Institutionenökonomik

Die I. beschäftigt sich mit der Analyse von kollektiven Spielregeln (also Institutionen im ökonomischen Sinn) unterschiedlichster Art, ihren Auswirkungen auf das Verhalten von Menschen sowie mit den Rückwirkungen des menschlichen Verhaltens auf ihre (Weiter-)Entwicklung. Legt man den ökonomischen Ansatz zugrunde, der menschliches Verhalten auf das Zusammenspiel von Präferenzen (Wünsche, Vorlieben) und Restriktionen zurückführt, analysiert die I. eine Form von handlungsrelevanten Restriktionen, die in der traditionellen neoklassischen Modellwelt nicht berücksichtigt wird.

Prominente Vertreter der modernen I., wie etwa Ronald Harry Coase, Oliver Eaton Williamson, Oliver Hart, Douglass Cecil North oder James McGill Buchanan sind in den vergangenen Jahren mit dem sog.en Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet worden.

1. Alte Institutionenökonomik

Während sich die ökonomischen Klassiker Adam Smith, David Hume und David Ricardo explizit mit dem Einfluss von Moral, Sitten und Traditionen sowie Eigentumsrechten auf das Verhalten der Menschen beschäftigten, gerieten solche handlungsleitenden Institutionen im Rahmen der Entwicklung der komparativen Statik und der Marginalanalyse aus dem Blickfeld der ökonomischen Theoriebildung. Erst im 19. Jh. gab es wieder einige ökonomische Schulen, die explizit eine institutionenorientierte Perspektive einnahmen. Die Methodik und das Erkenntnisinteresse dieser Schulen waren jedoch sehr unterschiedlich, sodass nie ein konsistentes Forschungsprogramm entstand.

Im deutschsprachigen Raum entwickelte zunächst die Deutsche Historische Schule eine institutionenorientierte Perspektive. Insb. die Vertreter der Jüngeren Historischen Schule, wie Gustav von Schmoller, waren davon überzeugt, dass Institutionen wie das Recht, die Kultur und die Sitten für die Entwicklung einer Volkswirtschaft von großer Bedeutung sind. Daher berücksichtigen sie Institutionen in ihren Analysen der wirtschaftlichen Entwicklung.

Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie hatten ein anders gelagertes Erkenntnisinteresse. So erforschten Carl Menger und Friedrich August von Hayek nicht nur die Funktionsweise von Institutionen, sondern auch ihre Entstehung. Dabei gingen sie von der Annahme aus, dass Institutionen oft in einem evolutorischen Prozess entstehen und nicht das Ergebnis bewusster Planung sind. F. A. von Hayek beschrieb, wie aus einem geplanten Verhalten von Individuen unbeabsichtigt gesellschaftliche Verfassungsregeln entstehen können.

Deutlich konstruktivistischer (Konstruktivismus) gingen die Vertreter der Freiburger Schule (auch Ordoliberalismus genannt) vor, als sie die theoretischen Grundlagen für die soziale Marktwirtschaft in Deutschland entwickelten. Ihnen ging es nicht allein um die Analyse der Wirkungen bestehender Institutionen, sondern um die normative Gestaltung einer Wirtschaftsordnung durch das gezielte Setzen von adäquaten Spielregeln. Insb. Walter Eucken prägte diesen Ansatz. Sein Vorgehen ähnelte dem der modernen I.: In seinen „Grundlagen der Nationalökonomie“ analysierte er zunächst die Wirkung real existierender Institutionen in unterschiedlichen Wirtschaftssystemen. Darauf aufbauend ging er in seinen „Grundsätzen der Wirtschaftspolitik“ der Frage nach, welche Regeln gebraucht werden, um eine „menschenwürdige und funktionsfähige Wirtschaftsordnung“ (Eucken 1952: 166) herzustellen. Im Ergebnis entwickelte er ein Konzept mit konstituierenden und regulierenden Prinzipien, die von der Wirtschaftspolitik umgesetzt werden sollten, um die gewünschte Wirtschaftsordnung herzustellen.

