Methode

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  1. I. Philosophisch
  2. II. Soziologisch

I. Philosophisch

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1. Begriffs- und Ideengeschichte

„M.“, von griechisch methodos, bedeutet allg. einen geordneten Weg oder Verlauf, in den Wissenschaften die Entwicklung eines planmäßigen, reflektierten Denk- oder Handlungsprozesses. Bei Platon einerseits im normalsprachlichen Sinne geläufig, erfährt der M.n-Begriff andererseits in seiner Dialektik, die auf das Wahre und Gute ausgerichtet ist, fachterminologische Prägnanz. Aristoteles verwendet „M.“ in ähnlicher Weise in der allg.en Bedeutung des primär von der Praxis her bestimmten wissenschaftlichen Vorgehens, die in Logik und Argumentationstheorie Differenzierungen erfährt. Während es in der Topik um das methodische Bilden von Wahrscheinlichkeitsschlüssen geht, stellt die Syllogistik eine in der „Ersten Analytik“ begründete aristotelische M.n-Lehre des Beweisens aus ersten und wahren Sätzen als einzigen Weg verlässlicher Wahrheitsgewinnung (Wahrheit) dar. Diese wirkungsmächtige klassische M. deduktiven Schließens wird in den „Zweiten Analytiken“ für die Wissenschaftstheorie fruchtbar gemacht. Der syllogistische Schluss i. S. d. Beweises wird damit zum formalen, d. h. gegenstandsinvarianten M.n-Standard, die M.n-Reflexion zum bleibenden Bestandteil von Philosophie und Wissenschaften. Vorgeprägt von den Ansätzen Platons und Aristoteles’ entwickelt sich im Mittelalter die scholastische M. (Scholastik), für die argumentationstheoretisch die Gegenüberstellung autoritativ verbürgter Lehrmeinungen i. S. d. sic et non und institutionell das Entstehen von Schulen und Universitäten mit ihren reflektierten Formen disputativer Wissensvermittlung charakteristisch ist.

Ein andersartiges, M. und Gegenstand bzw. Inhalt des Wissens nicht mehr separierendes, sondern eng verbindendes M.n-Verständnis entwickelt sich in der frühneuzeitlichen Philosophie bei René Descartes, der M. nicht mehr nur als Hilfsmittel, sondern als Wesensmerkmal und Maßstab eigentlichen Philosophierens betrachtet. In seinen „Meditationes de prima philosophia“ (Descartes 1641) und seinem „Discour de la méthode“ (Descartes 1637) entwickelt er eine axiomatisch-deduktive, dem Ziel stufenweisen Erkenntnisaufbaus folgende M. Diese orientiert sich mit ihrer more geometrico ausgerichteten Systematik an dem Modell von Mathematik und mathematischer Naturwissenschaft einschließlich klassischer Lehrstücke wie der Euklidischen Geometrie und der Lullschen Idee einer Kombinatorik wissenschaftskonstitutiver Grundbegriffe, die wiederum Gottfried Wilhelm Leibniz’ Projekt der ars combinatoria und seiner Vision einer mathematischen Fassbarkeit aller Wirklichkeit inspiriert. Dem kartesischen Erkenntnisaufbau geht zur Gewinnung eines zweifelsfreien Fundaments ein sog.er methodischer Zweifel vorher, der erst bei der Einsicht des Cogito ergo sum an eine Grenze stößt. Mit der Evidenzerfahrung des Cogito rückt die Subjektivität ins Zentrum philosophischer Reflexion und sorgt für ein wesentlich erneuertes M.n-Verständnis, das auch Hinweise auf die praktische Bedeutung der nach methodologischen Prinzipien entwickelten Wissenschaften einschließt.

Das subjektivistische M.n-Verständnis des R. Descartes und der M.n-Standard der mathematischen Naturwissenschaften des 17. Jh. wirken fort in den nachfolgenden philosophischen Konzeptionen. Für Immanuel Kant, der die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung zu einem Grundanliegen seiner Philosophie macht, konstituiert i. S. d. sog.en Kopernikanischen Wende die Untersuchungs-M. ihren Gegenstand und geht insofern aller Wissenschaft voraus. Die Strukturen, welche die Konstitution des Gegenstandes durch das Subjekt ermöglichen, reflektiert I. Kant in der transzendentalen Analytik seiner „Kritik der reinen Vernunft“ (Kant 1956), die er in der zweiten Vorrede auch als „Traktat von der Methode“ (Kant 1956: 28) bezeichnet. Neben R. Descartes muss I. Kant damit als wichtigster Protagonist neuzeitlichen M.n-Bewusstseins gelten. Die mathematische ebenso wie die transzendentale M. der Vorgänger will Georg Wilhelm Friedrich Hegel überbieten und vertritt dabei seinerseits einen M.n-Monismus: Für ihn kennt alle Wissenschaft nur eine M., nämlich die dialektische mit ihrer Denkbewegung von These, Antithese und Synthese.

