Kulturpolitik

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K. kann sich wie der Begriff der Kultur auf die Gesamtheit der von Menschen geschaffenen und diese prägenden Existenzbedingungen beziehen. In diesem Sinne sind geschichtliche Konfliktsituationen wie Kulturkampf und Kulturrevolution kulturpolitische Phänomene. Im engeren Sinne ist K. das Handeln von Staat und Kommunen sowie von Kirchen und gesellschaftlichen Organisationen in Bezug auf das Bedingungsgefüge und die Inhalte kulturschaffender und kulturpflegender Prozesse und Institutionen. Auch hier muss zwischen K. im weiteren und im engeren Sinne unterschieden werden. So umfasst die sich aus den Art. 30 und 70–74 GG indirekt ergebene, allerdings dort nicht ausdrücklich benannte „Kulturhoheit der Länder“ die rechtliche Regelungskompetenz und die finanzielle Verantwortung für Bildung, Wissenschaft, kulturelle Einrichtungen, Denkmalschutz (Denkmal) und Medienanstalten. Gemäß dem freiheitlich-demokratischem Charakter der deutschen Verfassungsordnung ist dieses staatliche Handeln begrenzt durch die im GG und in den Landesverfassungen garantierte Glaubens-, Bekenntnis-, Meinungs- und Pressefreiheit sowie durch die Freiheit von Kunst und Wissenschaft.

K. im engeren Sinne bezieht sich auf den Unterhalt künstlerischer Institutionen wie Theater, Orchester, Bibliotheken und Museen, auf die Förderung künstlerischer Aktivitäten und Produktionen und von bürgerschaftlichen Initiativen (Soziokultur) sowie auf medienrechtliche Regelungen. In den Ländern liegen die kulturpolitischen Aufgaben i. d. R. bei den Kultur-, Kultus- bzw. Wissenschaftsministerien, deren Tätigkeit innerhalb der KMK koordiniert werden kann. Für Medienfragen sind meist die Staatskanzleien zuständig. Der Denkmalschutz ist unterschiedlichen Landesressorts zugeordnet. In den größeren Kommunen gibt es Kulturbürgermeister bzw. Kulturdezernenten. Auf der Bundesebene, deren kulturpolitische Kompetenz begrenzt ist und lange umstritten war, besteht seit 1998 das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rang eines Staatsministers im Bundeskanzleramt. Zu den Aufgaben dieser obersten Bundesbehörde gehört die Förderung bestimmter national bedeutsamer kultureller Einrichtungen, die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Kultur und Medien, das Verlags- und Urheberrecht, der Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung, die allg.en Rechtsverhältnisse von Presse und Film und die Vertretung der kultur- und medienpolitischen Interessen auf der europäischen Ebene. Dagegen liegt die Zuständigkeit für die auswärtige K. beim A. A. der Bundesregierung. Zu nennen ist hier v. a. das deutsche Auslandsschulwesen. In Abkehr von der nationalsozialistischen Auslandspropaganda vollzieht sich die auswärtige K. der BRD v. a. durch eigenständige Kulturmittler wie das Goethe-Institut, den DAAD und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Für die kulturpolitischen Beziehungen zwischen den Ländern und dem Bund gilt das Prinzip des kooperativen Föderalismus. Ein koordinierendes Gremium besteht nicht.

In Deutschland gehen die heute existierenden künstlerischen Institutionen vielfach auf das Handeln von Landesfürsten oder auf bürgerschaftliche Gründungen zurück. Daher sind aus geschichtlichen Gründen ganz überwiegend die Länder und Kommunen die öffentlich-rechtlichen Träger von Institutionen des künstlerischen Lebens (Kulturföderalismus). Die meisten kulturellen Einrichtungen sind in kommunaler Trägerschaft. Mit Ausnahme des von der Richard-Wagner-Stiftung getragenen Bayreuther Festspielhauses sind alle bedeutenden Orchester, Opernhäuser und Theater Deutschlands in der Trägerschaft eines Landes oder einer Kommune. Das institutionelle Engagement des Bundes konzentriert sich, meist im Zusammenwirken mit den Ländern, auf den Unterhalt bzw. auf den größeren Anteil am Unterhalt solcher Einrichtungen und Stiftungen von nationaler oder überregionaler Bedeutung wie z. B. das Haus der Geschichte der Bundesrepublik in Bonn, das Deutsche Historische Museum in Berlin, die Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig und Frankfurt am Main, das Bundesarchiv, die FFA sowie die Stiftungen Preußischer Kulturbesitz, Preußische Schlösser und Gärten und Weimarer Klassik.

