Internationale Währungspolitik

Version vom 4. Januar 2021, 11:21 Uhr von Staatslexikon (Diskussion | Beiträge) (Internationale Währungspolitik)

1. Begriff und Zielsetzung

„I. W.“ beschreibt den Einfluss von Notenbanken, Regierungen und internationalen monetären Institutionen (IWF, BIZ) auf Wechselkurse und Zinsniveau (Zins), sowie das Zusammenwirken dieser Institutionen mit dem Ziel internationaler Währungs- und Finanzstabilität. Institutionen und Systeme der i.n W. sind kein Selbstzweck, sondern haben dienende Funktion. Sie sollen den weltweiten Austausch von Waren, Dienstleistungen und Kapital durch eine Balance von Berechenbarkeit und Anpassungsfähigkeit der Wechselkurse erleichtern und damit zu Wachstum und Wohlstand beitragen.

2. Institutionen der internationalen Währungspolitik

2.1 Internationaler Währungsfonds

Urspr. als Zentralinstitution für das 1944 beschlossene Bretton Woods-System fester Wechselkurse gegründet bestehen die Aufgaben des IWF seit dem Zusammenbruch des Fixkurssystems 1973 in der Förderung der internationalen Finanzstabilität durch Vermeidung von Wechselkursmanipulationen, Kontrolle von Kapitalverkehrsbeschränkungen, durch Kredithilfen und Anpassungsprogramme für Mitgliedstaaten mit Zahlungsbilanzproblemen. Hinzu kommt – in den letzten Jahren stärker betont – die surveillance (beratende Aufsicht) über die Mitgliedstaaten und die Leistungsfähigkeit ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Strukturen (vom Arbeitsmarkt bis zum Bankensystem).

Die Kredithilfen des IWF sollen der Überwindung vorübergehender Zahlungsbilanzschwierigkeiten dienen, nicht aber der Lösung von Solvenz- bzw. Überschuldungsproblemen. Die Kredite des IWF werden grundsätzlich auf der Basis regelgebundener Programme (Fazilitäten) mit wirtschafts- und finanzpolitischen Auflagen (Konditionalität) und in einem Verhältnis (Vielfaches) zum eingezahlten Kapitalanteil (Quote) eines Mitgliedstaats gewährt. In den letzten Jahren hat sich jedoch ein gewisser Trend zur Auflockerung der Regelbindung und zur Einzelfallentscheidung ergeben, teilweise ist auch die – in der Praxis sicher schwierige – Grenze zwischen Liquiditäts- und Solvenzproblemen verschwommen (vgl. z. B. die Einführung „vorsorglicher und flexibler Unterstützung“ – Precautionary/Flexible Credit Line, Extended Fund Facility, sowie die Kritik an der Unterstützung Griechenlands ab 2010 und der Ukraine ab 2015).

Die Finanzbeziehungen der Mitgliedstaaten des IWF werden seit 1969 in einer eigenen Rechnungseinheit, den Sonderziehungsrechten (SZR; Special Drawing Rights) durchgeführt. Der Wert der SZR beruht auf einem Währungskorb aus US-Dollar, Euro, japanischem Yen und – seit 2016 – chinesischem Yuan (z. B. Wert eines SZR zum 1.12.2017 ca. 1,19 €). Die SZR werden von den Teilnehmerländern wie eine Währungsreserve gehalten; sie werden aber nicht selbstständig am Devisenmarkt gehandelt, sondern können bei Bedarf in marktgängige Währungen getauscht werden. Anders als Währungen werden SZR als Forderungen gegen den IWF verzinst.

2.2 Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ)

Die BIZ ist die älteste internationale monetäre Institution und wurde 1930 zur Abwicklung der deutschen Reparationszahlungen nach dem Ersten Weltkrieg gegründet. Wegen dieser Historie hat sie ihren Sitz nicht in einem anglo-amerikanischen Land, sondern in Kontinentaleuropa (Basel). Rechtlich hat die BIZ eine „Doppelnatur“ als schweizerische AG und zugl. internationale Organisation, deren Mitglieder (seit 2005) ausschließlich Notenbanken sind.

Die BIZ wird oft „Zentralbank der Zentralbanken“ genannt, weil sie Teile der Währungsreserven zahlreicher Notenbanken (jedoch nicht der Deutschen Bundesbank und der EZB) verwaltet und im Notfall kurzfristige Zahlungsbilanzkredite zur Verfügung stellt. Diese ermöglichen – anders als die längerfristig angelegten Programme des IWF – nur kurzfristige Liquiditätshilfen; sie werden deshalb ohne Auflagen gewährt, aber i. d. R. an die Zusage einer Ablösung durch den IWF geknüpft.

