Parlamentarischer Rat

Bei einer Besprechung in Frankfurt am Main „ermächtigten“ am 1.7.1948 die westalliierten Besatzungsmächte die Ministerpräsidenten der britischen, französischen und US-amerikanischen Besatzungszone in Deutschland, bis zum 1.9.1948 eine verfassunggebende Versammlung einzuberufen. Der Verfassungsentwurf (Verfassung) sollte von den Militärgouverneuren genehmigt und in einem Referendum ratifiziert werden. In einem Besatzungsstatut sollte ein „Mindestmaß der notwendigen Kontrollen“ (Deutscher Bundestag/Bundesarchiv 1975, Bd. 1: 34) festgelegt werden. Ein Dokument mit einer detaillierten Übersicht über die Kompetenzen der Länderkammer wurde dem P.n R. erst am 22.11.1948 übermittelt.

Vom 8.–10.7.1948 erörterten die Ministerpräsidenten die sog.en Frankfurter Dokumente. Sie weigerten sich, an der Spaltung Deutschlands mitzuwirken und schlugen vor, durch einen „parlamentsähnlichen Rat“ eine „provisorische“ Verfassung ausarbeiten zu lassen. Die Alliierten erklärten am 20.7.1948, dass es sich um „Anweisungen“ gehandelt habe und sie selbst für die deutsche Teilung die Verantwortung übernehmen würden. Die Bezeichnung P. R. ließen sie zu.

Im Auftrag der Ministerpräsidenten erarbeiteten Verfassungsexperten vom 10.–23.8.1948 auf der Insel Herrenchiemsee einen ersten Entwurf zum GG.

Die von den Landtagen in den drei westlichen Besatzungszonen gewählten 65 Mitglieder des zum 1.9.1948 nach Bonn in der Pädagogischen Akademie am Rhein einberufenen P.n R.es wählten Konrad Adenauer (CDU) zum Präsidenten und Carlo Schmid (SPD) zum Vorsitzenden des Hauptausschusses. Angesichts des Viermächte-Status von Berlin nahmen dessen Vertreter als Gäste teil. CDU/CSU und SPD konnten jeweils 27 Abgeordnete entsenden (19 CDU und 8 CSU), FDP 5, Zentrumspartei (Deutsche Zentrumspartei) sowie DP und KPD jeweils 2 Abgeordnete.

Am 9.9.1948 konstituierten sich die Fachausschüsse. Ihre Ergebnisse wurden ab 11.11.1948 im Hauptausschuss presseöffentlich beraten. Beim Elternrecht und den Kirchenartikeln traten ideologische und weltanschauliche Unterschiede deutlich zutage, weswegen diese erst unmittelbar vor der Verabschiedung des GG entschieden wurden. Auf Theodor Heuss (FDP) ging der Vorschlag zurück die Kirchenregelungen aus der WRV zu übernehmen (Staatskirchenrecht). Die Mitwirkung der Länder (Bundesrat oder Senat) wurde erst im Frühjahr 1949 v. a. in Verhandlungen mit den alliierten Verbindungsstäben entschieden. Der geschaffene Bundesrat erreichte mittels eines umfassenden Katalogs an Vorranggesetzgebung des Bundes nicht die volle Gleichberechtigung mit dem Bundestag. Der Präambelentwurf erhielt auf Antrag von CDU/CSU und Zentrumspartei seit dem 16.11.1948 die Anrufung Gottes (Invocatio Dei). Am 28.4.1949 stellte die SPD die Anrufung Gottes (Gottesbezug) zur Diskussion, doch hielt die CDU/CSU diese für unverzichtbar. Thomas Dehler (FDP) vermittelte und schlug die noch heute gültige Präambelfassung mit Invocatio Dei vor, wie sie erstmals am 21.2.1949 formuliert wurde. Die Finanzfragen blieben offen, solange die Frage nach der Länderkammer (Bundesrat/Senat) ungeklärt blieb.