Der Primat der M. gegenüber ihrem Untersuchungsgegenstand bleibt prägend für das Wissenschaftsverständnis des 19. Jh., nach dem bestimmte Gegenstände ihr Dasein weitgehend oder gänzlich ihrer methodischen Konstitution verdanken. Was Gesellschaft, Geschichte oder Sprache eigentlich ist, ergibt sich zuallererst in der darauf bezogenen methodisch geleiteten Forschung. Nicht nur der gesamte Bereich des künstlich Geschaffenen ist zugl. fassbar als der des methodisch Konstituierten – auch der Mensch selbst ist in Teilen seiner lebensweltlichen Tätigkeiten und Funktionen ein Produkt regulierender Methoden. Der M.n-Primat ist in mehrfacher Hinsicht folgenreich:

a) Der methodisch bestimmte Gegenstand weist eine strenge Begrenzung auf – er wird zum Thema immer nur innerhalb des methodisch fixierten Rahmens.

b) Mit einem Wandel der M. geht daher auch eine Wandlung des Objekts einher. Der Streit um einen Gegenstand erweist sich dadurch mitunter als M.n-Streit.

c) Aus dem M.n-Primat ergibt sich die technische Beherrschbarkeit des Gegenstandes als methodisch konstituiertem.

2. Vom Methodenmonismus zum Methodenpluralismus

Während die klassischen M.-Konzeptionen oft explizit oder implizit mit dem Gestus der Alternativlosigkeit vertreten wurden, zeigt sich die Geistesgeschichte insb. mit Beginn der Neuzeit geprägt durch die Tendenz der Verschiebung von monistischen zu pluralistischen Perspektiven. So erfährt das M.n-Verständnis eine entscheidende Erweiterung mit dem Aufkommen der von Galileo Galilei und Isaac Newton geprägten modernen Naturwissenschaften. Während sich für sie das rationalistische M.n-Ideal als unzureichend erweist, kommt Erfahrung und Experiment hier eine Schlüsselrolle zu. Der Erfolg der modernen Naturwissenschaften wird insofern der induktiven M. als dem Pendant der deduktiven M. zugeschrieben. Induktion ist mit der Erwartung verbunden, aufgrund endlich vieler Beobachtungen zu Gesetzesaussagen zu gelangen.

Die exakte Formulierung der induktiven M. löste ebenso wie Fragen ihrer Rechtfertigbarkeit erhebliche Kontroversen aus. Zu deren Initiatoren zählt David Hume, für den keine begründbaren Regeln existieren, die den Übergang von empirischen Einzelerfahrungen zu allg.en Gesetzmäßigkeiten gewährleisten. Alle derartigen Regeln wie auch das Prinzip der Induktion selbst setzen demnach ein weiteres Prinzip voraus, nämlich das seinerseits in Aporien der Beweisbarkeit mündende Prinzip von der durchgängigen Uniformität des Naturgeschehens. Wissenschaftstheoretische Reaktionen, nach denen die induktive M. offenbar keiner strengen Rechtfertigung fähig ist, sodass die an ihr orientierten Erfahrungswissenschaften als Prototyp menschlicher Rationalität fragwürdig erscheinen, bestehen einerseits darin, dass man meint, entgegen D. Hume an der Rechtfertigbarkeit induktiver Verfahren unter Rekurs auf den Begriff der Hypothesenwahrscheinlichkeit im Rahmen einer induktiven Logik festhalten zu können, andererseits darin, wissenschaftliche Rationalität von vornherein nicht an Begründbarkeit oder Beweisbarkeit zu binden, sondern an die empirische Überprüfung von Hypothesen mit dem Ziel von Falsifikation oder vorläufiger Bewährung. Hiergegen wurde u. a. der Einwand erhoben, dass es nicht möglich sei, individuelle Hypothesen zu prüfen, sondern letztlich immer nur unser gesamtes provisorisches Wissen mit der Erfahrung zu konfrontieren. Generell erweist sich der die Naturwissenschaften prägende Antagonismus von deduktiver und induktiver M. als zu eng, zumal jene Wissenschaften sich spezieller Mess-M.n, statistischer M.n usw. bedienen, welche ihrerseits kritischen Rückfragen ausgesetzt sind.