In der Praxis bedeutungsvoller ist die Rolle der BIZ als Sitz internationaler Gremien und Ausschüsse und als Podium währungspolitischen Meinungsaustausches. So haben das Basler Komitee für Bankenaufsicht, auf das die bekannte Vereinbarung „Basel III“ zurückgeht, ebenso ihr Sekretariat bei der BIZ, wie der Ausschuss für Zahlungsverkehr und Marktinfrastrukturen und der Ausschuss für Finanzstabilität (Financial Stability Board), dessen Gründung 1999 (als Forum für Finanzstabilität) auf einen Vorschlag des damaligen Bundesbankpräsidenten Hans Tietmeyer zu Konsequenzen aus der Asienkrise 1997/98 zurückgeht.

Darüber hinaus dienen v. a. die Sitzungen des Verwaltungsrats der BIZ den Notenbankpräsidenten der Welt als diskreter Rahmen, Fragen der Währungspolitik „unter sich“ – d. h. ohne Präsenz der Finanzminister wie bei den anderen internationalen Gremien – zu erörtern.

2.3 Sonstige Gremien der internationalen Währungspolitik

Der Erörterung der i.n W. und wichtiger Fragen der Finanz- und Wirtschaftspolitik mit Auswirkungen auf die Währungspolitik dienen darüber hinaus regelmäßige Treffen der Staats- und Regierungschefs/der Finanzminister und Notenbankpräsidenten der wichtigsten westlichen Industriestaaten (Gruppe der führenden Industrienationen [G7/G8 ]) und auf globaler Ebene der G 20. So wurden nach Ausbruch der Finanzmarktkrise ab 2007 auf den G 20-Gipfeln von Washington (2008) und Pittsburgh (2009) Prinzipien zur Reform der Finanzmarktregulierung und Verteidigung eines freien Handels gegen Protektionismus beschlossen.

3. Diskussionslinien/Schwerpunkte der internationalen Währungspolitik

Der Beitrag der i.n W. zu Wachstum und Wohlstand beruht zu einem großen Teil auf der Berechenbarkeit der Wechselkurse, die zugl. anpassungsfähig genug sein müssen, damit sich nicht aufgestaute Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse in einzelnen Staaten und Regionen in einer plötzlichen Krise entladen. Solche Anpassungskrisen haben zwar fast immer reale wirtschaftliche oder finanzpolitische Ursachen – letztlich Vertrauensdefizite – in den betroffenen Ländern, die Finanzmärkte neigen aber in solchen Fällen (nach zuvor oft jahrelang ausbleibender Reaktion – complacency) zu Überreaktionen, die ihrerseits eine Gefahr für die Weltwirtschaft bilden können.

Im Grunde drehen sich die Diskussionen über eine internationale Währungsordnung stets um das optimale Verhältnis von Stabilität und Anpassungsfähigkeit der Wechselkurse. Nach dem Ende des am US-Dollar orientierten Fixkurssystems von Bretton Woods wurde überwiegend einem System freier Marktpreisbildung (sog.es floating) der Vorzug eingeräumt, wobei IWF, Notenbanken und Regierungen drohenden Überreaktionen der Finanzmärkte glättend (durch Statements, Beseitigung der Ursachen von Vertrauensdefiziten, ggf. durch „Signalinterventionen“) entgegentreten sollten. Dieses System lässt sich am besten mit floating and oversight (freie Kursbildung mit „Bremsbereitschaft“ bei exzessiven Wechselkursausschlägen) bezeichnen. Der Wechselkurs ist hierbei grundsätzlich nicht ein Instrument der nationalen Geldpolitik wie z. B. der Leitzins einer Notenbank, sondern das Ergebnis aller die Wachstumserwartungen bestimmenden Faktoren und ihrer Perzeption auf den internationalen Finanzmärkten. Es ist eine offene Frage, inwieweit die in der jüngsten Vergangenheit erkennbaren Tendenzen von Notenbanken, darunter auch der EZB (2015/16), den Wechselkurs durch die Geldpolitik unmittelbar zu beeinflussen (d. h. in der Regel: zu schwächen), um kurzfristige Wachstumseffekte zu erreichen, einen Paradigmenwechsel der i.n W. einläuten. Dies würde die negativen Erfahrungen früherer Jahre mit „gelenkten Wechselkursen“ wieder ins Gedächtnis rufen.

In der politischen Diskussion bestand und besteht oft die Versuchung, „schmerzhafte“ Reformen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes durch Abwertung der Währung und die davon erhofften Wachstumseffekte zu kompensieren. Wie aber z. B. die Geschichte Italiens vor der Währungsunion gezeigt hat, führt dies schnell zu Gewöhnungseffekten (jährliche Abwertung der Lira vor Beginn der Touristensaison), lässt Investitions- und Innovationswillen erlahmen; die höheren Importpreise (z. B. für Öl und Rohstoffe) führen zu „importierter Inflation“, in der Folge zu überhöhten Lohnforderungen und schwächerem Wachstum. Schließlich belastet eine Politik kompetitiver Abwertungen die internationalen Beziehungen, da die Abwertung der eigenen mit einer relativen Aufwertung anderer Währungen verbunden ist (sog.e beggar your neighbour-policy).

