Katholische Hilfswerke

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1. Begriff und Arbeitsteilung

Als „K. H.“ bezeichnet man die Päpstlichen und Bischöflichen Werke für weltkirchliche Aufgaben der katholischen Kirche in Deutschland. Eine bes. Stellung kommt den sechs überdiözesan agierenden MARMICK-Werken zu. Namentlich sind dies Misereor, Adveniat, Renovabis, Missio, Caritas international und Kindermissionswerk „Die Sternsinger“, die im Folgenden nach ihrem Gründungsjahr vorgestellt werden. Daneben unterhält die katholische Kirche die Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe und den Katholischen Akademischen Ausländer-Dienst, die keine Hilfswerke im engeren Sinne sind, jedoch eine deutliche weltkirchliche Dimension aufweisen.

Obwohl ein inhaltlich und strukturell kohärentes Gesamtsystem nicht besteht, hat sich doch eine gewisse Arbeitsteilung bei den H.n entwickelt. Diese wurde von den deutschen Bischöfen in der Erklärung „Die eine Sendung und die vielen Dienste“ (Sekretariat der DBK 2000) für die MARMICK-Werke bestätigt. Darin wird zwischen „religiös-missionarischen“ und „human-entwicklungsbezogenen“ Diensten unterschieden, ohne diese voneinander trennen zu wollen. Als „religiös-missionarische“ Werke werden Adveniat und Missio eingestuft. Sie widmen sich v. a. der Ausbildung kirchlicher Mitarbeiter und der kirchlichen Infrastruktur in Lateinamerika bzw. in Afrika, Asien und Ozeanien. Als „human-entwicklungsbezogene“ Werke gelten Misereor und Caritas international, die sich sozial-karitativ und entwicklungspolitisch für die Armen auf allen Kontinenten engagieren. Das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ und Renovabis erfüllen sowohl einen „religiös-missionarischen“ als auch einen „human-entwicklungsbezogenen“ Auftrag. Während das Kindermissionswerk mit der religiösen und sozialen Förderung der Kinder auf allen Kontinenten beauftragt ist, unterstützt Renovabis die kirchliche Infrastruktur und die soziale Arbeit in Mittel- und Osteuropa.

Die Hilfswerke stehen unter der Verantwortung der DBK, die zur Wahrnehmung ihrer weltkirchlichen Aufgaben die Kommission X (Kommission Weltkirche) eingerichtet hat. Dieser Kommission sind die Unterkommissionen für Missionsfragen (insb. Missio), für Entwicklungsfragen (insb. Misereor), für Lateinamerika (insb. Adveniat) sowie für Mittel- und Osteuropa (insb. Renovabis) zugeordnet.

2. Die Hilfswerke für weltkirchliche Aufgaben

2.1 Missio – Internationales Katholisches Missionswerk e. V./K.d.ö.R.

MissioInternationales Katholisches Missionswerk ist der Name der beiden Werke Missio Aachen und Missio München. Sie bilden den deutschen Zweig der über 100 Päpstlichen Missionswerke der Glaubensverbreitung weltweit. Missio Aachen ist für die 18 nichtbayerischen (Erz-)Bistümer und Missio München für die acht (Erz-)Bistümer der Bayerischen Bischofskonferenz, zu denen auch das Bistum Speyer gehört, zuständig. Die beiden Werke sind – als Verein und als K.d.ö.R. – rechtlich selbstständig, arbeiten aber eng, teilweise arbeitsteilig zusammen. Missio Aachen und Missio München sind aus den zahlreichen Missionskreisen der ersten Hälfte des 19. Jh. hervorgegangen. 1832 gründete der Arzt Heinrich Hahn in Aachen die Franziskus-Xaverius-Bruderschaft, 1838 rief König Ludwig I. von Bayern den Ludwig-Missionsverein ins Leben. Beide wurden 1922 zu Päpstlichen Missionswerken ernannt.

Die Werke erfüllen einen doppelten Auftrag. Sie sollen zum einen das missionarische Bewusstsein der Gläubigen als Lern-, Gebets- und Solidargemeinschaft im eigenen Land lebendig halten und zum anderen die Ortskirchen in Afrika, Asien und Ozeanien ideell und finanziell unterstützen. Im Rahmen der Projektarbeit werden missionarische Berufe sowie die pastoral-soziale Tätigkeit der katholischen Kirche in Afrika, Asien und Ozeanien unterstützt. Ein Großteil der Inlandsaktivitäten findet im Rahmen der Jahresaktion zum Weltmissionssonntag statt, außerdem am Afrikatag und – mit Blick auf Missio Aachen – im Rahmen der Aktion Schutzengel.

