Politik

  1. I. Geschichte und Systematik
  2. II. Politik in der Praxis

I. Geschichte und Systematik

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1. Wortgeschichte

Der Begriff P. geht historisch auf das griechische Wort für Stadt, Burg, Gemeinde (pólis) zurück. Von ihm sind abgeleitet

a) das Adjektiv politikós, das in seiner weiblichen Form politikē, verbunden mit den Substantiven epistēmē oder téchnē, soviel bedeutet wie Staatswissenschaft oder Staatskunst;

b) die Pluralform ta politiká als Bezeichnung für das Öffentliche, Gemeinschaftliche, alle Bürger Betreffende und Verpflichtende.

Auf dem Weg über Latinisierung und Gelehrtensprache ist das Wort entweder in der ersten oder in der zweiten Form in nahezu alle modernen Sprachen eingegangen (französich politique, englisch politics). Eine wichtige Nebenspur ist die sprachliche Linie, die von griechisch politeia (innere Ordnung der Polis, Verfassung) über die lateinische Gelehrtensprache (politia, policia) zu Englisch policy, dem Grundwort für P. im angelsächsischen Sprachkreis, führt (vgl. im älteren Deutsch Policey = innere Verwaltung, Innen-P.; Polizei). Hier steht von Anfang an die Innenseite, der normative Aspekt der P. im Vordergrund.

Während das Wort P. urspr. die inneren Verhältnisse der Polis und ihrer Bürgerschaft meint (heute würde man von Kommunalpolitik sprechen), dehnt sich seine Bedeutung im Lauf einer immer breiteren Rezeption allmählich auf alle Gebiete öffentlich leitender Tätigkeit aus: von der Lokal- und Regional-P. bis zur Staats-, Reichs-, Kontinental- und Welt-P. Gleichzeitig verzweigt sich das Wort – das anfänglich nur das Allgemeine der Bürgergemeinde bezeichnet – in eine kaum mehr übersehbare Fülle von Spezial-P.en: Außen- und Innen-P., Wirtschafts-, Handels-, Finanz-, Rechts-P., Ausländer-P., Wissenschafts-P. usw. Im Lauf eines langen Prozesses büßt das Wort P. seine urspr.e normative Bedeutung ein: Nicht mehr die eigentümliche, auf bürgerlicher Gleichheit und offenem Diskurs unter Freien beruhende Willensbildung und Regierung (die bei den Griechen scharf vom herrschaftlichen Bereich des „Hauses“ und von den „strategischen“ Beziehungen nach außen geschieden wird) steht im Mittelpunkt, sondern unterschiedslos jede Form von Regierung und Herrschaft, jedes Handeln zur Erreichung öffentlicher Zwecke. Damit gehen weitere Veränderungen Hand in Hand: Innerhalb der sorgfältig balancierten Zweiheit von P. als Wissenschaft (Politikwissenschaft) und P. als Kunst tritt das wissenschaftliche Moment zurück, das technische wird dominierend. Ist der klassische P.-Begriff bestimmt durch die Frage nach den Zwecken des Gemeinwesens, so der moderne durch die Frage nach den Mitteln zur Durchsetzung seiner Ziele. Schließlich treten auch die Ziele zurück: P. wird ein rein technisch-instrumentaler Begriff – womit freilich auch ein Rangverlust, eine Pejorisierung einhergeht: politisch heißt jetzt auch: listig, verschlagen, skrupellos, eine Bedeutung, die sich seit der frühen Neuzeit belegen lässt.

2. Zur Entwicklung des Begriffs

An der Entwicklung des Begriffs haben Historiker und Juristen, Philosophen und Theologen ebenso mitgeformt wie der alltägliche und der kodifizierte Sprachgebrauch. Von entscheidender Bedeutung war der Beitrag der griechischen Philosophie (Politische Philosophie).

Für Platon liegt die wahre Aufgabe der P. nicht in gesetzgeberischer und institutioneller Technik, sondern in der „Sorge um die Seele“. In der „Politeia“ ist dieses Bild des Staates, der ein Abbild der Seele ist, paradigmatisch in allen Einzelheiten entworfen, bis hinein in die Parallelität von Seelenvermögen und staatlichen Ständen (Erwerbstätige, Weise, Krieger), und bis zum rationalistischen Aufbau von Arbeitsordnung und Eugenik. Gegenüber dieser utopischen Konstruktion (Utopie), deren Realisierung an das Paradox des Philosophen-Königs gebunden ist, nähern sich die späteren Werke („Politikos“, „Nomoi“) der Wirklichkeit der geschichtlichen Staaten und ihrer Struktur durch eine Fülle rechtlich-institutioneller Bestimmungen an.

