Gewaltenteilung

1. Geschichtliche Entwicklung und Begriff

G. ist ein Grundsatz für die Organisation der Staatsgewalt, der Machtmissbrauch bei deren Ausübung verhindern und Freiheit der Bürger sichern soll. Die G. hat wichtige Wurzeln in der Konzeption der gemischten Verfassung, die in der Antike in verschiedenen Variationen entwickelt (Aristoteles, Polybios, Cicero), über das Mittelalter bis in die Neuzeit hinein (z. B. Johannes Limnaeus) erörtert worden ist und praktische Bedeutung hatte. Die gemischte Verfassung, in der v. a. monarchische und demokratische bzw. aristokratische Herrschaftselemente miteinander verknüpft waren, wurde sowohl als Garant gegen die Entartung der Herrschaft wie auch als Form für die Mitwirkung der Bevölkerung oder von Teilen derselben an der Herrschaft verstanden.

Die Idee der Teilung der Herrschaftsgewalt kommt in zwei grundverschiedenen Ausprägungen vor. Teilung und Gliederung der Macht können auf der Basis realer politischer Mächte stattfinden, deren verschiedene Herrschaftsrechte in gegenseitige gewaltenhemmende Balance gebracht werden (v. a. der Ständestaat, politisch gesehen auch die konstitutionelle Monarchie). Von dieser bei Charles de Montesquieu zu findenden materiellen Konzeption der G. ist die funktionelle Gliederung einer einheitlich gedachten Staatsgewalt zu unterscheiden. Die Vorstellung von der Einheitlichkeit der Staatsgewalt hat sich in Europa auf Grund der Erfahrungen der religiösen Bürgerkriege durchgesetzt; sie hat bes.n Ausdruck im monarchischen Absolutismus gefunden und wirkt noch in der Begründung aller staatlichen Gewalt auf das Volk fort (Volkssouveränität). Da Demokratie und das demokratische Mehrheitsprinzip noch keine hinreichenden Garantien für Freiheit und Gerechtigkeit und gegen Machtmissbrauch sind, dient die G. im demokratischen Staat als wichtiges Element des Staatsaufbaus. Die Gliederung und Teilung der Staatsfunktionen einer einheitlichen Staatsgewalt steht im Einklang mit der Lehre von der Souveränität. Denn Souveränität als Eigenschaft der Staatsgewalt, höchste Gewalt zu sein, ist zu unterscheiden von der Innehabung und Organisation der Staatsgewalt, die nach Funktionen geteilt ausgeübt werden kann, ohne dadurch zwangsläufig ihre Einheitlichkeit und Souveränität einzubüßen. Gliederung, Hemmung und Kontrolle der Staatsgewalt dürfen jedoch nicht so weit getrieben werden, dass der Staat nicht mehr mächtig genug ist, seine Aufgaben der Friedenssicherung und des sozialen Ausgleichs effektiv zu erfüllen. Im Grunde geht es bei der Staatsorganisation um die für den Freiheitsschutz richtige Kombination von G. und Gewaltenverbindung.

Der Kern der klassischen G.s-Lehre ist in der Unterscheidung zwischen allg. regulierender Gewalt (Legislative), ausführender Gewalt (Exekutive) und davon unabhängiger richterlicher Gewalt (Judikative) zu sehen, selbst wenn die Terminologie nicht immer einheitlich ist und – wie bei John Locke – die ausführende Gewalt noch in die Föderative, Prärogative und z. T. auch Exekutive zerfällt, soweit diese nicht richterliche Gewalt ist. Solche Aufgabenverteilungen, die sich schon bei antiken Autoren finden (z. B. Aristoteles, Politik 1297 b f.), werden bei J. Locke in den Dienst des Freiheitsschutzes gestellt. Er sieht in der Übertragung der Gesetzgebung auf eine veränderliche Versammlung eine Garantie dafür, dass nur solche Gesetze erlassen werden, denen sich die Mitglieder der gesetzgebenden Versammlung selber unterwerfen wollen und die auszuführen Aufgabe der Exekutive ist: Die Legislative soll generelle Gesetze erlassen, die Exekutive diese ausführen, um Unterdrückung sowohl von Seiten des Gesetzgebers wie der Exekutive auszuschließen. Die G. als Institution zur Verhinderung von Machtmissbrauch und zur Sicherung der Freiheit wird von C. de Montesquieu auf der Basis der Dreiteilung (puissance législative, puissance exécutrice et puissance de juger) sich gegenseitig hemmender Gewalten (le pouvoir arrête le pouvoir) erörtert. C. de Montesquieus Darlegungen münden in die bemerkenswerte, noch heute gültige Feststellung, dass sich die Freiheit der Bürger an der Art der G. des betreffenden Staates messen lasse.

