Familie

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  1. I. Theologisch
  2. II. Soziologisch
  3. III. Pädagogisch
  4. IV. Rechtlich

I. Theologisch

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1. Familie als Lebensform

In christlich-theologischer Sicht ist die F. eine elementare, in der Schöpfung begründete Form gemeinsamen Lebens. Als ein Geflecht substanzieller Relationen stellt F. eine Lebensform dar, deren Sein weder in bloßer Veränderungsprozessualität aufgeht noch durch abstrakte Vergesetzlichung in seiner Identität erhalten werden kann, sondern der die Kraft des je eigenen Anfangs und der Erneuerung aus einer unverrechenbaren Zukunft heraus eigen ist. Inhaltlich betrachtet ist das theologische Verständnis von der F. als Lebensform v. a. durch zwei Faktoren geprägt worden: zum einen ist es die Rezeption der aristotelischen Hauslehre (oeconomia) und deren Umformung aus dem Geist der biblischen Tradition, zum anderen die Entwicklung der Ehetheologie und die Heraushebung der Ehe als Institution göttlichen Rechts. Dadurch entstanden Ungleichgewichte zwischen der dogmatischen Hochschätzung der Ehe als Sakrament und einer naturrechtlichen (Naturrecht), d. h. an Gesamtzwecken orientierten Grundlegung der F. Erst die konsequente personalistische und heilsgeschichtliche Ausrichtung der konziliaren und nachkonziliaren Theologie sowie das erneuerte Selbstverständnis einer Kirche, die sich auch als familia Dei begreifen kann, haben die notwendigen Korrekturen und die Ausbildung eines Ansatzes ermöglicht, welcher die F. in ihrer bes.n Subjektivität, d. h. als Gemeinschaftssubjekt wahrnimmt und in den Mittelpunkt stellt. Maßgebliche Impulse gingen hierbei vom Zweiten Vatikanischen Konzil, insb. von der Pastoralkonstitution GS, der Verkündigung Papst Johannes Pauls II. (vgl. bes. das Apostolische Schreiben FC und den „Brief an die Familien“) sowie dem von Papst Franziskus initiierten Dialogprozess (vgl. die beiden Bischofssynoden von 2014 und 2015 und das nachsynodale Apostolische Schreiben AL von 2016).

In theologischer Sicht ist die F. ein Geheimnis verdankter Freiheit, denn als Lebensform konstituiert sie sich in einer doppelten Genealogie, der Genealogie der Person und der Genealogie der Generation (vgl. „Brief an die Familien“ 7). Beides ist nicht voneinander trennbar, denn F. ist communio, d. h. Gemeinsamkeit personaler Liebe, und communitas, d. h. Gemeinschaft, ein intergenerationaler Lebenszusammenhang, der den Menschen von Anfang an umgibt und seinen existentiellen Horizont in spezifischer Weise formt. Daher steht die F. unter einem doppelten Wesensgesetz: dem der Liebe und dem des Lebens – Gesetzlichkeiten, die in strikter Weise miteinander verschränkt sind und dadurch der F. die Wirksamkeit einer Lebensform verleihen, welche der Selbstzwecklichkeit des Menschen als Person in urspr.er Weise zu entsprechen vermag. Genauerhin erschließt sich das Wesen der F. aus der Analogie des Glaubens an den lebendigen Gott, der den Menschen als sein Abbild erschaffen und der im Geheimnis der Fleischwerdung des Wortes den Menschen sich selbst kund gemacht hat (vgl. GS 22). Die christliche Erinnerung des Leidens und der Auferstehung Jesu Christi ist zugl. die Erneuerung des menschlichen Gedächtnisses, des Grundvermögens der Entsprechung, auf den „Anfang“ hin, d. h. auf die F. „im Plan Gottes“ (FC 10) und ihre Bestimmung zur Gemeinschaft mit Gott in der Liebe. Es ist in je größerer Verschiedenheit und unter Wahrung der absoluten Transzendenz des Schöpfergottes die Ähnlichkeitsbeziehung „zwischen den göttlichen Personen und der Einheit der Kinder Gottes in der Wahrheit und der Liebe“ (vgl. GS 24), welche auch das familiale „Wir“ in seiner spezifischen Subjekthaftigkeit ansichtig werden lässt. In diesem Sinne ist die Heilige F. die Verkörperung dieser Relation in konkretester Nähe, in der die „schöne Liebe“, welche alles bloße „gut für“ übersteigt, die Wahrheit der F. bezeugt. Diese Wahrheit aber ist die Verwirklichung aller Personalität in der aufrichtigen, beständigen und unwiderruflichen Hingabe seiner selbst. Das familiale „Wir“ ist weder eine Aggregation von Individuen noch ein Kollektiv, sondern communio personarum, eine Gemeinschaft von Personen, die in der Liebe vereint sind (vgl. „Brief an die Familien“ 6). Eine solche Gemeinschaft kann nur aus der Freiheit gegenseitigen Sich-Schenkens heraus begründet werden, wie dies im Akt der Eheschließung von Mann und Frau geschieht. Die jüdisch-christliche Tradition beharrt daher gegenüber allen familiären bzw. verwandtschaftlichen Bindungen und Autoritäten auf der willentlichen Freiheit von Mann und Frau bei der Eheschließung. Es entsteht ein „Bund“ des Lebens und der Liebe, der sich göttlicher Urheberschaft verdankt und unbeliebige Sinngehalte der Intimität, Einheit und Treue, des unbedingten Einstehens füreinander sowie umfassender Verantwortung und Sorge für die Nachkommenschaft enthält (vgl. GS 48). Als gemeinsame Güter der Liebe beinhalten sie eine objektive Verpflichtung. Um dieser Güter der Liebe in ihrer Bedeutung für die Entfaltung des Menschen als Person willen sieht die christliche Theologie in der ehebezogenen F. ein Leitbild, zu dem es letztlich keine Alternative gibt. Die Sakramentalität der Ehe ist somit der Verbindungspunkt der Genealogie der Person und der Genealogie der Generation, die Grundlage im Glauben gelebter familialer Kommunikation und Tradition, d. h. dessen, was die F. zur „Hauskirche“ (vgl. LG 11), werden lässt.

