Parität

In einem allg.en Sinn bezeichnet im Rechtsleben P. (von lateinisch paritas = Gleichheit) das Postulat einer gleichberechtigten Rechtsstellung, Mitwirkung oder Teilhabe. Von bes.r Relevanz ist der Grundsatz im Wirtschafts-, v. a. aber im Staatskirchenrecht.

1. Wirtschaftsrecht

Die seit Anbeginn der modernen Industriegesellschaft erhobenen Forderungen nach einer institutionalisierten Beteiligung der Arbeiter an Entscheidungen in Unternehmen wurden im Laufe des 20. Jh. schrittweise realisiert. Nach ersten Ansätzen in der Spätphase des Ersten Weltkriegs sah Art. 165 Abs. 1 WRV eine gleichberechtigte Mitwirkung von Arbeitern und Angestellten „an der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte“ in den Unternehmen vor. Zwar unterblieb eine umfassende Umsetzung des Grundsatzes, doch stellte das BRG 1920 einen wichtigen Baustein für die Entwicklung des Sozialstaats dar. Das System der Mitbestimmung wurde nach 1945/49 stark ausgebaut: Befördert durch die drohenden Demontagen v. a. in der Kohle-, Stahl- und Eisenindustrie, wurde 1947 im Hüttenwerk in Hagen-Haspe „nach dem Grundsatz der Gleichstellung von Kapital und Arbeit“ (Abelshauser 2011: 357) erstmals ein paritätischer Aufsichtsrat gebildet. Die u. a. vom Katholikentag in Bochum 1949 erhobene Forderung nach einer gesetzlichen Regelung erfüllte für die Unternehmen des Bergbaus sowie der eisen- und stahlerzeugenden Industrie das MontanMitbestG 1951: In den Aufsichtsräten sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte vertreten („Voll-P.“), eine Pattsituation kann nur durch eine neutrale Person aufgelöst werden, auf welche sich beide Seiten einigen müssen. In als Kapitalgesellschaften verfassten Unternehmen anderer Wirtschaftszweige war nach dem BetrVG (Betriebsverfassungsrecht) 1952 der Aufsichtsrat grundsätzlich zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen („Drittel-P.“). Das MitbestG 1976 weitete, vom BVerfG gebilligt (BVerfGE 50,290), das Montanmodell auf größere Unternehmen anderer Wirtschaftszweige (mit i. d. R. über 2 000 Mitarbeitern) aus. Anders als im Montanbereich kann eine Pattsituation aber durch Stichentscheid des Aufsichtsratsvorsitzenden ausgelöst werden. Für kleinere Unternehmen (ab 500 Mitarbeitern) gilt unverändert die „Drittel-P.“ des BetrVG, an dessen Stelle 2004 das Drittelbeteiligungsgesetz trat.

2. Staatskirchenrecht

Neben der Säkularität und der Neutralität des Staates rechnet die P. zu den maßgeblichen Strukturprinzipien des deutschen Staatskirchenrechts. Dabei handelt es sich in allen Fällen um heuristische Begriffe, die der Verfassungstext als solche nicht enthält, sondern die vielmehr aus einer Gesamtschau diverser verfassungsrechtlicher Normen entwickelt wurden. Ohne Kenntnis der historischen Hintergründe sind sie einerseits nicht zu verstehen, was andererseits nicht von der Notwendigkeit enthebt, ihren rechtlichen Gehalt aus den geltenden Bestimmungen des GG zu entwickeln.

2.1 Historische Entwicklung des Paritätsprinzips

Die Glaubensspaltung des 16. Jh. führte im Reichsverfassungsrecht zu ersten Regelungen der P. im Hinblick auf die „Religionsparteien“, im Augsburger Religionsfrieden beschränkt auf Katholiken und Lutheraner, mit dem Westfälischen Frieden erweitert auf die Reformierten. Der seit 1648 auch völkerrechtlich abgesicherte Grundsatz (aequalitas exacta mutuaque) betraf ferner die Funktionsweise der Institutionen des Reiches: In Religionsangelegenheiten war das Mehrheitsprinzip suspendiert, ein Beschluss des Reichstags erforderte insoweit zunächst eine getrennte Beratung der Religionsparteien (itio in partes) und sodann eine gütliche Einigung (amicabilis compositio). Die Ausschüsse des Reichtstags wie das Reichskammergericht waren konfessionell paritätisch zu besetzen. Infolge des religiösen Bestimmungsrechts des Landesherrn (cuius regio, eius religio) waren die Territorien ganz überwiegend konfessionell homogen; für einige konfessionell gemischte Gebiete bestanden Sonderregime wie „paritätische Reichsstädte“ (z. B. Augsburg, mit paritätisch besetzten Stadträten und konfessionell doppelt besetzten Ämtern) oder das konfessionell alternierend zu regierende Hochstift Osnabrück. Gleichfalls aus der Zeit der Glaubensspaltung stammt das Phänomen der Simultankirchen, welche von verschiedenen Konfessionen gemeinsam für den Kult genutzt wurden.

