Handlungstheorie

  1. I. Soziologisch
  2. II. Philosophisch
  3. III. Rechtswissenschaftlich

I. Soziologisch

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Philosophie und Soziologie stellen ohne Zweifel jene Disziplinen dar, in denen H.n in darstellender, explikativer und auch kritischer Absicht am ausführlichsten artikuliert wurden. Dies ist bes. dann der Fall, wenn diese Disziplinen mit der Zusatzbezeichnung „analytisch“ bzw. „erklärend“ aufgetreten sind.

Es besteht unter Wissenschaftlern ein relativer Konsens darüber, welche Elemente einer Handlung (Handeln, Handlung) als deskriptiv zu gelten haben: neben dem Handlungssubjekt, dem Handlungstyp, der Handlungsmodalität, dem Handlungskontext wären die Gründe bzw. die Ursachen des Handelns zu nennen. Dass diese Elemente in einem Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit stehen, zeigt der einfache Umstand, dass die Frage nach den Handlungsgründen sowohl auf das Handlungssubjekt als auch auf einen Restriktionen setzenden sowie Ressourcen gewährleistenden Handlungskontext verweist. Thematisiert man hingegen den Handlungskontext (Institution, Organisation, Konvention) hinsichtlich der Faktoren, die zu seiner Entstehung und zeitlichen Stabilisierung beitragen, so ist, zumindest aus einer methodologisch-individualistischen Perspektive, die Bezugnahme auf die Handlungssubjekte und ihre Handlungsmodalitäten zwingend.

Das Vorhandensein einer gegenseitigen Konditionierung zwischen den genannten Handlungselementen findet Ausdruck auch in der Einsicht, dass wenn einerseits individuelles (Individuum) sowie Gruppenhandeln (Gruppe) in der Zeit relativ stabile Strukturen bilden, andererseits diese Strukturen individuelles sowie Gruppenhandeln konditionieren. Eine Verbindung zwischen Handlung und Struktur ist in Max Webers theoretischem Ansatz bereits „strukturell“ angelegt: es gibt für M. Weber eine klare Korrespondenz zwischen Handlungstypen und kollektiven Phänomenen auf der Makroebene. Den zweckrationalen, wertrationalen, affektuellen und traditionellen Handlungstyp betrachtet M. Weber als jeweils konstitutiv für Beziehungs- bzw. Ordnungsarten wie Interessenlage, legitime Ordnung, Brauch und Sitte.

Weit komplexer als die Frage der Handlungsbeschreibung, gestaltet sich jene der Handlungserklärung. In diesem Zusammenhang sind insb. die Bemühungen der analytischen Philosophie zu nennen, das Verhältnis von Begriffen wie „Gründe“ und „Ursachen“, „Determinismus“ und „Freiheit“, sowie „Willensfreiheit und „Verantwortung“ grundlagentheoretisch zu klären. Im Allgemeinen lässt sich in sozialwissenschaftlicher Perspektive beobachten, dass, je nach Disziplinzugehörigkeit und theoretischem Hintergrund des Forschers, die Bestimmung erklärungsrelevanter Handlungsdeterminanten unterschiedlich ausfällt. Einseitigkeit und Reduktionismus sind dabei geläufige Phänomene: Mal wird die Relevanz der physisch-biologischen Umwelt betont (Natur), mal wird die sinn- und orientierungsgebende Bedeutung geteilter Werte und Überzeugungen unterstrichen (Kultur), mal wird die konditionierende Macht von Routinen, sozialen Rollen, Konventionen hervorgehoben (Gesellschaft). So sehr diese Einseitigkeiten eine Legitimation in der „Logik“ der jeweiligen Disziplin finden mögen, so sehr muss man daran festhalten, dass sie ein echtes Problem für ausgewogene Handlungserklärungen darstellen. Die Einflüsse von Physis bzw. BIOS (via Umwelt bzw. genetische Anlage) auf das Handeln sind gewiss beträchtlich, entscheidend ist aber, wie kulturelle Besonderheiten diese Einflüsse kanalisieren und transformieren. Die handlungskonditionierende Macht der Kultur (via Überzeugungen und Werte) kann sicherlich als gewichtig angesehen werden, entscheidend ist aber, wie Menschen bei der Verwirklichung ihrer Wünsche bzw. Verfolgung ihrer Interessen mit dieser Macht rational bzw. strategisch umgehen. Dies gilt nicht nur für moderne, sondern auch für „primitive“ Gesellschaften. Schließlich darf auch das Gewicht gesellschaftlicher Zwänge (via Normen, Rollen und Konventionen) nicht unterschätzt werden, es muss aber gleichzeitig eingesehen werden, dass Individuen keine passiven „Rollenträger“ bzw. Konventionen-Befolger sind.