Die Militärgouverneure hatten an dem ersten Entwurf zum GG am 20.10.1948 bemängelt, dass er nicht den Grundsätzen der Frankfurter Dokumente entsprach. Um nicht den Eindruck zu erwecken, einem „Diktat“ der Alliierten zu unterliegen, wurde das Schreiben der Militärgouverneure jedoch zu den Akten genommen. Die Annahme eines zweiten Schreibens, dass den Ministerpräsidenten am 1.7.1948 nicht ausgehändigt wurde, verweigerte K. Adenauer am 22.11.1948, weswegen ihm der Text vorgelesen wurde. Inhaltlich kam es den Positionen der CDU/CSU-Fraktion entgegen. Nach einer Besprechung am 16./17.12.1948 in Frankfurt, warfen die SPD, FDP, DP und KPD K. Adenauer vor, er habe in den kontroversen Fragen die Militärgouverneure zu Schiedsrichtern angerufen.

Auf Anregung K. Adenauers wurde am 26.1.1949 ein interfraktioneller Fünferausschuss eingerichtet, dessen Ergebnisse im Hauptausschuss beschlossen und von den Alliierten abgelehnt wurden, weil der P. R. weiterhin an der Bundesfinanzverwaltung, einer umfangreichen Vorranggesetzgebung des Bundes und am Berufsbeamtentum (Beamte) festhielt. Auch das Ergebnis des interfraktionellen Siebenerausschusses, der mit alliierten Finanzexperten verhandelte, lehnten die Alliierten ab.

Erst die Washingtoner Außenministerkonferenz ebnete am 5.4.1949 den Weg zum GG. Die Militärgouverneure übermittelten am 10.4.1949 das in den Frankfurter Dokumenten angekündigte Besatzungsstatut und brachten das „Vertrauen“ zum Ausdruck, dass der P. R. den Empfehlungen der Militärgouverneure die nötige Beachtung schenken würde. Eine zweite Note der Außenminister veröffentlichten die Militärgouverneure am 22.4.1949. Darin übermittelten die Außenminister ihr Wohlwollen gegenüber der bisherigen Grundgesetzarbeit. Am 25.4.1949 wurden die bislang von den Alliierten abgelehnten Artikel des Entwurfes zum GG mit einer Delegation des P.n R.es diskutiert. Nur bei der Frage der Konfessionsschule hielten sich die Alliierten heraus. Die deutsche Presse feierte am nächsten Tag den 25.4.1949 überschwänglich als die „Geburtsstunde“ des westdeutschen Staates.

Nach der vierten Lesung im Hauptausschuss und der zweiten und dritten Lesung im Plenum bis zum 8.5.1949 wurde das GG mit 53:12 Stimmen verabschiedet. Sechs Abgeordnete der CSU sowie DP, KPD und Zentrum lehnten es ab. Die CSU vermisste bei dem Entwurf zum GG grundlegende föderalistische Vorgaben (Föderalismus) und ein Bekenntnis zur christlichen Staatsauffassung.

Am 12.5.1949 genehmigten die Militärgouverneure das GG. Sie verzichteten auf das Referendum. Vom 18.–21.5.1949 wurde das GG in den Landtagen angenommen. Nur der Bayerische Landtag lehnte in einer ersten Abstimmung das GG ab; stimmte aber in einer zweiten Abstimmung dafür, dass bei Annahme des GG in zwei Dritteln der deutschen Länder, die Rechtsverbindlichkeit des GG auch für Bayern anerkannt wird. Am 23.5.1949 wurde das GG in Bonn ausgefertigt und verkündet. Es trat um Mitternacht vom 23. auf den 24.5.1949 in Kraft.

Das vom P.n R. mit einfacher Mehrheit verabschiedete Wahlgesetz mit einem personalisierten Verhältniswahlrecht wurde von den Ministerpräsidenten am 15.6.1949 u. a. durch die Einführung der Fünfprozentklausel verändert (Wahlen). Die Wahlbeteiligung von 86,3 % bei der ersten Bundestagswahl am 14.8.1949 wurde als Zustimmung zum GG gewertet.