Auf gesamtkirchlicher Ebene unterstehen die Missionswerke zunächst dem Papst, der seine Leitung über die Kongregation für die Evangelisierung der Völker ausübt. Auf nationaler Ebene ist die DBK verantwortlich, in deren Auftrag die Unterkommission für Missionsfragen handelt. Die Einkünfte von Missio Aachen belaufen sich zwischen 2010 und 2015 auf jährlich 54,2 Mio. bis 57,4 Mio. Euro. Diese stammen etwa zur Hälfte aus Spenden und Kollekten sowie zu etwa einem Drittel aus Mitteln des VDD. Missio München verfügt im genannten Zeitraum über jährliche Mittel zwischen 20,4 Mio. und 22,8 Mio. Euro, die ebenfalls etwa zur Hälfte aus Spenden und Kollekten stammen. Öffentliche Mittel erhalten die beiden Werke nicht.

2.2 Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ e. V.

Das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ ist das Kinderhilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland und eines von 110 Kindermissionswerken weltweit. Nach dem Vorbild des 1843 von Bischof Charles de Forbin-Janson in Frankreich gegründeten &Olig;uvre de la Sainte Enfance gab die 15-jährige Auguste von Sartorius 1846 den Anstoß zur Gründung des Vereins der heiligen Kindheit. 1922 wurde es zum Päpstlichen Missionswerk ernannt.

Im Rahmen der Auslandsarbeit unterstützt der Verein benachteiligte, gefährdete oder sich in akuten Notlagen befindende Kinder weltweit, ungeachtet von Geschlecht, Religion und Kultur. Dieser Dienst umfasst das missionarische Zeugnis und den Einsatz für die weltweite Entwicklung. Im Inland bildet die jährlich mit dem BDKJ durchgeführte Sternsingeraktion die zentrale öffentlichkeitswirksame Maßnahme und gibt dem Hilfswerk seinen Namen. Das Ziel dieser Aktion besteht darin, pastorale und entwicklungsbezogene Bewusstseinsbildung im Inland zu leisten, Spenden einzuwerben und auf diese Weise Projekte zu unterstützen, die Kindern und Jugendlichen weltweit dienen.

Wie Missio untersteht das Hilfswerk auf gesamtkirchlicher Ebene dem Papst bzw. der Kongregation zur Evangelisierung der Völker und auf nationaler Ebene der DBK mit seiner Unterkommission für Missionsfragen. Das Werk unterhält eine Geschäftsstelle in Aachen und Regionalstellen in Berlin und Ulm. Die Einnahmen des Kindermissionswerks stammen fast vollständig aus Spendengeldern. VDD- und öffentliche Mittel stehen dem Werk nicht zur Verfügung. Die Einnahmen belaufen sich von 2010 bis 2015 auf 71,4 Mio. bis 78,4 Mio. Euro jährlich. Sie setzen sich zu zwei Dritteln aus Mitteln der Aktion Dreikönigssingen und zu etwa einem Viertel aus Projektpartnerschaften zusammen.

2.3 Bischöfliches Hilfswerk Misereor e. V.

Das Bischöfliche Hilfswerk Misereor wurde auf Initiative von Josef Kardinal Frings 1958 von den deutschen Bischöfen ins Leben gerufen. Das Motto der ersten Aktion im Jahr 1959 „Misereor super turbam – Mich erbarmt des Volkes“ (Mk 8,2) liefert dem Werk den Namen: Misereor, das Hilfswerk gegen Hunger und Krankheit in der Welt.

Laut Statut soll der Verein im Ausland Entwicklungsprojekte fördern und im Inland zur entwicklungspolitischen Bildungs- und Lobbyarbeit (Entwicklungspolitik) beitragen. Die Auslandsprojekte sollen Not und Elend in Form von Hunger, Krankheit, Armut und anderen Formen menschlichen Leids in den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas bekämpfen und dadurch Gerechtigkeit fördern. Dabei kommt die Hilfe den Menschen ungeachtet von Rasse, Geschlecht und Religion zugute. Im Rahmen der Inlandsarbeit wirbt Misereor um Spenden, macht auf die Not in der Welt aufmerksam und fördert das entwicklungsbezogene Engagement. Dabei soll es vom Evangelium her denen ins Gewissen reden, die die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse bestimmen. Die jährliche Fastenaktion bildet dabei die zentrale öffentlichkeitswirksame Maßnahme des Werkes. Als Fachstelle für kirchliche Entwicklungszusammenarbeit hat das Werk außerdem die Aufgabe, den Kontakt mit anderen (nicht-)kirchlichen Entwicklungshilfeorganisationen im In- und Ausland zu pflegen.