Bei Aristoteles vereinigen sich Ethik und P. (Politische Ethik) – nunmehr in schärfer individuierter Form – zu einer der praktischen Philosophie eingeordneten Wissenschaft vom Menschen, die auch als „politische Wissenschaft“ bezeichnet wird. Indem die aristotelische Ethik nach dem Glück (eudaimonía) als höchstem Gut des Menschen fragt und dieses Gut im Unterschied zur theologischen Ethik Platons nicht als unmittelbare „Teilhabe des Guten“, sondern als Praxis menschlichen Lebens im Werk versteht, rückt die P. in ein Ergänzungsverhältnis zum ethischen Streben des einzelnen nach Selbstvollendung. Nur in der Polis kann der Mensch, der als isolierter Einzelner nicht zu seiner Menschlichkeit käme, als Mensch leben und sich verwirklichen – das ist der Sinn des berühmten Satzes vom Menschen als „physei zóon politikón“ (Aristot. pol. 1253a3).

In der christlichen Tradition wird dieser immanente Zusammenhang von Ethik und P. gelockert. Das Christentum entrückt das Bürgerrecht in den Himmel, es sieht die Menschen als Fremdlinge, Pilger auf Erden und begründet damit den bis heute in der westlichen Welt vorherrschenden Dualismus von Staatsrecht und persönlicher Existenz („Gebt dem Kaiser, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist“ [Mt 22,21]). Am Beispiel des Ruhmes enthüllt Augustinus die Selbstbezogenheit und Verantwortungsunfähigkeit der antiken P. Verantwortung wird jetzt neu und strenger gefasst: Wie der Mensch über sein ganzes Leben Rechenschaft ablegen muss vor dem ewigen Richter, so wird jetzt auch der politische Bereich in die persönliche Verantwortung einbezogen; jeder Schritt muss bedacht, jede Handlung überlegt und abgewogen werden. In den Fürstenspiegeln entwickeln sich Formen einer religiös-pädagogischen Ethik.

Im hohen und späten Mittelalter setzt mit der Wiederentdeckung der aristotelischen Schriften ein neues Denken ein. Mit ihrer Lehre von der fundierenden Bedeutung von Ethik und P. für die christliche Existenz nähert sich die Scholastik erneut der antiken Tradition. So ist für Thomas von Aquin das Leben in der Gesellschaft notwendig „ad exercitium perfectionis“ (STh II-II, 188,8; um die Vollendung zu erreichen): der Staat hat die Aufgabe, durch geeignete Vorkehrungen dafür zu sorgen, dass der Mensch sich geistig-sittlich vervollkommnen kann; er hat darin eine eigene, nicht von der Kirche abgeleitete Würde. Mit der Rezeption der aristotelischen Schriften erhält auch die Lehre der P. an den europäischen Universitäten ihre feste Form; Lehrstühle für praktische Philosophie (Professiones Ethices vel Politices), werden eingerichtet und bestehen neben den theoretischen Lehrstühlen bis zum Ende des 18. Jh.

Die neuzeitlichen Strömungen politischer Theorie und Praxis entfalten sich v. a. in zwei Richtungen. Einmal entsteht jetzt, z. T. in Anknüpfung an antike Historiker, eine beschreibende Menschenkunde der P.; die Natur- und Machtseite des Politischen tritt in den Vordergrund (Niccolò Machiavelli). Zum anderen wird der moderne Staat auch theoretisch entdeckt und in seiner Sachgesetzlichkeit – als Herrschaftszentrum, Apparat, „Kunstwerk“ – beschrieben. So wird P. in der Lehre von der Staatsräson zum Instrument der Machtbehauptung; Ziel des Wirkens im Staat ist nicht mehr die Eudämonie des Bürgers oder die Tugendübung des Christen, sondern der herrische Selbstgenuss männlicher virtú. Die Kampfseite des Politischen wird betont und tritt mit dem entstehenden Nationalstaat (Nation) in Verbindung. Die moderne Staatslehre ist bis in die Gegenwart von dieser Naturbetrachtung des Politischen beeinflusst – so in Max Webers Konzeption der P. als Kampf um Machtanteil, in Harold Dwight Lasswells Wissenschaft des „Who Gets What, When, How“ (1936) und in Carl Schmitts Lehre von der Möglichkeit des Politisch-Werdens aller Lebensbereiche in der modernen Gesellschaft.

