Konfuzianismus: Unterschied zwischen den Versionen

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G. Paul: Konfuzianismus, Version 04.01.2021, 09:00 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Konfuzianismus}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
 
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Version vom 4. Januar 2021, 12:22 Uhr

1. Konfuzius und seine Zeit

Über den historischen Konfuzius (chinesisch Kongfuzi oder Kongzi) ist wenig bekannt. Er war einer der zahlreichen herumziehenden Gelehrten, die ihren Rat den Häuptern von Staaten antrugen, die im Raum der späteren chinesischer Großreiche lagen. Die einzelnen Staaten konkurrierten miteinander um die Vorherrschaft. Die Epoche zwischen 481–221 wurde schließlich sogar die „Zeit der Streitenden Reiche“ (Zhanguo) genannt. Wie die Staaten, so konkurrierten auch die „fahrenden Gelehrten“ miteinander. Sie hofften auf einträgliche Ämter und priesen den Herrschenden Methoden an, mit denen sie – angeblich – die Hegemonie über alle Einzelstaaten erringen konnten. Konfuzius plädierte dabei wohl für ein Verhalten und Vorgehen, das im Gegensatz insb. zu den Empfehlungen der späteren Legisten oder Legalisten (Fajia), der Vertreter der „Schule des Gesetzes“, relativ gewaltfrei erscheint. Vom Daoismus (Daojia) unterschieden sich seine Auffassungen v. a. dadurch, dass er kaum auf (quasi) „natürliche“, sich selbst organisierende Problemlösungen, sondern auf menschliches, kulturschaffendes Engagement setzte. Vom Mohismus (Mojia) trennte ihn seine Überzeugung, dass Gesellschaft und Staat klar hierarchisch gegliedert sein müssten. In mancher Hinsicht waren wohl auch Daoismus und Mohismus weniger gewaltkritisch als Konfuzius.

Es ist nicht leicht, festzustellen, welche Überzeugungen der historische Konfuzius vertrat. Selbst die Textsammlung, die als zuverlässigste Quelle gilt, das „Lunyu“, die „Gesammelten Worte [des Konfuzius]“, enthält vieles, was anderen zuzuschreiben ist. Das Lunyu entstand vielleicht erst mehr als 100 Jahre nach dem Tod des Konfuzius. Die ältesten erhaltenen Versionen oder Fragmente sind noch jünger. Als Kern seiner Philosophie dürfte sich jedoch eine Ethik und Staats- und Gesellschaftstheorie ausmachen lassen, die zusammenfassend als Tugendlehre (Tugend) charakterisiert werden kann. Als Kardinaltugenden gelten dabei

a) ren und

b) yi, vielleicht auch li, die mit

a) „Menschlichkeit“, „Mitmenschlichkeit“, „Wohlwollen“,

b) „Rechtlichkeit“, „Gerechtigkeit“ und

c) „(konventionelle) Sittlichkeit“ oder „(ansprechende) konventionelle (Umgangs-)Form“ übersetzt werden können.

Im engeren Sinn bedeutet li freilich „Riten“. Zentral für den Konfuzius des „Lunyu“ ist zudem seine wiederholte Forderung nach Beachtung der Goldenen Regel, die im deutschsprachigen Raum u. a. in der Version „Was Du nicht willst, dass man Dir tu’, das füg’ auch keinem andern zu“ verbreitet ist. Damit weist die Ethik des Konfuzius auch ein regelethisches Merkmal auf.

2. Die Bezeichnung „Konfuzianismus“

Die Bezeichnung „K.“ ist irreführend. Sie soll dem chinesischen rujia entsprechen, das treffender mit „Schule der Gelehrten“ oder „Tradition(en) der Gelehrten“ wiedergegeben werden kann. Nach einer Namenserklärung soll ru im 4. und 3. Jh. v. Chr. „Weichlinge“ bedeutet haben. Diese Hypothese ist insofern diskutabel, als es sich um eine abwertende Charakterisierung durch Gegner handeln könnte, die die Lösung der damaligen politischen Probleme eher in der Ausübung von Gewalt als in argumentativer Auseinandersetzung und der Wirkung moralischer Regeln sahen. Jedenfalls bezieht sich der Ausdruck „K.“ auf unterschiedlichste Lehren und Überlieferungen, die sich mitunter schon im Grundsätzlichen widersprechen.