Das Werk steht unter der Leitung der DBK, in deren Auftrag die Unterkommission für Entwicklungsfragen handelt. Die Geschäftsstelle befindet sich in Aachen; außerdem gibt es Arbeitsstellen in Berlin und München. Im Reigen der MARMICK-Werke ist Misereor nicht nur personell, sondern auch finanziell das größte Hilfswerk. Die Einnahmen belaufen sich zwischen 2010 und 2015 auf rund 180 Mio. bis 194 Mio. Euro jährlich. Davon stammen etwa zwei Drittel aus öffentlichen Mitteln und rund ein Drittel aus Spenden und Kollekten.

2.4 Bischöfliche Aktion Adveniat e. V.

Die Bischöfliche Aktion Adveniat wurde 1962 eingeführt und 1969 auf Dauer eingerichtet. Der Name entstammt der Vater-Unser-Bitte „Adveniat regnum tuum“ – Dein Reich komme (Mt 6,10). Laut Statut soll der Verein die pastorale Arbeit in den Ortskirchen Lateinamerikas und der Karibik (Lateinamerika und Karibik) unterstützen und zwar insb. durch die Förderung der Aus- und Weiterbildung kirchlicher Mitarbeiter, der sozialen Kommunikation, erforderlicher Baumaßnahmen und Transportmittel. Im Inland wirbt Adveniat um Spenden und führt mit den Bistümern in Deutschland die Patenschaftsaktion zur Förderung lateinamerikanischer Seminaristen durch. Außerdem wird durch Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit bes. im Rahmen der jährlichen Weihnachtskollekte auf die Not in Lateinamerika aufmerksam gemacht und zur solidarischen Nächstenliebe aufgerufen. Das Werk orientiert sich am ganzheitlichen Pastoralbegriff und an der Option für die Armen, wie sie die Kirche in Lateinamerika formuliert hat.

Die Aktion steht unter der Leitung und Verantwortung der DBK, die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben die Unterkommission für Lateinamerika eingesetzt hat. Die Adveniat-Geschäftsstelle hat ihren Sitz in Essen. Die Aktion verfügt zwischen 2010 und 2015 über jährliche Einnahmen von 57,1 Mio. bis 46,8 Mio. Euro. Diese Einnahmen stammen zu über zwei Drittel aus der Weihnachtskollekte und zu etwa einem Viertel aus weiteren Spenden. Öffentliche Mittel stehen der Aktion nicht zur Verfügung.

2.5 Caritas international

Von 1921 bis 1925 leistete der DCV (Caritas, Diakonie) erstmals Hilfe im Ausland. Unter dem Leitwort „Brüder in Not“ unterstützte er die in Russland lebenden Deutschen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sowohl die humanitäre Hilfe als auch die soziale Facharbeit des Verbandes auf die Länder des Südens und Ostens ausgeweitet. 1967 übertrug die DBK dem DCV die Federführung in der Not- und Katastrophenhilfe und seit 1995 trägt die Auslandsabteilung des Caritasverbandes den Namen Caritas international.

Caritas international erfüllt laut Satzung einen zweifachen Auftrag: Sie unterstützt weltweit die Not- und Katastrophenhilfe sowie die soziale Facharbeit für Kinder, alte, kranke und behinderte Menschen, die in Kooperation mit vielen der weltweit über 160 nationalen Caritas-Organisationen durchgeführt werden. Die kurz- und mittelfristigen Wiederaufbauprojekte erfolgen unabhängig von ethnischer und religiöser Zugehörigkeit. Im Inland soll das Werk um Spenden werben und im gesellschaftspolitischen Kontext Partei für die in Not Geratenen ergreifen.

Das Katastrophenhilfswerk ist als Auslandsabteilung in die Organisationsstruktur der Verbandszentrale des DCV mit Sitz in Freiburg eingebunden. Es steht unter der Aufsicht der DBK, wobei neben der Kommission Weltkirche (Kommission X) auch die Kommission für caritative Fragen (Kommission XIII) zuständig ist.

Ein Blick auf die Einnahmen des Hilfswerks von 2010 bis 2015 zeigt, dass die Projektspenden stark variieren und bei Katastrophen um ein Vielfaches in die Höhe schnellen. So bewegen sich die Einkünfte in den genannten Jahren zwischen 46,9 Mio. und 86,7 Mio. Euro jährlich. Die Mittel setzen sich v. a. aus Projektspenden und öffentlichen Zuschüssen der Bundesregierung zusammen.