Die auch außerhalb der europäischen Rechtskultur bekannte Idee der G. ist ein staatsphilosophisches Prinzip, das verschieden konkretisiert werden kann und das in all seinen möglichen Varianten immer auf einen gemäßigten Staat hinausläuft. Der gemäßigte Staat ist die Konsequenz des Hauptstroms der europäischen Rechtsüberlieferung, die ein über dem Staat stehendes Recht anerkannt hat. G. ist das organisatorische Rückgrat der Menschenrechtsidee (Menschenrechte). Deshalb kommt es für effektiven Freiheitsschutz stärker auf eine gewaltenteilige Staatsorganisation als auf Grundrechtskataloge an.

Staaten, in denen eine Partei herrscht, die nicht in freien Wahlen mit anderen Parteien konkurriert, kennen zwar auch verschiedene, äußerlich voneinander getrennte Staatsfunktionen; diese werden jedoch von der allein herrschenden Partei maßgeblich durchdrungen, so dass sich stets die Zielsetzungen der Partei durchsetzen.

2. Erscheinungsformen

Eine deutliche Ausprägung des G.s-Prinzips stellt der monarchische Konstitutionalismusin Deutschland im 19. Jh. dar. Auf der Grundlage der monarchischen Herrschaftsformel (vgl. Art. 57 der Wiener Schlussakte v. 15.5.1820) werden das im Parlament vertretene Bürgertum an der Gesetzgebung beteiligt und exekutive Eingriffe in die Bürgersphäre unter den Gesetzesvorbehalt gestellt. Außerdem setzte sich auch in der Praxis die sachliche und persönliche Unabhängigkeit der Richter durch, die nur an Gesetz und Recht gebunden waren. Der monarchische Konstitutionalismus ist als eine eigentümliche Mischform zwischen dem überwundenen Absolutismus und dem heraufziehenden Parlamentarismus eine bes. Ausprägung des gemäßigten gewaltenteiligen Staates.

In den rechtsstaatlichen Demokratien ist die G. verschieden ausgeprägt je nachdem, ob die Verfassung ein parlamentarisches, ein präsidiales oder ein direktorales (so die Schweiz) Regierungssystem organisiert. Das parlamentarische Regierungssystem, das selbst wieder in verschiedenen Variationen vorkommt, führt i. d. R. zu einer engen Verknüpfung von Exekutive und Parlamentsmehrheit, die die Regierung wählt und stürzen kann und der die Regierung in ihrer gesamten Tätigkeit verantwortlich ist. Faktisch liegt im Normalfall eine politische Einheit von Regierung und Parlamentsmehrheit vor, und zwar auch dann, wenn eine Koalition die Mehrheit bildet. Dagegen ist die G. i. S. d. Montesquieuschen Dreiteilung in der Präsidialdemokratie des nordamerikanischen Typs konsequent durchgeführt. Eine strenge Trennung von Exekutive und Legislative wird dadurch erreicht, dass der Präsident als Chef der Bundesverwaltung eine von den Häusern des Parlaments (Kongress) vollständig getrennte eigenständige demokratische Legitimation besitzt und ein hohes Maß an Unabhängigkeit von der Parlamentsmehrheit hat. Das Zusammenspiel zwischen Präsident und Parlament beruht im Wesentlichen auf gegenseitigen Kontrollen, die im Einzelnen in der Verfassung vorgesehen sind. Zwischen dem präsidialen und dem parlamentarischen Regierungssystem gibt es mehrere Zwischenformen, die sich z. B. danach unterscheiden, wie stark die Befugnisse des Präsidenten bei der Regierungsbildung sind. Nach Art. 53, 54 WRV war die Regierung sowohl vom Präsidenten als auch vom Parlament abhängig, das der vom Präsidenten ernannten Regierung das Vertrauen entziehen konnte.

In den rechtsstaatlichen Demokratien ist die Rechtsprechung unabhängig von den beiden anderen Gewalten. Neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Zivil- und Strafjustiz; Gerichtsbarkeit, Gerichtsverfassung), gibt es Verwaltungsgerichtsbarkeit, die gegen Akte oder Unterlassungen der Verwaltung angerufen werden kann. Die Institution der gerichtlichen Normenkontrolle ist als bes. Ausprägung der G. zu bewerten, da sie ermöglicht, die Mehrheitsentscheidungen des Parlaments zu kontrollieren und auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen und im Falle der Verfassungswidrigkeit unangewendet zu lassen. Die Normenkontrolle kann einem bes.n Verfassungsgericht zugewiesen sein, das die Befugnis hat, verfassungswidrige Gesetze für nichtig zu erklären.