Annähernd zeitgleich zur Österreichischen Schule entwickelte sich auch ein Amerikanischer Institutionalismus. Seine wichtigsten Vertreter waren Thorstein Veblen sowie John Rogers Commons. Die amerikanischen Institutionalisten untersuchten, wie sich ein Wirtschaftssystem organisieren und kontrollieren lässt. Dabei berücksichtigen sie auch Institutionen als Rahmenbedingungen wirtschaftlichen Handelns. Sie betrachteten Institutionen mikroökonomisch als wesentliche Determinanten der Ergebnisse in einzelnen Märkten und makroökonomisch als Determinanten der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

2. Moderne Institutionenökonomik: Theorie

Die moderne I. (auch: Neue I.) entstand zeitgleich mit neuen institutionenorientierten Ansätzen in der Soziologie und den Politikwissenschaften. Dieser neue Institutionalismus in den Sozialwissenschaften nahm einige Fragen der alten Schulen wieder auf, entwickelte aber auch neue. Die moderne I. umfasst im Wesentlichen zwei Theoriezweige: die Transaktionskostenökonomik und die Prinzipal-Agenten-Theorie. Beide Theorieansätze werden zur positiven und normativen Analyse von Institutionen genutzt. Institutionen werden dabei verstanden als Spielregeln, die individuelles Handeln beeinflussen und in kollektiv erwünschte Bahnen lenken. Die moderne I. analysiert durch die Anwendung ökonomischer Theorie auf nichtökonomische Fragestellungen – im Sinne eines ökonomischen Imperialismus – nicht nur Institutionen in der Wirtschaft, sondern auch Institutionen in der Politik. Dazu kommen Analysen des Rechts als derjenigen Institution, die Politik und Wirtschaft verbindet.

3. Transaktionskostenökonomik

Die Grundlagen der Transaktionskostenökonomik wurden von R. H. Coase mit seinem Aufsatz „The Nature of the Firm“ gelegt. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist eine scheinbar einfache Frage: Wenn Märkte als Mechanismus zur Koordination ökonomischer Aktivitäten von Menschen so effizient sind, wie es in der neoklassischen Mikroökonomik unterstellt wird, warum gibt es dann überhaupt Unternehmen, in denen ebenfalls ökonomische Aktivitäten von Menschen koordiniert werden?

R. H. Coase liefert eine sehr ökonomische Antwort: Es sind die Kosten der Nutzung des Marktes im Verhältnis zu den Kosten der Nutzung der Organisationsform Unternehmen, die für die Wahl des einen oder des anderen Koordinationsmechanismus ausschlaggebend sind. Ohne diesen Begriff zu nutzen, verweist Coase damit auf die Transaktionskosten, die bei der Durchführung von ökonomischen Aktivitäten entstehen. Diese Kosten können vor der eigentlichen Transaktion entstehen (ex ante, etwa als Anbahnungskosten von Verträgen) oder erst nach Vertragsabschluss anfallen (ex post, z. B. als Kontrollkosten).

Die transaktionskostentheoretische Begründung für die Existenz von Unternehmen wurde in zwei unterschiedliche Richtungen weiterentwickelt. Armen Albert Alchian und Harold Demsetz begründeten die Existenz von hierarchisch organisierten Unternehmen mit den Problemen, die aus der Zusammenarbeit von gleichberechtigten Teammitgliedern entstehen können. Sie zeigten, dass die Einführung einer formalen Überwachungsinstanz (d. h. eines Monitors) die Produktivität solcher Teamproduktionen steigern kann, weil dadurch die Mess- bzw. Kontrollkosten, insb. in großen Teams, sinken: Der Überwacher kann die individuelle Leistung jedes Teammitglieds besser messen bzw. kontrollieren als die Teammitglieder das wechselseitig untereinander können. So verhindert die Kontrolle durch den Monitor, dass ein sog.es Drückebergerverhalten (shirking) für einzelne Teammitglieder attraktiver wird als sich mit (vollem) Einsatz an der Teamproduktion zu beteiligen. Die Kontrollfunktion des Monitors ist letztlich gleichzusetzen mit der Rolle eines Unternehmenseigentümers. Spieltheoretisch (Spieltheorie) wird durch diesen Eigentümer ein potentielles Gefangenendilemma der Teammitglieder überwunden. Nicht-kooperatives Verhalten wird entdeckt und sanktioniert; die Anreize zur Kooperation werden verstärkt und Kooperationsvorteile realisiert.