2.6 Renovabis e. V.

Während des Kalten Krieges hatten die deutschen Katholiken im Verborgenen schon vielfältige Hilfen für die Kirchen in Mittel- und Osteuropa geleistet. Der Zusammenbruch des kommunistischen Systems eröffnete neue Möglichkeiten, sich mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa solidarisch zu zeigen. So rief die DBK auf Anregung des ZdK im Jahr 1993 Renovabis als Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa ins Leben. Der Name entstammt dem Psalm 104: „Renovabis faciem terrae“ – „Du erneuerst das Antlitz der Erde“.

Laut Statut des Vereins verfolgt die Aktion sowohl in der Auslands- als auch in der Inlandsarbeit einen ganzheitlichen, partnerschaftlichen Ansatz. Im Rahmen der Projektarbeit werden die Partner in Mittel- und Osteuropa bei ihrem Einsatz für die Verkündigung des Evangeliums und die Erneuerung der Gesellschaft in Gerechtigkeit und Freiheit unterstützt. Im Mittelpunkt stehen Projekte zur Förderung tragfähiger kirchlicher und sozialer Strukturen. Im Rahmen der Inlandsarbeit wirbt Renovabis um Spenden und fördert die Solidarität der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa. Die Jahresaktion zu Pfingsten dient dazu, im Inland auf die Situation der Menschen und auf den Dienst der Kirche in Mittel- und Osteuropa aufmerksam zu machen.

Die Solidaritätsaktion steht unter der Leitung und Verantwortung der DBK, in deren Namen die Unterkommission für Mittel- und Osteuropa handelt. Diese ist bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu Beratungen mit dem ZdK verpflichtet. Die Freisinger Geschäftsstelle verfügt zwischen 2010 und 2015 über finanzielle Mittel von 34,1 Mio. bis 36,4 Mio. Euro jährlich. Diese Einkünfte stammen hauptsächlich aus Mitteln des VDD, außerdem aus öffentlichen Mitteln sowie Kollekten- und Spendeneinnahmen.

2.7 Weitere Organisationen: AGEH und KAAD

Die AGEH wurde 1959 durch katholische Verbände und Organisationen gegründet. Sie ist der Personaldienst der deutschen Katholiken für Entwicklungszusammenarbeit und vermittelt Fachkräfte in Projekte in Afrika, Asien, Lateinamerika und den Ländern Mittel- und Osteuropas. Die personelle Zusammenarbeit umfasst drei Geschäftsfelder: die Personalvermittlung im Kundenauftrag, den Zivilen Friedensdienst und die Freiwilligen internationalen Dienste. Im ersten und zweiten Bereich entsendet die AGEH jährlich rund 280 Fachkräfte in Entwicklungs- und Friedensvorhaben weltweit. Im Bereich der internationalen Freiwilligendienste gestaltet sie u. a. pädagogische Angebote. Der Verein hat seinen Sitz in Köln. Das jährliche Finanzvolumen liegt zwischen 2010 und 2015 bei 20,8 Mio. bis 25,8 Mio. Euro. Diese Mittel stammen v. a. von den Auftraggebern wie dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Misereor und Caritas international.

Der KAAD wurde 1958 als gemeinnütziger Verein mit Sitz in Bonn eingetragen. Er geht aus einer Initiative des Katholikentages von Fulda 1954 hervor, bei der v. a. Laienorganisationen der katholischen Kirche die Chancen eines Dialogs mit Studierenden aus Übersee betonten. Der KAAD ist das Stipendienwerk der katholischen Kirche (Stipendien) für Postgraduierte und Wissenschaftler aus den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Die jährlich rund 450 Stipendiaten werden durch Bildungsveranstaltungen und persönliche sowie spirituelle Begleitung gefördert. Durch die wissenschaftliche Netzwerkbildung sollen sie in ihren Heimatländern multiplikatorische Funktionen übernehmen können. Der Gesamthaushalt beläuft sich zwischen 2010 und 2015 auf 4,4 Mio. bis 4.9 Mio. Euro jährlich. Der Hauptfinanzier ist der VDD; weitere Mittel stammen u. a. von der Katholischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe und dem Auswärtigen Amt.