Erkennt man die Tragweite der Brechungen kultureller sowie gesellschaftlicher „Vorgaben“ durch den Handelnden, so ist man besser in der Lage nachzuvollziehen, warum für M. Weber die einfache Beziehung auf eine „lediglich empirisch beobachtbare noch so strenge Regel des Geschehens“ (Weber 1988: 69) für die Interpretation menschlichen Handelns keineswegs ausreicht. Darüber hinaus fordert M. Weber die Bezugnahme auf die subjektive Lage der Akteure im Feld: ihre Motive bzw. ihre subjektive Definition der Situation. Dies einzusehen heißt nicht davon auszugehen, der Wissenschaftler sei von der Aufgabe entbunden, auch nach „objektiven“ Merkmalen der Situation zu fragen. Karl Poppers Forderung an den Wissenschaftler, nicht bei psychologischen Erklärungen stehen zu bleiben und die „Logik der Situation“ ernst zu nehmen, drückt die Unverzichtbarkeit dieser Aufgabe aus. M. Webers und K. Poppers Sichtweisen stehen im Verhältnis der Komplementarität zueinander: Handlungserklärungen, die Motive, Überzeugungen und Interessen der Akteure nicht angemessen berücksichtigen, sind ebenso problematisch wie Handlungserklärungen, die der „Logik der Situation“ (Opportunitäten und Restriktionen) nicht adäquat Rechnung tragen. Beide Vorgehensweisen führen zu Sackgassen in der Form rationalistischer, kulturalistischer, oder sozio-zentrischer Fehlschlüsse.

Die Relevanz des Handlungskontextes für das Verstehen bzw. Erklären des Handelns ist nicht zuletzt daran erkennbar, dass, so lässt sich beobachten, seine Veränderung meistens mit einer Veränderung der subjektiven „Definition der Situation“ und folglich des Handelns einhergeht. Dies gilt es zu betonen, auch gegenüber jenen Theorien der rationalen Wahl (Rational Choice Theory), die auf der Grundlage eines „Invarianzprinzips“ individuelle Entscheidungen modellieren. Gegen diese Invarianzannahme ließe sich einwenden, dass alternative Beschreibung bzw. „Einrahmungen“ der Situation unterschiedliche Präferenzannahmen und folglich unterschiedliche Entscheidungen zur Folge haben.

Die Eigenschaft des Kontexts, Handeln zu beeinflussen, wirft ein kritisches Licht auch auf jene Forschungsverfahren, die weitgehend de-kontextualisiert Anwendung finden. So informativ und nützlich die Erhebung individueller Einstellungen bzw. Dispositionen in Abstraktion des Kontexts auch sein kann, bietet diese Verfahrensweise keine Garantie dafür, dass damit faktische Handlungsabläufe erfasst werden können.

Geht der Wissenschaftler von der Annahme aus, dass es keine „Makrogesetze“ gibt, mit deren Hilfe Genese, Reproduktion oder Wandeln kollektiver Phänomene erklärt werden könnten, dass diese Phänomene vielmehr ihren Ursprung und temporale Beständigkeit in der Mikroebene haben, so gewinnen Begriffe wie „Handeln“, „Handlungskette“ und „Interaktion“ eine entscheidende Bedeutung bei der Erklärung von kollektiven Phänomenen wie typischem Gruppenverhalten oder sozialen Aggregaten. Es gibt unterschiedliche Varianten dieses „methodologischen Individualismus“ (James Samuel Coleman, Peter Hedström, Clemens Kronenberg, Renate Mayntz), aber alle stimmen letztlich darin überein, dass jene „Mechanismen“, die kollektive Phänomene generieren und perpetuieren, ihre Genese in der bes.n Art der Interaktion zwischen Individuen haben.

II. Philosophisch

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Die philosophische H. (englisch action theory) beschäftigt sich mit Fragen, die im Zusammenhang mit Handlungen, bes. menschlichen Handlungen, auftreten. Sie fragt danach, was Handlungen sind, wem Handlungen zugeschrieben werden können und wie sich Handlungen erklären lassen. Dabei können Handlungen in unterschiedlicher Hinsicht betrachtet werden, entweder insofern eine ursachen- oder vermögenstheoretische Analyse der Ursprünge von Handlungen angestrebt wird oder insofern ein Versuch unternommen wird, Handlungen zu deuten und zu verstehen. Der allg.en H. stehen verschiedene spezielle H.n gegenüber, die nicht Handlungen in ihrer Gesamtheit, sondern unter bes.r Hinsicht, bspw. mit Blick auf sprachliches oder ökonomisches Handeln, betrachten.

1. Der Begriff der Handlung

Unter einer Handlung (Handeln, Handlung) wird im Allgemeinen eine zielgerichtete, absichtliche und bewusste menschliche Tätigkeit verstanden, unabhängig davon, ob es sich um ein Tun oder ein Unterlassen handelt. Dadurch unterscheiden sich Handlungen von unbeabsichtigten oder unwillkürlichen Körperbewegungen. Der Begriff der Handlung schließt nicht zwingend eine aktive Wirkung auf die Außenwelt mit ein, da auch ein Unterlassen als Handlung zu verstehen ist.

Wird Willensfreiheit angenommen, so geht man davon aus, dass es in unserer Macht steht, Handlungen auszuführen oder zurückzuhalten. Demgegenüber steht der strenge Determinismus, nach dem Handlungen nichts anderes als Ergebnisse wirkursächlicher Kausalität sind und damit mit strenger Notwendigkeit erfolgen. Kompatibilistische Ansätze, die meist an David Hume anknüpfen, versuchen den freien Willen und den Determinismus zu vereinbaren. So geht D. Hume davon aus, dass Menschen nicht im klassischen Sinn die Freiheit haben, Handlungen auszuführen oder zurückzuhalten. Hingegen entwirft er den Begriff einer hypothetischen Freiheit, die darin besteht, dass andere Entscheidungen hätten getroffen werden können, wäre man durch andere Wünsche oder Überzeugungen bestimmt.

Nur im übertragenen Sinn lässt sich vom Handeln einer Gruppe sprechen; im eigentlichen Sinne handeln nur Individuen. Werden im Handeln der Einzelnen die Wirkungen auf andere Handelnde oder das Zusammenwirken mit anderen Handelnden auf ein gemeinsames Ziel hin betrachtet, so kann man auf metaphorische Weise von dem Handeln einer Gruppe sprechen. Max Webers Begriff des sozialen Handelns erklärt daher weniger den Sinn des Handelns Einzelner von individuellen Intentionen aus, sondern mehr aus der Orientierung auf das Verhalten anderer. Da auch ein Unterlassen eine Handlung darstellt, kann man in diesem Sinne auch dann von kollektivem Handeln sprechen, wenn einzelne Gruppenmitglieder passiv bleiben.

2. Handlungstheorie

2.1 Aristoteles

Aristoteles versteht einen menschlichen Akt nur dann als Handlung (práxis), wenn er willentlich und um seiner selbst willen erfolgt und damit letztlich auf die Glückseligkeit hingeordnet ist. Das aristotelische Handlungsmodell ist damit teleologisch fundiert. Allg.es Prinzip der Willentlichkeit und damit der Zurechenbarkeit einer Handlung ist der bewusste und freiwillige Vollzug sowie die Kenntnis der jeweiligen Handlungsumstände, weshalb ein Handeln im aristotelischen Sinne für vernunftlose oder willensunfreie Geschöpfe unmöglich ist. Für Aristoteles ist nicht jede intentionale Tätigkeit eine Handlung im strengen Sinn, denn Herstellen (poíesis) bringt etwas um eines bestimmten Zweckes willen hervor, welcher der Tätigkeit nicht immanent ist. Das Handeln ist somit nicht von seinem Produkt her zu bewerten, sondern von Seiten der Tugendhaftigkeit (Tugend) im Handlungsvollzug. Um richtiges, d. h. tugendhaftes, Handeln zu erklären, verwendet Aristoteles das Modell des praktischen Syllogismus, nach dem eine Handlung genau dann erfolgt, wenn ein konkretes Merkmal unter einen Obersatz im Sinne eines allg.en Urteils fällt. Der Obersatz ist dabei eine normative Prämisse, sodass es sich um kein deduktives Schlussverfahren handelt.

