Betreuung

  1. I. Betreuungsrecht
  2. II. Ethische Herausforderungen
  3. III. Pädagogische Perspektiven

I. Betreuungsrecht

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1. Einleitung

Der juristische Fachbegriff ist eine jüngere Erscheinung und umreißt einen Teil des Familienrechts, der früher als Vormundschaftsrecht über Erwachsene bezeichnet wurde. B. in diesem Sinn meint in erster Linie das Vertretungsrecht für solche Volljährige, die ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen können. 1992 wurde diese Materie grundlegend reformiert und erhielt den heutigen Namen. Sie ist am Ende des vierten Buches des BGB im Familienrecht (§§ 1896–1908) geregelt.

2. Geschichte

Die rechtliche Erwachsenenfürsorge ist schon immer ein Teil des Familienrechts gewesen, wurde allerdings im Mittelalter und der Frühen Neuzeit nur rudimentär geregelt. Damals war es Sache der Familie, zu entscheiden, ob eine betagte Person einen Vormund erhielt oder nicht. Abgestellt wurde in dieser frühen Zeit hinsichtlich der rechtlichen Handlungsfähigkeit v. a. auf die körperliche Rüstigkeit, später dann auf geistige Fähigkeiten. Ab dem späten Mittelalter wurden – dem römischen Recht entspr. – v. a. Wahnsinnige (furiosi) und Verschwender (prodigii) erfasst. In den Städten wurde in dieser Zeit die obrigkeitliche Kontrolle über die Vormünder verstärkt, und in der Frühen Neuzeit führte der Anspruch der Landesherren, das Leben ihrer Untertanen möglichst genau zu reglementieren, zu einer Reihe von die Vormundschaft betreffenden Verordnungen. Im Absolutismus verstärkte sich diese Tendenz noch, das Gericht selbst fungierte quasi als Obervormund, und im PrALR von 1794 war der Vormund staatlich Beauftragter. Im 19. Jh. kam die Materie zurück ins Zivilrecht, so schon im französischen Code civil von 1804, in der preußischen Vormundschaftsordnung von 1875 und im BGB von 1900. Letzteres wurde stark vom Rechtsinstitut der Entmündigung geprägt, das vorgesehen war bei Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Verschwendung und Trunksucht. Im 20. Jh. kam dann noch die Rauschgiftsucht als weiterer Entmündigungsgrund hinzu. Ein wesentliches Merkmal des damaligen Rechts war, dass eine Vernünftigkeitskontrolle durchgeführt wurde: Entmündigt wurde, wer die von der Gesellschaft für sinnvoll erachteten Entscheidungen nicht treffen konnte (oder wollte). Die Frage, ob eine vollständige Entmündigung wirklich notwendig und sinnvoll ist, wurde schon zur Entstehungszeit des BGB aufgeworfen, wobei die herrschende Auffassung dieses Ergebnis als naturgegeben voraussetzte.

An dieser Rechtslage änderte sich Jahrzehnte lang nichts. Erst in den 1970er Jahren wurde v. a. die rigorose Rechtsfolge – der völlige Verlust der Geschäftsfähigkeit – ohne Rücksicht auf eventuell noch verbliebene Fähigkeiten der Betroffenen kritisiert. In dieser Zeit erfolgte eine Neuorientierung sowohl von ärztlicher Seite als auch in der Politik. Die Reformansätze in der Psychiatrie und die Fortschritte in der Gerontologie führten schließlich dazu, dass ab den 1980er Jahren eine Reform in Angriff genommen wurde, die ins BtG von 1992 mündete.