Der sog.e Governance-Structure-Ansatz, der auf O. E. Williamson zurückgeht, knüpft unmittelbar an die Fragestellung von R. H. Coase an. Er untersucht, wie unterschiedliche Transaktionen so koordiniert werden können, dass Kooperationsvorteile für die beteiligten Akteure realisiert werden. Zusätzlich zu den Koordinationsmechanismen Markt und Unternehmen betrachtet O. E. Williamson auch sog.e hybride Organisationen wie etwa Konsortien, Genossenschaften oder strategische Allianzen.

Er zeigt, dass die Spezifität von Transaktionen von bes.r Relevanz für die Wahl der optimalen Organisationsform ist. Wenn eine Transaktion spezifische Faktoren, wie z. B. Investitionen, Standorte oder Humankapital, beinhaltet, die nur für einen sehr speziellen Zweck genutzt werden können, entstehen zwischen den Transaktionspartnern i. d. R. wechselseitige Abhängigkeiten. Diese können vom jeweiligen Partner für Nachverhandlungen der urspr. vereinbarten Vertragskonditionen ausgenutzt werden. O. E. Williamson zeigt in seinen Analysen, dass zur Vermeidung solcher Ausbeutungsprobleme (hold-up) eine vertikale Integration von spezifischen Transaktionen ökonomisch sinnvoll sein kann. Die Koordination einer Transaktion innerhalb eines Unternehmens ist in diesem Fall ihrer Koordination über den Markt vorzuziehen, da gesamtwirtschaftlich relevante Kooperationsvorteile entstehen. Diese Erkenntnis hat auch die Beurteilung von vertikalen Fusionen durch die Wettbewerbspolitik beeinflusst.

4. Prinzipal-Agenten-Theorie

Die Transaktionsbeziehung zwischen einem Auftraggeber und einem Auftragnehmer wird auch aus der Perspektive der Prinzipal-Agenten-Theorie analysiert. Dieser Zweig der modernen I. geht auf Arbeiten von Michael Cole Jensen mit William H. Meckling sowie mit Eugene Fama zurück. Die Grundidee besteht darin, dass potentielle Kooperationsvorteile zwischen einem Auftraggeber (Prinzipal) und einem Auftragnehmer (Agent) nur realisiert werden können, wenn entspr.e institutionelle Vorkehrungen getroffen werden. Grundannahmen der Modelle sind, dass die beteiligen Akteure unterschiedliche Nutzen- bzw. Zielfunktionen haben, dass Informationen asymmetrisch zwischen ihnen verteilt sind und dass der Prinzipal daher zur Überwachung des Agenten (Mess-)Kosten aufwenden muss.

Im Rahmen positiver Analysen untersucht die Prinzipal-Agenten-Theorie, welche Probleme aufgrund von Informationsasymmetrien potentiell vorteilhafte Kooperationen der Akteure verhindern. Aus diesen Erkenntnissen werden im normativen Teil der Theorie Gestaltungsvorschläge für Institutionen zur Überwindung solcher Kooperationsdilemmata entwickelt. So beschrieb George Akerlof die Probleme, die sich aus einer asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Käufern und Verkäufern im Gebrauchtwagenmarkt ergeben. Die Probleme entstehen, weil die Qualität eines Gebrauchtwagens für Laien (als Käufer) nicht einfach zu beurteilen ist. Die individuelle Qualität müsste ein Käufer jedoch kennen, um seine Zahlungsbereitschaft für ein bestimmtes Fahrzeug adäquat beziffern zu können. Hat er aber – annahmegemäß – nur Informationen über die durchschnittliche Qualität der Gebrauchtwagen eines Händlers, wird sich seine Zahlungsbereitschaft an eben dieser Durchschnittsqualität orientieren. In der Folge hat der Verkäufer keinen Anreiz mehr, überdurchschnittlich gute Fahrzeuge in seinen Pool aufzunehmen, weshalb im Laufe der Zeit die Durchschnittsqualität des Pools abnimmt. Am Ende sind nur noch die Fahrzeuge von schlechter Qualität verfügbar. Dieses Phänomen der adversen Selektion stellt letztlich ein Marktversagen aufgrund von Informationsproblemen dar. Das Problem kann überwunden werden, wenn die besser informierten Verkäufer (Agenten) den Käufern (Prinzipale) glaubhafte Signale über die individuelle Qualität der einzelnen Fahrzeuge geben. Ein solches Signalling kann bspw. durch die Gewährung von Garantien erfolgen. Auch der Prinzipal kann versuchen, durch systematische Messaktivitäten (Screening) die relevanten Eigenschaften (wie etwa die Qualität) unterschiedlicher Agenten zu ermitteln und so die Informationsasymmetrie abzubauen.

