Modernismus

1. Zum Begriff

Im Gegensatz zum kunst- und literaturwissenschaftlichen M.-Begriff bezeichnet M. im katholischen Kontext ein häresiologisches Konstrukt (Antimodernismus), das sich die betroffenen „Modernisten“ später nur teilweise als Selbstbezeichnung zu eigen machten. Der Streit um den „M.“ wird in historischer Perspektive am besten als eine Kumulation von Auseinandersetzungen um die religiös-kulturelle Positionierung des Katholizismus in der Moderne verstanden.

2. Hauptthemen und Hauptakteure der Modernismus-Krise (1893–1914)

Der zeitliche Rahmen für eine so verstandene M.-Krise reicht von der Endphase des Pontifikats Papst Leos XIII., genauerhin dessen Bibel-Enzyklika „Providentissimus Deus“ (1893) über die Auseinandersetzung um Amerikanismus und Reformkatholizismus um 1900 bis hin zum Tode Papst Pius X. (1914), dessen Pontifikat die eigentliche modernistisch-antimodernistische Verschärfung brachte. Danach wurde von kurialer Seite der antimodernistische Kampf gemildert; gleichzeitig zerfielen die internationalen, europäisch-nordamerikanischen Netzwerke der Reformtheologen unter dem Druck von Antimodernismus und Nationalismus (Erster Weltkrieg). Die konkreten Konfliktkonstellationen innerhalb dieser M.-Krise sind dabei in theologisch-wissenschaftlicher Hinsicht geprägt von der lehramtlichen Reaktion auf die historisch-kritische Bibelauslegung (die sog.e question biblique in Frankreich, zugespitzt v. a. von Alfred Loisy und Albert Houtin), die kritische Kirchengeschichtswissenschaft und Dogmengeschichte (Louis Duchesne, Joseph Schnitzer, Franz Wieland), nicht-thomistische philosophische Neuansätze (Maurice Blondel, Lucien Laberthonnière), eine neue Dogmenhermeneutik und das Interesse an religiöser Erfahrung und Mystik (George Tyrrell, Henri Bremond). In politisch-sozialer Hinsicht entbrannte der M.-Streit um von der kirchlichen Hierarchie unabhängige, christdemokratische Ansätze in Italien (Romolo Murri), Frankreich (Marc Sangnier) und Deutschland („praktischer M.“; Integralismus). Schließlich stießen nicht-konfessionalistische, reformorientierte literarische Bestrebungen auf den Vorwurf eines literarischen Modernismus (Karl Muth). Durch das Netzwerk persönlicher Kontakte des Religionsphilosophen Friedrich von Hügel waren die Protagonisten verbunden, ohne dass es eine einheitliche „Bewegung“ des M. gegeben hätte. Gegenseitige Kritik (etwa von M. Blondel an A. Loisy) und eine große Bandbreite von Ansichten bis hin zur rationalistischen Aufgabe des Projekts der Versöhnung von Glaube und Kultur (Marcel Hébert, Joseph Turmel) prägten das Bild.

Trotz der antiprotestantischen Pointe des „M.“, der zuallererst der Versuch einer neuen Apologetik von katholischem Christentum und Kirche in der Moderne war (vgl. A. Loisys Kritik an Adolf Harnack), ist die Begleitung der Konflikte durch protestantische Theologen (Paul Sabatier, Ernst Troeltsch, Heinrich Holtzmann) beachtlich. In einer konfessionsvergleichenden Perspektive finden sich denn auch zumindest im strikt theologischen Bereich ähnliche Auseinandersetzungen im Protestantismus um 1900 (Historismuskrise, liberale Theologie). Dort war der Begriff M. auch erstmals 1871 von dem orthodoxen Calvinisten Abraham Kuyper als Bezeichnung für die Bemühungen theologischer „Neuerer“ gebraucht worden.