Stärker an der konkreten Erscheinung des modernen Staates und weniger am Machtkampf als an den Institutionen (Verwaltung, Regierung) orientiert, hat die neuzeitliche, vom Gedanken der Souveränität ausgehende P. eine vielleicht noch breitere Wirkung geübt als N. Machiavelli und die Staatsräsonlehre. Mit Jean Bodin und Thomas Hobbes zieht sie die Konsequenz aus dem mittelalterlichen Streit der Universalgewalten und den Kämpfen der Religionskriege: Der Staat steigt zum Zwangsschlichter der streitenden Bekenntnisse, zum obersten Ordner des sozialen Lebens auf. Die ältere politische Überlieferung geht mit diesen Strömungen teils Verbindungen ein (v. a. in Deutschland), teils entwickelt sie sich, v. a. in den Niederlanden, in England und den USA weiter zur naturrechtlichen Vertragstheorie und zur Lehre vom Verfassungsstaat. Gegenüber dem zu immer strafferer Gewaltkonzentration fortschreitenden modernen Staat bringt diese Lehre zwei gewichtige Elemente der Tradition ins Spiel: das Widerstandsrecht und die Auffassung der Herrschaft als einer zweiseitigen Pflichtbindung von Herrscher und Untertanen.

3. Bürgerliches Leben und politische Verantwortung

Die Antike entwickelte den Gedanken bürgerlicher Hingabe an den Staat. Das Christentum machte politisches Handeln rechenschaftspflichtig vor Gott und dem Gewissen. Die Moderne zergliederte die Macht und schuf kontrollierte Verantwortungsbereiche. Alle heutigen politischen Verantwortungsformen, alle Arten von responsible government sind komplexe Verbindungen dieser Traditionselemente.

Der griechisch-römische Beitrag ist insofern grundlegend, als hier mit dem Allgemeinen der Stadt (pólis) zugl. der dieses Allgemeine verkörpernde Mensch, der politēs, auftritt. Dieser Bürger ist nicht einfach der in der Stadt Wohnende (auch Sklaven und Metöken wohnen in der Stadt); er stellt auch keineswegs die Mehrheit der Bevölkerung dar (numerisch ist er eine Minderheit); der Bürgertitel verweist auch nicht auf etwas Ähnliches wie Menschenrechte (die es nach Jacob Burckhardt im Altertum nicht gibt). Bürger-Sein heißt hier in erster Linie Teilnahme am Regieren, Hingabe an den Staat, Identifikation mit der Polis. Solche Identifikation kann den Bürger mit seiner Polis in ewigem Ruhm verbinden; sie kann ihn ebenso ins Vergessen, in den Untergang schleudern. Der bios politikós, das bürgerliche Leben, wie es hier verstanden wird, zieht sein Pathos aus der radikalen Ent-Individualisierung: Nicht zufällig ist der Widerpart des politēs der idiotēs, der in die idia, das Private, Lokale, Partikuläre verfangene Mensch. Ent-Individualisierung und Identifikation mit der Bürgergemeinde stehen am Anfang der abendländischen P. Dieser Ursprung ist noch bis weit in die Neuzeit hinein gegenwärtig: so, wenn Kaiser Karl V. seine Gegner als particuliers bezeichnet oder wenn Georg Wilhelm Friedrich Hegel „eigenwilliges Tun und Einzelheit“ als Gegenpol zum Staat definiert oder wenn Karl Marx die bürgerliche Kultur gegen das verteidigt, was er – gut griechisch – den „Idiotismus des Landlebens“ (MEW 4: 466) nennt. Auch der civis Romanus wächst aus dem Stadtbürger hervor; freilich integriert hier der Bürgerbegriff von Anfang an größere territoriale Einheiten, bis sich in spätantiker Zeit das Stadtbürgerrecht der res publica (Republik) zum Reichsbürgerrecht des Imperium Romanum erweitert.

