Erwachsenenbildung

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1. Begriffsklärung

Spricht man von E., so sind i. d. R. drei Dimensionen damit angesprochen: zum ersten ganz allg. die Bildung bzw. das Lernen Erwachsener. Damit ist die Fähigkeit des Menschen zur Verarbeitung von Erfahrungen angesprochen, welche als Grundlage für seine Handlungsfähigkeit (Handeln, Handlung) angesehen werden kann. Empirisch unterscheidet sich die Bildung des (erwachsenen) Menschen in Abhängigkeit von den jeweiligen Lernformen, den individuellen kognitiven und motivationalen Voraussetzungen, den gesellschaftlich-kulturellen und sozial-historischen Bedingungen und Möglichkeiten für die Aneignung neuen Wissens und neuer Fertigkeiten. Zum zweiten beschreibt der Begriff E. die pädagogische Gestaltung von Lehr-Lern-Verhältnissen bzw. -Prozessen für erwachsene Adressaten. Hier stehen didaktisch-methodische Fragen der Vermittlung und Aneignung von Wissen im Zentrum sowie die institutionelle Umsetzung entspr.er Konzepte. Schließlich bezieht sich die Rede von der E. auf das wissenschaftliche und öffentliche Nachdenken über die individuelle und gesellschaftliche Funktion und Notwendigkeit der Bildung und des Lernens Erwachsener. Im Fokus stehen bei allen drei Dimensionen des Begriffs E. das Lernen bzw. die Bildung Erwachsener – wobei die Bedingungen, Formen und Inhalte der Vermittlung und Aneignung von Wissen jeweils aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden.

2. Geschichte der Erwachsenenbildung

Die Bildung Erwachsener, verstanden als Aneignung und Verarbeitung neuen Wissens und neuer Fertigkeiten, ist als Grunderfahrung menschlichen Lebens anzusehen. Denn Menschen machen im Laufe ihres Lebens immer wieder neue Erfahrungen, haben Probleme zu lösen und unbekannte Situationen zu bewältigen. Dabei eignen sie sich neues Wissen an, erwerben neue Fähigkeiten und Fertigkeiten und verarbeiten diese zu neuen Selbst- und Weltbildern. In diesem Sinne ist Lernen als ein lebenslang notwendiger Prozess zu verstehen. Allerdings sind die Formen des Lernens und der Bildung Erwachsener – ebenso wie das Nachdenken darüber – historisch und sozial zu differenzieren.

So ist davon auszugehen, dass E. in vormodernen Gesellschaften (Gesellschaft) zumeist eingebunden in den Lebenszusammenhang stattfand. Im Vordergrund stand dabei das sozialisatorische Lernen. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass in konkreten Alltagssituationen individuell neues Wissen erworben wird, wobei hier nicht nur die Verarbeitung neuer Erfahrungen oder die Weitergabe von Wissen durch andere Personen, etwa Familienangehörige und Nachbarn, Experten, Pfarrer, Reisende etc. bedeutsam waren, sondern auch mediale Unterstützungsformen, die durch bildliche oder sprachliche Darstellungsformen die Weitergabe von Wissen wie auch die Erinnerung an Informationen (Information) und Kenntnisse förderten.

Zwischen dem späten 18. und der Mitte des 19. Jh. änderte sich die Situation grundlegend: Durch die Wandlung von einer feudalen (Feudalismus), agrarischen zu einer bürgerlichen, industriellen Gesellschaft war die relative Statik und Unveränderlichkeit des sozialen Lebens aufgebrochen worden. Insb. die Entwicklung neuen Wissens und neuer Techniken (Technik) führten dazu, dass das Lernen durch Imitation und Teilhabe an der Tätigkeit der Älteren für immer mehr Menschen nicht mehr ausreichte. Die beginnende Industrialisierung (Industrialisierung, Industrielle Revolution) und der Prozess der Verstädterung bewirkten, dass viele Menschen anderen Berufen (Beruf) nachgingen als ihre Eltern bzw. gänzlich neue Berufe entstanden. Dementsprechend war es erforderlich, sich neue Kenntnisse und Fertigkeiten anzueignen. In dieser Situation entwickelte sich auf der einen Seite ein Bedürfnis der Menschen nach Information und Wissen, dem sich auf der anderen Seite verschiedene Lern- und Bildungsangebote eröffneten.

