Handeln, Handlung

  1. I. Soziologie
  2. II. Rechtswissenschaft

I. Soziologie

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1. Allgemeines

Handeln (H.) und Handlung (H.lung) (griechisch práxis, lateinisch actio, englisch act, action) bezeichnen Grundkategorien der Wissenschaften vom Menschen, deren Hauptmerkmal die Intentionalität ist. Diese Auffassung wird gleichermaßen geteilt von einer Geschichtswissenschaft, welche die zeitliche Abfolge historischer Ereignisse unter Bezugnahme auf das Tun und Erleiden von Individuen und Gruppen zu rekonstruieren beabsichtigt, einer Psychologie, die den Zusammenhang von H.lungs-Motivation und Zielverwirklichung ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellt, einer Anthropologie, die sich zur Hauptaufgabe macht, unter Bezugnahme auf kulturelle sowie soziostrukturelle Gegebenheiten individuelles sowie Gruppenverhalten zu veranschaulichen und zu erklären und einer Soziologie, die absichtsvolles H. und Unterlassen als bevorzugte Mittel zur Erschließung sozialer Mikro- sowie Makrophänomene betrachtet. Die Begriffe „H.“ und „H.lung“ stehen ebenfalls im Mittelpunkt einer Wirtschaftswissenschaft, die den rationalen Akteur als Grundbaustein ihrer theoretischen Modelle ansieht, sowie auch einer Rechtswissenschaft, die menschliche Verhaltensweisen sowohl unter der Perspektive ihrer rechtmäßigen Entfaltung als auch ihrer legitimen Beschränkung thematisiert. Weil H. und H.lung als Schlüsselkategorien der Wissenschaften von Menschen gelten, fehlt es in den Sozialwissenschaften nicht an Versuchen, disziplinübergreifende H.lungs-Theorien zu entwickeln.

2. Handlungsabgrenzung und Handlungsträger

Was Gesellschaftsmitglieder als eine H.lung wahrnehmen, ist keine Naturtatsache, sondern bereits Ergebnis sozialer Bedeutungszuschreibung. Erst durch diese Zuschreibung wird es möglich, in einem Geschehenskontinuum diskrete Einheiten zu unterscheiden, die als „H.lungen“ definiert werden. Menschliche Sprachen, mit ihrem Schatz an Semantiken bzw. Typisierungen, ermöglichen diese Unterscheidungen.

Sozialwissenschaftliche Ansätze, die bewusst holistisch vorgehen, lehnen die Vorstellung ab, H. sei als Aneinanderreihung distinkter Akte zu begreifen. H. sei vielmehr als ein kontinuierlicher Fluss anzusehen. Nur im Rückblick, „durch ein diskursives Moment der Aufmerksamkeit auf die durée durchlebter Erfahrung“ (Giddens 1997: 54), sei es für den Beobachter möglich, von einer H.lung zu sprechen.

Die Antwort auf die Frage, was als H.lungs-Träger zu gelten hat, fällt unter Sozialwissenschaftlern unterschiedlich aus. In Max Webers verstehender Soziologie werden H. und Sinn eng an das Einzelindividuum gekoppelt: nur das Einzelindividuum kann nach M. Weber als Träger eines sinnhaften Sich-Verhaltens betrachtet werden. Folglich kann nur das H. von Einzelindividuen als ein Objekt des Sinn-Verstehens betrachtet werden. Mit dieser Auffassung grenzt sich M. Weber gegenüber zwei gleichermaßen problematischen Sichtweisen ab: einerseits gegenüber der Vorstellung, es sei möglich, H.lungs-Fähigkeit und Sinnhaftigkeit jenem Komplex psychischer, chemischer und physischer Prozesse zuzuschreiben, die ein Individuum mit-konstituieren, andererseits gegenüber der häufigen Praxis, H.lungs-Fähigkeit Kollektivgebilden wie Staat, Nation, oder Genossenschaft zuzuschreiben.

Talcott Parsons verabschiedet sich von M. Webers H.lungs-Auffassung insofern, als er einen von der Intentionalität des handelnden Subjekts weitgehend abgekoppelten unit act als grundlegenden Baustein der eigenen Theorie ansieht. Mit T. Parsons Übergang von einem voluntaristischen zu einem ausgesprochen systemischen Theorieansatz wird die Ablösung vom intentionalen Subjekt endgültig besiegelt: Soziale Wirklichkeit wird nicht vom handelnden Subjekt her, seinen Motiven und Interessen, sondern grundsätzlich vom „System“ und den Wirkungsbeziehungen seiner Elemente untereinander begriffen (Systemtheorie).

3. Handeln und Verhalten

In Anlehnung an M. Weber gilt es, die Nichtidentität von H. und Verhalten festzustellen: H. bezeichnet eine spezielle Form von Verhalten. Nur insofern intentionale Akteure mit ihrem Verhalten einen Sinn verbinden, darf nach M. Weber dieses Verhalten als „H.“ qualifiziert werden. Unreflektierte Reaktionen des Individuums auf seine Umwelt wären als „Verhalten“ zu klassifizieren. Begreifen wir H. als ein durch individuelle Gründe bzw. Motive veranlasstes und getragenes Ereignis in der Welt, so muss das Sinnerschließungspotential von Verhalten geringer eingeschätzt werden als das von H.: Durch die Bezugnahme auf ein schlichtes Verhalten bleibt uns der Zugang zu Motiven bzw. Gründen des Handelnden versperrt. Der Beobachter kann diese nur mutmaßen, nicht mit Gewissheit erfassen. Steht jedoch die Identifizierung von H.lungs-Motiven nicht im Vordergrund, so darf das heuristische Potential von Verhalten nicht unterschätzt werden. Unter Bezugnahme auf individuelles Verhalten ist es dem Beobachter gegeben, auf jene „inneren Lagen“ zu schließen, die im Bewusstsein des Beobachteten nicht bzw. nur bruchstückhaft repräsentiert sind – man denke dabei etwa an Phänomene wie das Erröten, eine bestimmte Körperhaltung oder eine bes. Stimmlage.

4. Handeln, Handlung und Entschluss

In M. Webers Ansatz einer verstehenden Soziologie erfasst der Begriff „subjektiver Sinn“ zweierlei Phänomene: das anvisierte Ziel und den motivierenden Grund. Alfred Schütz’ phänomenologische Analysen zur Sinnkonstitution schließen an diese Doppeldeutigkeit an und entfalten ihr analytisches Potential; dabei bedienen sie sich der Unterscheidung H./H.lung. H.lung verweist nach A. Schütz auf einen mit Sinn behafteten Vorgang, der bereits abgeschlossen ist: In der Praxis ist H.lung dem H. immer nachgestellt. Als gedankliche Antizipation von Ablauf und Abschluss des H.s setzt jedoch H. immer eine H.lung voraus. Im „Handlungsentwurf“ (Schütz 1974), so A. Schütz, wird eine H.lung modo fucturi exacti vorgestellt. Der individuelle H.lungs-Entwurf hat eine Vorgeschichte, die im vergangenen Erfahrungsschatz des Handelnden, in seiner Lebensgeschichte, wurzelt. Je nach Entwurf werden bestimmte Aspekte des individuellen Erfahrungsschatzes relevant, andere geraten hingegen in den Hintergrund. Erst durch den Entschluss findet eine H.lung ihre Verwirklichung. Bes. Relevanz gewinnt der Entschluss in Situationen, die der Handelnde als problematisch einstuft.

Insb. in der Denktradition des Pragmatismus wird Unreflektiertheit als der Hauptmodus menschlichen Daseins in der Welt betont. Erst wenn Ereignisse der Außenwelt den gewohnten und weitgehend routinierten H.lungs-Ablauf erschüttern, drängt sich die Notwendigkeit auf, die Situation neu zu definieren und passende Lösungen zum aufgetretenen Problem zu finden. Alles menschliche H. wird so im Blick der Pragmatisten in der Spannung zwischen unreflektierten H.lungs-Gewohnheiten und kreativen Leistungen gesehen. Auch für bestimmte Varianten der Theorie der rationalen Wahl charakterisieren Unreflektiertheit und automatische Reaktionen ohne Ziel-Mittel-Kalkulationen das H. von Menschen in der Alltagswelt. Die Orientierung des H.s an gesellschaftlich geteilten Habits, Schemata und Skripten ist „rational“, weil es sich dabei um integrierte Wissensstrukturen handelt, welche den Handelnden von der sich immer wieder neu stellenden Notwendigkeit der Informationsverarbeitung weitgehend entlasten. Die durch Beschaffung und Verarbeitung von Information entstehenden „Kosten“ machen verständlich, warum Handelnde nicht unbedingt die maximal nützliche Alternative wählen, warum sie also meistens nach der Maxime satisfying statt maximizing handeln. Die Einsicht in den exzeptionellen Status des Entschlusses und in die Unreflektiertheit als Hauptmodus menschlichen H.s in der Welt finden wir in Arnold Gehlens Auffassung wieder, nach der es vernünftig ist, sich auf die handlungsentlastende Macht der Institutionen zu verlassen.

5. Soziales Handeln

Nach M. Webers Definition ist soziales H. als ein H. anzusehen, „welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist“ (Weber 1976: 1). Schließt man sich dieser Definition an, so wäre nicht jedes H., das uns in Kontakt zu anderen Menschen bringt, als ein soziales H. zu betrachten: der unbeabsichtigte Zusammenstoß zwischen zwei Fahrradfahrern ist kein soziales H., wohl aber der Streit, der darauf folgt. Entscheidend für die Zuschreibung des Attributs „sozial“ ist also die Tatsache, dass der Handelnde im Bewusstsein dessen handelt, dass das eigene H. einen Einfluss auf andere Menschen haben wird bzw. haben könnte. Sozial bleibt dieses H. auch dann, wenn die gewünschten Wirkungen (wegen Fehleinschätzung) ausbleiben, oder wenn der Handelnde die H.lungs-Adressaten (weil auf eine unbestimmte Gruppe gerichtet) nicht kennt, oder wenn den H.lungs-Adressaten der H.lungs-Initiator (weil unter Bedingungen von Anonymität agierend) verborgen bleibt.

6. Typen und Determinanten des Handelns

Unter Sozialwissenschaftlern besteht weitgehender Konsens darüber, dass H. unter Bezugnahme auf die spezifische „Situation“ des Handelnden erschlossen werden muss. Dies heißt u. a. nachzuvollziehen, dass H.lungs-Ziele, H.lungs-Begründungen und H.lungs-Modalitäten auch durch die Zugehörigkeit des Handelnden zu einer bestimmten Gesellschaft und einer bestimmten Epoche bedingt sind: Menschliches H. ist immer auch kulturell qualifiziert. Dies einzusehen heißt nicht zu behaupten, H. sei schlichtweg das Produkt von Kultur. Gegenüber des in einer Gesellschaft vorhandenen kulturellen bzw. symbolischen Repertoires können sich Menschen, je nach Grad der gefühlten Bindung an diesen, ihrer Position in der Sozialstruktur, sowie ihrer individuellen Interessenlage unterschiedlich relationieren.

Wenn M. Weber zwischen zweckrationalen, wertrationalen, affektuellen und traditionellen H.lungs-Typen unterscheidet, so trägt er der Tatsache Rechnung, dass menschliches H., neben Werten, Traditionen und Emotionen auch von Interessen bestimmt sein kann. Dass Weltbilder oft die Bahnen festlegen, innerhalb derer sich die Dynamik der Interessen entfaltet, tut der Tatsache keinen Abbruch, dass Handelnde innerhalb des durch das spezifische Weltbild gesetzten Rahmens zweckrational handeln können. Je nach vertretener Disziplin und theoretischer Ausrichtung haben Sozialwissenschaftler auf diesen oder jenen H.lungs-Typus den Akzent gelegt. So betont Vilfredo Pareto den a-logischen und affektuellen Charakter des H.s, während Neoklassiker der Ökonomie dem zweckrationalen H.lungs-Typus analytischen Vorrang zuschreiben. Normativistische Ansätze wiederum, welche soziale Ordnung ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellen, betrachten die Orientierung an Normen und Werten als maßgeblich für die H.lungs-Orientierung.

Eine analytisch vielversprechende Möglichkeit, H. in seinen konstitutiven Elementen zu charakterisieren, ist sicherlich diejenige, die T. Parsons und Edward Albert Shils vorschlagen. Dazu gehört neben den Zielen und den Mitteln zu ihrer Verwirklichung eine Situation, die dem Handelnden Ressourcen bereitstellt, diesem aber auch Schranken setzt. Zum Begriff des H.s gehören darüber hinaus – dies ist für T. Parsons bes. wichtig – normative Vorgaben, die dem H. eine Orientierung geben. Es ist von T. Parsons konsequent gedacht, wenn in seinem Spätwerk „Handlungssysteme“ als Kreuzpunkt der gleichzeitigen Wirkung einer zielbestimmenden „Persönlichkeit“, einer Opportunitäten schaffenden, gleichzeitig aber auch Schranken setzenden „sozialen Struktur“ und einer orientierungsgebenden „Kultur“ (Parsons 1968) begriffen werden. T. Parsons betont sowohl die Autonomie als auch die Interdependenz dieser Dimensionen und nimmt dadurch von denjenigen Abstand, die sie in einem Verhältnis einseitiger Abhängigkeit stehend begreifen und somit dem Kultur- bzw. dem Sozialdeterminismus Vorschub leisten. T. Parsons’ Unterscheidung erweist dem Wissenschaftler gute Dienste v. a. dann, wenn dieser bereit ist, sich von einer engen systemischen Perspektive zu lösen. Dies ist bei jenen zeitgenössischen Sozialwissenschaftlern der Fall, die unter der Bezeichnung „analytische Soziologie“ signieren. In dem als H.lungs-Konstitutiv verstandenen Zusammenhang Wünschen/Opportunitäten/Überzeugungen der analytischen Soziologen erkennen wir wieder zentrale Elemente sowohl der weberschen als auch der parsonsschen H.lungs-Konzeption.

Angesichts der Tatsache, dass menschliches H. von einer schier unendlichen Mannigfaltigkeit von endogenen und exogenen Faktoren bedingt sein kann, bleibt es für den empirisch verfahrenden Sozialwissenschaftler zwingend, sich auf jene H.lungs-Determinanten zu beschränken, die jedes H. auszeichnen. Dies heißt, folgendes zu berücksichtigen: Handelnde streben mit ihrem H. danach, Wünsche zu befriedigen bzw. Interessen zu verwirklichen. Dabei greifen Handelnde auf Opportunitäten ihrer physischen bzw. sozialen Umwelt zurück, gleichzeitig unterstehen sie aber jenen Restriktionen, die ihnen diese Umwelt auferlegt. Zur Definition, Begründung und Legitimation ihrer Interessen sowie der Mittel zur ihrer Verwirklichung rekurrieren Handelnde auf (geteilte) Überzeugungen bzw. Ideen.

II. Rechtswissenschaft

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Als disziplinenübergreifender Grundbegriff von Philosophie (Ethik, Anthropologie), empirischen Verhaltenswissenschaften (Psychologie, Ethnologie, Soziologie, Ökonomie) und Rechtswissenschaft bezeichnet H. einzelne, oft aber in einen Kontext (Plan, Strategie) eingebundene Bausteine menschlichen Verhaltens. Der Aufbau des H.lungs-Begriffs divergiert stark.

1. Empirisch

In den empirischen Wissenschaften sind einerseits menschliche Willensakte (H. als bewusste H.lung), andererseits ihre Relevanz für die Mit- oder Umwelt charakteristische Bestandteile, kontextuell auch notwendige Bedingung für die Annahme einer H.lung. Der Willensakt unterscheidet H. einerseits von unspezifischen Formen menschlichen Verhaltens, insb. rein physiologischen Reaktionen (Herzklopfen, Erröten, Schwitzen), andererseits von implizitem Verhalten, namentlich dem Denken. Ohne die für normative Wissenschaften prägenden Zuschreibungen ist aber v. a. die äußere Beobachtbarkeit des Verhaltens handlungsprägend. Die Umwelt-/Sozialrelevanz von H. folgt auf der Output-Seite der Anregung des handelnden Subjekts durch die Umwelt/Mitwelt (respondentes Verhalten) und stellt H. in den Kontext bidirektionaler Kommunikation. Dieses breite Verständnis des Relevanzkriteriums wirkt auf die Anforderungen zurück, die an den Willensakt zu stellen sind: Er setzt keine positiven Körperbewegungen oder aktive (motorische, verbale) Äußerungen voraus. Vielmehr schließt H. unter der Voraussetzung einer qualifizierten Willensbildung Unterlassungen als Gegenmodell zu einem (sozial erwarteten und input-seitig kommunizierten) aktiven Tun ein. Je schwächer oder unspezifischer eine vorangegangene Anregung des Subjekts durch Umwelt/Mitwelt ist, desto mehr beschränkt sich auch der H.lungs-Begriff auf aktives Tun (operantes Verhalten).

2. Normativ

Heterogener, schon in der Konzeption plural angelegt sind demgegenüber die normativen H.lungs-Begriffe. Gemeinsam sind ihnen Vorstellungen von einem strukturierten H.lungs-Aufbau. Er kennt i. d. R. eine a) grundlegende Zweispurigkeit von Tun und Unterlassen, b) quer dazu die Differenzierung nach objektiven (äußeren, deskriptiven) und subjektiven (inneren, kognitiven) Merkmalen, schließlich c) mehrere Bewertungsstufen.

a) Die Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen verknüpft normative mit empirischen H.lungs-Begriffen: Als (aktives) Tun werden grundsätzlich diejenigen H.lungen verstanden, in denen ihr Träger empirisch beobachtbare Veränderungen der Wirklichkeit vornimmt, während sich Unterlassungen empirisch nicht beobachten, sondern erst durch gedankliche (z. T. normativ gebotene) aktive Alternativ-H.lungen begrifflich konstituieren lassen. Entspr. divers sind die zugehörigen H.lungs-Parameter: Die aktive H.lung lässt sich in den Kategorien von Subjekt, Raum, Zeit und Modus beschreiben; i. d. R. ist sie in diesen Dimensionen eng begrenzt (Dauer-H.lung, flächige H.lung) oder sogar punktuell zu fixieren (H.lungs-Ereignis). Die H.lung durch Unterlassen gewinnt dagegen erst durch wertende Zuschreibungen, d. h. aus dem gedachten alternativen aktiven Tun ihre entspr.en Parameter. Das Unterlassen ist insofern stets flächig, ja diffus. Zugl. fällt seine normative (ethische, historische, rechtliche) Bewertung wegen der Unsicherheiten in der Alternativimagination viel schwerer als bei der aktiven H.lung; diese Bewertung ist logisch nur schwer operationalisierbar und wirft daher stark erhöhte (Rechts-)Unsicherheit auf. Die Qualifizierung von Unterlassen als H.lung verlangt normativ stets eine bestimmte Verhaltenspflicht, die den Willensakt substituiert.

b) Strukturell Ähnliches gilt für die Zweispurigkeit äußerer und innerer H.lungs-Elemente: Außer beim Unterlassen lässt sich das äußere H. als solches beobachten und parametrisieren. Die zugrunde liegende oder begleitende Einstellung (Wissen, Wollen und deren Gegenteile) ist dagegen nur indirekt (z. B. über Sprechakte) und unsicherheitsbehaftet zu erschließen. Hier liegen Domänen der Psychologie, der kognitiven Verhaltenstheorie, der forensischen Psychiatrie und der Strafrechtswissenschaft.

c) Zu den Bewertungsstufen gehören z. B. in der für die gerichtliche Praxis prägenden Strafrechtswissenschaft die Verwirklichung eines gesetzlichen (Grund- oder Qualifikations-)Tatbestands, die Rechtswidrigkeit der Tat (Abwesenheit einer Rechtfertigung der Tat durch Notwehr, Nothilfe, Notstand oder bei spezifischer gesetzlicher H.lungs-Legitimation, z. B. durch öffentlich-rechtliche Eingriffsbefugnisse von Hoheitsträgern) und – davon wiederum unterschieden – deren persönliche Vorwerfbarkeit (die z. B. bei nicht strafmündigen Kindern, bei Störungen des Geisteszustands, bes.r Erregung etc. entfallen oder gemindert sein kann).