4. Wirkungskanäle der internationalen Währungspolitik – Einflussfaktoren der Wechselkursentwicklung

Für eine erfolgreiche Währungspolitik ist es wichtig, die Wirkungsmechanismen der Wechselkursentwicklung zu kennen. Die Erklärungsansätze lassen sich grob in realwirtschaftliche und finanzwirtschaftliche Wechselkurstheorien zusammenfassen. So sprechen ein positiver Handels- und Leistungsbilanzsaldo (Internationaler Handel) – Exporte müssen letztlich in der Heimatswährung des Exporteurs bezahlt bzw. die Exporterlöse in diese Währung umgetauscht werden – für eine Aufwertungstendenz. Der Ansatz der Kaufkraftparität geht davon aus, dass – abstrahiert von Transportkosten und Handelsbarrieren – gleichartige Güter überall den gleichen Preis kosten müssten (vgl. die in der Öffentlichkeit stark beachteten „Big Mac-“ oder „iPhone-Indizes“), Preisstabilität also tendenziell eine Währung im Außenverhältnis stärkt. In der kurzfristigen Perspektive stehen in der Regel finanzwirtschaftliche (Portfolio-orientierte) Ansätze im Vordergrund; so spricht eine positive/negative Zinsdifferenz (nominaler/realer Zinsen, kurzfristiger/langfristiger Zinsen) für einen Zufluss/Abfluss ausländischer Geldanlagen und entspr.e Wechselkursreaktionen. Zusammenfassend lässt sich die Preisbildung der Wechselkurse wohl durch eine „Theorie der diskontierten Erwartungen“ beschreiben, die alle real- und finanzwirtschaftlichen Ertragserwartungen eines Währungsraums, einschließlich politischer und ökonomischer Vertrauensfaktoren umfasst. Aufgabe von Notenbanken und Regierungen ist es hierbei, v. a. durch Preisstabilität und solide Finanzpolitik zu einer „Stabilisierung der Erwartungen“ beizutragen.

5. Wer macht was? – Zuständigkeiten für internationale Währungspolitik im Euroraum

In der Tradition des früheren Festkurssystems von Bretton Woods fielen Festlegung und Änderung der Wechselkurse und damit zentrale Fragen der Wechselkurspolitik in die Zuständigkeit der Regierungen/Finanzminister, die sich idealiter mit der jeweiligen Notenbank abstimmten. Da Wechselkurse aber unmittelbare Rückwirkungen auf das Zinsniveau eines Landes haben und Wechselkurspolitik somit die Geldpolitik einer Notenbank konterkarieren kann, ist Wechselkurspolitik zugl. Bestandteil der Geldpolitik. In der Kompetenzordnung der EWWU (Art. 127 Abs. 2 AEUV) ist deshalb im Rahmen der Geldpolitik auch die Durchführung von Devisengeschäften und die Verwaltung der Währungsreserven dem System der Europäischen Zentralbanken (ESZB) übertragen, während nach Art. 219 AEUV Vereinbarungen über ein internationales Wechselkurssystem oder „allgemeine Orientierungen“ zur Wechselkurspolitik nach Anhörung der EZB dem Rat der Finanzminister (EcoFin) obliegen. Im Interesse der Glaubwürdigkeit der Geldpolitik der EZB und wegen des Risikos, dass solche „Orientierungen“ schnell von den Märkten getestet und zu teuren, aber letztlich vergeblichen Interventionen führen, haben die Finanzminister bisher zu Recht von solchen „allgemeinen Orientierungen“ abgesehen. In der Praxis der Währungsunion wird deshalb die operative Wechselkurspolitik von der EZB durchgeführt, auch öffentliche Erklärungen zu Wechselkursfragen werden in der Regel vom Präsidenten der EZB als dem „Mister Euro“ abgegeben.

Im IWF ist dagegen die EZB im Exekutivdirektorium anders als Mitgliedstaaten wie Deutschland und Frankreich bisher nur durch einen Beobachter vertreten. Rechte und Pflichten Deutschlands im IWF werden vom Bundesministerium der Finanzen und der Deutschen Bundesbank gemeinsam wahrgenommen; so ist der Bundesbankpräsident deutsches Mitglied im 24-köpfigen Gouverneursrat des IWF; der deutsche Exekutivdirektor und sein Stellvertreter werden abwechselnd vom Bundesfinanzministerium und der Bundesbank vorgeschlagen. Zwischen beiden Institutionen besteht ein faktischer Zwang zur Einigung: in einer Verwaltungsvereinbarung ist bei fehlendem Einvernehmen eine Entscheidung durch das Bundeskabinett (mit Anhörung des Bundesbankpräsidenten) vorgesehen, was in der Praxis bisher in keinem Fall erforderlich war.