Inkompatibilität

I. bezeichnet die rechtlich gebotene Unvereinbarkeit unterschiedlicher Ämter bzw. Funktionen in einer Person. Solche I.-Regelungen sind in vielfältigen Rechtskreisen vorgesehen. So ist es etwa Rechtsanwälten berufsrechtlich untersagt, zugl. für beide Seiten eines Rechtsstreits tätig zu sein. In gleicher Weise können Personen nicht zugl. Mitglied des Vorstands und des Aufsichtsrates einer AG oder Genossenschaft sein. I.-Regelungen zielen darauf ab, Konzentration von Macht in einer Hand sowie Interessenkonflikte zu verhindern und Gewaltenteilung zu garantieren. I. entfaltet damit ihre bes. Bedeutung im politischen Bereich.

1. Gewaltenteilung und Inkompatibilität

Im strikten Verständnis von Gewaltenteilung gilt I. als wesentliches Element zur Trennung von Staatsfunktionen und Machtträgern. So forderte Charles de Montesquieu die klare organisatorische (und damit auch personale) Trennung der Staatsgewalten und insb. die Trennung legislativer und exekutiver Befugnisse. Auch in Staaten, in denen die Verfassungsentwicklung wie in Deutschland über eine solch strikte Trennung hinweggegangen ist, bestehen weiterhin I.s-Regelungen. So unterliegen Bundespräsident wie Mitglieder der Bundesregierung einem Berufsverbot (Art. 55, 66 GG). Der Präsident darf, wie die Richter des BVerfG, auch keine exekutiven und legislativen Funktionen ausüben (Art. 55, 94 Abs. 1 GG). Daneben besteht noch eine Fülle von einfachgesetzlichen (etwa für Bundestagsabgeordnete, Abgeordneter) oder auch gewohnheitsrechtlichen Regelungen (z. B. sind Regierungsmitglieder nicht zugl. Mitglieder ihres Fraktionsvorstands).

2. Inkompatibilität von Regierungsamt und Abgeordnetenmandat

Von bes.r Bedeutung ist die I. von Regierungsamt und Abgeordnetenmandat. Sie besteht bis heute in präsidentiellen Regierungssystemen wie den USA, in welchen Abgeordnete und Senatoren ihr Parlamentsmandat abgeben müssen, wenn sie eine Funktion in der Regierung übernehmen (eine gewisse Ausnahme bildet lediglich der Vizepräsident in seiner Funktion als Vorsitzender des Senats – üblicherweise allerdings ohne Stimmrecht). Die meisten europäischen Staaten praktizieren diese I. aber nicht mehr, da die Exekutive in der historischen Entwicklung „parlamentarisiert“ wurde. Damit ist die Existenz bzw. Absenz von I. ein zentrales Merkmal zur Unterscheidung präsidentieller und parlamentarischer Regierungssysteme – wenn auch vielleicht nicht das entscheidende (wie etwa von Klaus von Beyme vertreten).

Entscheidendes Merkmal eines parlamentarischen Regierungssystems ist, dass die Regierung aus dem Parlament – genauer: der Parlamentsmehrheit – hervorgeht; sie ist „Blut von ihrem Blute und Fleisch von ihrem Fleische“ (Sten. Ber. RT 1919: 276). Diese Kreationsfunktion erstritten sich die Parlamente durch unterschiedliche Kampfmittel wie Ministeranklagen, Budgetverweigerungen und Interpellationen. Die Verpflichtung der Regierung zurückzutreten, falls ihr das Parlament das Misstrauen ausspricht, ist für Winfried Steffani daher das wichtigste Merkmal eines parlamentarischen Regierungssystems. Einem unwilligen Staatsoberhaupt steht dann nur noch das Mittel der Parlamentsauflösung zu Gebote. Als aber z. B. die Wähler in der Dritten Französischen Republik 1877 die Mehrheit in Neuwahlen bestätigten, musste der Präsident den Primat des Parlaments anerkennen. Die meisten Verfassungen parlamentarischer Regierungssysteme sehen – wie das GG – keine I. mehr vor: In Großbritannien können gar nur Parlamentsmitglieder in die Regierung aufgenommen werden. Gleichwohl haben etwa die Niederlande und Schweden formal an der I. festgehalten, lassen aber doch die Regierung aus dem Parlament hervorgehen. Bremen und Hamburg besitzen eine I.s-Regelung, doch können die Betroffenen ihr „ruhendes Mandat“ in der Bürgerschaft wieder aufnehmen, wenn sie aus dem Senat ausscheiden. Den Befund, dass I. der Idee parlamentarischen Regierens tendenziell entgegensteht, bestätigt der Blick auf semipräsidentielle Regierungssysteme: Weisen diese eine Dominanz des Staatsoberhaupts auf (Frankreich, Russland) ist I. vorgeschrieben, tritt seine Rolle (wie in Österreich) zurück, dagegen nicht.

Anders als in parlamentarischen Regierungssystemen erscheint I. in präsidentiellen geboten, auch wenn andere Strukturelemente (kein Misstrauensvotum, keine vorzeitige Parlamentsauflösung) noch wichtiger sind. I. verdeutlicht aber, dass nach der spezifischen Logik der Gewaltenteilung Regierung und Parlament sich gegenüberstehen sollen. Allerdings ist zweifelhaft, ob I. die gebotene Trennung der Legitimationskanäle aufrechterhalten kann, wenn diese etwa durch starke Parteistrukturen überbrückt wird.

3. Kommunalrechtliche Inkompatibilität

Da sich die Kommunalverfassungen immer noch stark am Gewaltenteilungsmodell des Frühkonstitutionalismus (Konstitutionalismus) orientieren und durch das Vordringen des Süddeutschen Modells die Verwaltungsspitzen weitgehend direkt von den Bürgern bestimmt werden, herrscht dort meist I. zwischen der Mitgliedschaft in der Kommunalvertretung und der Mitwirkung im Verwaltungsvollzug. Gleichwohl weisen die Regelungen auf Länderebene aber deutliche Durchbrechungen insb. im Leitungsbereich auf: So sind in einigen Ländern die (Ober-)Bürgermeister bzw. Landräte zugl. Leiter der Verwaltung und stimmberechtigte Vorsitzende des Rates.

4. Inkompatibilität von Parteifunktion und Parlamentsmandat

Eine Variante der Idee der Machtbegrenzung unter den Bedingungen entwickelter Parteiendemokratie sind Überlegungen zur Trennung von Parteiämtern und Abgeordnetenstatus. Damit soll einer Machtkonzentration bei der party in parliament entgegengewirkt und innerparteiliche Demokratie sichergestellt werden. Insb. die Grünen (Bündnis 90/Die Grünen) setzten zu Beginn auf I. und verstärkten diese noch durch das Rotationsprinzip, d. h. eine Amtszeitbegrenzung für Parlamentarier. Die strikten Regelungen erwiesen sich schnell als nicht praktikabel, so dass sie mittlerweile entschärft wurden. Doch darf nach § 15 Abs. 5 der Parteisatzung noch immer höchstens ein Drittel der Mitglieder des Bundesvorstands Abgeordnete sein.