3. Arten, Inhalte und Geschichte des Konfuzianismus

Auf allg.er Ebene lassen sich

a) philosophischer K.,

b) Staats-K. und

c) volkstümlicher K. unterscheiden, doch ist die Kategorisierung nicht unumstritten.

So behaupten manche, es gebe gar keine konfuzianische Philosophie. Vielmehr müsse von einem konfuzianischen Denken gesprochen werden. Die Frage, warum konfuzianisches Denken in keiner nennenswerten Weise Philosophie einschließen soll, bleibt dabei offen. So argumentiert ja der Konfuzianer Xunzi (3. Jh. v. Chr.) in einer gegen Götter- und Wunderglauben gerichteten Form für Menschlichkeit.

3.1 Philosophischer Konfuzianismus

3.1.1 Klassischer Konfuzianismus

Der klassische K. entwickelte sich zwischen dem 6. und 3. Jh. v. Chr. Die für ihn charakteristischen grundlegenden Auffassungen sind im „Lunyu“ und den Büchern „Menzius“ (Mengzi) und „Xunzi“ formuliert. Letztere werden Menzius (Mengzi, 4. bis 3. Jh. v. Chr.) und Xunzi (9. Jh. v. Chr.) zugeschrieben, doch sind selbst die ältesten überlieferten Manuskripte jüngeren Datums.

Als zentrales Lehrstück lässt sich das Konzept der idealen Persönlichkeit auffassen. Bei ihr handelt es sich entweder um junzi oder shengren, „Edle“ oder „Weise“. Daneben existieren freilich auch andere Übersetzungen. So wird shengren oft auch mit „Heiliger“ wiedergegeben. Dies geschieht, wenn im shengren eine (quasi-)religiöse Gestalt gesehen wird. Der entscheidende Unterschied zwischen einem junzi und einem shengren dürfte freilich darin liegen, dass Letzterer auch Kulturschaffender, Kulturheros und so weniger als der junzi darauf angewiesen ist, zu lernen. Z. B. zählen die mythischen und (halb-)historischen Begründer früher chinesischer Dynastien wie Yao, Shun und Yu und der angebliche Begründer der Heilkunst Huangdi, der „Gelbe Kaiser“, zu den Weisen. Doch gilt prinzipiell für jede ideale Persönlichkeit, dass sie die Kardinaltugenden ren, yi, li und zhi, „Wissen“ oder „Weisheit“, besitzt. Sie ist lernwillig, gebildet, hilfsbereit, und insb. wenn es um die Kultivierung der Persönlichkeit und da um Menschlichkeit geht, selbstkritisch, offen für Kritik und zur Kritik bereit. Zusammenfassend gesagt, ist sie unermüdlich um Selbstkultivierung (xiuji) und um die Vervollkommnung anderer bemüht. Sie unterscheidet sich damit vom xiaoren, dem „kleinen Mensch“. Konfuzius galt später selbst als vorbildlicher „Edler“ und Muster einer vollkommenen Persönlichkeit. Die klassisch-konfuzianische Charakterisierung der idealen Persönlichkeit ist so durch ethische, staats- und gesellschaftsphilosophische und v. a. im Falle des „Xunzi“ auch durch sprachphilosophische Komponenten bestimmt. Wissen oder Weisheit schließt nämlich schon nach dem „Lunyu“ die Kenntnis korrekter Begriffe und den korrekten Gebrauch von Bezeichnungen ein. Das „Xunzi“ entwickelt diese Forderung dann in einer Weise weiter, die Sprachphilosophie, Kommunikationstheorie und Logik einschließt. So soll der Mensch sich nach dem „Xunzi“ möglichst klar und widerspruchsfrei und dabei zudem noch möglichst schön ausdrücken. Der Klarheit diene dabei etwa die Beachtung sprachlicher Konventionen und die Eineindeutigkeit von Bezeichnung und Bezeichneten. Stärker noch als das „Lunyu“ betont das „Xunzi“ die moralischen Implikationen idealer Kommunikation. Wie das „Lunyu“ unterstreicht es, dass unkonventionelle Ausdrucksweise Verwirrung, ja gesellschaftliche Unordnung stiften könne. Es betont jedoch überdies, dass es Streit fördere, wenn man eine Behauptung nicht begründe. Belehre man, dann ohne Überheblichkeit und in ansprechender Form; werde man belehrt, so solle man dies dankbar als willkommene Hilfe begreifen.