3. Herausforderungen der weltkirchlichen Arbeit

3.1 Mission und Entwicklung in der Arbeitsteilung der Hilfswerke

Das Bekenntnis zum universalen Heilswillen Gottes hat das Verständnis von der Mission der Kirche in der Welt grundlegend geweitet und vertieft. Die Mission hat ihr theologisches Fundament im Sendungsauftrag Jesu Christi, der seine Jünger in alle Welt schickt, um das umfassende Heil, das sowohl Leib- wie Seelsorge erfasst, zu verkünden und zu bezeugen. Insofern umfasst Mission jeden Dienst am ganzheitlichen Heil der Menschen, v. a. der Armen. Ziel der Mission der Kirche ist die ganzheitliche Befreiung als „Leben in Fülle“ (Joh 10,10). Insofern sind Verkündigung und Diakonie in der christlichen Mission grundlegend miteinander verbunden. Die derzeitige Arbeitsteilung der Hilfswerke ist v. a. auf die jeweilige Entstehungsgeschichte zurückzuführen, die – auch wegen der Konkurrenz auf dem Spendenmarkt – zu einer abgrenzenden Profilierung geführt hat. Sie dient den Werken dazu, den vielfältigen Herausforderungen, Ansprüchen und Nöten in der Welt professionell zu begegnen. Diese Spezialisierung ist durchaus sinnvoll, nur erweist sich die Unterscheidung in „Mission“ und „Entwicklung“ als irreführend. Sie fördert ein verkürztes, also enges Missionsverständnis. Dies führt dazu, dass Christen weiterhin einem Verständnis von Mission verhaftet bleiben, das spätestens seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil nicht mehr tragfähig ist. Jedes „religiös-missionarische“ Werk hat gleichwohl einen humanen Entwicklungsauftrag zu erfüllen, während jedes „human-entwicklungsbezogene“ Hilfswerk die missionarisch-religiöse Dimension seiner Aufgabe nicht vergessen darf. Deshalb sind auch die wesentliche Verbundenheit und die Notwendigkeit der verstärkten Kooperation der weltkirchlichen Werke immer wieder in Erinnerung zu rufen.

3.2 Staatliche und kirchliche Entwicklungsarbeit

Der Staat engagiert sich im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit gewöhnlich unter Berücksichtigung eigener Interessen und kooperiert dabei mit den Regierungen der jeweiligen ausländischen Nation. Weltkirchlichen Hilfswerken geht es darum, die Lebensverhältnisse benachteiligter Menschen weltweit i. S. d. „Option für die Armen“ zu verändern. Dabei nutzen sie die Vorteile der kirchlichen Strukturen in den Ländern des Südens, um ihre Hilfe an den Regierungen vorbei zu den Armen zu bringen. Die deutschen Regierungen unterstützen diese Hilfe, indem sie kirchliche Entwicklungsprojekte durch Steuermittel finanzieren. Die Kooperation zwischen staatlichen und kirchlichen Stellen sollte jedoch stets hinterfragt werden. Der enge monetäre Bezug birgt die Gefahr, den entwicklungspolitischen Positionen der Bundesregierungen eher konsens- als konfliktorientiert zu begegnen. Hier steht v. a. Misereor vor der Herausforderung, das Spannungsverhältnis zwischen finanzieller Abhängigkeit und dem Auftrag, den Mächtigen ins Gewissen zu reden, nicht zu unterschätzen.

3.3 Politische Arbeit im Inland

Papst Franziskus betont: „Die Notwendigkeit, die strukturellen Ursachen der Armut zu beheben, kann nicht warten […]. Die Hilfsprojekte, die einigen dringlichen Erfordernissen begegnen, sollten nur als provisorische Maßnahmen angesehen werden“ (EG 202). Dabei sind die Länder des Nordens durch ihren Wirtschafts- und Lebensstil an der Armut in den Ländern des Südens mitverantwortlich. Deshalb stellt die Transformation der Industrieländer im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung (Nachhaltigkeit) eine notwendige Bedingung zur Verbesserung der Lebenssituation der Armen dar. Insofern haben sich die Hilfswerke in Deutschland für ein grundlegendes gesellschaftliches, ökonomisches und ökologisches Umdenken einzusetzen. Hierzu bedarf es einer Bildungs-, Öffentlichkeits-, Kampagnen- und Lobbyarbeit, welche die durch unser Wirtschafts- und Konsumverhalten mitproduzierten ungerechten Strukturen in den Blick nimmt. Als konstitutiver Bestandteil jedes weltkirchlichen Handelns sollten hierfür auch die entspr.en finanziellen Mittel bereitgestellt werden. Um der politischen Wirksamkeit willen ist es zudem notwendig, dass die Werke sowohl ihre kirchliche Basis mobilisieren als auch untereinander, mit anderen kirchlichen und außerkirchlichen Organisationen sowie mit ihren Südpartnern kooperieren.