Policy

P. ist ein Anglizismus und bezeichnet – neben Politics und Polity – eine der drei Dimensionen des Politikbegriffs. Während sich Politics auf die prozessuale Dimension bezieht (z. B. politische Prozesse, Interessen, Konflikte und Konsensbildung), bezeichnet Polity die Dimension politischer Institutionen und Strukturen (z. B. Verfassungen, Normen, Parteien- und Regierungssystem). Unter Policies (P.ies) hingegen versteht man die inhaltliche Dimension von Politik, d. h. die kollektiv-verbindlichen Maßnahmen, Gesetze und Programme. Häufig, aber nicht zwingend, liegt der Fokus auf staatlichen Aktivitäten. Im Englischen wird P. in der Regel umfassender verwendet und z. B. auch auf die Prinzipien oder Handlungsweisen von Unternehmen bezogen. Im Deutschen findet der Begriff P. primär als wissenschaftlicher Fachterminus und i. S. v. „Staatstätigkeit“ Verwendung; public policy ist die diesem Verständnis entspr.e englische Bezeichnung. Begrifflich schließt der Begriff P. an die deutsche Policey-Wissenschaft des 17. und 18. Jh. an.

Mit P. setzt sich v. a. die Politikfeldanalyse auseinander; gebräuchlich sind ebenfalls die Bezeichnungen P.-Analyse und P.-Forschung, dgl. die englischsprachigen Termini Public P. oder P. Studies. Diese Bezeichnungen werden im Deutschen weitgehend synonym verwendet (verwandt auch: Staatstätigkeitsforschung). In der englischen Sprache hingegen steht policy analysis eher für den anwendungsorientierten Bereich (z. B. Evaluationen), während die Begriffe policy studies oder policy research bevorzugt für die akademische Variante genutzt werden. Hieran anschließend wird auch unterschieden zwischen analysis for policy und analysis of policy. Traditionell kam in der P.-Analyse der Politikberatung (analysis for policy) eine vergleichsweise hohe Bedeutung zu; sie geht hierbei multidisziplinär vor. Eine klassische Definition der akademischen P.-Analyse bezieht sie auf „what governments do, why they do it, and what difference it makes“ (Dye 1976), wobei sich die P.-Analyse heute durchaus nicht nur für Regierungen interessiert, sondern prinzipiell für alle am politischen Prozess mehr oder weniger beteiligten Akteure. In Deutschland wurde die bis dahin v. a. in den USA entwickelte Politikfeldanalyse Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre zur Beratung bei politischen Reformprogrammen (Reform) herangezogen (z. B. Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform). Verstärkt seit Mitte der 1980er Jahre etablierte sie sich dann als akademische Teildisziplin der Politikwissenschaft; heute fällt ihr innerhalb der Politikwissenschaft eine bedeutende Rolle als Subdisziplin in Forschung und Lehre zu. Erkenntnisinteressen der politikwissenschaftlichen P.-Forschung beziehen sich v. a. auf die Eigenschaften und den Wandel bestimmter P.ies, auf die Bedingungen und Ursachen ihres Zustandekommens, sowie auf die Auswirkungen und Resultate dieser Interventionen. Häufig wird eine vergleichende Perspektive eingenommen, aus der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen einzelnen P.ies oder zwischen verschiedenen Ländern und Regionen untersucht werden. Dabei hat sich in jüngerer Zeit v. a. auch die vergleichende Perspektive auf die P. der Bundesländer etabliert.

P.ies werden häufig Politikfeldern zugeordnet. Während das Politikfeld alltagssprachlich oft als „Label“ verstanden wird, das sich durch die Zuständigkeit eines Ressorts ergibt, kann man es durchaus präziser definieren als eine spezifische und auf Dauer angelegte Konstellation sich aufeinander beziehender Probleme, Akteure, Institutionen und Instrumente. Beispiele für solche etablierten Politikfelder sind etwa Arbeitsmarktpolitik, Umweltpolitik, Strukturpolitik, Verkehrspolitik oder Gleichstellungspolitik. Politikfelder können weiter gefasst sein (z. B. Sozialpolitik) oder enger (z. B. Gesundheitspolitik, Familienpolitik); zudem sind Abgrenzungen zwischen ihnen häufig nicht trennscharf.