2. Familiale Tradition und Kommunikation

Ein Spezifikum familialer Lebensform ist, dass sie Tradition in Gang setzt und hält. Sie bestimmt für jeden Einzelnen den Moment, an dem er in die Sozialkultur eintritt, welche Leben und Existenz ermöglicht. Die F. umfängt jenen ersten Moment dieser Zugehörigkeit, aus dem alle anderen entströmen. Der initiatorische Charakter familialer Kommunikation erschöpft sich nicht in einem einmaligen Tradierungsvorgang, den man hinter sich lassen würde, er begleitet vielmehr durch das Leben hindurch. Im Vorgang des Tradierens halten Eltern, Großeltern und andere Bezugspersonen die Kette der Weitergabe von Lebenswissen in Gang. Was sie selbst einst als Kinder empfangen haben, empfangen sie aufs Neue und in vertieftem Maße, indem sie es an die eigenen Kinder weitergeben. Was die F. in diesen Zusammenhängen kommuniziert, ist das beständige praktische Umgehen mit den vielfältigen Aspekten des menschlichen Lebens, in das jedes neue Glied eingewiesen wird. Da in diesen Vorgängen ein elementares Bewusstsein für die Grundwerte und Grundprinzipien des Menschlichen geweckt wird, spricht das Konzil von der F. als einer „Art Schule reich entfalteter Humanität“ (GS 52). Jede F. hat ihre eigene F.n-Geschichte und -Erfahrung, die ihre Identität ausmacht; es sind Erfahrungen, welche die Glieder der F. in den Stand versetzen, Lebensziele zu verfolgen, Freundschaften zu pflegen, mit Leid und Enttäuschungen umzugehen und schließlich auch dem Tod zu begegnen. So verschieden F.n auch sein mögen, im Hinblick auf den Tradierungsprozess verkörpern sie doch immer auch die gleichen Arten von Lebensgütern. Diese Weitergabe von Gütern schließt elementare menschliche Fähigkeiten und elementares Lebenswissen ein. Wesentlich für beides ist jedoch die Weitergabe von Liebe. Die F. provoziert eine emotionale Antwort auf die Welt menschlicher Kommunikation, eine Antwort, die es einem Menschen erst ermöglicht, in dieser sein eigenes Gut zu verfolgen. Dies impliziert, dass die Weitergabe von Liebe von der Weckung der Erkenntnisfähigkeit von Gut (Gute, das) und Böse begleitet sein muss. In dem Maße aber, in dem die Güte, welche die Liebe anstrebt, dem Bösen, das die Furcht zu vermeiden lehrt, vorgeordnet ist, trifft das allg.e Verständnis der F. als Gemeinschaft der Liebe den zentralen Aspekt familialer Kommunikation. „Liebesgemeinschaft“ ist die F. von daher auch nicht einfach im Sinne einer „liebenden Gemeinschaft“, sondern als eine Gemeinschaft, welche die Liebe kommuniziert und diese Kommunikation zum primären Daseinsgrund hat. Was hierbei in der F. kommuniziert wird, ist die Fähigkeit, auf Gutes mit emotionaler Wärme zu reagieren. Es ist die Liebe, für die das Griechische ein eigenes Wort – storgé – kennt: die Liebe der Affinität. Kommunikation der Liebe und Unterscheidung der Liebe sind untrennbare Momente familialer Kommunikation und lebendiger Tradition.

Das Leben einer F. ist nicht auf sich selbst bezogen, sondern ermöglicht gerade das konstruktive Engagement im Rahmen anderer Formen sozialen Lebens. Dies spiegelt sich in der Erziehung von Kindern wider. Erziehung beginnt in der F., aber sie endet nicht dort. Der Erziehungsauftrag der F. bedeutet daher auch, in jedem persönlichen Fall die geeigneten Wege der Selbstüberschreitung in das Leben der weiteren Gesellschaft im Hinblick auf ein universales und höchstes Gut hin zu finden. Solcherart Transzendenz in der F. zu ermöglichen, macht die innere Freiheit der F. im Sinne eines diskreten Binnenverhältnisses des in ihr präsenten „guten Lebens“ aus. Dies ist dort erfahrbar, wo Menschen die Freiheit wahrnehmen, einer Berufung Folge zu leisten. Das kann auf eine andere Lebensform, nämlich die der Jungfräulichkeit, hinzielen als auch darauf, innerhalb von Ehe und F. in bestimmter Weise zu leben und handeln. Die Güter der Freiheit, welche die F. konkret zu vermitteln vermag, kommen nicht allein den Kindern zu, sondern ebenso auch den Eltern. Die Übernahme und Annahme der Elternrolle vermittelt die Freiheit, den Kindern gegenüber sich zu verhalten und ihnen zu geben, was sie niemals anderen gegenüber sein oder geben könnten. So ist Elternschaft eine „Berufung“ im Sinne eines Lebens-Dienstes der Liebe. Indem dieses Moment sittlicher Freiheit all das übersteigt, was die F. tradieren kann, erfüllt es das Gut der F. in seiner spezifischen Dignität und vollendet ihren spezifischen Dienst als Schule der Humanität.

