Dumping

1. Begriff und klassisches Dumping

Unter D. versteht man eine Form der Preisdifferenzierung zwischen zwei Märkten (Markt), vorwiegend zwischen dem inländischen und dem Auslandsmarkt eines Anbieters, bei der ein Produkt trotz zusätzlicher Kosten für Transport und Zölle (Zoll) zu einem deutlich niedrigeren Preis als im angestammten Markt angeboten wird. D. setzt voraus, dass im Heimatland erhebliche Abweichungen von der freien Konkurrenz bestehen, weil sonst durch Reimporte die Preisdifferenzen wieder reduziert würden. Ökonomisch rational ist eine D.-Strategie, wenn es durch Niedrigpreisstrategie gelingt, die Konkurrenz im Exportland zu verdrängen bzw. den Aufbau von Konkurrenz zu verhindern, um langfristig eine marktbeherrschende Stellung einzunehmen. Die durch die Niedrigpreispolitik aufgetretenen Verluste können in Zukunft durch überdurchschnittlich hohe Gewinne refinanziert werden („räuberisches D.“). Es ist anerkannt, dass gegen diese Form des D.s Gegenmaßnahmen legitim sind. Sie hat in der Gegenwart nur eine geringe empirische Relevanz, weil das Erringen einer dauerhaften monopolartigen Marktstellung angesichts des intensiven Wettbewerbs in der globalisierten Wirtschaft (Globalisierung) unwahrscheinlich ist. Auch sind Transportkosten und Zölle stark gesunken, so dass die Verhinderung von Reimporten erschwert wird. „Räuberisches D.“ ist v. a. denkbar, wenn es durch die staatliche Wirtschaftspolitik im Sinne einer strategischen Handelspolitik unterstützt wird.

Andere Gründe für eine Preisdifferenzierung, die zunächst auf D. hindeuten, können sein, dass ein Anbieter erstmals in einen Markt eindringt und durch günstige Angebote (vorübergehende Verluste als Investition) Marktanteile gewinnen will. Außerdem könnten durch einen weiteren Absatzmarkt die Produktionskosten durch Kostendegression größerer Mengen sinken. Als D. wird auch angesehen, wenn im Heimat- wie im Exportmarkt unter den Herstellkosten angeboten wird. Dies kann aber in einer Absatzkrise rational sein, wenn zwar Verluste auftreten, zumindest aber ein Teil der fixen Kosten abgedeckt wird.

Neben D. durch privatwirtschaftliche Unternehmen kann der Wettbewerb auch durch staatliche Subventionen verfälscht werden, indem gezielt Produkte für den Export verbilligt werden. Dies wurde von der EU (und den USA) zur Veräußerung von Produktionsüberschüssen auf dem Weltagrarmarkt jahrzehntelang praktiziert.

Die in den GATT-Regeln (Art. VI.) von 1947 verankerten Anti-D.-Vorschriften gehen auf die USA zurück, die bereits 1916 in ihrem Handelsgesetz entsprechende Regelungen eingeführt hatten. 1994 wurde mit der Gründung der WTO ein spezielles Anti-D.-Abkommen geschlossen. Anti-D.-Zölle wurden bis dahin fast nur von Industrieländern (USA, EU) zum Schutz ihrer Industrie gegen aufkommende Schwellenländer verhängt, die nun wie Brasilien, China und Indien zunehmend zu solchen Schutzmaßnahmen greifen. Die in der EU für die Handelspolitik zuständige EU-Kommission (Europäische Kommission) leitet Anti-D.-Verfahren ein, die üblicherweise von Unternehmen bzw. Industrieverbänden beantragt werden, die sich durch die Auslandskonkurrenz bedroht sehen. Die Anzahl der Verfahren ist mit ca. 15 pro Jahr relativ gering und betrifft nur einen geringen Teil der Importe (0,3 %).

Bei festgestelltem D., bei dem zudem eine Schädigung der nationalen Industrie (deutlicher Verlust von Marktanteilen bzw. Arbeitsplätzen) nachzuweisen ist, können zum Ausgleich nach den WTO-Regeln Anti-D.-Zölle für fünf Jahre verhängt werden. Eine Verlängerung ist möglich. Die Ermittlung des „fairen Preises“, der die genaue Höhe der D.-Spanne bestimmt, ist komplex, weil nicht zwei Marktpreise miteinander verglichen werden, sondern unterschiedliche Steuersätze, Zölle, Transportkosten etc. berücksichtigt werden müssen. Die Höhe des Anti-D.-Zolls darf die festgestellte D.-Spanne nicht übertreffen. Die des D.s beschuldigten Unternehmen können sich durch eine ausreichende Preisanhebung der Einführung des Zolls entziehen. Gegen die Verhängung eines Anti-D.-Zolls kann auch das Streitschlichtungsverfahren der WTO angerufen werden.

Durch Anti-D.-Zölle treten Wohlfahrtsverluste für Konsumenten auf, da für sie die Konsumgüterpreise verteuert werden. Wenn Güter zur Weiterverarbeitung betroffen sind, werden zwar einheimische Produzenten (z. B. Stahlindustrie) geschützt, aber die Endprodukthersteller (z. B. Automobilindustrie) geschädigt. Ein Unterlaufen von Anti-D.-Zöllen ist betroffenen Unternehmen durch Verlagerung der Endfertigung in andere Länder möglich.

2. Andere Formen dumpingähnlicher Praktiken

Neben dieser in der Handelspolitik etablierten Bedeutung wird der D.-Begriff auch für andere Formen eines vermeidlich unfairen internationalen Wettbewerbs verwendet. Beim „Steuer-D.“ geht es darum, ob der Unternehmenssitz aus rein steuerlichen Gründen in ein bestimmtes Land verlagert wird, ohne dass in diesem eine nennenswerte Wertschöpfung stattfindet. Eine solche Strategie ist nur für kleinere Länder sinnvoll, weil durch den Verzicht auf eine angemessene Gewinnbesteuerung die Gewinnverlagerung aus anderen, ökonomisch weitaus bedeutsameren Ländern auch bei minimalen Steuersätzen einen großen Ertrag erbringen kann. Innerhalb der OECD gibt es Bestrebungen, unfaire Steuerpraktiken von Unternehmen und Staaten zu unterbinden und die Besteuerung dort durchzuführen, wo tatsächlich die Wertschöpfung erfolgt.

Beim „Wechselkurs-D.“ wird der Wechselkurs eines Landes künstlich zur Förderung der Exporte und Erzielung eines Exportüberschusses niedrig gehalten. Dies ist nur möglich, wenn eine Notenbank feste Wechselkurse gegenüber anderen Währungen festlegt und diese (z. B. über Kapitalverkehrskontrollen) absichern kann. Eine solche Unterbewertung kann zwar den Export fördern, verteuert aber die Importe, so dass die Kosten der Währungspolitik von den Nachfragern von Importgütern getragen werden müssen.

Unter „Sozial-D.“ wird verstanden, dass Importe wegen niedriger Arbeitskosten im Exportland bes. günstig sind. Es kann sich auf die Lohnhöhe, wie auf lange Arbeitszeiten, fehlenden Schutz vor Unfällen und Berufskrankheiten, fehlende Möglichkeiten von gewerkschaftlicher Organisation und Tarifverhandlungen sowie Kinder- oder Zwangsarbeit in der Exportindustrie beziehen. Es liegen dann Verletzungen von Abkommen der ILO, v. a. der Kernarbeitsnormen, vor. Von Entwicklungsländern wird darauf verwiesen, dass aufgrund technologischen Rückstandes und der niedrigen Arbeitsproduktivität (z. B. aufgrund fehlender Bildung) geringe Arbeitskosten ihren wichtigsten Wettbewerbsvorteil darstellen, der ihnen bei Gegenmaßnahmen der Industrieländer verloren gehen würde. Es gibt bisher keine wirksamen Instrumente, um einerseits gegen gravierende Verletzungen von Kernarbeitsnormen in Entwicklungs- und Schwellenländern vorzugehen, ohne andererseits einem Protektionismus der Industrieländer Vorschub zu leisten.

Analog wird unter „Umwelt-D.“ verstanden, dass Güter in einem Land günstig hergestellt und exportiert werden können, weil sie – im Gegensatz zu ihren Konkurrenten – im Importland keine hohen Umweltauflagen beachten müssen. Da klimaschädliche Gase weltweite Konsequenzen haben, wird in der Klimaschutzpolitik darüber debattiert, ob gegen Importe aus Ländern, die sich den international vereinbarten Klimaschutzzielen verweigern, Schutzzölle verhängt werden sollten.