Kirchliche Verwaltung

  1. I. Katholisch
  2. II. Evangelisch

I. Katholisch

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1. Kirchenrechtliche Grundlagen

Das kirchliche Gesetzbuch (CIC/1983) enthält keine Legaldefinition dessen, was unter k.r V. verstanden wird, differenziert allerdings stärker als der CIC/1917, wie und wodurch k.s V.s-Handeln erfolgt. Gemäß can. 391 CIC ist es Aufgabe des Diözesanbischofs (Bischof) bzw. der ihm Gleichgestellten (cann. 368–371 CIC), in seiner Teilkirche die Leitung in Form gesetzgebender, ausführender und richterlicher Gewalt auszuüben. Es obliegt ihm, für die Ausübung der ausführenden Gewalt (V.) einen Generalvikar oder auch Bischofsvikar zu ernennen, für die Ausübung der richterlichen Gewalt (Rechtsprechung; Kirchliche Gerichtsbarkeit) einen Gerichtsvikar (Offizial) und zusätzliche Richter, die nicht zwingend Kleriker sein müssen (can. 391 CIC i. V. m. can. 1421 CIC). Die gesetzgebende Vollmacht übt der Diözesanbischof selbst aus. Eine schon seit längerem diskutierte Frage betrifft die Beauftragung von Laien zu Stellvertretern des Diözesanbischofs in Bezug auf das V.s-Handeln der Kirche, insb. auch in Bezug auf das Amt des Generalvikars. In den Bereichen, in denen keine Weihe als Grundlage für das Handeln vorausgesetzt ist, müsste eine solche Lösung angesichts sinkender Priesterzahlen denkbar sein. Can. 478 CIC schreibt allerdings vor, dass Generalvikar und Bischofsvikare Priester sein müssen, mindestens 30 Jahre alt sein und eine entspr.e Qualifikation mitbringen sollen (Lizentiat oder Promotion im kanonischen Recht oder in der Theologie oder wirkliche Erfahrung in diesem Bereich). Hinzu kommt die Möglichkeit der Delegation bestimmter V.s-Akte an Laien (Nicht-Geweihte). Diesbezüglich sind die rechtssetzenden von den rechtsanwendenden V.s-Akten voneinander zu unterscheiden. Nur im Bereich der rechtsanwendenden V.s-Akte können Laien aufgrund von delegierter Vollmacht handeln.

Einschlägig für die Bestimmung k.r V. sind die Allgemeinen Normen, insb. Titel III-IV des CIC, im Besonderen die Bestimmungen über die allg.en Dekrete und Instruktionen, v. a. über die Ausführungsdekrete (cann. 29–33 CIC), die Dekrete und V.s-Befehle für Einzelfälle (cann. 48–58 CIC), Reskripte (cann. 59–75 CIC), Privilegien (cann. 76–84 CIC) und Dispensen (cann. 85–93 CIC). Das Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen (CCEO) spricht erst in seinem letzten Teil über die k. V. (cann. 1510–1539 CCEO). Als V.s-Akte werden hier die Dekrete genannt, die in einem Einzelfall eine Entscheidung oder eine kanonische Vorschrift geben, Einzelgebote, die einer Person oder einer Personengruppe ein bestimmtes Tun oder Unterlassen auferlegen, insb. in Bezug auf die Beachtung der Gesetze und Reskripte, die ein Privileg, eine Dispens, eine Erlaubnis oder anderes gewähren.

Darüber hinaus ist noch die V.s-Tätigkeit im Bereich der römischen Kurie zu nennen, die zuletzt, abgesehen von einigen späteren Änderungen, durch Papst Johannes Paul II. mit der Apostolischen Konstitution „Pastor Bonus“ (1988) geregelt worden ist, sowie die mögliche Beschwerde gegen V.s-Dekrete (hierarchischer Rekurs), insb. in Bezug auf die Amtsenthebung oder Versetzung von Pfarrern (cann. 1732–1739 CIC). Eine schon lange geforderte V.s-Gerichtsbarkeit auf Bistumsebene existiert bislang nicht, diese liegt bei der Apostolischen Signatur als höchstem Gericht der römischen Kurie.

