Informationsfreiheit: Unterschied zwischen den Versionen

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H. Kube: Informationsfreiheit, Version 11.11.2020, 09:00 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Informationsfreiheit}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
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H. Kube: Informationsfreiheit, Version 04.01.2021, 09:00 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Informationsfreiheit}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
 
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Version vom 4. Januar 2021, 11:21 Uhr

1. Begriff und Bedeutung

Als I. wird das gegen den Staat gerichtete Recht des Bürgers bezeichnet, Zugang zu Informationen zu erhalten. Die Bedeutung dieses Rechts erschließt sich im Licht mehrerer Staatsstrukturprinzipien. So sind Informationen die Grundlage demokratischer Willensbildung und ermöglichen die demokratische Kontrolle (Politische Kontrolle) der Staatstätigkeit (Transparenz). Sie sind Voraussetzung rechtsstaatlich gebotener Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit des hoheitlichen Handelns, zudem effektiver Rechtsdurchsetzung und wirksamen Rechtsschutzes. Unter sozialstaatlichem Gesichtspunkt schützt der Informationszugang vor Schwäche durch Unwissenheit. Je bedeutsamer das Gut Information in der digitalisierten Informationsgesellschaft wird, desto stärker rückt mithin auch die I. in den Vordergrund.

2. Rechtliche Ausgestaltung

Während sich die verfassungsrechtliche Verankerung der I. in Schweden bis ins Jahr 1766 zurückverfolgen lässt und der Zugang zu behördlichen Dokumenten auch in verschiedenen anderen europäischen und außereuropäischen Staaten seit langem gesetzlich eröffnet ist (Finnland 1951, USA 1966, Dänemark und Norwegen 1970, Frankreich 1978, Kanada 1985), wurde die rechtliche Entwicklung in Deutschland erst durch die Ende der 1980er Jahre auf europäischer Ebene einsetzende Diskussion über den Zugang zu Umweltinformationen angestoßen. In Umsetzung einer EG-Richtlinie aus dem Jahr 1990 erließ der Bund 1994 das UIG, das einen voraussetzungslosen Anspruch jedes Bürgers auf Zugang zu behördlichen Umweltinformationen vorsieht, um die Transparenz im Bereich der Umwelt und des Umweltschutzes zu befördern. Dieses Gesetz wies in Deutschland erstmals über den hergebrachten, einer Arkantradition Ausdruck verleihenden Grundsatz der beschränkten, nur auf Verfahrensbeteiligte bezogenen Aktenöffentlichkeit (§ 29 VwVfG) hinaus.

Im Jahr 2007 wurde sodann, ebenfalls aufgrund EU-seitiger Impulse, ein weiterer bereichsspezifischer Anspruch der Allgemeinheit auf Zugang zu staatlichen Informationen im VIG ausgestaltet. Gegenstand des Anspruchs ist das behördliche Wissen über Lebensmittel und andere Verbraucherprodukte. Ziel des Gesetzes ist es, die Stellung der Verbraucher zu stärken, Phänomenen des Marktversagens durch Informationsmängel oder Fehlinformationen entgegenzuwirken und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben abzusichern.

Überwölbt werden diese sektoralen Informationsansprüche durch den seit Ende der 1990er Jahre in zahlreichen Bundesländern, im Jahr 2006 auf Bundesebene eingerichteten allg.en Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Gegenstandsübergreifend bezieht sich dieser in den I.s-Gesetzen (oder auch Transparenzgesetzen) der Länder und des Bundes (IFG) verankerte Anspruch auf „jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung“ (§ 2 Nr. 1 IFG Bund). Verpflichtet sind grundsätzlich alle Behörden der jeweiligen Gebietskörperschaft, die das Gesetz erlassen hat.

