Kirchenzugehörigkeit

  1. I. Katholisches Verständnis
  2. II. Evangelisches Verständnis und Staatskirchenrecht

I. Katholisches Verständnis

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1. Eingliederung durch Taufe oder Übertritt

Die Kirchengliedschaft wird nicht durch Zeugung oder Geburt, sondern sakramental erworben, und zwar durch den Empfang der Taufe (cann. 96, 204 § 1, 849 CIC/1983; cann. 7 § 1, 675 § 1 CCEO). Durch die Taufe wird man allg. der Kirche Christi, die in der katholischen Kirche voll verwirklicht ist („subsistit in“ [LG 8 Abs. 2; can. 204 § 1 CIC/1983]), eingegliedert, zur Person in der Kirche und Träger von Gliedschaftsrechten und -pflichten.

Durch die Taufe wird man konkret in die katholische Kirche oder in eine getrennte Kirche bzw. kirchliche Gemeinschaft, in der sich kirchenbildende Elemente finden (LG 15) und die in einer unvollendeten Gemeinschaft (UR 3) oder Verbindung (LG 15) mit der katholischen Kirche steht, eingegliedert. Von einer getrennten Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft kann man zur katholischen Kirche übertreten (Konversion).

2. Einschränkungen in der Ausübung der Gliedschaftsrechte

Die sakramental begründete Kirchengliedschaft ist als solche unverlierbar („semel catholicus, semper catholicus“). Auch die durch die Taufe begründeten Pflichten und Rechte sind unverlierbar, doch sind hinsichtlich der Ausübung der Rechte Differenzierungen möglich. Zunächst kommen den Getauften die Gliedschaftspflichten und -rechte unter Beachtung ihrer jeweiligen Stellung zu. Die Ausübung der Gliedschaftsrechte kann durch eine Kirchenstrafe oder Disziplinarmaßnahme eingeschränkt sein, was sich nur auf Katholiken bezieht. Die Gliedschaftsrechte kommen den Getauften ferner nur zu, soweit („quatenus“ [can. 96 CIC/1983]) sie sich in der vollen Gemeinschaft („plena communio“) der Kirche befinden, was bei Katholiken grundsätzlich der Fall ist. Wenn das dreifache Band des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der Leitung durchtrennt ist, steht man nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche. Die getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften stehen daher nicht in voller Gemeinschaft („communio non plena“) mit der katholischen Kirche. Wer einer getrennten Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft angehört, ist daher in der Ausübung seiner Gliedschaftsrechte beeinträchtigt.

3. Der Abfall von der Kirche

Wer einmal der katholischen Kirche eingegliedert wurde, gehört ihr unverlierbar auf Lebenszeit an und bleibt an die Normen des kanonischen Rechts (Kirchenrecht) gebunden (can. 11 CIC/1983; can. 1490 CCEO). Obwohl individuelle Religionsfreiheit grundsätzlich auch im Hinblick auf die Kirche gilt (DH 2, 4; AG 13; vgl. can. 748 § 2 CIC/1983 und can. 586 CCEO), ist eine Konversion zu einer getrennten Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft, die nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche steht, rechtlich nicht möglich (aufgrund der Verpflichtung zur Bewahrung der erkannten Wahrheit [can. 748 § 1 CIC/1983, keine Entsprechung im CCEO]) und mit einschneidenden Rechtsbeschränkungen verbunden. Die Ablehnung des christlichen Glaubens im Ganzen, der Abfall vom katholischen Glauben oder von der Gemeinschaft der Kirche sind als Apostasie, Häresie oder Schisma mit der Strafe der Exkommunikation bedroht (cann. 751, 1364 CIC/1983; cann. 1436 § 1, 1437 CCEO). Die DBK hat durch ein Allgemeines Dekret vom 20.9.2012 den vor dem Staat erklärten Austritt aus der Kirche mit einschneidenden Ordnungsmaßnahmen bedroht, die den Strafwirkungen der Exkommunikation ähneln.