Es kann zwischen verschiedenen Arten von P.ies unterschieden werden, so nach Theodore J. Lowi zwischen verteilender Politik, umverteilender, regulativer und konstitutiver Politik. Die Merkmale einer P. und die Eigenschaften des behandelten politischen Problems prägen die entspr.en politischen Prozesse und Auseinandersetzungen. Etwa tragen umverteilende P.ies ein höheres Konfliktpotential als verteilende P.ies. Während der P.-Formulierung können sich die Definitionen der P. zwischen den verschiedenen politischen Akteuren und in der politischen Auseinandersetzung erheblich unterscheiden. Aber auch – z. B. in Gesetzen – „festgeschriebene“ P.ies sind etwa in Hinblick auf die zu erreichenden Ziele nicht durchweg festgelegt oder eindeutig.

Die Politikfeldanalyse, die v. a. auf wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn zu der Frage abzielt, warum es zu bestimmten P.ies und nicht zu anderen kommt, unterscheidet zunächst zwischen der deskriptiven und der kausalen Analyse; zudem gibt es Verfahren der interpretativen P.-Analyse. In der deskriptiven Analyse spielen Fragen der verwendeten P.-Instrumente (z. B. regulative, ökonomische, prozedurale, kooperative Instrumente) eine wichtige Rolle, ebenso wie P.-Wandel und sein Ausmaß. Es werden zudem in der Sozialpolitikforschung generöse und weniger generöse P. unterschieden, und in regulativen Politikfeldern werden permissive und restriktive Politiken erfasst. Auf dem Weg zur Kausalanalyse hat es sich als hilfreich erwiesen, politische Entscheidungsprozesse in Phasen zu unterscheiden. Hierzu dient das heuristische Modell des Politikzyklus (ebenfalls wird die engl. Bezeichnung P. Cycle verwendet), welches die Phasen der Problemdefinition, des Agenda-Settings, der Politikformulierung, der Implementation sowie der Evaluation (und ggf. der Termination bzw. Re-Formulierung) unterscheidet. Allerdings entsprechen reale politische Prozesse dem Modell oft nur bedingt. Zudem trägt der Politikzyklus nicht zur kausalen Erklärung bei. Wenn es um die kausale Erklärung geht – also etwa darum, warum eine bestimmte Maßnahme weniger strikt als geplant ausfiel, warum man auf lange Frist einen Instrumentenwandel identifizieren kann oder warum sich P.ies zwischen Ländern unterscheiden – greift die Politikfeldanalyse auf zwei verschiedene Sorten von Theorien bzw. theoretischen Ansätzen zurück.

Die Theorien der vergleichenden Staatstätigkeitsforschung fokussieren auf einen bestimmten Erklärungsfaktor, welcher in Konkurrenz zu anderen Erklärungsfaktoren – meist in Studien mit großer Fallzahl und unter Anwendung quantitativer Methoden – überprüft wird. Eine wichtige Theorie ist hier die Parteiendifferenztheorie, die davon ausgeht, dass sich politische Parteien in ihren P.-Positionen in erwartbarer Weise unterscheiden, und dass sich diese Unterschiede in den tatsächlich beschlossenen P.ies wiederfinden, wenn entspr.e Parteien die Regierung bilden bzw. an der Regierung beteiligt sind. Die Machtressourcentheorie fokussiert hingegen darauf, dass gesellschaftliche Interessen in unterschiedlichem Maße organisiert und repräsentiert sind, was sich dann in unterschiedlichen Chancen niederschlägt, den politischen Prozess zu beeinflussen. Eine große Bandbreite von neo-institutionalistischen Ansätzen identifiziert den Einfluss von Institutionen – etwa von Vetospielern oder der Pfadabhängigkeit – auf die politischen Entscheidungen als zentral für deren Ergebnisse. Schließlich haben v. a. seit den 1990er Jahren (sog.e „argumentative Wende“) Theorieansätze an Bedeutung gewonnen, die Ideen und Wissen eine zentrale Rolle zur Erklärung von P. zuschreiben.

Im Gegensatz zu den Theorien der vergleichenden Staatstätigkeitsforschung betrachten kombinierte Ansätze eher das Zusammenspiel verschiedener Faktoren – etwa von Akteuren und Institutionen – für P. und ihr Zustandekommen. Dabei sind sie eher an der qualitativen Analyse politischer Prozesse in kleinen Fallzahlen interessiert. Beispiele für solche Ansätze sind der Institutional Analysis and Development-Ansatz von Elinor Ostrom, der das Zusammenspiel von Akteuren und Institutionen im Kontext von Problemstrukturen und Entscheidungssituationen modelliert, oder der Multiple-Streams-Ansatz, der politische Entscheidungsprozesse als drei verschiedene Ströme (problems, policies, politics) konzipiert.

Neben dieser inzwischen sehr etablierten Kausalperspektive auf das Zustandekommen von P. befasst sich die Politikfeldanalyse auch mit der (Implementation) sowie der (Evaluation) von P.ies.