Alle genannten Gesetze sehen – allerdings sehr unterschiedlich konturierte, teils heftig umstrittene – Schranken vor, die dem Informationszugang entgegenstehen, um die innere und die äußere Sicherheit, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, das geistige Eigentum sowie persönliche Daten, auch das Steuergeheimnis, zu schützen. Im Übrigen eröffnen die Gesetze nur Ansprüche auf Zugang zu behördlich bereits vorhandenen Informationen, nicht dagegen auf die Erschließung und Verschaffung bislang nicht vorgehaltener Daten. In ihrem Verhältnis zueinander stehen die Gesetze in fragmentarisch geregelten und deshalb nicht vollständig klaren Konkurrenzbeziehungen. Grundsätzlich gilt aber, dass die Ansprüche nach dem UIG und dem VIG vorrangig vor denen nach dem jeweiligen IFG greifen.

Weitergehende Informationsansprüche können sich zugunsten der Presse aus den Landespressegesetzen ergeben, die den bes.n Informations- und Kontrollfunktionen der Presse Rechnung tragen. Neben den gesetzlich verankerten Informationsansprüchen stehen zudem Regelungen, die die Behörden verpflichten, anlassabhängig von sich aus Informationen zu veröffentlichen, so in § 31 Abs. 1 ProdSG und in § 40 Abs. 1 LFGB.

Über diese einfachrechtlichen Ausgestaltungen hinaus wird verschiedentlich gefordert, einen allg.en, originären Informationsanspruch des Bürgers gegen den Staat auf verfassungsrechtlicher Ebene vorzusehen. Diese Forderung erklärt sich aus dem weithin anerkannten Befund, dass die im GG verbürgte I. gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG, die die Unterrichtung aus „allgemein zugänglichen Quellen“ garantiert, nur solche Quellen erfasst, die von der verfügungsberechtigten Stelle als allg. zugänglich ausgewiesen wurden (entspr. Art. 11 Abs. 1 S. 2 Var. 2 EuGRC). Der verfassungsrechtliche Schutz ist insoweit also von der entspr.en Widmung einer Informationsquelle abhängig. Darüber hinausgehend ist allerdings zu erwägen, einen verfassungsrechtlichen Informationsanspruch des Bürgers zumindest im Grundsatz – je nach Zusammenhang – aus den eingangs in Bezug genommenen Staatsstrukturprinzipien der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit (Rechtsstaat) und der Sozialstaatlichkeit (Sozialstaat) herzuleiten.

Den Zugang zu Informationen, über die EU-Behörden verfügen, eröffnen Art. 15 Abs. 3 AEUV und Art. 42 EuGRC, die durch die Transparenzverordnung von 2001 konkretisiert werden. Auch dieser Zugangsanspruch unterliegt einer Reihe von Einschränkungen zur Wahrung öffentlicher und privater Interessen.

Die insoweit skizzierte I. richtet sich gegen den Staat bzw. die EU, auch wenn in der Sache Informationen begehrt werden, die Dritte betreffen. Davon zu unterscheiden sind Auskunftsansprüche im unmittelbaren Verhältnis zwischen Privaten, die das BGB ebenso kennt wie bereichsspezifisches Recht, so zum Beispiel § 84a AMG. Darüber hinaus strahlt die grundrechtliche I. gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG in mittelbarer Drittwirkung auf Privatrechtsverhältnisse aus, was nach der Rechtsprechung des BVerfGs etwa dann zu berücksichtigen ist, wenn in Streit steht, ob der Vermieter die Anbringung einer Parabolantenne durch den Mieter untersagen darf.

Noch weitergehend wird die I. nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG vereinzelt auch als staatliche Pflicht verstanden, die allg. zugängliche Quelle des Internets für alle Bürger zu erschließen, zumal kostenfrei. Eine solche Forderung muss sich freilich an den hohen Voraussetzungen für die Annahme staatlicher Leistungspflichten messen lassen.

