Empfängnisverhütung

1. Hintergrund

Den theologischen Hintergrund der kirchenamtlichen Stellungnahmen zur E. bildet das spezifisch ethische Verständnis von Sexualität: Diese soll Ausdruck der hingebenden und vorbehaltlosen, treuen und lebenslangen Liebe zu einer Person des anderen Geschlechts sein, und zwar schon als naturhaftes Verlangen in jedem Menschen (gemäß der Goldenen Regel und als Antwort auf die innere Stimme des Gewissens [ Gewissen, Gewissensfreiheit ]), sodann als Antwort auf die übernatürliche Offenbarung der Liebe Gottes in Jesus Christus, wie sie in der Auslegung des kirchlichen Lehramtes erschlossen wird. Liebe wird verstanden als das unbedingte und unwiderrufliche Ja zur anderen Person, das deren unbedingte Notwendigkeit anerkennt und bejaht. Sexualität soll in exklusiver Weise diese unbedingte Notwendigkeit einer anderen Person leibhaft zum Ausdruck bringen und zugleich offen sein für die Zeugung von Kindern und deren vorbehaltlose Bejahung. Daher unterstreicht das kirchliche Lehramt den engen Zusammenhang von sexueller Vereinigung der Eheleute und Offenheit für Nachkommenschaft als Ausdruck der gewollten Überwindung jedes egoistischen Strebens. Diesen Willen zu einer ehelichen Liebe in hingebender Selbstlosigkeit nennt das Zweite Vatikanische Konzil „viel mehr als bloß eine erotische Anziehung, die egoistisch gewollt, nur zu schnell wieder erbärmlich vergeht. Diese Liebe wird durch den eigentlichen Vollzug der Ehe in besonderer Weise ausgedrückt und verwirklicht. Jene Akte also, durch die die Eheleute innigst und lauter eins werden, sind von sittlicher Würde; sie bringen, wenn sie human vollzogen werden, jenes gegenseitige Übereignetsein zum Ausdruck und vertiefen es, durch das sich die Gatten gegenseitig in Freude und Dankbarkeit reich machen“ (GS 49).

Diese Haltung kann auch als bewusst gewählte und beständige Keuschheit (von lateinisch conscius = bewusst; entsprechend zu lateinisch castitas = das castrum, die innere Burg des Schutzes der überaus kostbaren Würde der Person) bezeichnet werden; um sie geht es letztlich in der katholischen Lehre zur E.: Die Tugend der Keuschheit und die daraufhin geordnete Beherrschung des Sexualtriebes durch periodische Enthaltsamkeit sind die adäquate Grundlage für „eine Bewahrung der personalen Integrität menschlicher Sexualität und für eine ständige Vertiefung und Bestärkung der ehelichen Liebe als prokreativ verantwortliche und damit menschliche Liebe“ (Rhonheimer 1987: 121).

