Innerdeutsche Beziehungen

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Die I.n B. waren das Ergebnis der staatlichen Teilung Deutschlands nach 1949. Sie gestalteten sich vor dem Hintergrund der gegensätzlichen politisch-ideologischen Grundausrichtung beider deutscher Staaten. Grad und Intensität der I.n B., die auf verschiedenen Ebenen gepflegt wurden, hingen überdies von der internationalen politischen Konstellation sowie vom Verhältnis zwischen den Supermächten USA und UdSSR ab.

1. Hochphase des Kalten Krieges

Das im GG der BRD postulierte Wiedervereinigungsgebot verpflichtete die Bundesregierungen auf den völkerrechtlichen Alleinvertretungsanspruch des geteilten Landes. Dies blieb unter außenpolitischen Gesichtspunkten nicht folgenlos: Die zwischen 1955 und 1969 angewandte Hallstein-Doktrin verurteilte die Aufnahme diplomatischer Beziehungen von Drittstaaten zur DDR als „unfreundlichen Akt“ gegenüber der Bundesrepublik. Damit einher gingen politische Sanktionen, die die SED-Diktatur international zu marginalisieren suchten. In der Hochphase des Kalten Krieges war deshalb die Bundesregierung unter Konrad Adenauer (CDU) stets darauf fixiert, die bilateralen Beziehungen aus einer Position der Stärke heraus zu gestalten.

Bis zur Großen Koalition von CDU/CSU und SPD im Jahre 1966 lehnten die westdeutschen Regierungen direkte Kontakte von Obersten Bundes- und Länderbehörden zu Ost-Berliner Zentraleinrichtungen kategorisch ab. Die DDR sollte politisch nicht aufgewertet oder gar veranlasst werden, daraus die völkerrechtliche Anerkennung abzuleiten. Auf anderen Ebenen gab es dagegen sehr wohl Verbindungen von unterschiedlicher Qualität. Nachgeordnete staatliche Einrichtungen, wie etwa die Post- oder Schifffahrtsverwaltungen, aber auch die Hauptverwaltungen der Deutschen Bundes- bzw. Reichsbahn, pflegten technische Beziehungen und praktizierten gegenseitige Amtshilfe. Eine Besonderheit war der seit 1949 vertraglich geregelte innerdeutsche Handel, der zwischen einer im Umfeld des Bundeswirtschaftsministeriums angesiedelten Treuhandstelle und den Handelsministerien der DDR abgewickelt wurde. In dem Maße, wie beide Seiten erkannten, dass sich der Handel – jenseits des ökonomischen Mehrwerts – nicht gewinnbringend als politisches Instrument in der Systemauseinandersetzung nutzen ließ, wandelten sich seit Anfang der 1960er-Jahre die bilateralen Wirtschaftsverbindungen von einem anfangs noch „emotionalisierten, politisch aufgeladenen Handlungsfeld zu einem nüchternen Forum deutsch-deutscher Kontakte“ (Fäßler 2007: 38).

Die I.n B. waren überdies durch die politische Kultur des Kalten Krieges geprägt. Die BRD reagierte mit übersteigerten antikommunistischen Abwehrmaßnahmen auf die politischen Destabilisierungsversuche der SED-Westarbeit. Die Atmosphäre von Misstrauen, gegenseitigen Anfeindungen und Verunsicherung vergiftete v. a. die unterhalb der staatspolitischen Ebene gepflegten Kontakte. In den 1950er-Jahren gehörten abseits der großen Politik innerdeutsche Sportbegegnungen, aber auch gemeinsame kulturelle, wissenschaftliche oder kirchliche Veranstaltungen zur tagespolitischen Normalität. Deren Teilnehmer liefen indes Gefahr, zwischen die Fronten des Systemkonflikts zu geraten und im Westen als vermeintliche Kommunistenfreunde, im Osten als Sympathisanten des „Klassenfeindes“ stigmatisiert zu werden.

2. Zwischen Neuer Ostpolitik und Wiedervereinigung

Mit der Neuen Ostpolitik nach 1969 gerieten die I.n B. ins entspannungspolitische Fahrwasser (Entspannungspolitik). Die Bemühungen um ein stärker geregeltes Miteinander unterhalb der Schwelle einer völkerrechtlichen Aufwertung der DDR mehrten sich spätestens seit der Zäsur des Mauerbaus in Berlin 1961. Damit einher ging auf westdeutscher Seite ein allmählicher Wandel der politischen Kultur des Antikommunismus und die Bereitschaft, überkommene deutschlandpolitische Positionen aufzuweichen. Der Freikauf politischer Häftlinge aus der DDR seit 1962, das erste Berliner Passierscheinabkommen von 1963, die Tatsache, dass Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) 1967 erstmals in der Geschichte der BRD ein offizielles Schreiben eines ostdeutschen Spitzenpolitikers entgegennahm und zeitweilig in einen brieflichen Dialog mit DDR-Ministerpräsident Willi Stoph (SED) eintrat, der Umstand, dass in den Jahren der Großen Koalition der Bezug von Zeitungen aus der DDR nicht mehr strafrechtlich verfolgt wurde und in Verkehrsfragen erste kleinere Verbesserungen erzielt wurden, zeugten von einem sich ändernden Zeitgeist. Er ebnete der Neuen Ostpolitik von Willy Brandt (SPD) den Weg. Der Grundlagenvertrag von 1972 strebte normale Beziehungen auf politisch gleichberechtigter Basis an ohne völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die Bundesrepublik. Die sozialliberale Bundesregierung ließ sich darauf ein, weil die damit einhergehenden Zusatzvereinbarungen die Chance boten, die während des Kalten Krieges gefährdete „nationale Substanz“ auf längere Sicht zu wahren. Daran knüpften sich Hoffnungen auf praktische und humanitäre Regelungen (u. a. Erleichterungen im Reiseverkehr, Familienzusammenführung), verbesserte Arbeitsmöglichkeiten für Journalisten sowie auf Kooperationen in Wirtschaft, Wissenschaft, Technik, Verkehr, Rechtsverkehr, Post- und Fernmeldewesen, Kultur, Sport und Umweltschutz. Freilich zeigte die politische Praxis, dass die I.n B. – eingebettet in die globalpolitische Großwetterlage („zweiter Kalter Krieg“ nach 1979) – immer wieder Schwankungen ausgesetzt waren.

Der politische Machtwechsel in Bonn 1982 zog keinen deutschlandpolitischen Bruch nach sich. Die von Helmut Kohl (CDU) geführte schwarz-gelbe Bundesregierung bekannte sich zu den Prinzipien der Ostpolitik, setzte eigene Akzente und war dabei überaus erfolgreich, wie etwa zwei Mrd.-Kredite für die DDR, (1983/84), das Kulturabkommen (1986) oder der erste Staatsbesuch des SED-Generalsekretärs Erich Honecker in der BRD (1987) verdeutlichten. In den I.n B. hatte sich damit endgültig der Realismus durchgesetzt.