Das Christentum gibt der P. neue Ziele vor: Befriedung, Wohlfahrt, Schutz der Armen, militia Christi im Dienst der Ausbreitung des Evangeliums. Es drängt die Lebensäußerungen der altadeligen Welt – Krieg und Fehde – zurück. Staat und P. werden in christlichen Zeiten etwas anderes, als sie bis dahin waren – sie werden durch Christus „zur Schau gestellt“ und enthüllen sich als menschliche Schöpfungen, als „Menschenwerk“. Eine eigene Dialektik von „Kirche und Welt“ (Kirche und Welt) beginnt sich zu entwickeln. In einer christlichen Umgebung bildet der Gottesbezug den großen Vorbehalt, die absolute Grenze für menschliches Handeln schlechthin. Politische Entscheidungen werden damit in einem umfassenden Sinn rechenschaftspflichtig.

Den entscheidenden Schritt zur Organisation von Verantwortlichkeit tut dann der moderne Verfassungsstaat. Er schafft klare Verantwortungsräume und Verantwortungszeiten. Er macht deutlich, wer sich zu verantworten hat, in welchen zeitlichen Abständen dies geschieht, vor welchen Instanzen, mit welchen Verfahren der Bestätigung und Verwerfung. Er zerlegt die Machtausübung und macht sie dadurch der Übersicht und der politischen Kontrolle zugänglich. So tritt neben die historische Verantwortung (für die Zukunft der Polis) und die innere Verantwortung (vor einer jenseitigen Macht) eine Vielzahl rechtlicher und politischer Verantwortlichkeiten in der Zeit. Diese Verantwortlichkeiten dehnen sich in der modernen Demokratie auf die ganze Breite des Staatslebens aus: alle P. ist nun dadurch bestimmt, dass die Herrschenden insgesamt den Beherrschten verantwortlich sind.

Jede der geschilderten Traditionen hat Entscheidendes zur Entstehung politischer Verantwortlichkeit beigetragen. Jede bedarf aber auch der Ergänzung, der Korrektur durch die andere. Für die antike Überlieferung ist das ganz deutlich: Trifft die Identifikation von Staat und Bürger (Bürger, Bürgertum) einen Nerv des Politischen – Ehrgeiz und Wille zur öffentlichen Wirksamkeit, Freude an der Macht, aber auch am Amt, Selbsterweiterung durch Selbstentäußerung –, so ist solcher Antrieb immer auch in Gefahr, in Egoismus, Personenkult, Autokratie und Tyrannis umzuschlagen. Solchem Naturstand des Politischen gegenüber ist christliche Gewissensschärfung ein unentbehrlicher Widerpart. Aber auch sie kann ins Problematische entgleiten, in Weltflucht, Risikoscheu, Abtretung der Entscheidungen an andere, in Spiritualismus und Klerikalismus – ganz abgesehen davon, dass ihr Vollzug im Unsichtbaren bleibt. Dass endlich auch die Mechanismen der Gewaltenteilung, der Gliederung der P. in Verantwortungszeiten und -räume, trotz ihrer wohltätigen Wirkung im Alltag, keinen absoluten Schutz in Krisenzeiten bilden, dafür bietet die Gegenwart viele bedrückende Beispiele. P. verlangt immer wieder Entscheidungsfreude im Ungewissen. Sie kann durch Übernormierung geschwächt und gelähmt werden. Der politische „Unternehmer“ kann zum ausführenden Organ werden, das nur noch Teilverantwortungen kennt.

II. Politik in der Praxis

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1. Institutionelle Voraussetzungen politischer Führung

P. ist die Leitung eines Gemeinwesens auf der Basis von Machtbesitz; sie hat es mit Erwerb, Ausübung, Verteidigung und Verlust von Macht zu tun, mit dem Setzen von Zielen und für den Bürger verbindlichen Normen, mit der Aus- und Durchführung von Grundentscheidungen, mit politischer Kontrolle sowie mit der Auswahl von Führungspersonal. Politische Führung ist zielbewusste Ausübung von Macht zur Förderung des Gemeinwohls.