In der Rekonstruktion der klassisch-konfuzianischen Ethik stehen sich freilich zwei grundsätzlich verschiedene Auffassungen gegenüber. Nach einer Auffassung schließt die Ethik Tugenden und ethisch relevante Merkmale ein, die allen Menschen zukommen oder zukommen können, nach der anderen Auffassung handelt es sich um eine reine Rollenethik. Ihr zufolge unterscheiden sich die Tugenden je nach Position in Familie und Staat, ohne dass es so etwas wie allgemeinmenschliche, allen Menschen zuträgliche Tugenden gebe. Danach besteht z. B. die Menschlichkeit des Herrschers im Wohlwollen, die der Beherrschten in der Loyalität (zhong) ihm gegenüber. Das „Menzius“ eignet sich wohl am besten zu einer Illustration dieser gegensätzlichen Sichten. In ihm finden sich die Ausdrücke tianjue und renjue, „Adel des Himmels“, und „menschlicher Adel“. Ersterer bezeichnet dem Text zufolge einen hohen, sozusagen naturgegebenen Wert, der allen Menschen zukommt. Renjue dagegen bezeichnet insb. das Ansehen, das mit Ämtern wie „Minister“ verbunden ist. Sie werden von Mächtigen verliehen und genommen. Die Unterscheidung entspr. der Unterscheidung von Amt und Würden. So lässt sich tianjue auch mit „Menschenwürde“ wiedergeben, während renjue sich etwa mit „Ehre“ übersetzen lässt. Dessen ungeachtet sehen manche Interpreten auch in den angesprochenen Textstellen kein Gegenbeispiel. Nicht leicht vereinbar mit der Hypothese, dass das „Menzius“ eine bloße Rollenethik vertrete, ist auch die nach dem klassischen K. so wichtige Goldene Regel. Dem „Menzius“ zufolge soll ja selbst ein vom Hungertod bedrohter Bettler Essen zurückweisen, wenn es ihm mit verächtlicher Geste zugeschoben wird. Anders gesagt, sollte sich danach kein Mensch – gleich welchen Standes und in welchen Umständen –, so erniedrigen lassen, dass dies die in seiner Würde begründete Selbstachtung gravierend verletzte. Für den, der gibt und es auch nicht billigen würde, wenn man ihn erniedrigte, gilt damit, dass er selbst einen Bettler nicht erniedrigen sollte.

Bes. Bedeutung kommt dem klassisch-konfuzianischen Konzept der Kritik zu. Dies auch, weil es für dessen Theorie legitimer Herrschaft relevant ist. Herrschaft gilt nämlich nur dann als gerechtfertigt, wenn sie human – im Interesse der Beherrschten – ausgeübt wird. Ist sie grausam, tyrannisch, despotisch oder, einfach gesagt, unmenschlich, so ist der Despot zu kritisieren. Loyalität (zhong) schließt dann Verpflichtung zur Kritik ein, und dies mitunter auch dann, wenn sie lebensgefährlich ist. Bleibt selbst wiederholte Kritik wirkungslos, so fordern das „Menzius“ und das „Xunzi“ die gewaltsame Beseitigung des Despoten.

Obwohl einzelne Gelehrte in der Geschichte Chinas bis ans Ende der Kaiserzeit für Lehren des klassischen K. eintraten, spielte er in der Politik nur eine geringe Rolle. Insb. die Konzepte der Kritik und des Tyrannenmords wurden von den Kaisern abgelehnt, die mitunter zwar Lippenbekenntnisse zum K. abgaben, aber bestenfalls eine Art Staats-K. akzeptierten.