Bedeutsam für die E. war dabei insb. die Erfindung des Buchdrucks und die damit gegebene Möglichkeit der Verbreitung gedruckter Texte und Bücher seit der Mitte des 15. Jh. Dies führte nicht nur zu einer bis dahin nicht gekannten Vervielfältigung des zugänglichen Wissens, sondern auch zur Alphabetisierung weiter Teile der Bevölkerung – ein Prozess, der sich allerdings bis ins 19. Jh. hinzog. So wird noch für die Mitte des 18. Jh. davon ausgegangen, dass allein etwa 10 % der erwachsenen Bevölkerung im deutschsprachigen Mitteleuropa lesen konnte. „Das Medium Buch trat neben traditionelle Formen der Weitergabe von Wissen und der Selbstreflexion (z. B. der Predigt), weitete Möglichkeiten des Unterrichts und der Selbstbildung signifikant aus und verlieh Lernenden eine gewisse Unabhängigkeit von den Lehrenden.“ (Meilhammer 2010a: 126)

Die Bildungsangebote im 18. Jh. bezogen sich nicht nur auf Kinder (zu nennen ist an dieser Stelle insb. die Einführung der allg.en Schulpflicht), sondern auch auf die Bildung und Aufklärung der erwachsenen Bevölkerung. Die sich etablierenden Formen der Volksbildung bzw. E. sind dabei nach wie vor eingelagert in eine ständisch differenzierte Gesellschaft (Stand). Innerhalb des städtischen Bürgertums (Bürger, Bürgertum) entwickelte sich eine sog.e Gesellige Bürgerbildung, die sich v. a. um die Lektüre und Reflexion von Büchern und Zeitschriften rankte. Entspr. bedeutsam waren hier die Institutionen der Lesegesellschaften, Leihbibliotheken und Salons als Orte der Aneignung von und Auseinandersetzung mit den neuen Strömungen der Zeit.

Im „Zeitalter der Aufklärung“ wurde im Bildungsbürgertum nicht nur allg. über die gesellschaftliche Bedeutung von Bildung diskutiert, sondern es entwickelte sich auch ein verstärktes Nachdenken über Vermittlungs- und Aneignungsprozesse im Erwachsenenalter. Didaktisch-methodische Fragen finden sich insb. im Rahmen der sog.en Volksaufklärung. Vor dem Hintergrund der Einsicht, dass im Alltag der Landbevölkerung vielfältige Verhaltensweisen zu finden sind, die nicht (mehr) dem Stand der damaligen Wissenschaft entsprachen, bemühten sich die Pädagogen (Pädagogik) im Zeitalter der Aufklärung – wie etwa Zacharias Becker in seinem „Noth- und Hülfsbüchlein für Bauersleute“ – darum, die Informationen über bessere landwirtschaftliche Anbaumethoden (Land- und Forstwirtschaft) und ökonomisches Haushalten, Hygienemaßnahmen, Erziehung etc. in anschaulicher und adressatengerechter Weise zu vermitteln.

Die vielfältigen Bemühungen zur Förderung der Bildungsmöglichkeiten für Erwachsene weiteten sich durch die Gewährung zunehmender Vereinsfreiheit, u. a. bedingt durch die Novellierung des ALR von 1848, weiter aus. Denn durch die Vereine wurden neue Räume in Form von Gesellschaftshäusern und Vereinslokalitäten geschaffen, die öffentliche Kommunikation und öffentliches Handeln jenseits von Staat und Kirche ermöglichten. Vereine übernahmen damit die Rolle einer Art Wissensagentur, indem hier Wissen ausgetauscht, angeeignet und vermittelt werden konnte. Viele der Vereinsgründungen verfolgten explizit Bildungszwecke und intendierten einen Beitrag zur Verbreitung bzw. Popularisierung wissenschaftlicher und nützlicher Kenntnisse.

Neben diesen Angeboten zur Selbstbildung Erwachsener wurden im 19. Jh. auch Abend- und Fortbildungsschulen gegründet, die sich – neben den Handwerker- und Arbeiterbildungsvereinen – um eine Vermittlung fehlender allg.er Qualifikationen (Lesen und Schreiben etc.) sowie um den Erwerb spezieller beruflicher Fertigkeiten bemühten und darüber hinaus auch als mögliche Orte der Reflexion individueller Lebensführung wie auch politischer Fragen angesehen werden können.