Zur Gestaltung von P. bedarf es institutioneller und personeller Voraussetzungen. Erstere sind i. d. R. durch die Verfassungen der Staaten vorgegeben. Deren Grundlage ist in allen politischen Systemen der westlichen Demokratien der Grundsatz der geteilten Macht, d. h. mehrere selbständige Organe sind an der Ausübung der politischen Macht beteiligt. Die ihnen zugewiesenen Funktionen unterliegen wechselseitiger Kontrolle, wie auch der Kontrolle durch die Verfassungsgerichtshoheit, die als „Hüter der Verfassung“ über deren Einhaltung wacht.

Die klassische Lehre der Gewaltenteilung ist entspr. der Theorie der parlamentarischen Regierung (Parlament) und der Praxis demokratischer Staaten des 20. Jh. weiterentwickelt worden. Danach sind Legislative und Exekutive weder personell noch funktionell getrennt; zu unterscheiden ist vielmehr nach Grundentscheidungen, Aus- und Durchführung dieser Entscheidungen und der Art ihrer politischen Kontrolle.

Das Internet eröffnet dabei als Medium ohne räumliche und zeitliche Begrenzungen der Meinungs- wie der Informationsfreiheit neue Formen der Kontaktaufnahme und Beziehungen. Zugl. stellt es angesichts der unbegrenzten Informationsfülle bes. Anforderungen an die Medienkompetenz. Durch seine Fixierung auf Schnelligkeit steht es in einem Spannungsverhältnis zur Zeit, die politische Willensbildung in einer Demokratie braucht, wenn sie nicht oberflächlich sein soll.

Politische Macht ist nur dann legitim, wenn sie ihren Ursprung im Willen der Mehrheit (Volkssouveränität; Souveränität) findet und wenn der Auftrag zur Machtausübung befristet ist. Dabei sind vier Machtträger zu unterscheiden: Wählerschaft, Parlamente, Regierungen und Gerichte. In der modernen Industriegesellschaft kommen zwei neue Faktoren politischer Macht hinzu: Interessengruppen der pluralistischen Gesellschaft (Lobby, Pluralismus) und Massenmedien (Kommunikation, Medien). Massenmedien stellen die für politische Willensbildungsprozesse notwendige Öffentlichkeit her: Sie machen Informationen öffentlich zugänglich; transportieren Meinungen und Stimmungen der Bevölkerung und ermöglichen deren Diskussion; berichten über Entscheidungen des politischen Systems und analysieren sie. Die Medien ermöglichen den Bürgern politische Teilhabe und tragen zur Politischen Bildung bei.

In den Staaten der westlichen Demokratien geht alle Staatsgewalt von den Wahlbürgern aus: In der BRD für die Wahl des Bundestages und des Europäischen Parlamentes von Bürgern, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Sie haben dem Staat gegenüber Rechte und Pflichten – deren Erfüllung nicht in jedermanns Belieben gestellt, sondern rechtliche und sittliche Verpflichtung ist –, müssen sich ihm gegenüber verantwortlich fühlen und zur Erfüllung des Gemeinwohls beitragen. Das geschieht u. a. durch Ausübung des Wahlrechts (Wahlen), durch Zahlen von Steuern und Abgaben, durch ehrenamtliche Mitwirkung in der Selbstverwaltung, durch Kritik und Kontrolle. Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich. Diese verfassungsrechtlich garantierte Gleichheit stößt allerdings im politischen Alltag immer noch auf tatsächliche Schranken: z. B. haben es Frauen, insb. alleinerziehende, schwerer, politische Ämter zu bekleiden als Männer, und sind Menschen mit Behinderung in weit höherem Prozentsatz arbeitslos als Nichtbehinderte.

Auf der Ebene des Bundes kennt das GG – von der Ausnahme in Fragen der Länderneugliederung abgesehen – keine Volksbegehren oder Volksentscheide. Während sich die einen durch plebiszitäre Verfahren „mehr Demokratie“ erhoffen (Plebiszit), wenden andere dagegen ein, komplexe Sachverhalte ließen sich nicht auf ein Ja oder Nein auf dem Stimmzettel reduzieren, einmal getroffene Entscheidungen ließen sich nur schwer revidieren und die Abstimmenden ließen sich, anders als gewählte Abgeordnete im Nachhinein nicht zur Verantwortung ziehen.