Im Rahmen der Verfassungsordnung können die kulturpolitisch Verantwortlichen der Länder und Kommunen sowie des Bundes eigene Akzente setzen, so im Verhältnis zwischen der geschichtlich gewachsenen „Hochkultur“, einerseits, und der Vielzahl bürgerschaftlicher Kulturprojekte sowie den Angeboten der „freien Szene“, andererseits. Im Schauspiel-, Opern- und Konzertleben können unterschiedliche Richtungen durch die Auswahl der künstlerischen Leitungspersönlichkeiten betont werden, wobei Beteiligungsrechte der künstlerisch Mitwirkenden zu beachten sind. Die Multikulturalität (Multikulturalismus) moderner Gesellschaften kann einerseits als Ausgangspunkt für eine kosmopolitisch verstandene Hyperkultur, andererseits als Herausforderung für die geschichtlich gewachsene und sich dynamisch entwickelnde kulturelle Identität der deutschen Gesellschaft gedeutet werden. Entspr. liegt der Akzent eher auf der Diversität oder auf der Integration. In jedem Fall muss jedoch die Kernaufgabe freiheitlicher K. in der Ermöglichung eigenständigen kulturellen Handelns bestehen und der kulturellen Pluralität dienen. K. als Versuch einer politischen oder ideologischen Erziehung der Gesellschaft, wie er in der DDR unternommen wurde, wäre verfassungswidrig.

Dagegen ist die gezielte Förderung bestimmter Inhalte, Haltungen und Traditionen innerhalb des Wertespektrums der freiheitlichen Gesellschaft ein legitimes Motiv der Tätigkeit von freien Trägern und unabhängigen Institutionen. Hier sind insb. das Wirken und die Stellungnahmen der christlichen Kirchen und ihrer Laienorganisationen zu nennen. Deren wesentliches Anliegen ist es, den christlichen Glauben in eine fruchtbare Beziehung zu dem sich ständig wandelnden kulturellen Selbstverständnis der Gesellschaft zu bringen und dieses mitzuprägen. Überdies sind kirchliche oder kirchennahe Möglichkeiten der künstlerischen Selbstbetätigung, wie z. B. Chöre, ein wesentlicher Teil der kulturellen Aktivität in Deutschland. Auch den anderen Religionsgemeinschaften bietet sich hier ein Raum gesellschaftlichen Wirkens. Von wachsender Bedeutung ist die kulturelle Aktivität freier Träger. Zur deutschen Kulturlandschaft gehören auch die privatwirtschaftlichen Kulturangebote, die sich überwiegend über den Publikumsmarkt finanzieren müssen. Alle diese Möglichkeiten kulturellen Wirkens und Erlebens im Blick zu haben und ihnen realistische Chancen zu bieten, gehört zu den Aufgaben einer verantwortungsvollen, ausgewogenen und bürgernahen K.

Einen wichtigen kulturpolitischen Faktor bilden nicht zuletzt die Vereinigungen, Zusammenschlüsse und Netzwerke der kulturellen Akteure selbst, welche entweder der gemeinsamen künstlerischen Tätigkeit dienen (wie z. B. Singakademien und Gesangvereine) oder die spezifischen Anliegen und Interessen einer bestimmten künstlerischen Sparte oder Richtung verfolgen (wie z. B. der Deutsche Bühnenverein für die Theater und die Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger für die dort Beschäftigten). Nicht wenige dieser Verbände und Vereine blicken auf eine lange Geschichte zurück und gehören damit zu den frühen Vorläufern öffentlich wirksamer K. Inzwischen sind die meisten der im kulturellen Leben tätigen Organisationen unterschiedlicher Art im Deutschen Kulturrat zusammengeschlossen, der seinerseits ein einflussreicher und unverzichtbarer gesellschaftlicher Akteur der K. ist. Das gilt auch für die innerhalb des Deutschen Kulturrates tätigen Vertretungen künstlerischer Sparten wie den Deutschen Musikrat.