2. Entwicklung

Die Ablehnung der E. in der Theologiegeschichte verdankt sich zunächst, bis zur Entdeckung der weiblichen Eizelle 1832 durch Karl Ernst von Baer, einer Gleichsetzung von E. und Tötung der Leibesfrucht, da man von der Existenz des homunculus im männlichen Sperma ausging. In dieser Hinsicht argumentiert auch Thomas von Aquin gegen die E., als Handlung contra naturam, obschon er nicht einfach biologistisch denkt, sondern die menschliche Natur als Vernunftnatur begreift (STh I-II, q. 51, a. 1). Im Hintergrund stand auch der seit Augustinus als primärer Ehezweck genannte Wille zur Nachkommenschaft, noch vor Treue und sakramentalem Bund; diese Sichtweise wird von T. von Aquin und der nachfolgenden Tradition übernommen. Erst Papst Pius XI. mit der Enzyklika „Casti connunbii“ 1930, in Reaktion auf die anglikanische Lambeth-Konferenz, auf der grundsätzlich aus anglikanischer Sicht die E. bejaht wurde, toleriert die Zeitwahl, weil hierbei nicht in den ehelichen Akt selbst eingegriffen wird. Abgelehnt wird weiterhin ein aktives sterilisierendes Eingreifen in den biologisch zeugungsfähigen Sexualakt als Verstoß gegen das Eheziel der Nachkommenschaft; die Begründung lautet schlicht, dass ein solches Vorgehen contra naturam sei (DH 3716). Erst Paul VI. mit der Enzyklika „Humanae vitae“, die nach der Vertagung einer Entscheidung zur E. auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1968 veröffentlicht wurde, erweitert die Begründung der Ablehnung einer künstlichen E. (im Unterschied zur natürlichen E. mit Berücksichtigung der Zeit biologischer Fruchtbarkeit). Eine ganzheitliche Sicht von Mensch und Sexualität setzt an die Stelle einer naturalistischen Begründung zunehmend eine personalistische; sexuelle Hingabe und Bereitschaft zur Nachkommenschaft (sofern biologisch möglich) sollen eine grundsätzliche Einheit bilden, um jeder egoistischen Verzwecklichung der anderen Person (in der sexualethischen Tradition [ Sexualethik ] zuweilen als „Ehe-Onanismus“ bezeichnet) zu wehren: „Seiner innersten Struktur nach befähigt der eheliche Akt, indem er den Gatten und die Gattin aufs Engste miteinander vereint, zugleich zur Zeugung neuen Lebens, entsprechend den Gesetzen, die in die Natur des Mannes und der Frau eingeschrieben sind. Wenn die beiden wesentlichen Gesichtspunkte der liebenden Vereinigung und der Fortpflanzung beachtet werden, behält der Verkehr in der Ehe voll und ganz den Sinngehalt gegenseitiger und wahrer Liebe und seine Hinordnung auf die erhabene Aufgabe der Elternschaft, zu der der Mensch berufen ist“ (Enzyklika „Humanae vitae“, Nr. 12). Die biologische Natur wird mitsamt ihren Gesetzen als Schöpfung Gottes verstanden und bildet den Referenzrahmen für die personale Norm. Genau dies begründet den moralischen Unterschied von natürlicher und künstlicher E. in der Sicht von „Humanae vitae“: „Tatsächlich handelt es sich um zwei ganz unterschiedliche Verhaltensweisen: bei der ersten machen die Eheleute von einer naturgegebenen Möglichkeit rechtmäßig Gebrauch; bei der anderen hingegen hindern sie den Zeugungsvorgang bei seinem natürlichen Ablauf“ (Nr. 16). Die moraltheologische Diskussion bewegt sich seitdem wesentlich um die Frage, ob aus biologischen Hinweisen strikte Normativität ableitbar sei. Johannes Paul II. mit seiner „Theologie des Leibes“ (2008) erweitert die Sicht nochmals personalistisch. Dies wird in seinem Apostolischen Schreiben „Familiaris consortio“ von 1981 deutlich: „Die Entscheidung für die natürlichen Rhythmen beinhaltet ein Annehmen der Zeiten der Person, der Frau, und damit auch ein Annehmen des Dialogs, der gegenseitigen Achtung, der gemeinsamen Verantwortung, der Selbstbeherrschung“ (Nr. 16). Das Argument beruht auf einer personalistischen Metaphysik: Der Akzent liegt auf einer wahrhaften Sprache des Leibes, deren sexuelle Hingabe ohne Vorbehalt geschieht, während (im Fall der künstlichen E.) ein innerer Vorbehalt gegenüber der Fruchtbarkeit besteht. Das kirchliche Lehramt hat an dieser Ablehnung jeder Form von künstlicher E., einschließlich der Verwendung von Kondomen zur Kontrazeption, festgehalten.

Freilich ist hinzuzufügen: Eine integrierte und geglückte Sexualität ist immer ein Zielgebot innerhalb der gemeinsamen Entwicklung von Mann und Frau in der ehelichen Partnerschaft, nicht unmittelbar ein more geometrico umsetzbares Erfüllungsgebot. Stets ist an ein pastorales Gesetz der Gradualität zu denken, wie dies „Humanae vitae“ im Schlussteil formuliert, ohne deshalb einer Gradualität des Gesetzes, also einer abgestuften Gültigkeit der Gesetzesforderung zuzustimmen; dies wird auch von Johannes Paul II. in der Enzyklika „Veritatis splendor“ 1993 unterstrichen.