidungen nötig: Präsidiale Nominierungen bedürfen häufig der parlamentarischen Zustimmung. Deshalb ist schon bei der Auswahl von Kandidaten deren parlamentarische Mehrheitsfähigkeit vorab abzuklären.

Richard Neustadt hat dieses Szenario mit Blick auf die USA als „separated institutions sharing powers“ (1990: 29) gekennzeichnet und damit die politische Grundlogik präsidentieller Demokratien auf den Punkt gebracht: Sie leben von einer ausgeprägten Konkurrenz zwischen Legislative und Exekutive, die aber durch permanenten Kooperationszwang eingehegt wird. J. Linz glaubte darin wesentliche Konstruktionsmängel (perils of presidentialism) dieses R.s zu erkennen, denn in der Tat ist dessen Funktionsfähigkeit maßgeblich von gewaltenübergreifender Kooperationsbereitschaft abhängig: Abweichende politische Mehrheiten in Parlament und Regierung, die durch die separaten Wahlen jederzeit möglich sind, können nicht nur zu divided government, sondern bei Kooperationsverweigerung sogar zu einem politischen Stillstand (gridlock) führen. Folglich hängt es von der jeweiligen politischen Kooperationskultur ab, ob präsidentielle Demokratien reibungslos funktionieren oder nicht. Als „Hyperpräsidentialismus“ könnten sie u. U. auch in autoritäre Herrschaftsformen übergehen.

5. Parlamentarische Demokratien

Parlamentarische Demokratien nach englischem Vorbild sind ausgesprochen gewaltenverschränkend konstruiert. Hier existiert von vornherein nur eine einzige politische Legitimationskette: Das Volk wählt zunächst das Parlament, dieses bildet danach aus den eigenen Reihen die Regierung. Natürlich gibt es auch hier Spannungs- und Kooperationsmuster zwischen Legislative und Exekutive, doch sind diese ganz anderer Natur als in präsidentiellen R.n. Parlamentarische Regierungen können nämlich, ganz im Unterschied zu Präsidialregierungen, jederzeit durch ein politisches Misstrauensvotum des Parlaments gestürzt werden, weswegen die ständige Pflege des Zusammenhalts der parlamentarischen Mehrheit durch die Regierung von entscheidender Bedeutung ist. Schwierig wird dies – und kann dann sogar den Bestand des R.s gefährden – im Fall von nicht kooperationswilligen Vielparteienparlamenten bzw. von tiefgreifend zerstrittenen Koalitionsregierungen.

Allerdings erwachsen der Regierung in einem solchen gewaltenverschränkenden Szenario auch Vorteile. Erstens verfügen die Kabinettsmitglieder i. d. R. über ein Parlamentsmandat, das ihnen die direkte Einflussnahme auf den legislativen Entscheidungsprozess und insb. den Willensbildungsprozess in der eigenen Regierungsmehrheit ermöglicht. Solche Doppelmitgliedschaften sind im Unterschied zum gewaltentrennenden Präsidialmodell nicht nur rechtlich zulässig (Ämterkompatibilität), sondern sogar wünschenswert. Zweitens wird der Regierung – gleichsam zur Schaffung von politischer Waffengleichheit – oft ein Auflösungsrecht gegenüber dem Parlament eingeräumt, falls eine dauerhafte Kooperation zwischen Exekutive und Legislative nicht mehr möglich sein sollte. Das aber wirkt sich dem Parlament gegenüber bes. disziplinierend aus. Drittens fehlen die für Präsidialdemokratien üblichen Vetoszenarien: Ein grundsätzliches Vetorecht der Regierung gegenüber parlamentarischen Gesetzen ist unnötig, weil das Kabinett selbst zum Parlament gehört und den Legislativprozess – im Unterschied zum präsidentiellen R. – auch mit offiziellen Regierungsvorlagen steuert. Ebenso ist ein formelles parlamentarisches Veto gegenüber exekutiven Personalvorschlägen funktionslos, weil ja das Parlament selbst für die Zusammensetzung der Regierung zuständig ist, was freilich Verhandlungen nicht ausschließt.

Allerdings zeigt sich, dass die Funktionsfähigkeit parlamentarischer R. maßgeblich von günstigen politischen Gegebenheiten abhängt. Ohne ein stabiles und nicht allzu zersplittertes Parteiensystem sowie ohne eine kooperationsorientierte politische Kultur droht ihnen stets Instabilität, wovon nicht nur die Weimarer Republik, sondern etwa auch die Vierte Französische Republik zeugt. Problematisch können allerdings auch zu starke Mehrheiten werden, falls nämlich eine Einparteienregierung zum parteipolitischen „Durchregieren“ und zur Inkaufnahme von „Repräsentationslücken“ führt. In Großbritannien wird dies – wenn auch überzogen, doch mit wahrem Kern – als elective dictatorship charakterisiert: Wenn nämlich eine überstarke Regierung die eigene Parlamentsmehrheit fernsteuert, droht das demokratiesichernde Prinzip der checks and balances unweigerlich Schaden zu nehmen.

6. Mischformen

In der Vielzahl politischer Systeme in Vergangenheit und Gegenwart kommen die umrissenen Grundtypen diktatorischer und demokratischer R. kaum einmal in Reinform vor. Vielmehr weisen konkrete R. landesspezifische Eigenheiten auf oder stellen Mischformen zwischen den „reinen Typen“ dar. Die Abgrenzung zwischen totalitären und autoritären Diktaturen kann im Einzelfall strittig sein, und die Grenzen zwischen demokratischen und autoritären R.n sind ohnehin fließend. Wolfgang Merkel u. a. charakterisieren solche Grauzonensysteme als „defekte Demokratie[n]“ (2003/06), wobei dieser Begriff in der Forschung nicht unumstritten ist. Konkret wird zwischen vier Formen defekter Demokratien unterschieden: Exklusive Demokratien weisen Defizite bei den politischen Beteiligungsmöglichkeiten auf, sowohl bei den formellen Wahlen als auch bei sonstigen Partizipationsformen; illiberale Demokratien kennzeichnen sich durch Verletzung rechtsstaatlicher Standards; delegative Demokratien erkennt man an einem Machtüberhang der (meist präsidialen) Exekutive; in Enklavendemokratien stellen bestimmte Akteure (Militär, Guerillaorganisationen, organisierte Kriminalität etc.) das Gewaltmonopol des Staates offen in Frage. Diese Vielfalt möglicher Defekte macht obendrein deutlich, dass es in der Realität wohl kaum ein R. ohne Schwächen geben kann.

Doch auch unzweifelhaft demokratische R. weisen viele Mischtypen auf. Vielfach finden sich dort „zweiköpfige Exekutiven“, die präsidiale Elemente (Staatsoberhaupt) und parlamentarische Komponenten (Regierung) gleichermaßen umfassen: Das präsidiale Staatsoberhaupt ist dem Parlament dann meist politisch nicht verantwortlich und nur bei strafrechtlichen Verfehlungen aus dem Amte entfernbar, während die Regierung nach parlamentarischem Muster von der Legislative getragen ist und obendrein präsidialer Billigung bedarf.

Für die konkrete Typisierung solcher „hybrider Regime“ ist dann das konkrete Machtverhältnis zwischen beiden Exekutivkomponenten entscheidend. Dominiert der Staatspräsident, wie etwa in Argentinien, bleibt der Regierungschef samt Kabinett im Hintergrund, und ein präsidentielles R. mit parlamentarischen Komponenten ist die Folge. Umgekehrtes findet sich etwa in Deutschland, Italien und Spanien, wo die parlamentarisch legitimierte Regierung dominiert und das Staatsoberhaupt, gewählten oder monarchischen Charakters, v. a. subsidiäre Funktionen hat. Schließlich gibt es Systeme, in denen keine Komponente eindeutig dominiert, etwa das R. der Fünften Französischen Republik, welches Maurice Duverger als „Semipräsidentialismus“ (1980) charakterisierte. Die Dominanz des direkt gewählten Staatspräsidenten ist nämlich verfassungsrechtlich nicht alternativlos, sondern eher durch politische Tradition entstanden sowie einem fallweisen Zusammenpassen präsidialer und parlamentarischer Mehrheit zu verdanken. Sie verschwindet jedenfalls dann, wenn in Phasen einer sog.en Cohabitation ein Premierminister, getragen von einer zum Staatspräsidenten in Opposition stehenden Parlamentsmehrheit, zu diesem in offene Konkurrenz tritt.

7. Aktuelle Herausforderungen

Die Entwicklung dieser Systemvielfalt aus dem klassischen Territorialstaat der frühen Neuzeit ist auch für wesentliche aktuelle Herausforderungen moderner R. verantwortlich. Erstens sind R. bis heute klar territorial verortet und daher nur bedingt zur Regulierung grenzüberschreitender Probleme geeignet. Nicht zuletzt deshalb hat sich seit Beginn des 20. Jh. eine Vielzahl internationaler Organisationen gebildet, die einer grenzüberschreitenden Governance dienen sollen. Auch verstärkt sich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Entwicklung der EU der Trend, solche Organisationen supranational auszugestalten, also nicht nur mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit, sondern auch mit eigenen Kompetenzen auszustatten. Das klassische staatliche Gewaltmonopol wird dadurch mehr und mehr in Frage gestellt.

Zweitens wird zur Herausforderung, dass diese verschiedenen Regierungsebenen nicht bloß nebeneinander existieren, sondern durch vielfältige Kooperation zu sog.en Mehrebenensystemen verbunden sind. Für Bundesstaaten wie die USA oder auch Deutschland ist das im Grunde keine neue Erfahrung, denn dort sind regionale und nationale R. schon traditionell eng verflochten, bis hin zur Gefahr einer blockadeanfälligen „Politikverflechtungs-Falle“ (Scharpf 1985). Aber auf der supranationalen Ebene erzeugen solche Mehrebenensysteme bes. große Steuerungsprobleme, die an der EU mit ihren vielen Mitgliedstaaten gut erkennbar sind. Effektivität und Zukunftsfähigkeit nationaler R. hängen daher längst nicht mehr von den einzelnen Staaten selbst ab, sondern supranationales Recht gibt mehr und mehr vor, in welchem Korridor sie sich künftig entwickeln können. Das wird dann seinerseits zu einer großen Herausforderung für das Funktionieren von Demokratie, deren bewährtes Gehäuse nun einmal der Staat ist.

Drittens haben sich in diesem Kontext Verständnis und Praxis des Regierens verändert. Immer weniger steht „Regieren“ i. S. einer hierarchischen Steuerung durch einen dominanten Staat im Fokus, sondern „Governance“ i. S. verhandlungsorientierten politischen Entscheidens, bei dem die öffentliche Hand in permanentem Austausch mit nichtstaatlichen Akteuren kooperativ um tragfähige Resultate ringt. Die Natur moderner R. wird gerade dadurch nachhaltig verändert.