Wenngleich im Zuge der Spätaufklärung auch Angehörige kleinerer christlicher Bekenntnisse und mit der Judenemanzipation (Emanzipation) des frühen 19. Jh. auch die Juden auf individueller Ebene Religionsfreiheit und gleiche bürgerliche Rechte genossen, blieb doch weithin das überkommene System zweier „Religionsparteien“ atmosphärisch und teilweise auch rechtlich (etwa Art. 15 der Preußischen Verfassung von 1850) bestimmend.

2.2 Parität unter Geltung des GG

P. bezeichnet unter dem GG den staatskirchenrechtlichen Gleichheitssatz, dessen primäre normative Verankerung in Art. 3 Abs. 1 GG liegt. Daneben enthalten weitere Verfassungsbestimmungen spezielle P.s-Maßstäbe (hinsichtlich des einzelnen: Art. 33 Abs. 3 S. 1, 33 Abs. 2 und 3, Art. 140 i. V. m. Art. 136 Abs. 1 und 2 WRV, bzgl. der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften: Art. 140 i. V. m. Art. 137 Abs. 5 und 7 WRV). In seiner Grundaussage beinhaltet das P.s-Prinzip das Gebot, alle Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ohne Ansehung inhaltlicher Maßstäbe rechtlich gleichzustellen und rechtlich gleich zu behandeln. Wie generell bei Art. 3 Abs. 1 GG, bezweckt der Grundsatz rechtliche Gleichberechtigung, nicht aber schematische Nivellierung. Wesentlich Gleiches ist gleich, wesentlich Ungleiches ist ungleich zu behandeln, es sei denn, ein sachlicher Grund rechtfertigt die (Un-)Gleichbehandlung (st. Rspr. seit BVerfGE 1,14 [52]). Im Hinblick auf Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften haben Aspekte wie der Inhalt des Bekenntnisses oder der Tradition als solcher außer Betracht zu bleiben, denkbare Anknüpfungspunkte einer Ungleichbehandlung können aber die numerische Größe einer Gemeinschaft oder ihr Grad an öffentlicher Wirksamkeit sein. Im Einzelnen ist zu unterscheiden:

Erstens gilt der P.s-Grundsatz strikt für den Kernstatus der Kirchen und Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaften. Insoweit gilt ein System prinzipieller Statusgleichheit, der Differenzierungen ausschließt. Alle Gemeinschaften können sich als Grundrechtsträger in gleicher Weise auf die Religionsfreiheit, das religiöse Vereinigungsrecht, das religiöse Diskriminierungsverbot, das Selbstbestimmungsrecht (Kirche und Staat) und die Kirchengutsgarantie berufen.

Zweitens normiert Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV im Hinblick auf den organisatorischen Status eine spezielle P.s-Norm. Bestimmte Kirchen und Religionsgemeinschaften hatten schon in vorkonstitutioneller Zeit den Status einer K.d.ö.R. inne. Dieser bleibt ihnen erhalten (S. 1), andere am Status interessierte Religionsgemeinschaften können ihn bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen erlangen (S. 2, „auf ihren Antrag“) und damit den „altkorporierten“ Körperschaften gleichgestellt werden („gleiche Rechte“). Dieses P.s-Gebot bezieht sich allerdings allein auf den verfassungsrechtlichen Kern des Status, nämlich die Hoheitsfähigkeit und das Besteuerungsrecht (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV). Für die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Status als K.d.ö.R. gelten wiederum die allg.en Kautelen des Art. 3 Abs. 1 GG.

Drittens folgt das P.s-Prinzip auch in den übrigen Bereichen den Ausprägungen des allg.en Gleichheitssatzes. Namentlich betrifft dies den Komplex der sog.en positiven Religionspflege. Speziell auf dem Gebiet staatlicher Förderung der Aktivitäten von Kirchen und Religionsgemeinschaften darf der Staat (etwa nach Kriterien wie der gesellschaftlichen Relevanz oder des Beitrags zum Gemeinwohl) differenzieren, ohne zu einer faktischen Gleichstellung bestehender Unterschiede verpflichtet zu sein.