3. Familie und Gesellschaft

In theologischer Sicht ist die F. das Fundament und die „Lebenszelle“ der Gesellschaft (vgl. GS 52, FC 46). Die bes. Dignität, die der F. als sozialer Institution zukommt, gründet darin, dass sie mehr als jede andere Institution Subjekt ist; denn das, was ihre sittliche Substanz ausmacht, ist das Anerkennungsverhältnis des „Ehre!“, wie es das 4. Gebot des Dekalogs (Zehn Gebote) zum Ausdruck bringt (vgl. „Brief an die Familien“ 17). Da die F. im Plan Gottes das „Gut des ‚Zusammenseins‘“ verwirklicht, kann dieser Imperativ bei allen Asymmetrien zwischen Eltern und Kindern nur in Wechselseitigkeit sinnvoll verstanden werden. Ohne diesen tugendethischen Kern familialer Selbstschätzung fehlt auch allen Rechten des Menschen ein notwendiges Moment. Umgekehrt ist das durch familiale sittliche Selbstschätzung zu verwirklichende gemeinsame Gut der F. der Grund der der F. eigenen „Souveränität“ („libertas et immunitas“, vgl. „Brief an die Familien“ 17) als ihres Anspruchs auf Anerkennung in ihren Rechten und im Recht der Gesellschaft (vgl. die „Charta der Familienrechte“). Die hervorgehobene Bedeutung der F. im Dienste einer „Zivilisation der Liebe“ darf jedoch nicht dazu führen, die F. zu totalisieren. Die Rede von den „Drei Ständen“ – Kirche, Haushalt, politisches Gemeinwesen (ecclesia, oeconomia, politia) –, wie sie etwa die lutherische Tradition betont, versteht diese als je eigene Institutionen der Freiheit, die nicht auf eine Grundform reduziert werden können.

Die neuere Theologie der F., wie sie v. a. im Kontext der beiden Bischofssynoden von 2014 und 2015 sich geformt hat, nimmt das Verhältnis von F. und Gesellschaft nicht nur unter grund- und menschenrechtlichen Gesichtspunkten wahr, sondern auch im Horizont von Globalität. Die vielen Gesichter der Globalisierung wie etwa die Internationalisierung der Märkte, die Zunahme weltweiter Vernetzung durch neue Kommunikations- und Informationstechnologien, die vermehrte Instabilität und Verwundbarkeit lokaler Märkte durch externe weltweite Krisen oder Ereignisse haben Einfluss auf die Lebensgestaltung von Menschen in Ehe und F.; Krieg und Gewalt, Flucht und Vertreibung, Armut und soziale Ausgrenzung, kulturelle und soziale Widersprüche gefährden F. in ihrer Existenz (vgl. AL 21–57). Die kritische Wahrnehmung dieser Prozesse wie aber auch all der gegen das Leben gerichteten Mentalitäten haben das Bewusstsein sowohl für die hohe Verletzlichkeit heutiger F. geschärft als auch für die Kostbarkeit des „globalen“ Gutes der F. Umso mehr gilt es vom Glauben her, den missionarischen Charakter der F. stärker zu profilieren und durch Bezeugung der Erlösungsbedürftigkeit wie aber auch der Erlösungsfähigkeit des Menschen im Geflecht von communio und communitas das „Evangelium der Familie“ („Brief an die Familien“ 23; AL 200–204) in der Christusnachfolge je neu zu verkünden.

II. Soziologisch

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1. Ist die „Krise der Familie“ überwunden?

Die F. gehört zu den Lebensbereichen, die immer wieder Gegenstand ideologischer Auseinandersetzungen waren. Jahrzehntelang bewegte sich ein Teil des öffentlichen Diskurses zur F. im Spannungsfeld zwischen Dramatisierung und Beschwichtigung. Die F. wurde vielfach als überholt dargestellt, sie sei eine untergehende Lebensform. Seit Mitte der 1960er Jahre machte sich ein tiefgreifender Strukturwandel bemerkbar, der vielfach als Abkehr von der F. oder als Niedergang der F. interpretiert wurde: Geburtenrückgang und Anstieg von Kinderlosigkeit; Rückgang der Eheschließungen, Anstieg der Scheidungen; ein Trend zum Alleinleben. Die Krisendiagnose war allerdings oberflächlich: Es kam zu einem Aufschub der F.n-Gründung, aber die grundsätzliche Neigung dazu blieb weiterhin sehr hoch. Es kam zu einer stärkeren Toleranz gegenüber alternativen Lebensformen, Unverheiratete werden nicht mehr diskriminiert. Gleichwohl bleibt die Ehe bzw. die monogame Paarbeziehung das bevorzugte Beziehungsmodell, doch wird der Anspruch der Dauerhaftigkeit immer häufiger aufgegeben („serielle Monogamie“).

Erklärungsversuche für den Wandel beziehen sich allg. meist auf langfristige Prozesse der Modernisierung, Differenzierung und Individualisierung. Für die Geschwindigkeit des Wandels zwischen 1965 und 1975 werden die kulturellen Umwälzungen dieser Jahre verantwortlich gemacht („sexuelle Revolution“, Antiautoritarismus, Werte-Liberalisierung usw.). Der Bildungsexpansion (Bildung) der 1970er-Jahre kommt dabei eine bes. Bedeutung zu. Sie hat – zusammen mit dem Feminismus – zu einer strukturellen Verbesserung der Situation der Frauen geführt, mit weitreichenden Auswirkungen auf das Geschlechterverhältnis (Gender) in Paarbeziehungen und F.n.

2. Ist die Familie universell?

Oft wird die F. als „anthropologische Konstante“ bezeichnet, d. h., bei allen kulturellen Unterschieden der Strukturen, Funktionen und Formen von F. gibt es keine Kulturen ohne F. Es gab in der Frühgeschichte der Menschheit Mutter-Kind-Einheiten, die jedoch nur überleben konnten, wenn es einen sie schützenden Kontext gab: also etwa eine Gruppe von engen Verwandten oder sonstigen Nahestehenden. Das hat nicht nur F.n-Bildung, sondern wohl auch patriarchale Tendenzen begünstigt. Funktionalistisch gesprochen muss jede Gesellschaft das Nachwuchsproblem lösen. Das macht zwar nicht zwingend bestimmte F.n-Strukturen notwendig, doch ist es schwer vorstellbar, dass sich in der Evolution nicht familien-ähnliche Institutionen herausgebildet hätten.