3.1.2 Der Neokonfuzianismus

Die wichtigsten Strömungen des Neo-K. sind die Lixue und die Xinxue, die „Schule des Prinzips“ und die „Schule des Herzens“. Daneben existieren andere Übersetzungen. Hauptvertreter der Lixue ist der Song-Konfuzianier Zhu Xi, der neben „Lunyu“ und „Menzius“ „Zhongyong“ und „Daoxue“, „Maß und Mitte“ und „Die große Lehre“, zu konfuzianischen Grundtexten erhob. Die beiden Texte sind Ausschnitte aus dem „Liji“, dem vielleicht weithin auf das 2. Jh. v. Chr. zurück gehenden „Buch der Riten“ oder „Buch der Sitte“. Wichtigster Vertreter der Xinxue ist Wang Yangming aus der Ming-Zeit. In beiden Richtungen spielen Spekulation, Metaphysik und Ontologie, die im klassischen K. fast völlig fehlen, eine große Rolle. U. a. ist dies auch auf den Einfluss des Buddhismus zurückzuführen, der sich seit dem 1. Jh. in China verbreitete. Die Lixue führt alles Seiende auf li und qi, Prinzip und materielle Energie, zurück oder betrachtet es als deren Manifestationen. Dabei gilt li als höherwertiges Formprinzip, qi als etwas Stoffliches. Sie konstituieren alles, was existiert. So ist benxing, das „urspr.e Herz“, das jedem Menschen eignet, Manifestation (fast) reinen lis. Sich um Moralität und Erkenntnis zu bemühen, heißt, diese Reinheit zu wahren bzw. zu aktualisieren oder zur Geltung zu bringen. Je stärker Manifestationen oder Wirkungen des qi die Reinheit trüben oder verdunkeln, umso geringer die Möglichkeiten, sich moralisch zu verhalten und sein Wissen zu erweitern, ja, seine Persönlichkeit zu kultivieren. Damit ist die Lixue durch eine Ontologisierung der Ethik und einen gewissen – auch anthropologischen – Dualismus gekennzeichnet. Grundlegendstes und höchstes Prinzip alles Seienden ist freilich taiji, das „Letzthöchste“. Wiewohl die Lixue durchaus auch herrschaftskritische Züge einschließt, fehlt ihr die radikale Legitimationstheorie von „Menzius“ und „Xunzi“. Darin mag sich ein Einfluss der han-zeitlichen (206 v. Chr. bis 220) Staatsphilosophie zeigen. Insb. der Li-Begriff wurde freilich von späteren Konfuzianern, die dem klassischen K. zuneigten, scharf kritisiert. Sein Begriff sei so unklar, dass er willkürlicher Interpretation offenstehe. Da die Mächtigen die Interpretationshoheit besäßen, würden sie ihn denn auch ihren Interessen gemäß interpretieren. Der Dualismus tue ein Übriges, natürlichen, durchaus gerechtfertigten allgemeinmenschlichen Neigungen und Wünschen entgegen zu wirken. Der Konfuzianer Dai Zhen ging so weit, li als Mittel zum Töten anzuprangern.

Der Xinxue fehlen die dualistischen Züge und die ethische Strenge der Lixue. Der in gewisser Hinsicht damit dem „Menzius“ verpflichtete Wang Yangming geht davon aus, dass xin, das „Herz“, das Instrument des Denkens und Fühlens und der moralischen Kompetenz, die entscheidende Instanz menschlichen Tuns und Lassens sei. Es wirke von Natur aus auf die Realisation des Guten hin und eigne in dieser Anlage auch jedem Menschen. Auch die „Xinxue“ schließt damit eine Ontologisierung der Ethik ein. In ihrer Betonung der Funktion des Herzens wurde sie vielfach jedoch auch als Begünstigung eines politisch problematischen Individualismus aufgefasst. In Japan diente sie in einigen Fällen sogar zur Rechtfertigung von Aufruhr und Rebellion gegen das Shogunat, die Militärherrschaft der Tokugawa- oder Edo-Zeit (1609–1868). Dies führte in einer herrschaftsaffirmativen Ideologie zur entschiedenen Ablehnung, ja Verächtlichmachung des „Menzius“ als einer (zu) rationalen, „individualistischen“, loyalitätsfeindlichen und mit der Göttlichkeit des Tenn&omacr;, des japanischen Kaisers, unvereinbaren Philosophie.

Diese Ablehnung des „Menzius“ war freilich nicht für die Geschichte des K. in Japan – und Korea – überhaupt charakteristisch. In beiden Staaten wurden im Wechsel der Zeit die unterschiedlichsten Formen des K. vertreten.