3. Geltendes Recht

Seitdem sind die Entmündigung und mit ihr die Entmündigungsgründe abgeschafft. Für die Einrichtung einer B. kommt es allein darauf an, dass die betroffene Person aufgrund einer Krankheit oder Behinderung ihre Angelegenheiten zumindest z. T. nicht erledigen kann. Die Krankheit und ihre Auswirkungen müssen durch ein Sachverständigengutachten nachgewiesen werden, der Betroffene ist zu hören. Die Dominanz der vermögensrechtlichen Verantwortung des Vormunds wurde zugunsten der persönlichen Sorge verändert. Um dies auch sprachlich deutlich zu machen, ersetzte der Begriff der B. den der Vormundschaft. Da es sich aber eher um eine rechtliche Vertretung als eine soziale Fürsorge handelt, wurde die Materie nicht im Sozialgesetzbuch, sondern im BGB verankert. Je nach Erforderlichkeit kann die B. auch nur für eine einzige oder eine bestimmte Zahl von Angelegenheiten angeordnet werden. Vorrangig sind andere Hilfen, z. B. von Familienangehörigen oder Freunden, oder die Alternative, dass die betroffene Person eine (Vorsorge-)Vollmacht ausstellt. Diese macht eine B. überflüssig und wegen der Subsidiarität unzulässig, es sei denn, es bestehen Anhaltspunkte, dass die bevollmächtigte Person die Vollmacht missbraucht oder nicht in der Lage ist, zum Wohl des Betroffenen zu handeln. Überdies muss für eine B. ein konkreter B.s-Bedarf bestehen. Auch für kaum handlungsfähige Personen kommt eine B. nur in Betracht, wenn es Angelegenheiten gibt, die aktuell zu erledigen sind. Die B. ist schließlich nur zulässig, wenn ihr kein freier Wille des Betroffenen entgegensteht. Ob ein Betroffener zur freien Willensbildung in der Lage ist, hängt davon ab, wie stark sein Wille durch die anlassbedingte Krankheit beeinträchtigt ist, ob also eine autonome Willensbildung noch möglich ist. Eine Vernünftigkeitskontrolle ist nach aktuellem Recht dagegen nicht mehr zulässig. Den Betroffenen steht grundsätzlich das Recht zu, auch gesundheitsgefährdende Entscheidungen zu treffen.

Die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen wird durch die Anordnung einer B. nicht berührt, er kann also weiterhin Rechtsgeschäfte tätigen, es sei denn er wäre – unabhängig von der B. – natürlich geschäftsunfähig. Möglich ist allerdings die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts durch das Gericht, wenn aufgrund rechtsgeschäftlicher Handlungen des Betroffenen eine erheblich Gefahr für dessen Person oder Vermögen besteht. Die Wirkung eines solchen Einwilligungsvorbehalts besteht darin, dass der Betroffene einem beschränkt Geschäftsfähigen gleichgestellt wird. Er kann dann die meisten Rechtsgeschäfte nur mit Zustimmung seines Betreuers abschießen. Sein Wille soll in weitem Umfang vom Betreuer berücksichtigt werden.

Der Betreuer steht unter der Aufsicht des B.s-Gerichts und bedarf für eine Reihe von vermögens- oder personenrechtlichen Entscheidungen der Genehmigung des B.s-Gerichts. So kann er bestimmte medizinische Behandlungen, die schwerwiegende Folgen nach sich ziehen können, nur mit einer entspr.en Genehmigung vornehmen lassen. Dazu gehört auch die mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung, die schon immer große rechtliche und menschliche Probleme aufwarf. Aktuell ist v. a. die Frage brisant, inwieweit eine medizinische Zwangsbehandlung zulässig ist: Unter strengen Voraussetzungen hat eine gesetzliche Einfügung im Jahre 2013 die stationäre Zwangsbehandlung für zulässig erklärt, aber nach wie vor ungeregelt ist die Durchsetzung einer ambulanten medizinischen Maßnahme, die daher derzeit gegen den Willen des Betroffenen unzulässig ist. Auch die unterbringungsähnlichen Maßnahmen wie die Fixierung von Betroffenen im Bett oder ihre Ruhigstellung durch Medikamente werfen rechtspolitische, aber auch praxisrelevante Probleme auf.