3. Besonderheiten der westlichen Entwicklung

In der Entwicklung der F. in Europa, insb. in Mittel-, West- und Nordeuropa, hat nicht zuletzt der christliche Einfluss eine stärkere Herauslösung der Klein-F. aus dem Verwandtschaftsverbund gefördert und damit hat das Ehepaar an Bedeutung gewonnen (konjugale F.), im Unterschied zu anderen Weltregionen. Der westliche Individualismus hat mit dazu beigetragen, die Dominanz von Verwandtschaftsgruppen, Sippen, F.n-Verbänden usw. zu schwächen zugunsten des Paares und des Individuums innerhalb der F. Im 18. Jh. war der Übergang von der vormodernen Hausgemeinschaft zur bürgerlichen F., in der sich eine Zone der Privatheit und Intimität herausbildete, eine wichtige Etappe zur Herausbildung der modernen Gesellschaft.

4. Struktur der modernen Kleinfamilie

Die Grundstruktur der modernen westlichen Kern-F. lässt sich als Kombination zweier Strukturmerkmale darstellen: Filiation und Konjugalität, also Eltern-Kind-Beziehung und eheliche Paarbeziehung. Der enge Zusammenhang von zwei Generationen und zwei Geschlechtern macht die Kernstruktur aus. Das Generationsverhältnis ist hierarchisch organisiert, jedoch nicht als Machtbeziehung, sondern als sozialisatorische Verantwortungsbeziehung. Das Geschlechterverhältnis war lange Zeit asymmetrisch gedacht und geprägt von der klassischen Vorstellung eines komplementären Verhältnisses, wie es in der bürgerlichen F. seit dem 18. Jh. entstand, bei dem den Frauen die emotionale und innerhäusliche, den Männern die vernunftorientiert-außerhäusliche Rolle zugeschrieben wurde („Polarisierung der Geschlechtscharaktere“ [Hausen 1976]). Diese Rollenzuschreibung, wie überhaupt das Festhalten an einem Modell von Normal-F., wurde vielfach kritisiert. Inzwischen hat auch die F.n-Forschung dieses Modell weitgehend aufgegeben. Für eine Minimaldefinition von F. genügt heute die Filiation, speziell die Mutter-Kind-Dyade. Die Mindestbedingung, um von „F.“ sprechen zu können, ist also eine Beziehung zwischen einem Kind und einem Elternteil. Die Veränderung der Geschlechtsrollen hat dazu geführt, das Verhältnis der Eltern als partnerschaftlich-egalitär zu definieren, unabhängig von Geschlechterzuschreibungen.

Das westliche F.n-System ist als „offenes, multilineares Gatten-Familien-System“ (Parsons 1964: 85) bezeichnet worden: Es gibt, abgesehen vom Endogamieverbot, keine Regel, wer mit wem eine Paarbeziehung eingehen und eine F. gründen darf. Es gibt also auch keine bevorzugten Heiratspartner. Damit ist die Stellung der Verwandten und der Herkunfts-F. weniger wichtig als bspw. in Kulturen, wo von den Söhnen erwartet wird, eine Kreuzcousine (Tochter des Mutterbruders oder der Vaterschwester) zu heiraten. Das neolokale Prinzip – die Kinder-Generation lebt nur bis zur Gründung eines eigenen Haushalts bei den Eltern – und die Eigenständigkeit des Ehepaares machen die Unterscheidung zwischen Herkunfts- und Zeugungs-F. wichtig. Jede F. besteht deshalb i. d. R. aus mindestens zwei Haushalten.

5. Aufgaben und Funktionen der Familie und Funktionsverlust

Im Rahmen der Theorie funktionaler Differenzierung wird nach Funktionen (Aufgaben, Leistungen, Beiträgen) der F. für die Gesellschaft und deren Teilbereiche gefragt. Man spricht in historischer Perspektive manchmal vom Funktionsverlust der F. beim Übergang zur Moderne. Es ist sinnvoller, von Funktionsspezialisierung zu sprechen, denn mit dem Übergang zur Moderne verlor die F. zwar eine Reihe von politischen, ökonomischen und rechtlichen Funktionen, andere blieben aber erhalten, differenzierten sich weiter aus und wurden wichtiger. Vier Grundfunktionen können unterschieden werden:

a) biologische Reproduktion;

b) Sozialisation;

c) soziale Reproduktion;

d) Statuszuweisung.

Die aktuelle Diskussion dreht sich v. a. um die Frage nach der Schwächung dieser Funktionen durch Auslagerung an private Dienste und Aufgabenverlagerung an den Wohlfahrtsstaat.

Nach wie vor gilt die biologische Reproduktion der Bevölkerung als eine zentrale Funktion und ein Privileg der F. Wenn eine Gesellschaft ihre Nachwuchsproduktion sichern und steuern will, wird sie sich zuerst mit der Frage nach der Absicht zur F.n-Gründung bei Paaren befassen. Zwar gibt es Anzeichen der Schwächung dieser familialen Funktion im Sinne einer Stärkung matrilinearer Tendenzen und einer relativen Schwächung der Konjugalität, denn immer häufiger wird Mutterschaft ohne klassische F.n-Konstellation konstituiert oder fortgesetzt. Aber immer noch leben etwa 80 % der Kinder bei ihren beiden biologisch-sozialen Eltern.

Die F. hat nicht nur das Monopol auf die Zeugung und Geburt von Kindern, sondern auch auf die Erziehung im grundlegenden Sinn: Die primäre Sozialisation gehört immer noch zu den wichtigsten Funktionen der F. Bes. in Deutschland hat die F. praktisch das Monopol für die Kleinkind-Sozialisation. Die Anforderungen an eine gute Erziehung sind weiter gestiegen; das fördert allerdings auch Professionalisierungstendenzen i. S. d. Auslagerung bestimmter Sozialisationsleistungen aus der F., die sich überfordert sieht. Insgesamt belegt die Forschung aber die weiterhin enorme Bedeutung der Sozialisation in der F. für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und ihre soziale Integration.