3.1.3 Globaler Neokonfuzianismus

Der Ausdruck „Globaler Neo-K.“ steht für xinrujia, das üblicherweise mit „Neu-K.“ oder „Gegenwärtiger K.“ übersetzt wird. Da es sich um einen K. handelt, der – wenn auch in sehr unterschiedlichem Umfang und mit unterschiedlichem Einfluss – weltweit verbreitet und v. a. auch Resultat einer Auseinandersetzung mit Philosophien wie der Immanuel Kants und Konzepten wie denen von Demokratie und Menschenrechten ist, dürfte „Globaler Neo-K.“ eine treffendere, verständlichere Bezeichnung sein. Er findet sich nicht nur in Taiwan, Singapur, Hongkong, der VR China, Korea und Japan, sondern daneben auch v. a. in den USA. Im deutschsprachigen Raum spielt er insofern eine Rolle, als verschiedene Ethikkonzepte auch Lehrstücke insb. der klassisch-konfuzianischen Tugendlehre berücksichtigen. Die Situation in der VR China ausgenommen, ist er in der Tat durch eine mehr oder weniger positive Rezeption, ja Integration solcher Konzepte wie dem der Menschenrechte oder eben der Demokratie gekennzeichnet. Stärker freilich als im klassischen K. sind auch da die metaphysischen und v. a. ontologischen Aspekte.

3.2 Staatskonfuzianismus

Der Staats-K. entstand in der Han–Zeit und war bis Ende der Kaiserzeit (1911) die politisch dominante Ideologie. Er ist stark durch den Legalismus, aber auch durch metaphysische Konzeptionen wie die von yin und yang geprägt und unterscheidet sich so signifikant vom klassischen K. Hauptvertreter ist Dong Zhongshu. In seinem überwiegend herrschafts- und staatsaffirmativen Charakter besitzt der Staats-K. weniger philosophische Züge als selbst die Lixue. Am besten lässt er sich so auch näher hin in Abgrenzung gegen den klassischen K. charakterisieren. Konzepte der Kritik, kritischen Loyalität und v. a. des „Tyrannenmordes“ spielen, falls überhaupt, keine herausragende Rolle mehr. Herrscher sind nicht einfach Menschen in einer Menschenwelt, die sich gegenüber den Beherrschten zu verantworten haben, sondern von fast mystischer Aura umgebene, in ausgezeichneter Form in ein kosmologisches System und in die Mechanismen von yin und yang eingebundene Gestalten.

In gewissen Hinsichten waren auch der von Chiang Kai-shek und Lee Kuan Yew etablierte und gepflegte Konfuziuskult Formen des Staats-K. Und auch der im nachmaoistischen China proklamierte Konfuzius-Kult ist ein Staats-K. In allen drei Fällen handelt es sich v. a. um herrschaftsaffirmative Ideologien. Chiang Kai-sheks „K.“ hatte in erster Linie den Zweck, sein Regime gegen die seinerzeit extrem Konfuzius-feindliche maoistische Volksrepublik (Maoismus) abzusetzen. Im Gegensatz zur maoistischen Unmenschlichkeit sollte er für eine der Humanität verpflichtete Regierung stehen. Lee Kuan Yew sah in den konfuzianischen Tugendlehren eine dem „Westen“ überlegene moralische anti-indivualistische und antiegalitäre Kraft. Im nachmaoistischen China bezieht sich das Regime mit seiner Berufung auf Konfuzius und mit Stichworten wie „Harmonie“ und „chinesische Werte“ ebenfalls kaum auf klassisch-konfuzianische Auffassungen. Falls philosophische Momente eine Rolle spielen, dann in allen drei Fällen eher konservative neokonfuzianische Elemente.

3.3 Volkstümlicher Konfuzianismus

Der volkstümliche K. schließt religiöse oder quasi-religiöse synkretistische Kulte ein, in denen – je nach Version – Konfuzius neben (dem legendären?) Laozi, dem „daoistischen“ Jadekaiser und Buddha als eine gottgleiche Gestalt verehrt wird. Vielleicht sind auch die an den Konfuzius-Schreinen (kongmiao) vollzogenen Riten, die im Allgemeinen zahlreiche Zuschauer finden, dazu zu rechnen. Familienbesuche und Picknicks im Bereich der Schreine, Kauf und Nutzung von Devotionalien, ja von Souvenirs wie kleinen Konfuzius-Skulpturen oder mit Konfuzius-Bildern verzierten Tüchern, Kleidungsstücken, Stempeln, Aschenbechern und dgl. sind ebenfalls Indizien für die weite Verbreitung eines volkstümlichen K.