3. Bundesstaatlichkeit als Element der Gewaltenteilung

Bundesstaatlichkeit – eine Grundidee der Organisation der staatlichen Gewalt – bewirkt eine vertikale Teilung der staatlichen Funktionen. Die Organisation des Bundesstaates lässt sich auf drei Prinzipien zurückführen. Erstens ist eine materielle Aufgabenverteilung und entspr. Finanzverteilung (Finanzverfassung, Finanzverwaltung) erforderlich, wobei die Zuständigkeiten auf den Gebieten der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Rspr. zwischen Bund und Ländern verteilt werden müssen. Bes. die Zuständigkeit der Länder zur Ausführung von Bundesgesetzen verstärkt ein wichtiges Element der horizontalen G., die Trennung von Legislative und Exekutive, die im parlamentarischen Regierungssystem nur abgeschwächt wirksam wird. Außerdem bedeutet bundesstaatliche Aufgabenverteilung, dass Verantwortung nach unten verlagert wird (weiter verstärkt durch gemeindliche Selbstverwaltung [ Gemeinde ]), dass die im Bund in der Opposition befindliche Partei in den Ländern Regierungsverantwortung tragen kann und dass sich mannigfaltige weitere Machtgliederungen einstellen, wie z. B. die Stärkung der Landesverbände der Parteien gegenüber der zentralen Parteiorganisation. Zweitens muss eine bundesstaatliche Verfassung Aufsichts- und Kontrollbefugnisse des Bundes über die Länder vorsehen, damit sichergestellt wird, dass die Bundesgesetze dem Recht gemäß ausgeführt werden (Bundesaufsicht und Bundeszwang). Drittens verlangt eine bundesstaatliche Organisation eine Regelung, in welcher Weise die Länder auf die Bildung des Bundeswillens Einfluss nehmen können. Die Einrichtung einer „Länderkammer“, die als Bundesorgan an der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes beteiligt ist, bewirkt eine intralegislative Kontrolle bei der Gesetzgebung. Die Bundesstaatlichkeit selbst wird durch die Einrichtung eines Verfassungsgerichts stabilisiert, das über Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern nach Verfassungsrecht entscheidet. Ähnlich wie die Bundesstaatlichkeit und die kommunale Selbstverwaltung führt auch die Übertragung von Kompetenzen auf supranationale Einrichtungen zu einer vertikalen G.

4. Moderne Probleme der Gewaltenteilung

Die außerhalb der Staatsorgane rechtlich verorteten politischen Parteien haben in den Demokratien westlicher Prägung großen politischen Einfluss, der gerade darin zu sehen ist, dass sie die Besetzung der Ämter der einzelnen Staatsfunktionen bestimmen. Überall, wo das Parlament Amtsträger wählt oder die Regierung das Recht der Beamtenernennung hat, kann sich parteipolitischer Einfluss breitmachen, der zumindest in den oberen Rängen durch die verfassungsrechtliche Garantie des gleichen Zugangs zu öffentlichen Ämtern nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (z. B. Art. 33 Abs. 2 GG) nicht abgebremst wird. Im Parteienstaat muss darauf geachtet werden, dass die G. nicht zu einer äußeren Fassade wird, hinter der die jeweils regierende Partei durch eingeübte Loyalitäten ihrer Anhänger überall einen einheitlichen Willen durchsetzt und bis in die unteren Ränge der Beamtenschaft Patronage ausübt. Entscheidende Garantien für die Selbständigkeit der einzelnen Staatsfunktionen im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben sind die mit freien Wahlen verbundene Chance des „Machtwechsels“, die bundesstaatliche Organisation und Aufgabenverteilung, Zweidrittelmehrheiten bei der Wahl der Verfassungsrichter, die Unabsetzbarkeit der Richter und das Berufsbeamtentum (Beamte). Die verfassungsrechtliche Sicherung des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 2, 5 GG) ermöglicht eine Balancierung zwischen politischer Führung mit Innovationsdrang und einer bürokratischen Verwaltung, die für Kontinuität und Beharrung sorgt. Solche und andere Intraorgan-Kontrollen sowie Inkompatibilitäten sind neuartige Formen der G., die Machtmissbrauch verhindern und Freiheit der Bürger sichern helfen.

Eine weitere Gefahr für die freiheitssichernde Funktion der G. besteht in einer falsch verstandenen monistischen Demokratiekonzeption (Monismus). „Die konkrete Ordnung der Verteilung und des Ausgleichs staatlicher Macht, die das Grundgesetz gewahrt wissen will, darf nicht durch einen aus dem Demokratieprinzip fälschlich abgeleiteten Gewaltenmonismus in Form eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts unterlaufen werden“ (BVerfGE 49, 89, 124 f.).

Mit der G. als Prinzip der Organisation der Staatsgewalt nichts zu tun hat die Vorstellung von einer „vierten Gewalt“ der Massenmedien (Medien). Die z. B. durch die Presse stattfindende Kontrolle der staatlichen Gewalt beruht auf grundrechtlich gesicherter Freiheit der Meinung und Information (Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit).