Gewerberecht

1. Begriff und Systematik

1.1 Begriffsklärung

Das G. ist Teil des Besonderen Verwaltungsrechts und dient insb. der Abwehr von Gefahren, die mit den erfassten selbständigen, unternehmerischen Betätigungen verbunden sind.

Der gesetzlich nicht definierte Begriff des Gewerbes und der daran anknüpfende Begriff des G.s markiert einen zentralen Bereich der selbständigen beruflichen Betätigung, der durch die Absicht der Gewinnerzielung gekennzeichnet ist. Leitbild für seine Prägung sind die klassischen industriellen Betätigungsformen, die sich im Rahmen der Industrialisierung herausgebildet haben und die im 19. Jh. zur Etablierung der Gewerbefreiheit und des G.s und der gleichzeitigen Abkehr vom mittelalterlichen Zunftwesen geführt haben. Der Gewerbebegriff wird dabei in der folgenden Formel definitorisch erfasst: „Gewerbe ist jede erlaubte und nicht sozial unwertige, auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angesetzte selbständige Tätigkeit, ausgenommen Urproduktion, freie Berufe und bloße Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens“ (BVerwG 24.06.1976 – I C 56.74).

Die einzelnen Bestandteile der Definition lassen erkennen, dass es jeweils um relative Merkmale und Abgrenzungen geht. So sind die Urproduktion, die freiberufliche Tätigkeit und grundsätzlich auch die Verwaltung des eigenen Vermögens auf Gewinnerzielung ausgerichtet. Im Falle des Gewerbes kommt diesem Merkmal jedoch in praktischer Hinsicht eine größere Prägekraft zu. Umgekehrt liegt die Voraussetzung der Gewinnerzielung auch dann vor, wenn vorübergehend keine Gewinne erzielt werden. Alleine die Absicht ist im Rahmen einer typisierenden Betrachtung maßgeblich. Auf Dauer ausgerichtet ist die Tätigkeit auch dann, wenn sie saisonal ausgeübt wird.

1.2 Systematik des Gewerberechts

Das G. findet seinen historischen Ursprung in den Gewerbeordnungen, die anknüpfend an das preußische Gewerbesteueredikt vom 2.11.1810 zunächst in einzelnen Ländern und schließlich am 21.6.1869 durch die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes (später des Deutschen Reiches) erlassen wurden und zu den ältesten in ihrer Grundkonzeption fortgeltenden Gesetzen des deutschen Rechtsbestandes gehören. Ausgehend von dieser Kernregelung hat sich das G. im Laufe der Zeit jedoch erheblich ausdifferenziert, was zur Auslagerung einzelner Teilbereiche in gewerberechtliche Spezialgesetze wie das Handwerksrecht, das Gaststättenrecht und viele weitere Tätigkeitsfelder geführt hat. Die (allg.en) Regelungen der GewO kommen auch in diesen Bereichen jedoch überwiegend weitere zu Anwendung, etwa die Regelungen zur Gewerbeanmeldung (§ 14 GewO) und zur Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit (§ 35 GewO).

2. Gewerbefreiheit als Ausgangspunkt

Der Erlass der Gewerbeordnungen war historisch und systematisch mit dem Übergang von dem durch Privilegien und strenge Marktzugangsbeschränkungen geprägten Zunftmodell zum liberalen Modell der Gewerbefreiheit verbunden. Dies kommt bis heute in § 1 Abs. 1 GewO zum Ausdruck: „Der Betrieb eines Gewerbes ist jedermann gestattet, soweit nicht durch dieses Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind.“ Während der erste Halbs. die auch in Art. 12 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommende Berufs- und Unternehmerfreiheit umsetzt, spiegelt S. 2 die mit dem Grundrecht verbundenen Beschränkungsmöglichkeiten wieder. Letztere haben im Laufe der Zeit an Umfang und Bedeutung gewonnen, wie ein Blick auf die Gliederung der GewO zeigt. Dabei überwiegt die Zunahme der zulassungspflichtigen gewerblichen Tätigkeiten im Vergleich zur Aufhebung entspr.er Normen. Grund für diesen Trend zur Zurückdrängung der Gewerbefreiheit waren und sind Belange der Gefahrenabwehr und des Verbraucherschutzes.