Aber auch in den Pfarreien wird V.s-Arbeit geleistet, und zwar durch die in can. 535 § 1 CIC vorgeschriebene Matrikelführung, durch den in can. 537 CIC normierten pfarrlichen Vermögens-V.s-Rat und insgesamt durch die Wahrnehmung der Rechtsgeschäfte in einer Pfarrei, die dem Pfarrer laut can. 532 CIC zukommt, wozu auch die Vermögens-V. gemäß can. 1281–1288 CIC gehört.

2. Das Verwaltungshandeln im Einzelnen

Die V.s-Akte werden in allg.e Dekrete und Instruktionen (cann. 29–34 CIC) und solche für Einzelfälle (cann. 35–93 CIC) unterschieden. In Bezug auf die diözesane und pfarrliche Vermögens-V. sind staatliche Normen mit zu berücksichtigen (so z. B. im Baurecht, bei kirchlichen Einrichtungen und Stiftungen etc.). Insofern reichen die Bestimmungen des CIC allein nicht aus, um das k. V.s-Handeln zu beschreiben.

Bei den Dekreten ist zwischen allg.en Dekreten (decretum generale) und Dekreten für Einzelfälle (decretum singulare) zu unterscheiden. Bei allg.en Dekreten i. S. v. allgemeinverbindlichen Vorschriften handelt es sich im eigentlichen Sinne um Gesetze, die nur vom Diözesanbischof erlassen werden können (can. 29 CIC). Derjenige, der nur ausführende Gewalt besitzt, ist nicht dazu befähigt, allg.e Dekrete in diesem Sinne zu erlassen, es sei denn, ihm wurde dies nach Maßgabe des Rechts vom zuständigen Gesetzgeber ausdrücklich eingeräumt (can. 30 CIC). Allerdings können diejenigen, die ausführende Gewalt innehaben, allg.e Dekrete, die sich auf die Anwendung der Gesetze und auf deren Beachtung beziehen, verfassen (can. 31 CIC). Darunter fallen die allg.en Ausführungsdekrete (decreta generalia exsecutoria) und die Instruktionen (cann. 31–34 CIC). Sie dienen der Entlastung des Gesetzgebers, indem sie Einzelfälle im Sinne einer konkreten Anwendung des allg.en Gesetzes regeln. Dementsprechend sind sie den Gesetzen nachgeordnet, von ihnen abhängig, an sie und ihren Inhalt gebunden und nicht selbst Gesetz. Bestehende Gesetze können sie nicht aufheben (can. 34 § 2 CIC).

Neben den allg.en Dekreten und Instruktionen sind auch die V.s-Akte für Einzelfälle von großer Bedeutung für das rechtliche Handeln der Kirche. Zu ihnen zählen das Dekret (decretum singulare, can. 48 CIC), das Reskript (eine in Schriftform erlassene Antragsgenehmigung, can. 59 § 1 CIC), die Privilegien (ein schriftlich gewährter Gnadenerweis zugunsten physischer oder juristischer Personen, can. 76 § 1 CIC) und die Dispensen (die Befreiung von einem kirchlichen Gesetz in einem Einzelfall, can. 85 CIC). Letztere bedürfen zur Gültigkeit einer gerechten und vernünftigen Begründung (can. 90 CIC). Gemeinsam ist diesen V.s-Akten, dass sie nur für den Einzelfall gelten, nicht aber auf andere Fälle ausgedehnt werden können (can. 36 § 2 CIC). Tritt eine mit einem schon erlassenen Dekret vergleichbare Fallgestaltung auf, muss ein neues Dekret erlassen werden. Dabei bedarf ein V.s-Akt, der nach außen gerichtet ist, der Schriftform (can. 37 CIC), ebenso der Akt seines Vollzugs. Die Schriftform ermöglicht die Nachvollziehbarkeit der einzelnen V.s-Akte und somit deren ggf. notwendige Überprüfbarkeit zu einem späteren Zeitpunkt. In heutiger Zeit stellt sich diesbezüglich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine digitalisierte Schriftform mit entspr.er digitaler Speicherung ausreichen könnte, um den Notwendigkeiten der Archivierung und des Datenschutzes gerecht werden zu können. In einigen deutschen Bistümern wird von dieser Möglichkeit schon Gebrauch gemacht. Der Vollzieher der V.s-Akte ist an die Vorgaben seines Auftrags gebunden; nur dann ist der V.s-Akt gültig (can. 42 CIC).

Inhaltlich kann der Diözesanbischof oder der Ortsordinarius sowohl von allg.en als auch von partikularen Diözesangesetzen dispensieren, nicht aber von prozessualen oder strafbezogenen Normen. Sofern die Erteilung einer Dispens dem Apostolischen Stuhl oder einer anderen Autorität vorbehalten ist, wäre eine durch den Diözesanbischof erteilte unerlaubt und ungültig. Der CCEO nennt in den cann. 1527–1539 ebenfalls diese Formen k.n V.s-Handelns. Grundprinzip ist, dass die V.s-Tätigkeit wie alles Handeln der Kirche in jedem Einzelfall der Förderung der Gemeinschaft der Gläubigen dienen soll.

3. Rechtskraftbestimmungen

Die Promulgations- und Rechtskraftbestimmungen werden im CIC/1983 nicht in Bezug auf alle V.s-Akte im Einzelnen normiert. Eine grundlegende Norm findet sich in can. 8 CIC hinsichtlich der allg.en kirchlichen Gesetze. Sie werden durch Veröffentlichung in den AAS promulgiert und erlangen ihre Rechtskraft erst nach Ablauf von drei Monaten nach der Promulgation. Diese Regelung gilt auch für die allg.en Ausführungsdekrete (can. 31 § 2 CIC). Ein Dekret für Einzelfälle oder ein Reskript ist schriftlich zu erlassen (can. 51 CIC) und erlangt Rechtskraft vom Zeitpunkt des Vollzugs bzw. vom Zeitpunkt seiner Mitteilung an (cann. 54–56 CIC). Sollten schwerwiegende Gründe gegen eine schriftliche Mitteilung eines Dekrets vorliegen, kann diese gemäß can. 55 CIC auch mündlich vor einem Notar oder zwei Zeugen erfolgen, was anschließend durch die Unterschrift der Anwesenden zu dokumentieren ist. Bestimmungen über das Erlöschen von allg.en Dekreten und solchen im Einzelfall finden sich in den cann. 33–34 sowie cann. 47 und 58 CIC. Allg.e Dekrete erlöschen durch Widerruf; während Dekrete und V.s-Befehle durch Widerruf oder durch Wegfall des Gesetzes, auf das sie sich beziehen, ihre Rechtskraft verlieren. Eine allg.e Übersicht, in welchen Fällen Dekrete oder Reskripte zu erlassen sind, liegt im CIC nicht vor. Ebensowenig geben die Normen eine bestimmte Schriftform für ein Dekret vor, so dass die Praxis in den Diözesen durchaus unterschiedlich ist.

II. Evangelisch

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Eine allg.e Definition von V. hat sich nicht durchsetzen können. Wenn man das kirchliche Handeln danach unterscheidet, ob es – wie bei Verkündigung, Amtshandlungen, Seelsorge, Diakonie, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit – um seiner selbst willen geschieht oder als disponierendes Handeln darauf gerichtet ist, die Voraussetzungen für die genannten Handlungfelder zu schaffen (Kirchenrecht), kann zumindest letzteres als k. V. begriffen werden. Es geht um die Bereitstellung von Personal, Sachmitteln, Organisationsstrukturen, Konzepten und Geld, damit kirchliche Arbeit geschehen kann. Auch die vorbereitenden Entscheidungen und begleitenden Vorgänge für bestimmte kirchliche Vollzüge können noch zur k.n V. gerechnet werden.

