Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO, International Atomic Energy Agency, IAEA)

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Die IAEO (urspr.e deutsche Bezeichnung: Internationale Atomenergie-Behörde) ist eine durch völkerrechtlichen Vertrag vom 23.10.1956 gegründete internationale Organisation. Mit ihrer Kreation reagierten die Staaten auf die ambivalente Gefühlslage, die seit der Entdeckung der Kernspaltung herrschte: Der Hoffnung auf eine neue Ära der Energieversorgung und medizinischen Nutzen standen Ängste vor einer militärischen Verwendung gegenüber, die durch den Zweiten Weltkrieg manifest geworden waren und durch das Wettrüsten im Kalten Krieg geschürt wurden. Die IAEO soll daher den Beitrag der Atomenergie zu Frieden, Gesundheit und Wohlstand in der ganzen Welt beschleunigen und steigern und gleichzeitig verhindern, dass diese Förderung für militärische Zwecke benutzt wird (Art. II der Satzung). Einen wesentlichen Impuls zur Gründung gab 1953 der amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower mit seiner „Atoms for Peace“-Rede vor den Vereinten Nationen.

Nach Erreichen der erforderlichen 18 Ratifikationen der Satzung nahm die IAEO am 29.7.1957 ihre Tätigkeit auf; Sitz ist Wien. Die Mitgliederzahl stieg – vom Austritt Honduras 1967 und Nordkoreas 1994 abgesehen – seitdem kontinuierlich an. Derzeit (Stand Dezember 2018) hat die IAEO 170 Mitglieder; Deutschland ist Mitglied seit 1957. Die IAEO ist keine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, kooperiert aber eng mit diesen: Die Satzung sieht vor, dass die IAEO jährlich Berichte an die UN-Generalversammlung und, falls erforderlich, an den UN-Sicherheitsrat übermittelt (Art. III Abs. B Nr. 4. sowie Art. XII Abs. C der Satzung). In einem auf der Grundlage von Art. XVI der Satzung abgeschlossenen Abkommen mit den Vereinten Nationen sind weitere Aspekte der Kooperation beider Organisationen geregelt.

1. Organisation

Die IAEO weist die typische dreigliedrige Struktur vieler internationaler Organisationen auf. Die Generalkonferenz als das Organ, in dem alle Mitgliedstaaten vertreten sind, tagt grundsätzlich nur einmal jährlich und hat in der Praxis eher untergeordnete Bedeutung, wenngleich sie etwa den Haushalt beschließt. Das wesentliche politische Gewicht innerhalb der IAEO kommt dem Gouverneursrat (urspr.e deutsche Fassung: Direktorium) zu, in dem nach der derzeit geltenden, in der Vergangenheit mehrfach geänderten Fassung der Satzung 35 Mitgliedstaaten vertreten sind. Unter diesen sind stets die 13 auf dem Gebiet der Atomenergie führenden Staaten, die übrigen Plätze werden nach regionalen Kriterien rotierend vergeben (Art. VI der Satzung). Der Gouverneursrat, der in seiner Arbeit durch mehrere Ausschüsse unterstützt wird, tritt üblicherweise fünfmal jährlich zusammen. Er ernennt (mit Zustimmung der Generalkonferenz) auch das dritte Organ der IAEO, den Generaldirektor (derzeit: Yukiya Amano), auf 4 Jahre; Wiederernennung ist zulässig. Der Generaldirektor führt das Sekretariat, die Verwaltung der IAEO, die über 2 500 Bedienstete umfasst. Organisatorisch zum Sekretariat zählen auch zahlreiche Experten- und Beratergruppen sowie die Laboratorien in Seibersdorf und Monaco.

Die IAEO verfügt 2019 über ein Budget von ca. 375 Mio. Euro, das von den Mitgliedstaaten zu tragen ist. Daneben besteht ein Fonds für technische Zusammenarbeit, dessen Volumen von derzeit ca. 97 Mio. Euro durch Spenden (der Mitgliedstaaten) aufgebracht wird.

2. Aufgaben und Aktivitäten

Die Zielbeschreibung der IAEO, den Beitrag der Atomenergie zu Frieden, Gesundheit und Wohlstand in der ganzen Welt zu beschleunigen und zu steigern, wird in Art. III der Satzung zu mehreren Aufgaben konkretisiert, aus denen sich auch die Tätigkeitsfelder der IAEO ergeben. Die Organisation pflegt die Schwerpunkte ihrer Arbeit in Strategiepapieren mit sechsjähriger Laufzeit festzulegen (aktuell: 2018–23).

2.1 Technologieförderung

Neben der Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Entwicklung von Nuklearprogrammen zur Energiegewinnung durch sachverständige Beratung, Expertenmissionen oder Schulungen liegt seit Jahren ein Fokus der IAEO darauf, die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der Radioaktivität in den Sektoren Gesundheit (z. B. Krebstherapie), Ernährung (z. B. Schädlingsbekämpfung) und Umweltschutz weiterzuentwickeln und zu fördern. Die IAEO kooperiert dabei mit der WHO und der FAO. Zudem versucht sie den Technologietransfer in weniger entwickelte Staaten finanziell und organisatorisch zu fördern, um auch diese in den Genuss der Vorteile der Kernenergie kommen zu lassen und einen Beitrag zur Armutsbekämpfung zu leisten. Für ihre Mitglieder hält die IAEO in Kasachstan eine Notreserve an niedrigangereichertem Uran bereit.

2.2 Technische Sicherheit und Sicherung

Um die Bevölkerung vor den negativen Wirkungen ionisierender Strahlen zu schützen und die Verbreitung atomwaffenfähigen Materials zu verhindern, wirkt die IAEO darauf hin, dass radioaktive Stoffe sicher genutzt werden und gegen unberechtigten Zugriff geschützt werden. Hierzu entwickelt sie für die Mitgliedstaaten Richtlinien und technische Standards und bietet die Überprüfung ihrer Einhaltung an. Sie berät die Mitgliedstaaten, fördert ihre Zusammenarbeit, beobachtet die Nutzung der Kernenergie und bewertet nukleare Zwischenfälle.

2.3 Überwachung des Atomwaffensperrvertrags

Eine bedeutende Rolle spielt die IAEO im Rahmen der Überwachung des Atomwaffensperrvertrags (Nuclear Non-Proliferation Treaty). Er verpflichtet die Vertragsparteien grundsätzlich, sich in einem bilateralen Abkommen mit der IAEO deren vollständiger Kontrolle im Hinblick auf den Umgang mit spaltbarem Material zu unterwerfen (safeguards), um zu verhindern, dass solches von der friedlichen Nutzung abgezweigt und für Kernwaffen (ABC-Waffen) verwendet wird. In der Folge kann die IAEO Inspektoren entsenden, um die Einhaltung vor Ort zu überprüfen. Einigen Staaten gelang es trotz dieses Systems der „Verifikation“, militärische Nuklearprogramme durchzuführen. Man versucht, dem mit einer Effektivierung des Überwachungssystems und einer Verschärfung seiner rechtlichen Grundlagen (Zusatzprotokoll von 1997) zu begegnen.

3. Rezeption

2005 wurde die IAEO zusammen mit ihrem damaligen Generaldirektor Mohammed El-Baradei für ihre Bemühungen, die militärische Nutzung der Kernenergie zu verhindern und ihre friedliche Nutzung so sicher wie möglich zu machen, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Die Tatsache, dass die IAEO die zivile Nutzung der Kernenergie (im Einklang mit ihrer Satzung) überhaupt fördert, wird von NGOs teilweise kritisch bewertet.