5. Moderne Institutionenökonomik: Anwendungen

Die Transaktionskostenökonomik sowie die Prinzipal-Agenten-Theorie finden sowohl in der Betriebswirtschaftslehre als auch in der Volkswirtschaftslehre bzw. der politischen Ökonomik (Neue Politische Ökonomie) Anwendung.

In der Betriebswirtschaftslehre dient die Transaktionskostenökonomik bspw. dazu, Entscheidungen über das Outsourcing von Produktionsprozessen nicht nur auf Basis der rein technischen Einsparpotentiale zu analysieren, sondern im Rahmen einer fundierten Entscheidung auch die Kosten der Koordination solcher Aktivitäten über Märkte und die dabei entstehenden Abhängigkeiten zu berücksichtigen.

Die Prinzipal-Agenten-Theorie wird in der Betriebswirtschaftslehre z. B. im Bereich der Organisations- oder Versicherungslehre genutzt. In der Organisationslehre werden mögliche Spannungsverhältnisse zwischen den Eigentümern und den Managern eines Unternehmens analysiert und es werden Lösungen gesucht, um die Zielfunktionen der beteiligten Akteure zu harmonisieren. Oft erfolgt dies über vertragliche Konstruktionen, die als handlungslenkende Institutionen gelten. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Einführung von variablen Vergütungselementen in Arbeitsverträge. So sollen Aktienoptionsprogramme Manager dazu motivieren, auch zur Steigerung des langfristigen Unternehmenswertes beizutragen.

In der Versicherungslehre ist die Gestaltung von Selbstselektionsmechanismen, z. B. in Form von Wahlmöglichkeiten zwischen Tarifen mit oder ohne Selbstbeteiligungen der Versicherten, ein häufig genutztes Instrument. Dadurch sollen besser informierte Versicherte dazu motiviert werden, durch (unbewusstes) Signalling mehr Informationen über sich offenzulegen.

In der politischen Ökonomik wird das Verhalten von Wählern, zu wählenden Politikern und Bürokraten unter der Annahme von Informationsasymmetrien analysiert. Die so gewonnenen Erkenntnisse werden im Rahmen der ökonomischen Verfassungstheorie zur Gestaltung politischer Spielregeln genutzt, die dazu beitragen, dass das Verhalten der politischen Akteure sich eher am Gemeinwohl und weniger an gut organisierten Interessengruppen orientiert.

In der Volkswirtschaftslehre spielen Institutionen auch im Bereich der Wachstumstheorie eine wichtige Rolle. Grundlegend sind hier die Arbeiten von D. C. North, der die Bedeutung von Institutionen und ihren Veränderungen für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung von Ländern und Regionen beschrieben hat. Daran anknüpfend differenziert Daron Acemoglu zusammen mit verschiedenen Co-Autoren zwischen politischen und ökonomischen Institutionen. Gemeinsam analysieren sie nicht nur theoretisch mögliche Wechselwirkungen zwischen beiden Institutionenebenen, sondern versuchen auch auf Basis empirischer Arbeiten die Bedeutung von Institutionen für das Wachstum von Volkswirtschaften nachzuweisen. Für solche empirischen Arbeiten stehen heute eine Vielzahl von Datenquellen über die Qualität von Institutionen zur Verfügung, wie etwa der Economic Freedom of the World-Index, der vom kanadischen Fraser-Institut veröffentlicht wird.