3. Perspektiven

Die Transparenz des staatlichen Handelns ist unerlässliche Voraussetzung für eine gelingende Demokratie, für effektive Rechtsstaatlichkeit und für tatsächlich verwirklichte Sozialstaatlichkeit. All dies spricht für die in der jüngeren Vergangenheit gesetzlich ausgestalteten Informationsansprüche des Bürgers gegen den Staat, insb. für die allg.en Informationsansprüche nach den I.s- und Transparenzgesetzen. Zugl. sind die Individualinteressen an umfassender Information einerseits und die im konkreten Fall oftmals entgegenstehenden Interessen an der Wahrung der Vertraulichkeit der beim Staat vorgehaltenen Informationen andererseits aber sorgfältig in Balance zu halten. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass diejenigen Personen, die in der Praxis Informationsbegehren an den Staat richten (vielfach Rechtsanwälte, Insolvenzverwalter, Interessenverbände, Journalisten), nicht nur gemeinwohlorientierte, sondern oftmals auch dem Eigennutz dienende, etwa wirtschaftliche, gegen private Dritte, nicht zuletzt Konkurrenten gerichtete Anliegen verfolgen.

Die inzwischen vorliegenden Erfahrungen können als Grundlage dafür dienen, den sehr heterogenen Rechtsbestand zu revidieren und in einem allg.en Informationsverwaltungsgesetz zusammenzufassen. Ein solches Gesetz könnte und sollte über die I. hinaus das staatliche Wissensmanagement im Ganzen, jedenfalls in Grundzügen, vorzeichnen. Zudem könnte das Gesetz auch, anders als bislang, zur je spezifischen informationsrechtlichen Stellung der verschiedenen Staatsgewalten (Legislative, Exekutive, Judikative) bzw. einzelner Staatsorgane und oberster Behörden (Parlament, Regierung, BRH, BaFin etc.) nähere Regelungen treffen. Viele der derzeitigen Rechtsstreitigkeiten um Informationsansprüche deuten auf einen solchen Regelungsbedarf hin. In der Sache sollte klargestellt werden, dass den Organen und Behörden nicht nur zum Schutz privater Dritter, sondern gerade auch zur Ermöglichung eines reflektierten, dem Gemeinwohl dienenden Staatshandelns Raum zur geschützten Nachdenklichkeit, Raum zu internen, nicht veröffentlichungspflichtigen Überlegungen in laufenden Verfahren verbleiben muss (so wie es die Lehre vom Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung für das Verhältnis der Regierung und Verwaltung zum Parlament seit langem formuliert). Auch die negative I., die vor aufgedrängter Information schützt und deren Bedeutung in Zukunft noch stärker in den Vordergrund treten dürfte, sollte Gegenstand legislativer Überlegungen werden; dies etwa mit Blick auf die Gefahren einer überbordend paternalistischen Informationspolitik des Staates (so im Gesundheits- oder Umweltbereich), bes. persönlichkeitsrelevante Informationen (bspw. DNA-Analysen im Rahmen staatlicher Ermittlungen) oder auch unerwünschte Informationen durch Private (E-Mail-Werbung etc.).

Einer eigenständigen Prüfung bedarf die verbreitete Forderung nach stärkerer rechtsverbindlicher Transparenz im Bereich der Gesellschaft, v. a. der international tätigen Wirtschaftsunternehmen. Ob die Veröffentlichung länderspezifischer Unternehmensdaten (sog.es country-by-country-reporting) nicht nur den Finanzbehörden, sondern auch der Öffentlichkeit gegenüber erforderlich ist, wie es die Europäische Kommission derzeit propagiert, erscheint fraglich; leitend muss hier eine gewissenhafte Gegenüberstellung des Für und Wider sein. Neuartige und ernste Fragen nach der gebotenen oder aber zu begrenzenden Transparenz stellen sich zudem, wenn global tätige Privatunternehmen über umfangreiche Informationen über Persönlichkeitsprofile verfügen. Je mehr private Unternehmen in die bislang dem Staat eigentümliche Rolle eines Maklers sensibler Daten einrücken, umso stärker können die Bindungen, die in den I.s-Gesetzen vorgezeichnet sind, auf diese Unternehmen zu übertragen sein.