Im Zuge der Etablierung und zunehmenden Ausweitung institutionalisierter Bildungsangebote im 19. Jh. veränderten sich nicht nur die quantitativen Möglichkeiten des Lernens, sondern auch die Formen des Lernens. Denn zunehmend fand Lernen nun auch außerhalb des konkreten Lebensvollzugs in einer davon abgetrennten Lernsituation statt. Dies impliziert das Vorhandensein eines Lehrenden, der sich durch einen Wissens- oder Kompetenzvorsprung auszeichnet und dem Adressaten durch anschauliche Vorträge und praktische Beispiele zur Aneignung neuer Informationen und Fertigkeiten verhelfen will. V. a. die Nachfrage der Vereine, die im 19. Jh. u. a. „populäre wissenschaftliche Vorträge“ für eine breitere Öffentlichkeit abhielten, führte zu einem neuen Beruf: Sog.e Wanderlehrer – die als Vorläufer der freiberuflich tätigen Erwachsenenbildner gelten können – trugen gegen Honorar in verschiedenen Städten zu unterschiedlichen Themen vor und vermittelten ihren Zuhörern z. B. Wissen und Kenntnisse über naturwissenschaftliche oder technische Phänomene.

Neben dieser ersten Form der Professionalisierung im Feld der E. fand mit der 1871 gegründeten Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung sowie anderen regionalen Volksbildungsverbänden auch eine zunehmende Vernetzung und Unterstützung der verschiedenen Bildungsvereine statt.

Die Wende zum 20. Jh. ist ideengeschichtlich durch den sog.en Richtungsstreit geprägt. Im Rahmen der „Neuen Richtung“ in der Volksbildung wurden die Stimmen lauter, die sich gegen ein Verständnis von E. als Popularisierung von Wissenschaft bzw. „Weitergabe von Kenntnissen“ (Leitsätze der Reichschulkonferenz über Volkshochschule und Freies Volksbildungswesen 1920: 138) richteten. Stattdessen wird die „geistige Selbsttätigkeit“ sowie die Entwicklung individueller Weltanschauung und Lebensanschauung propagiert. Dies erforderte aber neue Formen individualisierender Bildungsarbeit und der „intensiven“ pädagogischen Unterstützung individueller Lern- und Bildungsprozesse der Teilnehmer. Konzeptionell wurde dies festgemacht an der Arbeitsgemeinschaft in den neugegründeten Volkshochschulen (Volkshochschule): „In der Volkshochschule wird nicht von einem Katheder aus einem Publikum Belehrung erteilt, dessen Mitarbeit durch Prüfungen gesichert ist. Vielmehr findet auf dem Wege geistigen Austauschs eine Erziehung zu selbständiger Denkarbeit und eigenem geistigen Erleben statt“ (Picht 1920: 2).

Empirisch ist die Jahrhundertwende nicht nur durch die Ausweitung des Nachdenkens über E. geprägt, sondern auch durch eine Vervielfältigung der institutionellen Angebote, die erst mit der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ (Nationalsozialismus) in ihrer Vielfältigkeit wieder beschränkt und ideologisch (Ideologie) funktionalisiert wurden. In der Zeit von 1933–1945 wurden die E.s-Institutionen in weiten Teilen gleichgeschaltet und für die Zwecke des NS-Systems in Beschlag genommen. Nicht regimekonforme Erwachsenenbildner wurden entlassen; etliche, v. a. jüdische Erwachsenenbildner, verließen Deutschland und leisteten aus dem Exil heraus intellektuellen Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime. Diese ambivalente Situation der E. während der Zeit des NS bringt Josef Olbrich in der Formel „zwischen Anpassung und Widerstand“ (Olbrich 2001: 221) auf den Punkt.