Dem Grundsatz der geteilten Macht kommt in einem Bundesstaat wie der BRD dadurch bes. Bedeutung zu, dass 16 Länder an der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes durch den Bundesrat mitwirken und dass eine Änderung dieser Grundgesetzbestimmung (Art. 79 Abs. 3) unzulässig ist. In den Demokratien westlicher Prägung besitzen nicht nur Staaten und Länder, sondern auch Kreise und politische Gemeinden vom Volk gewählte politische Vertretungen.

Seit 1979 wählen die stimmberechtigten Bürger der Mitgliedsstaaten der EU in direkter Wahl die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes, das in wachsendem Maße bisher nationalen Parlamenten zustehende Kompetenzen übernimmt: ein weiteres Element der Gewaltenteilung, das zwar mitunter Entscheidungsprozesse kompliziert, aber fraglos Machtkonzentration verhindert.

Die Parlamente sind die maßgeblichen Organe der Gesetzgebung und der öffentlichen politischen Debatte. In parlamentarischen Demokratien bestellen Parlamente die Regierungen und sichern die für deren Amtsführung notwendigen politischen Mehrheiten (Mehrheitsprinzip). Dabei sind Zulassung, Artikulation und Organisation politischer Kritik durch parlamentarische Opposition ebenso sicherzustellen wie ein begründeter Minderheitenschutz (Minderheiten).

In der BRD ist ein häufiger Wechsel des politischen Führungspersonals von den Ländern zum Bund, aber auch vom Bund zu den Ländern üblich.

Neben den Verfassungsorganen haben sich Beratungsgremien herausgebildet, die entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung der P. nehmen. Dazu gehören die regelmäßigen Treffen der Regierungschefs von Bund und Ländern, die Konferenzen der Ministerpräsidenten und die der Fachminister, eine Vielzahl von Bund-Länder- und Länder-Länder-Arbeitsgruppen.

Die Bildung organisierter Verbände entspricht dem Gesellschafts- und Staatsverständnis der Demokratie. Dabei kommt im System der Sozialen Marktwirtschaft den Organisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber bes. Bedeutung zu.

2. Politische Willensbildung als Aufgabe der Politik

Der Prozess der politischen Willensbildung in der Demokratie ist auf öffentliche Diskussion angelegt. Die Öffentlichkeit begleitet die Vorbereitung und Durchsetzung von Entscheidungen in den Parlamenten und Regierungen wie innerhalb der Parteien. Auch wenn bestimmte Vorbereitungsprozesse politischer Entscheidungen der Vertraulichkeit unterworfen sein können, öffnet der anschließende öffentliche Diskussionsprozess die Alternative wieder und stellt sie zur Debatte.

Zu den wichtigsten Aufgaben der P. gehören die Sicherung des Friedens nach innen und außen, die Wahrung von Grund- und Freiheitsrechten (Grundrechte), eine Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, die eine gerechte Güterverteilung ermöglichen und alle an der gemeinsamen Wohlfahrt angemessen Anteil nehmen lassen. P. muss darauf bedacht sein, soziale Gerechtigkeit, Volksbildung sowie Kultur und Wissenschaft zu fördern, die Gesundheit des Volkes zu schützen, die Umwelt vor Zerstörung zu bewahren (Umweltpolitik) und die sittliche Ordnung aufrechtzuerhalten.

P. in einer pluralen Gesellschaft ist nur auf dem Boden des Rechts möglich. Dabei lassen sich Recht und Sittlichkeit nicht trennen. „Die innere Verbindlichkeit des Rechts beruht gerade auf seiner Übereinstimmung mit dem Sittengesetz“ (BGH 6/52). Das GG bekennt sich ausdrücklich zu bindenden sittlichen Normen. Es gibt z. B. jedem das Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 2), sichert die Gleichheit von Mann und Frau (Art. 3 Abs. 2), gewährt politisch Verfolgten Asyl (Art. 16a Abs. 1), stellt Ehe und Familie unter den bes.n Schutz der staatlichen Ordnung (Art. 6 Abs. 1). Dabei können aus der Wertgebundenheit des GG und dem Pluralismus einer freiheitlichen Demokratie Spannungen entstehen, die durch friedlichen Ausgleich gelöst werden müssen.