Die dritte Funktion lässt sich als soziale Reproduktion bezeichnen. Es geht dabei um Regeneration (von der Arbeit), um Erholung und Entspannung, kurz gesagt um alles, was der Mensch braucht, um wieder leistungsfähig zu werden, vom Essen bis zum Schlafen. Weiterhin geht es um emotionale Stabilisierung und Gesundheit, Unterstützung und wechselseitige Hilfe, um die „Versorgung“ der F.n-Mitglieder mit affektiven Bindungen, Solidarität, Intimität und emotionaler Sicherheit in einem basalen Sinn. Ebenso geht es um die Ausbildung von Individualität. Allerdings werden auch Elemente der sozialen Reproduktionsfunktion zunehmend ausgelagert, wie etwa Kochen, Essen oder Freizeiterholung und Gesundheit. Manche Autoren sehen deshalb die Gefahr der Erodierung dieser Funktion durch Kommerzialisierung der Intimität.

Schließlich hat die Herkunfts-F. für die Kinder immer noch eine große Bedeutung i. S. d. sozialen Platzierung und Statuszuweisung: Der Lebenserfolg eines Menschen hängt immer noch stark davon ab, welcher sozialen Schicht seine F. zugehört. Zwar kommt dem Bildungssystem eine vermittelnde Funktion bei der Statuszuweisung zu, indem es Chancen für einen sozialen Aufstieg bietet und die herkunftsbedingten Vor- und Nachteile ausgleichen soll. Es scheint aber, dass sich seit den frühen Untersuchungen des französischen Soziologen Pierre Bourdieu bis zu den internationalen PISA-Studien an der grundlegenden Diagnose der Reproduktion sozialer Ungleichheit durch die familiäre Herkunft sowohl in empirischer als auch in theoretischer Hinsicht wenig geändert hat.

6. Pluralisierung familialer Lebensformen

Mit dem Aufstieg der These vom Niedergang der F. setzte sich bald auch die Formel „Pluralisierung von Lebensformen“ durch, derzufolge die F. nur noch eine von zahlreichen, gleichwertigen Lebensformen ist. Die Grundidee stammt z. T. aus der Differenzierungstheorie, z. T. aus der Individualisierungsdebatte. Der gemeinsame Nenner dieser an sich sehr unterschiedlichen Theorien war, dass sich seit dem Strukturwandel der 1960er Jahre in den Ländern der westlichen Welt die vormals einheitliche (bürgerliche Klein-)F. als Lebensmittelpunkt der Menschen zunehmend auflöste und anstelle des einen normativen Modells sich eine breiter werdende Palette von Lebensformen entwickelte – eine Palette, aus der die Menschen auswählen, was ihnen am besten entspr.: Klein-F. oder Alleinleben, nichteheliche Lebensgemeinschaft oder Adoptions-F., Patchwork-F., living-apart-together usw. Tatsächlich haben diese Lebensformen an Bedeutung gewonnen, allerdings setzen sich im Lebensverlauf bei den älteren Erwachsenen Ehe und F. immer noch weitgehend durch, so dass die „Pluralisierung von Lebensformen“ (Burkart 2018: 98) empirisch v. a. für die Lebensphase des jungen Erwachsenenalters zutrifft.

III. Pädagogisch

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1. Pädagogische Traditionslinien

Das Bemühen, Eltern in ihrer Betreuungs-, Erziehungs- und Bildungsaufgabe, F.n in ihrer Alltagsbewältigung professionell zu unterstützen sowie Erziehungspraktiken erziehungswissenschaftlich zu reflektieren, hat eine lange pädagogische Tradition. So kritisiert schon Augustinus im dritten Jh. n. Chr. den zu seiner Zeit üblichen autoritären Erziehungsstil in Schule und F. und fordert eine am Kind orientierte, antiautoritäre und gewaltfreie Pädagogik. 1657 begründet und konzipiert der Theologe und Pädagoge Johann Amos Comenius in seiner „Didactica Magna“ eine innovative „Mutterschul“ zur allg.en Verbesserung der familialen Erziehungs- und Bildungsverhältnisse. Die radikalen Überlegungen in Jean-Jacques Rousseaus Schriften lassen im revolutionären Diskurs der Aufklärung des 18. Jh. erstmals ein Bild von Kindheit entstehen, das ein Recht auf Eigenständigkeit einklagt und die Frage nach einer angemessenen Erziehung auch in der F. breitenwirksam zum Thema macht. Parallel zur zunehmenden gesellschaftlichen Institutionalisierung der Lebensphase Kindheit i. S. eines eigenständigen Abschnitts im Lebenslauf verfestigen sich neue Vorstellungen von F., Mütterlichkeit und Väterlichkeit. Der an Frauen adressierte familiale Pflege-, Betreuungs- und Erziehungsauftrag wird dabei naturalistisch begründet, also an das biologische Geschlecht der Frau gekoppelt, während der ökonomische Ernährerauftrag an das männliche Geschlecht gebunden wird. Diese geschlechtsspezifische Rollenverteilung und das damit verbundene F.n-Leitbild der auf Ehe basierten bürgerlichen Klein-F. wandelt sich nur langsam, angestoßen durch Emanzipationsbestrebungen im 19. Jh., die jedoch erst in den 1970er Jahren spürbar politischen Einfluss entwickeln. Heute – im Kontext der aktuellen Diskurse um F.n-Leitbilder, Gender und Diversität – wird F. nicht mehr als sozial normiertes Konstrukt, sondern als eine komplexe temporäre Herstellungsleistung betrachtet. Diese aktuelle Perspektive des sog.en Doing Family lenkt dabei – unabhängig von F.n-Form und -Konstellation – den pädagogischen Blick auf die alltäglichen familialen Praktiken. Damit verschieben sich nicht nur die erziehungswissenschaftlichen Diskurse sowie die praxeologischen Angebote des teils stark sozialpädagogisch bzw. sozialarbeiterisch geprägten Interventionssystem, welches sich in familienunterstützende, familienergänzende und familienersetzende Dienste ausdifferenziert. Darüber hinaus lässt sich ein tiefgreifender Wandel

a) vom Befehlshaushalt hin zum Verhandlungshaushalt (Emanzipation; zunehmende, von Lebensalter und Geschlecht unabhängige Gleichberechtigung),

b) von der Erziehung hin zur Beziehung (Erziehungsstil) sowie

c) von der Intervention hin zur Prävention (Sozialpolitik)

konstatieren. Diese Transformationsprozesse stärken und erweitern das System der F.n-Bildung sozialpolitisch und untermauern ihre hohe gesellschaftliche Relevanz.