Das Ende des Zweiten Weltkriegs markiert dann einen Neubeginn auch für die E.: Vor dem Hintergrund der Etablierung zweier unterschiedlicher Bildungssysteme entwickelte sich die E. in der BRD und der DDR weitgehend unabhängig voneinander. Anknüpfend an die Traditionen der Weimarer Zeit wurden in der BRD Volkshochschulen, aber auch gewerkschaftliche, kirchliche und von Parteien getragene Institutionen (neu) gegründet – so sollte E. einen Beitrag zur Re-Education und Re-Orientierung der deutschen Bevölkerung leisten.

Im Zuge der Diskussion um eine notwendige Bildungsexpansion erfuhr die E. einen enormen Bedeutungsanstieg und etablierte sich zusehends als vierter Sektor des Bildungswesens. Ein bes.r Anteil daran, dass sich die E. in dieser Zeit „zum am stärksten expandierenden Bildungssektor in Deutschland entwickelt hat“ (Meilhammer 2010b: 130), wird einerseits dem Gutachten des Deutschen Ausschusses für das Bildungs- und Erziehungswesen „Zur Situation und Aufgabe der deutschen Erwachsenenbildung“ (1960) und andererseits dem „Strukturplan für das Bildungswesen“ des Deutschen Bildungsrates (1970) zugeschrieben. Das Gutachten von 1960 platzierte die E. als einen wichtigen Sektor im Bildungswesen und betonte ihren Beitrag zur Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft (Demokratie). Der Strukturplan wiederum etablierte die Vorstellung eines alle Bereiche umfassenden Bildungssystems und lenkte den Blick auf die Weiterbildung der erwachsenen Bevölkerung – verstanden als „Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Ausbildungsphase. […] Das Ende der ersten Bildungsphase und damit der Beginn möglicher Weiterbildung ist in der Regel durch den Eintritt in die volle Erwerbstätigkeit gekennzeichnet“ (Deutscher Bildungsrat 1970: 197). Damit rückte auch der Erwerb von für den Beruf erforderlichen Qualifikationen stärker ins Zentrum. Die Verschiebung der Begrifflichkeiten von der E. zur Weiterbildung wurde im öffentlichen Diskurs immer wieder als Ausdruck der Spannung zwischen einer an emanzipatorischen Ideen (Emanzipation) festhaltenden E. und einer an konkreten Qualifizierungsnotwendigkeiten orientierten Weiterbildung interpretiert. Dabei kommt der E. nicht nur eine Bedeutung als allg.e Weiterbildung und berufliche Fortbildung zu, sondern zunehmend auch als Form der pädagogischen Bearbeitung jeweils aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen (z. B. politischer Extremismus, Arbeitslosigkeit, demographischer Wandel, Migration).

Mit der Hinwendung zum Konzept des Lebenslangen Lernens werden die vielfältigen Angebote der allg.en, beruflichen und politischen E. als Beitrag zur lebenslangen Kompetenzentwicklung interpretiert. Darüber hinaus wandte sich der Blick der wissenschaftlichen E. von den Bildungsanbietern hin zu den Lernenden. Aus der Perspektive der Subjekte (Subjekt) findet Lernen nicht nur in Bildungseinrichtungen, sondern auch an vielfältigen anderen Orten statt. Lebenslanges Lernen verlässt gleichsam die Bildungsinstitutionen. Neben pädagogisch arrangierten und zertifizierbaren formalen Bildungsprozessen kommen auch andere Lernorte und -formen – etwa das Lernen im Prozess der Arbeit oder das Lernen im sozialen Umfeld – (erneut) in den Blick.

Zu Beginn des 21. Jh. werden damit die verschiedenen Dimensionen des Begriffs E. erneut deutlich: die Rede von der E. bezieht sich sowohl auf das individuelle Lernen und die Bildung Erwachsener als auch auf die institutionellen Bildungsangebote sowie auf die gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskurse zum Lernen und zur Bildung Erwachsener.