2.2 Thomas von Aquin

Im Anschluss an Aristoteles bestimmt Thomas von Aquin das Handeln als eine Bewegung, deren Prinzipien im Bewegten selbst liegen müssen. In „De veritate“ legt Thomas eine umfassende Erörterung menschlichen Handelns in seiner gesamten Komplexität vor. Der Mensch ist in seiner kreativen Gottesebenbildlichkeit freier Handlungen fähig und erlangt seine zweite und eigentliche Vollkommenheit durch rechtes, d. i. tugendhaftes und auf das höchste Gute ausgerichtetes, Handeln. Handeln erklärt Thomas in der „Summa Theologiae“ durch ein Wollen (velle), das auf ein Ziel (finis) gerichtet ist, in dem der Wille teilweise oder – beim Letztziel – vollständig zur Ruhe kommt. Der Wille bestimmt sich im Handeln durch freie Wahl (liberum arbitrium, electio, intentio) selbst zu seinem Akt. Bei Thomas wie auch bei zahlreichen weiteren Autoren der Scholastik steht im Akt der Willenswahl bes. die Frage nach dem Zusammenspiel von Vernunft und Willen im Vordergrund. Von der Beantwortung dieser Fragen wird die Grundlage wesentlicher Elemente der sittlichen Bewertung von Handlungen gewonnen.

2.3 Moderne Handlungstheorien

In der modernen H. ergeben sich zwei Hauptfragen: einerseits die Frage nach sicherer Identifikation von Handlungen, andererseits die Frage nach Möglichkeit und Weise von Handlungserklärungen.

Das Identifikationsproblem entspringt aus der Loslösung der Handlung aus dem bei Aristoteles prägenden teleologisch-sittlichen Rahmen. Zwar verwenden prominente H.n den von Aristoteles entlehnten praktischen Syllogismus, nutzen ihn aber, um beliebige intentional beabsichtigte Tätigkeiten zu erklären, womit gegenüber dem aristotelischen Ansatz der Begriff der Handlung deutlich ausgeweitet wird. Nicht mehr das letzte Ziel bestimmt das menschliche Handeln, sondern die Intentionen des Handelnden. Für den Beobachter wird damit nicht mehr mit Sicherheit deutlich, ob in einer Körperbewegung eine intentionale Handlung erblickt werden muss oder nicht.

Dieses Identifikationsproblem führt zu der Frage, ob es bestimmte Gründe für das Handeln einer Person gibt und wie diese in ihrer Rolle als Gründe verstanden werden müssen. Ein Vorschlag zur Behandlung dieser Probleme ist die Unterscheidung von natürlichen Ereignissen und Handlungen durch Wahl einer aktivischen oder passivischen Beschreibung. Die Aussage „Peter bewegt seinen Arm“ ist von „Peters Arm bewegt sich“ dahingehend verschieden, dass erstere eine intentionale Handlung beschreibt, letztere aber offenlässt, ob Peters Arm bewegt wird oder ob er den Arm selbst bewegt. Im Anschluss an Ludwig Wittgenstein thematisiert Gertrude Elizabeth Margaret Anscombe dieses Problem in der Identitätsthese: Beide Beschreibungen sind Beschreibungen desselben Ereignisses, wie können wir aber entscheiden, welche richtig ist? G. E. M. Anscombe schlägt vor, das Problem durch Stellen einer „Warum-Frage“ zu beantworten. Jene Beschreibung sei die richtige, mit der sich die Frage nach dem Warum des Ereignisses beantworten lasse.

Diese vielfach kritisierte These führte bes. zu dem Einwand, dass es nicht die in der Beschreibung einer Handlung vorkommende Intention und damit die teleologische Struktur ist, die ein Ereignis zu einer Handlung macht, sondern die jeweilige Ursache, aus der eine Handlung folgt. Da Handlungen von sonstigen Wirkungen unterschieden sein sollen, müssen die bes.n Eigenschaften von Handlungen als Wirkungen und die von Ursachen als Handlungsmotivatoren bestimmt werden. Donald Davidson führt dazu den Begriff der Primärgründe (primary reasons) ein, die die Summe von Wünschen (desires), Zielen und moralischen Werten des Handelnden enthalten sollen. Tritt zu solchen Gründen die Überzeugung (belief), dass eine bestimmte Handlung diesen Gründen entspr., wird die Handlung vollzogen und ist daher über Referenz auf Gründe und Überzeugungen (desire-belief-Schema) erklärbar. Georg Henrik von Wright kritisiert D. Davidsons Position mit dem Argument der logischen Beziehung, das unterstellt, dass Handlungsgründe mit dem, was gewollt wird, in einer logischen Beziehung stehen müssen, was für Ursachen und Wirkungen aber nicht gelten kann. Es stellt sich damit erneut die Frage, welche Art der Verursachung bei Handlungen vorliegt. Eine bes. Beachtung hat dabei das Problem erfahren, inwieweit Handlungsgründe und Intentionen als mentale Zustände auf physikalische Zustände reduzierbar sein können, womit auch die Frage nach der Freiheit oder der Determiniertheit menschlicher Handlungen wieder in den Blick rückt.

III. Rechtswissenschaftlich

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Das positive Recht knüpft an menschliches Handeln einschließlich des Unterlassens zahlreiche Rechtsfolgen. Die daher auch erforderliche rechtswissenschaftliche H. reflektiert neben dem Handlungsbegriff (Handeln, Handlung) v. a. Funktion, Kontext, Gehalt und innere Struktur von Handlungen. Prägend ist dabei die Grundunterscheidung zwischen Rechtshandlungen und rechtlich erheblichen Handlungen.

1. Theorie der Rechtshandlungen

Rechtshandlung (Rechtsakt) ist jedes Handeln eines Rechtssubjekts, das auf die Herbeiführung oder Bestätigung einer Rechtsfolge zielt. Juristische H.n liefern eine Klassifikation der Handlungsformen und durchdringen die rechtlichen Voraussetzungen für Zustandekommen (Wirksamwerden), Anfechtbarkeit, Widerruf und Aufhebung von Rechtsakten. Während privatautonomes Handeln in der Rechtsgeschäftslehre ausschließlich auf die Willenserklärung als Grundbaustein setzt (§§ 105, 116–144 BGB) und mit diesen gleichermaßen einseitige Rechtsgeschäfte (inkl. der Ausübung von Gestaltungsrechten) und gegenseitige Verträge (§§ 145, 433–453 BGB) aufbaut, differenziert das öffentliche Recht zwischen öffentlich-rechtlichen Willenserklärungen (Privater) und Hoheitsakten (der öffentlichen Gewalt einschließlich mit öffentlicher Gewalt beliehener Privater) und fächert letztere in zahlreiche Handlungsformen auf. Prägendes Ordnungsmuster ist die Normenhierarchie und – quer zu dieser – die Lehren von Anwendungsvor- und -nachrrang. Innerstaatlich weist die Normenhierarchie, die sich im Mehrebenensystem vervielfältigt, höchsten Rang den Verfassungen (Regelungen in den Verfassungsurkunden mit dort niedergelegten sog.en Ewigkeitsgarantien, ungeschriebenem Verfassungsrecht, verfassungsändernden Gesetzen) zu. In vielen Jurisdiktionen stehen den Verfassungen die nicht in die Verfassungsurkunde inkorporierten Verfassungsgesetze gleich (z. B. Österreich), darunter rangieren sog.e Organgesetze, Maßstäbegesetze und Grundsätzegesetze, sodann das einfache Parlamentsgesetz und die Handlungsformen des breiten Bereichs sog.er exekutivischer Rechtssetzung (Rechtsverordnung, Satzung autonomer Körperschaften des öffentlichen Rechts).

Allen diesen Handlungsformen, die abstrakt-generelle Regelungen (Gesetze im materiellen Sinne) tragen, stehen die einzelfall- oder situationsbezogenen Rechtsakte gegenüber. Unter ihnen ragen Verwaltungsakte inkl. sog.er Allgemeinverfügungen und öffentlich-rechtliche Verträge heraus. Während die verwaltungsrechtliche H. öffentlich-rechtliche Verträge im Wesentlichen parallel zu privatrechtlichen Verträgen konzipiert (vgl. § 62 BGB; differentia specifica in §§ 54–62 VwVfG), hat sich um die Verwaltungsakte eine eigenständige, durch Otto Mayer auf das französische Recht gegründete verwaltungsrechtliche H. gebildet. Sie erkennt im Verwaltungsakt die – heute in § 118 AO, § 35 VwVfG kodifizierte – hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde (§ 6 AO, § 1 VwVfG) zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Diese Rechtswirkung kann konstitutiv, deklaratorisch oder kassatorisch (actus contrarius), gebietend, gestattend, verbietend oder „dinglich“ (Widmungsakte im Recht der öffentlichen Sachen) sein. Großen Raum nimmt in der H. des Verwaltungsaktes neben dessen Entstehungsbedingungen (formell in Fragen von Zuständigkeit, Verfahren der Bekanntgabe, u. U. Formerfordernissen; materiell in der Abwesenheit von Nichtigkeitsgründen i. S. d. § 44 VwVfG) seine Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht ein, die – im Unterschied zu nahezu sämtlichen anderen Handlungsformen – beim Verwaltungsakt keine Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Auch rechtswidrige Verwaltungsakte sind wirksam, können aber – durch behördliche Rücknahme oder gerichtliche Aufhebung – beseitigt werden, wobei vielfach entspr.e Beseitigungsansprüche bestehen (vgl. § 113 VwGO und die Vorschriften des Aufsichtsrechts im weiteren Sinne). Weitere Themen und klassifizierende Kriterien der staats- und verwaltungsrechtlichen H. sind Fragen der Durchsetzung parlamentarischer und behördlicher Entscheidungen (self-executing effect oder Umsetzungsbedürftigkeit der Rechtsakte, Selbsttitulierungskompetenz der Verwaltung).

Quer zu den parlamentsrechtlichen (staatsrechtlichen) und behördlichen (verwaltungsrechtlichen) H.n liegen die prozessualen H.n, die sich – quer durch die Teilrechtsordnungen – mit unterschiedlichen Typen gerichtlicher Entscheidungen befassen. So können z. B. Gesetze (selbst förmliche Parlamentsgesetze) gleichermaßen prinzipal (abstrakte Normenkontrolle, Rechtssatzverfassungsbeschwerde) und inzident (konkrete Normenkontrolle, Mitüberprüfung der Wirksamkeit von Gesetzen, wo diese eine Vorfrage im Rahmen von Streitigkeiten über konkret-individuelle Maßnahmen ist) auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht überprüft werden.

Im Unterschied zu klassischen Handlungslehren des deutschen Staats- und Verwaltungsrechts setzen H.n für den Bereich des Europarechts – bei Übernahme und Anreicherung der Kriteriologie – normativ anders an. Prägend ist insoweit zunächst die Unterscheidung von Primärrecht (Verträgen) einerseits und Sekundär- und Tertiärrecht (unional gesetztem Recht) andererseits. Innerhalb des Sekundärrechts gehen die unionsrechtlichen H.n von der in Art. 288 AEUV angelegten Auffächerung aus. Sie unterscheiden Verordnungen (EU-weite Geltung und Anwendung, self-executing, abgesichert durch richterrechtlich anerkanntes Wiederholungsverbot), RL (Determinationsrecht, das nur Zielbefehle enthält; das diese Rechtsbefehle auf einen Teil der Mitgliedstaaten beschränken kann und das diesen die Wahl der Form und der Mittel überlässt; grundsätzlich keine self-executing-Wirkung, wohl aber hohe auslegungsleitende Relevanz für das gesamte mitgliedstaatliche Recht), Beschlüsse der Unionsorgane (Beispiel: der Eigenmittelbeschluss, Entscheidungen der Kommission in Kartell- oder Beihilfeverfahren, Entscheidungen über europäische Subventionen) und soft law der Unionsorgane (Empfehlungen, Stellungnahmen). Die – vielfach apokryph gebliebene – Kategorie des Tertiärrechts umfasst v. a. delegierte Rechtsakte (Art. 290 AEUV) und Durchführungsrechtsakte (Art. 291 AEUV), wobei diese beiden tertiärrechtlichen Regelungstypen sich ders.n Handlungsformen bedienen können, die auch für das Sekundärrecht zur Verfügung stehen (Art. 288 AEUV), ohne dass die Unionsorgane sich durch Wahl einer schwächeren Handlungsform auf Sekundärebene die Möglichkeit der Verwendung einer starken Handlungsform auf Tertiärebene abschneiden. Daher kann z. B. eine RL (Sekundärrecht) durch eine Durchführungs-VO (Tertiärrecht) konkretisiert und damit faktisch gehärtet werden.

2. Theorie rechtlich erheblicher Handlungen

Von der Theorie der Rechtshandlungen streng zu trennen – und in der H. weitgehend unverbunden konstruiert – ist die Theorie der rechtlich erheblichen Handlungen, unter denen für das Zivil- und Strafrecht die Tat, für das öffentliche Recht der sog.e Realakt herausragen. Als Tat bezeichnet die deliktische (v. a. die strafrechtliche) H. eine Handlung (Tun oder Unterlassen), die aktuell oder potenziell den Tatbestand einer deliktischen Norm erfüllt, daher typischerweise rechtswidrig ist (aber im Einzelfall gerechtfertigt sein kann) und an die sich – unmittelbar oder jedenfalls, wenn ein persönliches Verschulden (Vorsatz, Fahrlässigkeit) hinzutritt – belastende Rechtsfolgen wie Kriminalstrafe, Bußgelder, sog.e Nebenfolgen (Entzug der Fahrerlaubnis, Einziehung, Vermögensverfall), Schadensersatz- und/oder Entschädigungspflichten knüpfen. Die bes. intensiv bearbeiteten strafrechtlichen H.n unterscheiden sich v. a. durch die unterschiedliche Zuordnung der (individuellen) gedanklichen Vorstellungen. Die klassischen kausalen Handlungslehren erblicken in der Willensrichtung des Täters ein Kriterium der Schuld. Demgegenüber begreifen die heute vorherrschenden finalen Handlungslehren die Finalität (also die Beherrschung des äußeren Verhaltens durch einen steuernden, i. d. R. zielgerichteten Willen) bereits als notwendiges Merkmal jeder Handlung, scheiden also unwillkürliche Bewegungen von vornherein aus dem Handlungsbegriff aus. Hinzu treten moderne Anreicherungen wie die soziale Handlungslehre (die nur sozialerhebliches Verhalten als Handlung im strafrechtlichen Sinne begreift) und die personale Handlungslehre (die als Handlung ansieht, was sich einem Menschen als „seelisch-geistiges Aktionszentrum“ zuordnen lässt).

Die verwaltungsrechtlichen Realakte und ebenso die weitgehend parallel konstruierten Handlungen im Rahmen der zivilrechtlichen Rechtsgeschäftslehren (etwa Erfüllungshandlungen, § 362 BGB) sind demgegenüber in ihrer begrifflichen Konzeption weniger intensiv bearbeitet als die deliktischen Tatbegriffe, weil hier i. d. R. die Kontextualität im Vordergrund steht. Anerkannt ist aber auch hier, dass selbst ein „nur“ kommunikatives Handeln – etwa Ehrverletzungen, behördliche Warnungen etc. – als sog.e faktische (auch: mittelbar-faktische) Grundrechtseingriffe (Handlungen ohne Regelungswirkung) vielfach ähnlich hohen rechtlichen Anforderungen genügen müssen wie belastende Rechtsakte.