3. Ziele

Die Verwirklichung des Gemeinwohls ist oberstes Ziel aller P., der Staat sein oberster Garant, der – auf Recht, Macht und Gewaltmonopol gestützt – die irdische Wohlfahrt in der bestmöglichen Weise gewährleistet. Staatliche Macht muss einheitlich, umfassend, souverän sein, ist aber weder unbeschränkt noch absolut. Sie muss das Eigenleben des Einzelnen und die nichtstaatlichen Lebensbereiche ebenso respektieren wie das Lebensrecht anderer Völker.

Für den Christen ist P. der Versuch, mit den Mitteln des Rechts, aber auch staatlicher Gewalt, die von Gott verliehene unantastbare Würde des Menschen (Menschenwürde) zu schützen und zu erhalten. Für ihn ist Gott, von dem alle Macht und Autorität stammt, der letzte Urheber der staatlichen Gewalt. „Denn es gibt keine Gewalt, die nicht von Gott ist“ (Röm 13,1). Infolgedessen ist Macht nicht an sich böse, wenngleich sie missbraucht werden kann. „In Wahrheit [kann] die Macht […] Gutes bewirken wie Böses, aufbauen wie zerstören. Zu was sie tatsächlich wird, hängt davon ab, wie die Gesinnung ist, die sie regiert, und der Zweck, zu dem sie gebraucht wird“ (Guardini 1986: 70). Wer sich legitimer staatlicher Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes. Allerdings gründet der moderne Verfassungsstaat auf der Trennung von Staat und Kirche (Art. 140 GG) (Kirche und Staat) und nicht auf gemeinsamer religiöser Überzeugung seiner Bürger. Er muss weltanschaulich neutral sein, ohne darum wertneutral sein zu dürfen.

Ein Politiker, der sich zum Christentum und zu einer Kirche bekennt, bekennt sich auch zu den Grundsätzen der christlichen Sozialethik und muss sich an ihnen messen lassen. Auf der Grundlage seines Glaubens nimmt er sein Recht wahr, an der politischen Gestaltung des Staates und der Gesellschaft mitzuwirken, begibt sich dadurch aber nicht in die Abhängigkeit einer außerstaatlichen Macht.

4. Personelle Voraussetzungen

Zu personellen Voraussetzungen der P. gehören Menschen, die bereit und fähig sind, dem Gemeinwohl zu dienen und sich darum an strengeren Maßstäben messen zu lassen als andere Bürger; Menschen, die sich vom Vorurteil „Ein garstig Lied! Pfui! Ein politisch Lied!“ (Goethe 1808: 130) und P. sei ein schmutziges Geschäft, nicht abschrecken lassen. P. verdirbt nicht den Charakter, aber sie stellt ihn auf eine bes. Probe (Politische Ethik).

Ein Politiker muss bereit sein, sich zu sittlichen Grundwerten zu bekennen. Die Inhaber staatlicher Gewalt müssen – in der BRD dem GG entspr. – davon überzeugt sein, dass es zeitübergreifende sittliche Werte und Ordnungen gibt. Dieses Bekenntnis zu Grundwerten bewahrt den Politiker davor, seine Entscheidungen populistisch und opportunistisch zu treffen. Ein Politiker muss charakterfest sein. Er ist in bes.m Maße der Kritik, öffentlichen Angriffen und dem Druck von Interessengruppen ausgesetzt; eben deswegen muss er unabhängig und unbestechlich sein. Seine Unabhängigkeit ist dann am größten, wenn berufliche, gesellschaftliche und finanzielle Sicherheit nicht an seine Wiederwahl gebunden sind.

Die moderne parlamentarische Demokratie bedarf des Berufspolitikers. In der BRD ist ein Bundestags- oder Landtagsmandat und ein Mandat im Europäischen Parlament i. d. R., ein Ministeramt in Bund und Ländern kraft Gesetz nur noch von Berufspolitikern wahrzunehmen. Dabei sind die Abgeordneten Mitglieder von politischen Parteien, die bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken (Art. 21 Abs. 1 GG); ohne Parteimitgliedschaft haben sie keine Chancen, gewählt zu werden. Politiker sind damit auf das Programm einer Partei verpflichtet und auf Arbeitsteilung innerhalb einer Fraktion angewiesen. Doch sind Abgeordnete an „Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“ (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG). Aus dieser Verpflichtung entstehen Spannungen, wie sie in den meisten anderen Berufen nicht vorhanden sind, die aber ausgehalten werden müssen.

Der Auswahl des politischen Führungspersonals durch die Parteien kommt hohe Bedeutung zu. Kandidatenlisten und Wahlvorschläge sollen ein möglichst breites berufliches Spektrum beachten, sollen Frauen, Jüngeren und Älteren eine Chance geben und Forderungen nach regionaler, teilweise auch konfessioneller Repräsentanz erfüllen. Der Sold des Politikers ist, da von den jeweiligen Parlamenten selbst zu beschließen und im jeweiligen Staatshaushalt ausgewiesen, oft heftiger öffentlicher Kritik ausgesetzt. Dabei wird häufig nicht bedacht, dass er über Unabhängigkeit und Qualität von Politikern mitbestimmt. Zu niedrige Bezahlung schafft zwar Anreize für berufliche Anfänger und beruflichen Durchschnitt, hindert aber den beruflich bes. Erfolgreichen, sich – für befristete Zeit – der P. zur Verfügung zu stellen.

5. Fähigkeiten des Politikers

Ein Politiker braucht Gespür für zukunftsträchtige Entwicklungen, schöpferische Kombinationsgabe, Tatkraft und Mut, aber auch die Fähigkeit zur Koordination, zur Unterscheidung und zum Ausgleich der Interessen. Max Weber nennt Augenmaß, Leidenschaft und Verantwortung, wobei die Verantwortungs- vor der Gesinnungsethik rangiert. Ein Politiker muss Partei ergreifen – ohne dass „Parteipolitik“ gegen „Staatspolitik“ ausgespielt werden darf –, muss ordnen und gestalten können. Guter Wille und moralische Unbescholtenheit allein reichen nicht aus. Begabung und Können müssen hinzukommen, Erfahrung ist hilfreich. P. ist „Kunst, die Führung menschlicher Gruppen zu ordnen und zu vollziehen“ (Bergstraesser 1961: 335). Ein Politiker muss architektonische Begabung besitzen (Thomas von Aquin), aber auch die Fähigkeit zum Kompromiss.

Sachlichkeit und Nüchternheit bewahren am besten vor falscher Zukunftsangst, Gelassenheit schützt vor Extremen. Extreme Positionen sind weder mehrheitsfähig noch zur Erfüllung des Gemeinwohls dienlich. „Zum Regieren gehören aber Rationalität und Unabhängigkeit des Denkens und Entscheidens“ (Zeidler 1987: 1066). P. ist Dienst. Wer herrschen will, taugt für eine Diktatur. Zur Realisierung des Gemeinwohls beizutragen, verlangt die Bereitschaft, sich in den Dienst der Menschen zu stellen.

Politische Zusammenhänge sind in den letzten Jahrzehnten offensichtlich vielschichtiger, komplizierter und undurchschaubarer geworden, der Rat von Fachleuten ist daher umso wichtiger (Politikberatung). Entscheidungen müssen sachgerecht, nicht aber unbedingt populär sein. Es ist für den Politiker nützlich, die Ergebnisse von Meinungsumfragen und Popularitätsbarometern zu kennen; Grundlage für seine Entscheidungen dürfen sie nicht sein.

In einer „streitbaren Demokratie“ sind sachliche Auseinandersetzungen notwendig. P. ohne Konflikte und Konkurrenz ist nicht denkbar. Konflikte dürfen weder geleugnet noch unterdrückt, sondern müssen ausgetragen und der eigene Standpunkt mit Entschiedenheit vertreten werden. P. braucht den offenen Wettstreit um die beste Lösung, das Ringen um Alternativen, aber auch Toleranz. Politische Gegnerschaft darf nicht in Feindschaft ausarten, die Hass erzeugt und dazu führt, den Gegner als Feind mit allen Mitteln zu bekämpfen.

Die Sprache mancher Politiker erweckt gelegentlich den Eindruck, dass sie nicht andere Lösungen empfehlen oder Kontrahenten widersprechen, sondern letztlich schädigen, persönlich verletzen und vor aller Öffentlichkeit entlarven wollen. Der Streit zur Sache ist der P. wesensimmanent und gehört zur politischen Kultur, die Diffamierung der Person aber ist politische Unkultur. Im Übrigen ist P. eine zu ernste Sache, als dass sie ohne Humor auskäme, ohne den Humor dessen, der sich selbst nicht zu wichtig nimmt.