3. Systematische Aspekte

3.1 Institutionen und Institutionalisierungsformen

E. weist auf der einen Seite ein hohes Maß an Pluralität und Dynamik auf, ist damit – auf der anderen Seite – aber auch als unübersichtlich und diffus zu kennzeichnen. Dies lässt sich aus der bes.n Form der Institutionalisierung dieses Bildungsbereichs erklären. Denn im Unterschied zur Schule vollzog sich die Institutionalisierung der E. weitgehend außerhalb des staatlichen Bildungssystems. Vielmehr stellt der Verein die zentrale Institution der E. seit dem 19. Jh. dar. Zugl. etablierte sich auf dieser Basis ein vielfältiges und heterogenes Vereinswesen, welches unterschiedliche Themen behandelte, heterogene Bildungsziele verfolgte und unterschiedliche Adressaten im Blick hatte. Trotz zunehmender Vernetzung der verschiedenen Bildungsvereine – etwa in Form der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung (1871) – und der Anerkennung der Weiterbildung als quartärem Bereich des Erziehungs- und Bildungswesens seit den 1970er Jahren ist festzuhalten, dass die E. im Vergleich zu anderen Bildungsbereichen einen wesentlich geringeren Institutionalisierungsgrad aufweist.

Das Feld der E. ist geprägt von einer Vielzahl an unterschiedlichen und gleichzeitig gültigen Gesetzen und Regelungen. Zu den wichtigsten gehören die Weiterbildungsgesetze der Länder. Sie enthalten strukturpolitische Aussagen zur Weiterbildung und definieren die Bedingungen für die finanzielle Unterstützung ihrer Institutionen. Darüber hinaus wirken auch das BBiG, das sog.e AFG (SGB III), welches dem Entstehen von Arbeitslosigkeit entgegenarbeiten soll, sowie verschiedene gesetzliche Regelungen zu Bildungsurlaub bzw. Freistellungen für Weiterbildungen – um nur die wichtigsten zu nennen – auf die institutionelle Ausgestaltung der E. ein. Durch diese Gesetze und Regelungen wird nicht nur die Finanzierung der Bildungseinrichtungen, sondern insb. auch die Finanzierung der Teilnahme an Weiterbildung geregelt. Die damit verbundenen Fördermöglichkeiten führen allerdings auch dazu, dass die Freiwilligkeit der Teilnahme – als eine klassische Leitidee der E. – nicht für alle Institutionen der E. bzw. für alle Teilnehmenden realisierbar ist.

Seit Ende der 1980er Jahre lässt sich eine rasante Zunahme und eine wachsende Differenzierung von Weiterbildungsanbietern feststellen. Nicht nur öffentliche Einrichtungen wie Volkshochschulen oder berufliche Bildungsträger bieten Weiterbildungsangebote an, sondern auch etliche andere Institutionen – seien dies Reiseveranstalter, Kultureinrichtungen oder Sportvereine. Diese Veränderung wird im erziehungswissenschaftlichen Diskurs auch als Entgrenzung des Pädagogischen beschrieben. Damit ist darauf hingewiesen, dass Lernen und Bildung nicht mehr allein in expliziten Bildungseinrichtungen stattfindet, sondern auch an Lernorten, die neben der pädagogischen Absicht auch oder primär kulturelle, ökonomische, soziale oder unterhaltende Ziele verfolgen: „Das Spektrum reicht von der betrieblichen Weiterbildung über kommerzielle Anbieter, die Einrichtungen der Arbeitgeber, der Gewerkschaften, der Kirchen und Parteien, die Volkshochschulen und Fachschulen bis zur Weiterbildung an Berufsschulen und Hochschulen“ (Faulstich 2010: 153). Darüber hinaus sind auch Museen (Museum), Gedenkstätten oder auch mediale Bildungsangebote und Vereine als Orte des Lernens Erwachsener anzusehen.

Systematisch lassen sich dabei vier Weiterbildungsstrukturen unterscheiden: Zum einen die öffentlich subventionierten Träger wie die Volkshochschulen (Volkshochschule) und die E.s-Werke der Kirchen (Kirchliche Bildungsarbeit), der Gewerkschaften und der Parteien. Eine zweite Weiterbildungsstruktur ergibt sich durch die neuen Angebote der Arbeitgeberverbände, der Kammern (Berufskammern, Industrie- und Handelskammern), der Handwerksorganisationen und der Betriebe (Betrieb). Darüber hinaus bilden Vereine, Selbsthilfegruppen und Bürgerbewegungen eine dritte Weiterbildungsstruktur. Die vierte Weiterbildungsstruktur setzt sich zusammen aus den kommerziellen Anbietern und privaten Bildungsunternehmen, die sich zunehmend in kleinen ökonomischen Einheiten etablieren. Schließlich sind die Fachhochschulen und Universitäten (Hochschulen) zu nennen, die ihre Angebote zur wissenschaftlichen Weiterbildung zunehmend ausbauen.