2. Rechtliche Grundlagen

Die historischen Linien der rechtlich institutionalisierten F.n-Bildung etwa in Form von Haushalts- und Erziehungsunterweisungen (19. Jh.), im haushaltsorientierten nationalsozialistischen Mutterkult (Anfang 20. Jh.) oder in Form der Ausweitung auf Väter (ab Mitte des 20. Jh.) verweisen von Anfang an auf die Spannungspole zwischen „staatlichen Kontrollaspekten einerseits und Angeboten von Unterstützung sowie selbstbestimmter Reflexion familialen Handelns andererseits“ (Heitkötter/Thiessen 2011: 422). F.n-pädagogisch adressierte Angebote sind dabei an die zeitgeschichtlich vorherrschenden Konstruktionen von Gesellschaft, F., Kindheit und Geschlecht gekoppelt und teils auch fundamentalen Revisionen unterworfen: Repressiv (etwa im Nationalsozialismus), emanzipatorisch (etwa durch die 1968er Umwälzungen) oder innovativ (etwa durch die aktuelle Geschlechterdebatte). Neben den allg.en familienrechtlichen Verortungen im GG sind die pädagogischen Zugänge zur F.n-Bildung vorwiegend im achten Buch des SGB verankert. Neben grundlegenden Klärungen zum Recht auf Erziehung, Elternverantwortung und Jugendhilfe im ersten Kap. ist v. a. der mit „Förderung der Erziehung in der F.“ überschriebene zweite Abschnitt von Kap. 2 pädagogisch relevant. So schreibt § 16 folgende Ziele fest: Alle F.n sollen (§ 16 Abs. 1 SGB VIII) durch entspr.e Angebote in ihrer pädagogischen Kompetenz, insb. i. S. gewaltfreier Erziehung, gefördert werden, (§ 16 Abs. 2 SGB VIII) nicht nur in Problemfällen, sondern in allg.en Erziehungsfragen unterstützt werden sowie (§ 16 Abs. 3 SGB VIII) bereits in der vorfamilialen Phase präventiv unterstützt werden. Neben dem (erst) im Jahre 2000 in Kraft getretenen Gesetz zum Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung (§ 1631 Abs. 2 BGB), wonach körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen u. a. entwürdigende Maßnahmen unzulässig sind, hat das im Jahre 2016 verabschiedete Präventionsgesetz (§§ 20 ff. SGB V) zu einer bisher noch nicht bewältigten Expansion familienpädagogisch orientierter Angebote der Prävention und Intervention geführt.

3. Zieldimensionen und Systematisierung

F., so der achte F.n-Bericht, „erbringt unverzichtbare Leistungen für das Gemeinwesen, indem sie Humanvermögen produziert, private und teilweise öffentliche Fürsorge leistet und sozialen Zusammenhalt stiftet. Familie als Herstellungsleistung wird dadurch selbst zum Akteur mit eigenen Ressourcen, Handlungs- und Innovationspotentialen, die sie an den Schnittstellen zwischen Privatheit und öffentlichen Institutionen – dazu zählen vor allem Betreuungs-, Bildungs- und wohlfahrtsstaatliche Institutionen, das Erwerbssystem sowie der soziale Nahraum – entwickeln und entfalten kann“ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2012: 4). Diese Leistungen im alltäglichen Prozess des Doing Family werden aber nicht naturgemäß und selbstverständlich erbracht. Um diese familialen Anstrengungen sicherzustellen und zu fördern, sind bes. gesellschaftliche Anstrengungen nötig, die pädagogisch auf folgende acht Kompetenzbereiche zielen:

a) Elterliche Erziehungskompetenz,

b) Beziehungs- und Kommunikationskompetenz,

c) Alltagskompetenz,

d) Partizipationskompetenz i. S. d. Inanspruchnahme von Angeboten der Frühen Hilfen, der Kindertagestätten und F.n-Zentren, der Schulen sowie von Angeboten informeller (Nachbarschafts-)Netzwerke und institutionalisierter Hilfesysteme,

e) Medienkompetenz,

f) Gesundheitskompetenz,

g) Konsumkompetenz sowie

h) die Fähigkeit zur Work-Family-Life-Balance.

Diese umfangreichen Angebote und Aufgaben der F.n-Bildung werden je nach Blickwinkel unterschiedlich systematisiert und lassen sich wie folgt gliedern.

a) Angebote entlang familialer Lebensphasen, die v. a. die Bewältigung sog.er ökologischer Übergänge (werdende Elternschaft, Übergänge in Tagesstätte, Schule, Beruf, Empty-Nest-Phase) fokussieren.

b) Angebote, die spezifischen familialen Aufgaben zugeordnet werden, wie Pflege, Erziehung, Bindung, Gesundheit, Alltag, Hauswirtschaft, Kommunikation oder Bürokratie.

c) Angebote, die auf spezifische F.n-Formen, wie etwa unvollständige, sich in Trennung befindende, Patchwork-, Regenbogen- oder Pflege-F.n, abzielen.

d) Vorwiegend an F.n-Resilienz orientierte Angebote für bes. familiale Belastungen, die etwa durch Arbeitslosigkeit, Armut, Gewalt, Sucht, Krieg, Flucht, Krankheit, Behinderung oder soziale Benachteiligung entstehen. Und schließlich

e) Angebote für spezifische Zielgruppen, etwa Väter, Mütter, Eltern, Großeltern, Kinder, Tagespflegepersonen und weitere affine Berufsgruppen.