Eine komplexe M.n-Diskussion entzündet sich seit dem 19. Jh. an dem, was den Naturwissenschaften dichotomisch als Geisteswissenschaften, Kulturwissenschaften oder humanities gegenübergestellt und mit eigenen M.n-Standards verbunden wird. Hierbei steht die Auffassung im Hintergrund, dass eine M. in der Regel nur für einen bestimmten begrenzten Gegenstandsbereich Geltung beanspruchen kann. Entspr. lassen sich die methodenmonistischen Vorgaben wissenschaftlicher Exaktheit und Logik, wie sie im Umfeld des Wiener Kreises propagiert wurden, kaum mit Alleingeltungsanspruch aufrechterhalten. Die Einsicht in das holistische Fortschreiten unseres Gesamtwissens, wie es im 20. Jh. von Pierre Maurice Marie Duhem bis Willard Van Orman Quine geltend gemacht wurde, trägt in eigener Weise zur Ersetzung eines M.n-Monismus durch einen M.n-Pluralismus bei.

Im Zuge methodologischer Reflexionen zu den Wissenschaften im Allgemeinen gelangt die Philosophie mit ihrer Auffächerung u. a. in phänomenologische, hermeneutische sowie analytische M.n zu Differenzierungen ihres eigenen Selbstverständnisses. Die phänomenologische M. (Phänomenologie) mit ihrem Hauptvertreter Edmund Husserl verspricht einen gegen die abstrahierenden exakten Wissenschaften ausgerichteten Zugang zu den Sachen selbst, wie sie sich uns zeigen. Der Hermeneutik, im klassischen Sinn eine Lehre methodischer Textauslegung, geht es in ihrer Weiterentwicklung um Verstehensprozesse in geschichtlichen, situativen und kommunikativen Kontexten, also erweiterter nichttextlicher Sinnzusammenhänge bis hin zu der sog.en Existenzialhermeneutik Martin Heideggers. Da jene Kontexte nur als Ganzes, das Ganze aber nur ausgehend von seinen Teilen zu verstehen ist, spricht man von einem hermeneutischen Zirkel. Der von Hans-Georg Gadamer einflussreich reflektierte Verstehensbegriff der hermeneutischen M. der Geisteswissenschaften wurde nachhaltig, aber nicht unumstritten mit dem Erklärungsbegriff der Naturwissenschaften kontrastiert.

Einer radikalen Kritik methodisch-systematischen Denkens kann man Friedrich Nietzsches Antiintellektualismus ebenso subsumieren wie Søren Kierkegaards Existenzphilosophie. Ihnen steht die seit dem 20. Jh. einflussreich werdende analytische Philosophie kritisch gegenüber, die aufgrund ihres Zentralmotivs der Begriffsanalyse immer wieder als M.n-Philosophie apostrophiert und zuweilen als rein logisch-propädeutisches Unternehmen kritisiert wird. Bereits frühe Hauptvertreter wie George Edward Moore betonen die innovative bzw. erkenntniserweiternde Qualität der analytischen Philosophie, insofern sie implizite Bedeutungen von Begriffs- und Aussagekomplexen transparent mache, womit sie sich als Korrekturinstanz ihres Pendants, der sog.en kontinentalen Philosophie, positioniert. Aus der analytischen Philosophie einerseits und einer transformierten Transzendentalphilosophie andererseits entwickelt sich die M. der rationalen Rekonstruktion, die von Jürgen Habermas für eine Pragmatik sozialer Kommunikation fruchtbar gemacht wird. Für eine wissenschaftstheoretische Kritik an der Programmatik des logischen Empirismus steht der von Karl Raimund Popper vertretene kritische Rationalismus. Spätestens seit Thomas Samuel Kuhns wissenschaftsgeschichtlicher Kritik an der methodologischen Einseitigkeit von Verifikationismus und Falsifikationismus setzt sich die Auffassung durch, dass es keine bruchlose, universale Wissenschafts-M. gibt, sondern geschichtliche und soziale Einflüsse die Wissenschaften prägen und für eine Pragmatisierung ihres Verlaufs sorgen. Dabei erweist sich die Vielfalt von M.n-Standards und Rationalitätskonzepten als fließend, so dass der kontingente M.n-Pluralismus mitunter eine Relativismuskritik auf sich zieht oder, wie etwa bei Paul Feyerabend, in M.n-Kritik bis hin zu M.-Skeptizismus mündet.

II. Soziologisch

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Wissenschaftliche M.n sind bes. historisch und kulturell bedingte Praktiken, innerhalb der Scientific Community mit Daten umzugehen. Dieser Umgang mit Daten kann sich auf die Erhebung von Daten beziehen, auf deren Fixierung und deren Auswertung. Bei der Erhebung der Daten geht es darum, empirische Erscheinungen mit Hilfe der Sinne und deren medialen Verstärkungen möglichst vollständig (Oberfläche und Tiefe) wahrzunehmen. Die M.n der Fixierung der Daten haben zum Ziel, die Wahrnehmungsdaten auf einem Medium so einzuschreiben, dass sie eine feste Form bekommen und dann von jedem jederzeit beliebig manipuliert werden können. Die M.n der Datenanalyse zielten auf die Transformation der fixierten Daten in sprachliche Ausdrücke, die zu Hypothesen, Konzepten oder Theorien zusammengefügt werden können.

Von der Gesamtheit dieser Praktiken erhoffen sich Wissenschaftler (so die wissenssoziologische Sicht auf die M.n; Wissenssoziologie), dass mit ihrer Hilfe das offensichtliche und jedem zugängliche Wissen über die Welt in erheblichem Umfang, objektiv und belastbar (valide) erweitert werden kann. Objektiv meint hier, dass alle vernünftigen Menschen, so sie denn die Praktiken in gleicher Weise (nach-)vollziehen, zu den gleichen Ergebnissen kommen. Objektivität meint also generelle Nachvollziehbarkeit. Belastbar (Validität) heißt, dass mit dem neuen Wissen alte Probleme (zumindest vorerst) gelöst werden können. Die Kraft, in der Praxis belastbare Aussagen zu erzeugen, wird also an eine objektivierbare, kontrollierbare und intersubjektiv nachvollziehbare Prozedur (also an etwas Nicht-Subjektives) gebunden. Nicht-konstruktivistisch angelegte Theorien des Messens sehen durch das strikte Prozessieren bestimmter M.n eine objektive Gültigkeit gesichert.

Alle M.n sind, da sie auf Medien angewiesen sind, immer auch an die Medien ihrer Zeit gebunden, erlauben diese doch, bestimmte Daten zu erheben, zu fixieren und auszuwerten. Die Geschichte der M.n ist also immer eng verknüpft mit der Geschichte der Medien.

Alle sozialwissenschaftlichen M.n haben das inhaltliche Ziel, aufgrund der Erhebung und Auswertung von Daten dabei zu helfen, tragfähige Theorien über die soziale Wirklichkeit kommunikativ zu „konstruieren“, die soziale Prozesse und das Handeln der Menschen beschreibbar, verstehbar und erklärbar und damit letztlich steuerbar zu machen.

Ein anderes, auf den Forschungsprozess gerichtetes Ziel des Einsatzes von M.n ist die Verhinderung und Austreibung von Forschersubjektivität aus dem Alltag der Forschung. Denn die Subjektivität der Forscher hat (so ein starker Grundton in der Tradition der Scientific Society) nichts mit Wissenschaft zu tun. Norbert Elias hat (mit Blick auf die Erfahrungen der Naturwissenschaftler) bemerkt, dass „egozentrische Gesichtspunkte der Forschenden selbst den Erkenntniswert ihrer Arbeit aufs schwerste beeinträchtigt und deren Brauchbarkeit für die Forschenden und für ihre eigene Gruppe letztlich zunichte macht“ (Elias 1987: 14).