K. V. geschieht auf allen Ebenen von den Kirchengemeinden über die Kirchenkreise und die Landeskirchen bis zu den kirchlichen Zusammenschlüssen. Sie wird von den Organen der kirchlichen Körperschaften oder von bes.n Ämtern und Einrichtungen wahrgenommen. In ihrem Handeln kann sich die Kirche privat- und öffentlich-rechtlicher Formen bedienen. In einem distinkten Sinne ist unter dem V.s-Handeln nur das öffentlich-rechtliche zu verstehen. Jede Stelle, die damit befasst ist, kann als Behörde bezeichnet werden. Nachdem es über lange Zeit allenfalls für bestimmte Sachgebiete Regelungen über Zuständigkeit, Verfahren, Form und Maßstäbe der k.n V. gegeben und man sich oft mit Analogien zum staatlichen Recht beholfen hat, ist durch das VVZG-EKD vom 28.10.2009 (EKD) eine allg.e Regelung geschaffen worden, die sich stark am staatlichen Vorbild orientiert.

Für die k. V. sind drei Prinzipien leitend: die Gewährleistung fachlicher Qualität, die Wahrung des Konnexes mit dem Leitungshandeln in den kirchlichen Körperschaften und die Arbeitsfähigkeit der V.s-Organisation. Aufgrund der differenzierten kirchlichen Strukturen und der Zusammensetzung der Leitungsorgane lassen sich diese Prinzipien nicht strikt verwirklichen. Kirchliche Leitung und V. steht vor komplexen Herausforderungen durch die Vielfalt des kirchlichen Handelns und die damit verbundenen theologischen, juristischen, ökonomischen und weiteren Fragestellungen. Die Verantwortung für das kirchliche Handeln liegt in der evangelischen Kirche überwiegend bei Gremien, denen Theologen von Amts wegen und v. a. gewählte oder berufene Ehrenamtliche angehören. Solche Leitungsorgane können der Komplexität der Anforderungen alleine nicht gerecht werden. Darum werden sie durch Einrichtungen der k.n V. ergänzt. Arbeitsfähigkeit und fachliche Qualität sprechen dafür, die k. V. in größeren Einheiten zu organisieren und nach fachlichen Gesichtspunkten zu strukturieren. So gibt es regionale V.s-Ämter, die für Kirchenkreise, Kirchengemeinden und die angeschlossenen Einrichtungen zuständig sind, und bei den Landeskirchen außer der zentralen V. (Landeskirchenamt, Konsistorium) verschiedene Fach-V.en.

Durch die Schaffung von V.s-Ämtern wird die Leistung gestärkt, aber der Konnex zum Leitungshandeln problematisch. Darum kommt es auf die Verzahnung von Leitung und V. an. Dies geschieht zum einen dadurch, dass die V. mit der Vorbereitung und der Umsetzung von Leitungsentscheidungen betraut wird, die Verantwortung für das kirchliche Handeln aber v. a. bei den Leitungsorganen liegt. Außerdem dient die kirchliche Aufsicht, mit ihren Instrumenten der Informationspflichten und Beratungs- und Genehmigungserfordernissen, der Verbindung von Leitungsverantwortung und Professionalität der k.n V.

Es bleibt nicht aus, dass die k. V. aufgrund ihres Informationsvorsprungs und ihrer weitreichenden Einbindung in das kirchliche Handeln Macht ausübt. Die Frage kann aber nicht sein, wie dies zu verhindern ist, sondern wie Transparenz und Verantwortlichkeit hergestellt werden können.