Eine zweite, sozialräumliche Systematisierung der Angebote der F.n-Bildung zielt auf folgende vier Settings:

a) Institutionelle, vorwiegend präventiv ausgerichtete F.n-Bildung in Form von F.n-Bildungsstätten, Angeboten der Erwachsenenbildung, Kindertagesstätten, Schulen (Bildung) sowie in Form von Institutionen, Organisationen und Vereinen, die nur in Teilen F.n-Bildung anbieten wie Jugendämter, Pfarrgemeinden, Eltern-, Jugend- und Wohlfahrtsverbände.

b) Informelle F.n-Bildung und F.n-Selbsthilfe, die i. d. R. als niedrigschwellige und langfristig angelegte Netzwerkangebote Erfahrungsaustausch, Information, Orientierung und soziale Partizipation ermöglichen.

c) Mediale F.n-Bildung zielt auf die Wissensvermittlung durch klassische Printmedien, etwa in Form von Ratgebern, Elternzeitschriften, Elternbriefen sowie durch elektronische und digitale Medien, etwa durch Chats, Online-Erziehungskurse oder (strittige) TV-Erziehungsberatungsformate.

d) Aufsuchende F.n-Bildung für F.n in bes.n soziokulturellen, ökonomischen und/oder psychischen Lagen, die von den Angeboten a-c nicht erreicht werden und professionelle pädagogische Unterstützung benötigen.

Insb. das Präventionsgesetz (SGB V) zielt auf die präventive Förderung von Kindern etwa mit suchtbelasteten, psychisch erkrankten, überforderten und hilfebedürftigen Elternteilen in den genannten Settings.

4. Herausforderungen für die Familienbildung

Obschon die F.n-Bildung auf einer 100-jährigen Tradition fußt, eine mittlerweile etablierte, für Teilnehmer nicht stigmatisierende gesellschaftliche Stellung einnimmt und in Theorie und Praxis fundiert und ausdifferenziert ist, zeigen sich drängende Handlungs- und Klärungsbedarfe. Seit Jahren ist das Problem bekannt, aber ungelöst, dass genau jene F.n, welche die Unterstützung am nötigsten hätten, von der F.n-Bildung am wenigsten erreicht werden. Aufgrund der Situierung zwischen Jugendhilfe und Erwachsenenbildung wäre auf professionsspezifischer Ebene zu klären, ob die Profession Soziale Arbeit oder die Pädagogik/Erziehungswissenschaft für Angebote der F.n-Bildung zuständig ist und welche inhaltlichen und didaktischen Schwerpunkte in den Studiengängen gelegt werden müssten, um die Qualität zu steigern – und dies bes. vor dem Hintergrund, dass weniger als 10 % der in der F.n-Bildung Tätigen einschlägig ausgebildet und fest beschäftigt, die übrigen 90 % aber (angelernte) Honorarkräfte sind. Dieser Sachverhalt wirft grundlegende Fragen nach Qualitätssicherung, Theorie-Praxis-Transfer oder auch nach der gesellschaftlichen Wertschätzung von F., F.n-Bildung und Pädagogik auf. Die aktuell größte Herausforderung dürfte darin bestehen, die durch das Präventionsgesetz rechtlich verbindlichen Aufgaben der F.n-Bildung in strukturellen Einklang mit der enormen Angebots- und Qualitätsvielfalt auf kommunaler, träger- und länderspezifischer Ebene zu bringen.

IV. Rechtlich

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1. Die Familie als Gegenstand des Rechts

Vor dem Hintergrund des im 19. Jh. ausgebildeten gesellschaftlichen Bewusstseins ihrer Gefährdung durch kollektivistische und individualistische Strömungen ist die F. in Deutschland seit der WRV von 1919 Gegenstand verfassungsrechtlichen Schutzes. Dieser zeichnet sich durch die Verknüpfung traditionsanknüpfend-bewahrender und reformierend-fortentwickelnder Ansätze aus. Unter der Geltung des GG belegen das die Garantie eines bes.n Schutzes der F. durch die staatliche Ordnung sowie die Gewährleistung des Elternrechts auf der einen Seite, die Stärkung des Mutterschutzes und die Verbesserung der Rechtsstellung nichtehelicher Kinder auf der anderen Seite.

2. Der Familienbegriff des Rechts

Weder die Verfassung noch das einfache Gesetzesrecht enthalten eine Definition der F., sondern setzen diese voraus. Aufgrund seiner Anknüpfung an das verfassungsgeberisch vorgefundene F.n-Verständnis versteht das GG unter einer F. die umfassende Gemeinschaft von Eltern und ihren Kindern, in der den Eltern Rechte und Pflichten zur Pflege und Erziehung der Kinder erwachsen. Die familiäre Gemeinschaft kann in den verschiedenen Phasen ihrer Entwicklung von einer Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zur Haus- und schließlich zur Begegnungsgemeinschaft werden. Die Ehe ist keine begriffsnotwendige Grundlage der F., weshalb den F.n-Begriff auch nichteheliche Lebensgemeinschaften mit ihren Kindern erfüllen. Ein Kind, das nicht mit Mutter und Vater zusammenlebt, für das aber beide Elternteile tatsächlich Verantwortung tragen, gehört zwei F.n an, der F. mit der Mutter und der mit dem Vater. Vom F.n-Begriff des GG umschlossen wird auch die Gemeinschaft mit Stief-, Adoptiv- und Pflegekindern. Nach bundesverfassungsgerichtlicher Judikatur unterfallen auch gleichgeschlechtliche Verbindungen, die in Gemeinschaft mit Kindern leben, dem F.n-Begriff. Eine F. stellt nicht nur die aus Eltern und Kindern bestehende bürgerliche Klein-F., sondern auch die Groß-F. dar, sofern zwischen deren Mitgliedern Beziehungen bestehen, die von familiärer Verbundenheit geprägt sind. Das kann insb. zwischen Großeltern und Enkelkindern, aber auch zwischen nahen Verwandten in der Seitenlinie der Fall sein. Das F.n-Verständnis des GG ist aufgrund des Vorrangs der Verfassung auch für den zivilrechtlichen F.n-Begriff maßgeblich (Familienrecht).