II. Evangelisches Verständnis und Staatskirchenrecht

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1. Evangelisches Verständnis

Das evangelische Verständnis differenziert zwischen (geistlicher) Gliedschaft und (juristischer) Mitgliedschaft. Die Taufe als Bindeglied ist sowohl gliedschaftsbegründend wie mitgliedschaftsvermittelnd. Im geistlichen Sinn wird Gliedschaft als Zugehörigkeit zur Kirche Jesu Christi i. S. d. dritten Glaubensartikels des Apostolischen Glaubensbekenntnisses verstanden (ecclesia universalis), K. im rechtlichen Sinn als Zugehörigkeit zu einer konkreten Landeskirche (ecclesia particularis). In der neueren evangelischen Theologie wird der überlieferte zweigliedrige Kirchenbegriff verbreitet zu einem dreigliedrigen fortentwickelt, indem bei den geistlichen Grundlagen nochmals zwischen ecclesia spiritualis (konstituiert durch den Glauben) und ecclesia universalis unterschieden wird.

Das Mitgliedschaftsrecht ist EKD-weit im „Kirchengesetz über die Kirchenmitgliedschaft, das kirchliche Meldewesen und den Schutz der Daten der Kirchenmitglieder“ (vom 10.11.1976, in Kraft seit 1978) geregelt. Grundvoraussetzung jeder Mitgliedschaft ist nach dessen § 1 die Trias Taufe (vermittelt die Zugehörigkeit zur ecclesia universalis), Wohnsitz (bestimmt die Zugehörigkeit zur Kirchengemeinde sowie zur EKD-Gliedkirche) und Bekenntnis (getaufte evangelische Christen, sofern sie nicht einer anderen Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören). Außer durch Taufe wird die K. gemäß § 7 auch erworben durch Aufnahme, Wiederaufnahme und Übertritt (Aufnahme wie Übertritt betreffen den Fall eines nicht evangelisch Getauften, beim Übertritt bedarf es anders als bei der Aufnahme keines vorherigen Austritts aus der bisherigen Kirche – diese Modalität ist bei katholisch Getauften nicht möglich). Spiegelbildlich kann die K. verloren werden (§ 10) durch Umzug ins Ausland, Übertritt sowie Wirksamwerden der nach staatlichem Recht zulässigen Austrittserklärung. Einen Ausschluss durch Maßnahmen der Kirchenzucht (Kirchenstrafen) sieht das aktuelle Recht dagegen nicht mehr vor.

Die Mitgliedschaft besteht sowohl in der lokalen Kirchengemeinde wie in der regionalen Gliedkirche (§ 1 Abs. 2), zudem vermittelt sie die „Angehörigkeit“ zur EKD (§ 2 Abs. 2). Als echte Rechtspflichten sind die Pflichten zur Entrichtung von Abgaben (§ 4 Abs. 2) sowie zur Mitteilung relevanter Daten (§ 5 Abs. 1) ausgestaltet. Die Beteiligung am kirchlichen Leben ist hingegen eine Soll-Vorschrift (§ 4 Abs. 1). Vorrangiges Recht aus der K. ist die Inanspruchnahme der Dienste der Verkündigung, Diakonie (Caritas, Diakonie) und Seelsorge (§ 3 Abs. 1).

2. Staatliches Recht

Die Regelung der K. unterfällt als eigene Angelegenheit i. S. d. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV grundsätzlich allein kirchlicher Kompetenz. Infolgedessen akzeptiert und rezipiert der Staat das interne Mitgliedschaftsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften (BVerfGE 30, 415). Allerdings muss er infolge seiner aus der negativen Glaubensfreiheit resultierenden Schutzpflicht sicherstellen, dass niemand gegen seinen Willen (bei Minderjährigen: gegen den Willen der Sorgeberechtigten) als Mitglied in Anspruch genommen wird. Daher sieht das staatliche Recht in den Kirchensteuer- bzw. speziellen Kirchenaustrittsgesetzen der Länder die Möglichkeit vor, durch einseitige Erklärung mit sofortiger Wirkung die K. für den weltlichen Rechtskreis zu beenden, und zwar auch in den Fällen, in denen die innere Rechtsordnung keinen Austritt kennt.

Eine andere Frage ist, ob kirchlicherseits an einen vor den staatlichen Behörden erklärten Kirchenaustritt interne Sanktionen geknüpft werden (können). Die jahrzehntelange Diskussion in der katholischen Kirche, die in solchen Fällen eine automatische Exkommunikation wegen der Straftat des Schisma vorsah, hat durch das Allgemeine Dekret der DBK vom 24.9.2012 ein vorläufiges Ende gefunden.