Wissenschaft zu betreiben (und das gilt allg.) bedeutet immer, in einem bestimmten erlernten Format zu arbeiten, nach einem bestimmten Modus Operandi – also in bestimmter typischer, genauer: sozial typisierter Weise zu handeln. Und dies bedeutet: im Rahmen einer bestimmten Theorie, mithilfe bestimmter Verfahren und in einem bestimmten sozialen Rahmen. Theorien, Sozialformen und vor allem M.n bahnen demnach in typischer Weise das wissenschaftliche Handeln, „standardisieren“ es. Viele M.n-Bücher fordern deshalb, dass die Wissenschaftler bei ihrer Arbeit in diesen Handlungstypen restlos aufgehen. So sollen die Nachvollziehbarkeit und damit auch die Güte und Glaubwürdigkeit von wissenschaftlicher Forschung gesichert werden.

Dennoch: Seit (Sozial-)Forschung betrieben wird, wird immer wieder daran gezweifelt, ob es tatsächlich möglich und ob es überhaupt sinnvoll ist, die Subjektivität der Forschenden mithilfe methodischer Vorkehrungen auszumerzen. Stattdessen wird die These vertreten, dass es auch ohne explizite M.n möglich ist, zu überzeugenden und belastbaren Theorien zu kommen. Mit Hinweis auf die vielen Entdeckungen in der Geschichte der Wissenschaften werden Streitschriften „wider den Methodenzwang“ (Feyerabend 1981) oder das „Diktat der Methodenpolizei“ geschrieben. Unstrittig ist jedoch, dass – allen anderslautenden Normen und Aussagen zum Trotz – in allen Phasen der Forschung Subjektivität eine Rolle spielt. Wie bedeutsam diese Rolle ist, das ist allerdings unklar.

M.n gründen stets auf einer oft impliziten und (zu) selten explizierten Vorstellung davon, was die Daten „sind“ bzw. repräsentieren, was wir wie erkennen können und wie sich Daten erheben und auswerten lassen (Methodologie, Epistemologie). Forschung „schafft“ somit ihren Gegenstand (in gewisser Weise) und damit auch die zu erhebenden Daten – weder das Erste noch das Zweite liegt einfach vor, sondern muss gemacht werden. Deshalb sind M.n immer theoretisch geleitet und daher sind die ausgearbeiteten „M.n“ immer auch Theorie: Gesellschaftstheorie, Sozialtheorie, Handlungstheorie, Kommunikations- und Medientheorie und Erkenntnistheorie in einem.

Elaborierte M.n der Sozialforschung – und das kennzeichnet sie – entwickeln (im Gegensatz zu Ad-hoc-M.n, die das implizit machen) vorab eine mehr oder weniger explizite Grundlagentheorie, die sich sowohl auf das Wahrnehmen und Deuten bezieht als auch auf die in Betracht kommenden Gegenstände. Sie sind der Selbstreflexion grundsätzlich verpflichtet und zugl. darum bemüht, die eigene theoretische und methodische Arbeit immer wieder selbst in die Forschung miteinzubeziehen.

Bei Forschungsarbeiten, die ohne vorab entworfene Grundlagentheorie die Arbeit beginnen, besteht die Gefahr, dass sich die Forschenden (meist ohne dass sie es selbst wahrnehmen) ihren Alltagstheorien über den Gegenstand ausliefern – also ihrem Common Sense: Statt kontrollierter und reflektierter Erkenntnisse liefern nicht-bewusste, ad hoc entworfene Vor-Urteile (Vorurteil) die relevanten Ansichten über die noch zu untersuchenden Gegenstände und verlängern sie auf diese Weise.

M.n sind also keine neutralen tools (i. S. v. „Hilfsmitteln“), die sich beliebig für jede Fragestellung nutzen lassen, sondern M.n sind im engen Sinne des Wortes Handwerkszeuge, die einem bestimmten Zweck dienen, nämlich dem Zweck, eine bestimmte Frage zu beantworten. Jedes Handwerkszeug enthält in seiner Form und seiner Materialität bereits eine „Theorie“ des praktischen Umgangs mit seinem Gegenstand: Der Hammer ist so wie er ist, weil er sich aus der Praxis des Nageleinschlagens ergeben hat. Jede Praxis der Anwendung von M.n ist eingebunden in einen kommunikativen Prozess zwischen Forschenden und Beforschten darüber, welche M.n in welcher Form jeweils zum Einsatz kommen sollen. Insofern ist die Angemessenheit einer M. auch eine kommunikative Konstruktion.

In den Sozialwissenschaften wird oft zwischen zwei M.n-Repertoires unterschieden: Das eine ist Teil einer qualitativen oder interpretativen Forschungsstrategie oder oft auch Forschungsparadigma, das andere ist Teil einer quantitativen Forschungsstrategie. Oft wird mit Rückgriff auf die Bestimmung von Max Weber, der Soziologie ginge es um „erklärendes Verstehen“ (Weber 1980: 4), behauptet, der qualitativen Forschung ginge es um das „Verstehen“ des sinnhaften Handelns Einzelner und der quantitativen Forschung um das „Erklären“ von institutioneller Ordnung.

Diese Zuordnung ist jedoch unzutreffend. Geht man von dem expliziten Selbstverständnis der qualitativen, interpretativen und quantitativen Forscher aus, dann ist die Sicht angebrachter, dass es das Ziel jeder wissenschaftlichen Sozialforschung ist, zu allg.en Aussagen über singuläre und kollektive Erscheinungen zu kommen. Wissenschaft kann nämlich (will sie ernst genommen werden) nicht im Besonderen verbleiben, sondern Wissenschaft muss auch das Allgemeine wollen. Deshalb geht es (fast allen) auch um das Muster, das verbindet, das Muster, das verstehen lässt, das Muster, das erklärt. Es gibt also keinen generellen Verzicht der Qualitativen auf Erklären und keinen Verzicht der Quantitativen auf das Verstehen des Singulären.

Zudem ruht jede quantitative Untersuchung einer qualitativen Basis auf und ebenso muss sie im Verlauf der Arbeit immer wieder interpretieren – weshalb in quantitativen Untersuchungen immer und notwendigerweise mit den Prämissen qualitativer Forschung gearbeitet wird. Auch beruht jede qualitative Untersuchung auf einer quantitativen Basis (z. B. dann, wenn sie „Normalität“ bestimmen will) und natürlich muss sie im Verlauf der Arbeit immer wieder die Relevanz, die Wichtigkeit, die Häufigkeit „intuitiv“ ermitteln – weshalb in qualitativen Untersuchungen immer und notwendigerweise mit den Prämissen quantitativer Forschung gearbeitet wird.

In der konkreten Forschungspraxis durchdringen sich also das Feststellen von Häufigkeiten und die Ausdeutung von Sachverhalten – und zwar in jeder Phase der Forschung. Es gibt sie also nicht, die klare Trennung der quantitativen und qualitativen Forschung entlang von bestimmten Merkmalen, Phasen, Perspektiven oder Reichenweitenanspruch. Gründe genug, anzunehmen, dass es auch eine echte Verbindung der beiden M.n-Verständnisse geben könnte.

Was die beiden Forschungsstrategien allerdings trennt, das ist der Umstand, dass jede M. Teil einer bestimmten Kultur des Forschens ist. Quantitative und qualitative Forschung sind nämlich nicht nur durch die M.n getrennt, sondern v. a. und wesentlich – so die These Charles Percy Snows: durch die Kultur, deren Ausdruck die M.n sind (zu der Idee der verschiedenen Forschungskulturen auch im Hinblick auf die Sozialwissenschaften siehe Wolf Lepenies 1985).

Wollte man beide Kulturen zum Zwecke der Optimierung, die sowohl die Qualität des Endproduktes erhöht als auch bleibend eine konstante Qualität erreicht, wirklich miteinander verbinden, wie dies in den letzten Jahren zunehmend auch international geschieht (Mixed Methods), dann bräuchte man eine „neue“ Sprache, mit der die Fragen und Probleme aus einer neutralen und übergeordneten Perspektive formuliert werden könnten. Die beiden methodischen Zugangsweisen zur Wirklichkeit müssten zugl. als Perspektiven begriffen werden und das Neue bestünde dann in einer Perspektivenüberschreitung, die jedoch die beiden vorhandenen Perspektiven bewahrt und zugl. überschreitet. Fraglich ist jedoch, ob es eine Sprache geben kann, die methodenneutral ist, die also nicht bereits Ausdruck eines Paradigmas ist. Unterhalb der Entwicklung einer neuen gemeinsamen Sprache und einer Perspektivenüberschreitung gerät jedoch jede Kombination von qualitativen und quantitativen M.n zu einem cross over, zu einem Gemenge ohne ernsthafte Qualitätsverbesserung.