Im Unterschied zu den anderen Bildungsbereichen kann die E. dabei als weitgehend autonom bezeichnet werden – dies betrifft ihre Inhalte, ihre Organisation, die Finanzierung, aber auch die Auswahl der Mitarbeiter. Während diese weitgehende Freiheit der E. von umfassenden Regularien und Vorschriften auf der einen Seite durchaus als positiv gekennzeichnet werden kann, offenbart diese „Sonderstellung“ der E. im Bildungswesen jedoch auch ihre Diffusität und Ambivalenz: Die uneinheitliche rechtliche Absicherung, die unsichere Finanzierung und der weitgehend unbestimmte Zugang zum professionellen Tätigkeitsfeld erschweren eine Systematisierung dieses Bildungsbereichs.

3.2 Formen des Lernens und der Bildung

E. findet in vielfältiger Weise statt. Lernen kann durch Institutionen verantwortet sein – oder eingebettet in die alltägliche Lebenswelt (der Familie, der Arbeit, der Freizeit etc.). Im internationalen Diskurs hat sich hierfür die Unterscheidung zwischen formalem und informellem Lernen etabliert. Das in Bildungsinstitutionen eingelagerte Lernen zeichnet sich durch eine pädagogisch begründete Auswahl an Inhalten und Methoden aus und kann durch ein Zertifikat beglaubigt werden. Hierbei wird die Intentionalität des Lernens vorausgesetzt. Demgegenüber gilt für das Lernen außerhalb von Bildungseinrichtungen, bei dem differenziert wird zwischen bewusstem, selbstgesteuertem und zielgerichtetem Lernen – wie es bspw. durch die Lektüre von Fachbüchern oder die Bearbeitung neuer beruflicher Tätigkeiten oder eines Online-Tutorials stattfinden kann – und nicht-intentionalem Lernen, das en passant, etwa im Kontext einer Reise oder durch ehrenamtliches Engagement (Freiwilligenarbeit) geschehen kann.

Für die pädagogisch professionelle Gestaltung von Lernumgebungen ergeben sich vielfältige Herausforderungen. In Bildungsinstitutionen geht es zum einen darum, ein Kurs- und Seminarprogramm zusammenzustellen, das sich an den Bedarfen und Interessen (Interesse) der – z. T. sehr heterogenen und im Vorfeld meist unbekannten – Adressaten orientiert. Didaktisch und methodisch gilt es darüber hinaus personale oder mediale Lernumgebungen so zu konzipieren, dass die didaktischen Prinzipien der Biographie-, Erfahrungs- und Problemorientierung in angemessener Weise mit der Tätigkeits- und Reflexionsorientierung und nicht zuletzt mit der Wissen(schaft)sorientierung verbunden werden und den Lernenden damit Möglichkeiten der aktiven Aneignung und Auseinandersetzung mit neuem Wissen bzw. neuen Fertigkeiten ermöglicht.

Außerhalb von expliziten E.s-Einrichtungen wird die Gestaltung von Lernmöglichkeiten erst langsam als pädagogische Aufgabe (Pädagogik) anerkannt. Insb. die Ausbreitung digitaler Medien hat aber das Bewusstsein für die Existenz neuer Lehr-Lern-Formate geschärft und eine eigene (Medien-)Didaktik (Medienpädagogik) und Medienforschung hervorgebracht. Darüber hinaus wird zunehmend auch das Lernen im Kontext von Organisationen als pädagogische Aufgabe angesehen.

4. Professionelles Handeln im Feld der Erwachsenenbildung

So vielfältig die Orte der Bildung Erwachsener sind, so heterogen ist auch das Arbeitsfeld der pädagogisch Handelnden in diesem Feld. Dies manifestiert sich in der Existenz verschiedener Berufsrollen: der Berufsrolle des hauptberuflichen Leiters einer Bildungseinrichtung, der Berufsrolle des hauptberuflich tätigen pädagogischen Mitarbeiters mit disponierendem und/oder planendem Aufgabenprofil, der Berufsrolle des hauptberuflich tätigen Lehrenden sowie der Berufsrolle des ehrenamtlich oder nebenberuflich tätigen Erwachsenenbildners.