3. Die familienbezogenen Gewährleistungen des Verfassungsrechts

Die familienbezogenen Gewährleistungen enthält auf verfassungsrechtlicher Ebene Art. 6 GG. Sie stehen miteinander in innerem Zusammenhang.

3.1 Art. 6 Abs. 1 GG: Der „besondere Schutz“ der Familie

Gemäß Art. 6 Abs. 1 GG steht die F. „unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“. Hieraus resultieren drei verschiedene Gewährleistungsdimensionen: ein Grundrecht, eine Institutsgarantie und eine wertentscheidende Grundsatznorm.

Als Grund- bzw. Abwehrrecht schützt Art. 6 Abs. 1 GG die F. als eigenständigen Lebensraum gegen staatliche Eingriffe. Dieser Schutz reicht von der F.n-Gründung über die Ausgestaltung des gemeinschaftlichen Zusammenlebens bis hin zu den familiären Beziehungen zwischen den nicht (mehr) in häuslicher Gemeinschaft miteinander lebenden F.n-Mitgliedern. Gewährleistet wird die Freiheit, die familiäre Gemeinschaft nach eigenen Vorstellungen auszugestalten. Hinsichtlich der Schutzwirkung ist nach bundesverfassungsgerichtlicher Judikatur danach zu differenzieren, ob die F. als Lebens- und Erziehungs-, Haus- oder Begegnungsgemeinschaft betroffen ist.

Der grundrechtliche Schutz der F. wird ergänzt durch eine Instituts- bzw. Einrichtungsgarantie, die Bestand und wesensbestimmende Merkmale des Instituts F. gewährleistet. Diese Garantie steht nicht nur der Abschaffung, sondern auch wesensrelevanten Änderungen des Rechtsinstituts der F. entgegen.

Darüber hinaus stellt Art. 6 Abs. 1 GG auch eine wertentscheidende Grundsatznorm dar. Als solche normiert die Vorschrift eine verbindliche Wertentscheidung des GG, die für den gesamten Bereich des die F. betreffenden privaten und öffentlichen Rechts zu beachten ist. Sie verbietet dem Staat nicht nur, die F. als Keimzelle der Gesellschaft zu beeinträchtigen oder zu benachteiligen, sondern gebietet ihm auch, diese zu fördern sowie vor Beeinträchtigungen durch Dritte zu bewahren.

3.2 Art. 6 Abs. 2 GG: Elternrecht und staatliches Wächteramt

Der „besondere Schutz“ der F. erfährt durch Art. 6 Abs. 2 und 3 GG, deren Regelungen die Eltern-Kind-Beziehung betreffen, bereichsspezifische Ausgestaltung und Verfestigung. Art. 6 Abs. 2 GG garantiert den Vorrang der Eltern bei der Pflege und Erziehung der Kinder und gewährleistet hierzu in S. 1 GG das sog.e Elternrecht. Dieses wird in drei Gewährleistungsdimensionen – als fiduziarisches Grundrecht, Institutsgarantie und wertentscheidende Grundsatznorm – geschützt. Als Grundrecht enthält es ein Abwehrrecht der Eltern gegen staatliche Eingriffe in Fragen der Sorge für das körperliche Wohl (Pflege) und für die seelisch-geistige Entwicklung (Erziehung) des Kindes. Oberste Richtschnur für die Ausübung des Elternrechts ist das Kindeswohl. Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG weist der staatlichen Gemeinschaft das sog.e Wächteramt hierüber zu. Dieses ermöglicht im Falle einer auf elterlichem Fehlverhalten beruhenden schwerwiegenden Beeinträchtigung des Kindeswohls nicht nur staatliche Kontrolle und Überwachung, sondern auch Intervention, gestattet indes kein staatliches Tätigwerden, um entgegen dem Elternwillen lediglich für eine (vermeintlich oder tatsächlich) bessere Entwicklung des Kindes zu sorgen.

3.3 Art. 6 Abs. 3 GG: Trennung des Kindes von seiner Familie

Art. 6 Abs. 3 GG regelt die entgegen dem Willen der Erziehungsberechtigten erfolgende Trennung des Kindes von der F. als intensivsten Anwendungsfall des staatlichen Wächteramtes. Die Vorschrift normiert ein Abwehrrecht gegen staatliche Maßnahmen, die darauf abzielen, ein Kind ohne gesetzliche Grundlage oder das Vorliegen der näher benannten Voraussetzungen aus der häuslichen F.n-Gemeinschaft herauszunehmen; zugl. begründet sie einen Vorbehalt für den Gesetzgeber, unter den dort aufgeführten Voraussetzungen eine Trennung zuzulassen. Trennungsvoraussetzung ist entweder das Versagen der Erziehungsberechtigten oder die drohende Verwahrlosung des Kindes aus anderen Gründen.

3.4 Art. 6 Abs. 4 und 5 GG: Mutterschutz und Gleichstellung nichtehelicher Kinder

Während Art. 6 Abs. 4 GG einen Ausgleich der mit Schwangerschaft und Mutterschaft zusammenhängenden Belastungen intendiert, normiert Art. 6 Abs. 5 GG den verfassungsrechtlichen Auftrag, nichtehelich geborenen Kindern die gleichen Entwicklungs- und Lebensbedingungen wie ehelich geborenen Kindern zu eröffnen. Hierzu enthalten beide Vorschriften jeweils ein Grundrecht, einen Auftrag an den Gesetzgeber und eine wertentscheidende Grundsatznorm. Aus dem in Art. 6 Abs. 4 GG lozierten Fürsorgeanspruch der Mutter folgt u. a. die Verpflichtung des Staates darauf hinzuwirken, dass eine Schwangerschaft nicht wegen einer bestehenden oder nach der Geburt des Kindes drohenden materiellen Notlage abgebrochen wird, aus der leistungsrechtlichen Dimension des Art. 6 Abs. 5 GG die verbindliche Pflicht, tatsächlich gleiche Entwicklungsvoraussetzungen für nichteheliche und eheliche Kinder zu schaffen.

Literatur