In der neueren Rechtsentwicklung erweist sich das Unionsrecht, insb. die Europäische Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG (DLRL – ABl.EU 2006 Nr. L 376/36) als Garant der Gewerbefreiheit. Dabei wird der freie Marktzugang nicht nur für grenzüberschreitende gewerbliche Betätigungen hohen Rechtfertigungsanforderungen unterworfen. Die DLRL ist nämlich anders als die Grundfreiheiten auch auf rein innerstaatliche Wirtschaftsvorgänge anwendbar. Jede neue Einführung von Marktzugangsschranken durch die Einführung einer Zulassungsregelung unterliegt deshalb den Prüfungs- und Rechtfertigungsanforderungen der Art. 14 f. DLRL und einem Notifizierungsverfahren nach Art. 15 Abs. 7 DLRL.

3. Systematik der Gewerbeordnung und Steuerungsinstrumente

Die GewO unterscheidet in ihrer Regelungssystematik zwischen drei Arten der Gewerbeausübung, für die jeweils unterschiedliche Steuerungs- und Kontrollregime gelten: Für das stehende Gewerbe (§§ 14–52 GewO) gilt grundsätzlich nur eine Anzeigepflicht. Für bestimmte Gewerbebereiche wird jedoch eine Genehmigungspflicht begründet (§§ 29 ff. GewO). Auch die meisten sondergesetzlichen Regelungen der gewerblichen Betätigung, wie die HandwO, beziehen sich auf das stehende Gewerbe. Beim Reisegewerbe (§§ 55–61a GewO) wird umgekehrt grundsätzlich eine Genehmigung in Form der Reisegewerbekarte verlangt, von der es Ausnahmen gibt. Bei den Messen, Ausstellungen und Märkten (§§ 64–71b GewO) gilt wiederum ein bes.s Steuerungsregime, bei dem die willkürfreie Ausgestaltung der Zulassung zur Teilnahme im Vordergrund steht. Für diesen Bereich hat die Föderalismusreform 2006 die Gesetzgebungskompetenz auf die Länder verlagert (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG), wobei die Länder von dieser Kompetenz bislang aber kaum Gebrauch gemacht haben, so dass die Regelungen der GewO weiter zur Anwendung kommen.

Das Steuerungs- und Aufsichtsregime des G.s ist abgestuft ausgestaltet und orientiert sich an den potenziellen Gefahren, die mit der Betätigung verbunden sind bzw. sein können.

Für alle Formen des stehenden Gewerbes gilt die Anzeigepflicht nach § 14 GewO, die sich auf die Aufnahme, die Änderung und die Beendigung des Betriebs einschließlich der Zweigstellen erstreckt und den Zweck hat, die zuständigen Behörden zur Ausübung ihrer Aufsichtstätigkeit zu befähigen. Die Anzeigepflicht stellt keine Markzugangskontrolle dar und ihre Nichtbeachtung führt alleine nicht zur Rechtswidrigkeit der Betätigung.

Soweit dies gesetzlich vorgesehen ist, kann die Aufnahme einer gewerblichen Betätigung auch der Erteilung einer Genehmigung abhängig sein (§§ 29 ff. GewO und spezialgesetzliche Regelungen), deren Voraussetzungen unterschiedlich ausgestaltet sein können. Auf einer untersteten Stufe wird nur die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden kontrolliert (etwa § 34c Abs. 2 GewO). In anderen Fällen werden der Nachweis einer bestimmten Sachkunde und weiterer tätigkeitsbezogener Anforderungen verlangt.

Auch bei den Aufsichtsrechten ist zu differenzieren. Bedarf es einer Genehmigung, so findet bereits im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eine erste Kontrolle statt. Besteht keine Genehmigungspflicht, so wird durch die Gewerbeanzeige die Gewerbeaufsichtsbehörde in den Stand gesetzt, nach pflichtgemäßem Ermessen und v. a. bei entspr.en Anhaltspunkten eine Kontrolle durchzuführen. Davon abweichend hat der Gesetzgeber für die „überwachungsbedürftigen Gewerbe“ in § 38 GewO angeordnet, dass unmittelbar nach Eingang der Anzeige eine Kontrolle durchgeführt wird. Das Ermessen wird hier also gesetzlich dirigiert.

Werden im Rahmen einer Aufsichtsmaßnahme Rechtsverstöße und eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden festgestellt, so kann die weitere Betätigung ganz oder teilweise untersagt werden (Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO). Im Falle von Genehmigungen können diese auch zurückgenommen oder widerrufen werden.