Bislang hat sich allerdings keine Profession „Erwachsenenbildner“ ausgebildet. Dies zeigt sich insb. darin, dass die Zahl der nebenberuflich in der E. Tätigen die Zahl der Hauptamtlichen bei Weitem übersteigt. Auch ist der Berufszugang nicht an den Erwerb eines bestimmten Studiums bzw. Zertifikats gebunden – so haben bspw. viele freiberufliche Erwachsenenbildner keine pädagogische Ausbildung durchlaufen, sondern fungieren in erster Linie als Experten ihres Feldes. Dennoch lassen sich das Unterrichten, das Beraten und das Organisieren als erwachsenenpädagogische Kernaktivitäten festhalten. Neben der Lehre und Beratung kommt außerdem der Bedarfsanalyse und Programmplanung, Projekt- und Konzeptentwicklung sowie der Qualitätssicherung und Vernetzung im kommunalen Umfeld eine zunehmende Bedeutung zu.

5. Ausblick und Perspektiven

Die aktuelle Situation der E. ist nicht nur durch eine Vervielfältigung der Formen und Orte des Lernens und einer – insb. vor dem Hintergrund des sozialen und demographischen Wandels sowie zunehmender Globalisierungsprozesse (Globalisierung) begründeten – programmatischen Betonung der Relevanz und Notwendigkeit von Lernen und Bildung im Erwachsenenalter gekennzeichnet. Vor diesem Hintergrund ließen sich sehr unterschiedliche Herausforderungen an und Perspektiven für die künftige Entwicklung der E. formulieren. Zwei Aspekte wollen wir an dieser Stelle herausgreifen, die uns bes. relevant erscheinen:

Zum einen hat die Hinwendung zum bildungspolitischen Programm des Lebenslangen Lernens nicht nur zu einer zeitlichen Ausweitung von Bildung und Erziehung auf das gesamte Leben (Kinder, Jugendliche und Erwachsene im mittleren und höheren Alter) geführt, sondern auch eine neue Perspektive auf das Lernen im Lebensverlauf mit sich gebracht. Lernprozesse gilt es stärker in ihrer Einbettung in den Zusammenhang des Lebenslaufs und der Biographie zu betrachten. Es wird etwa gefragt, wie sich Lerninteressen und Lernformen im Lebensverlauf ändern und welche Auswirkungen einzelne Lern- und Bildungsaktivitäten auf das weitere Leben und Lernen haben. Eine professionelle Unterstützung von lebenslangen Bildungsprozessen hat sich daher nicht nur an den beruflichen oder gesellschaftlichen Bedarfen zu orientieren, sondern sehr viel stärker der individuellen Kompetenzentwicklung zu dienen. Aber auch die pädagogischen Institutionen stellt die Lebenslaufperspektive vor neue Herausforderungen. Eine davon ist mit dem Begriff des Übergangs markiert: Welche Probleme stellen sich beim Übergang von einer Bildungseinrichtung in eine andere? Wie können bzw. sollen Übergänge institutionell und pädagogisch-professionell begleitet werden?

Zum anderen ist deutlich geworden, dass die empirische Realisierung des Lernens und der Bildung Erwachsener sozial sehr unterschiedlich verteilt ist. So konnten vielfältige Studien zeigen, dass diejenigen, die bereits über höhere Bildung verfügen, auch mehr an formaler wie auch informeller Bildung teilhaben – und umgekehrt die vorhandenen Bildungsangebote von den sog.en bildungsferneren Gruppen kaum genutzt werden. Vor diesem Hintergrund mehren sich die Bemühungen um eine Entwicklung neuer Lernformate, die einen besseren Zugang für bildungsferne Gruppen zu den Bildungsinstitutionen ermöglichen. Hierzu gehören etwa Konzepte, die unter dem Stichwort der Sozialraumorientierung eine Verbindung zwischen Bildungsangebot und sozialem Treffpunkt, zwischen pädagogischer Arbeit und individueller Unterstützung, bspw. durch Beratungsangebote, herstellen. Die traditionellen Unterscheidungen zwischen Lernen und Arbeiten (Arbeit), zwischen Lernen und Leben lösen sich damit zunehmend auf.