Das B.s-Recht hat seit dem Inkrafttreten vier Reformen erlebt, deren wichtigste zum einen die Stärkung der Vorsorgevollmacht gewesen ist (2005), sowie die Aufnahme der lange diskutierten Patientenverfügung ins Gesetz (2009). Eine solche antizipierte schriftlich verfasste Verfügung muss sich auf eine konkrete medizinische Behandlung beziehen, die noch nicht unmittelbar bevorsteht und kann eine solche Behandlung verlangen oder aber, was häufiger ist, untersagen. Eine vorherige ärztliche Beratung hat der Gesetzgeber nicht vorschreiben wollen, obwohl sie sicher sinnvoll ist. Die Patientenverfügung ist bindend, wenn der Betroffene in der aktuellen Situation seinen Willen nicht mehr äußern kann und wenn nach übereinstimmender Meinung des Arztes und des Betreuers die schriftlich umschriebene Situation der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation entspricht. Sind sich Arzt und Betreuer einig, dass das Unterlassen weiterer ärztlicher Maßnahmen dem wirksam in der Verfügung festgelegten Willen des Betroffenen entspricht, bedarf der Abbruch der lebensverlängernden Maßnahme nicht der gerichtlichen Genehmigung. Die Patientenverfügung kann vom Betroffenen jederzeit (auch mündlich oder durch Gesten) widerrufen werden.

4. Fazit

Die größte Änderung des Rechtsgebiets liegt weniger in der Namensänderung als im Funktionswandel: Während beim Erlass des BGB v. a. an Geisteskranke und Verschwender gedacht wurde, sind es heute in erster Linie Menschen, die aufgrund von altersbedingten Schwächen nicht mehr in vollem Umfang für sich selbst sorgen können. Damit ist die Zahl der potentiell B.s-Bedürftigen enorm angestiegen (derzeit stehen über 1,3 Mio. Menschen unter B.). Da als Folge davon die Kosten entspr. explodiert sind, sucht die Politik auch immer wieder nach Wegen, die Zahl der B.en zu reduzieren.

II. Ethische Herausforderungen

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B. umfasst je nach Lebensphase der Betreuten ethisch unterschiedlich anspruchsvolle Aufgaben: Während sie in der ersten Lebensphase (Kindheit) vorrangig auf die (ersatzweise) Beaufsichtigung der Kinder abhebt, sind bei der (rechtlichen) B. Erwachsener stellvertretende Entscheidungen so zu treffen, dass sie das Wohl der betreuten Person schützen und fördern. Dabei haben sie möglichst deren früher geäußerten Willen oder heutigen Vorstellungen und Wünschen zu entsprechen. Das setzt detaillierte Kenntnis der Lebensgeschichte und -situation des Betreuten sowie eine stete Rücksprache mit ihm voraus, um Fehlentscheidungen zu vermeiden. Dieser normative Kern der B. Erwachsener ist in die entspr.e rechtliche Normierung eingegangen (vgl. § 1901 BGB), was seine ethische Bedeutung unterstreicht: B. ist Freiheitsassistenz; sie folgt der Spur selbstbestimmten Lebens, für das die betreute Person nicht (mehr) alleine ausreichend belastbare Entscheidungen treffen kann.

1. Ethische Legitimation

Die moralische Pflicht, schutz- und unterstützungsbedürftigen Personen(gruppen) von privater und bes. von staatlicher Seite Möglichkeiten der B. anzubieten, ist unbestritten. Das moralische Recht zur Ausübung von B. ist immer legitimationsbedürftig, weil jede B. zwangsläufig in die Lebensführung eines anderen Menschen eingreift. B. ist entweder assistentiell oder advokatorisch. Assistierende B. hilfsbedürftiger Personen (z. B. in der Pflege) kann sich grundsätzlich durch die ausdrückliche und freiwillige Zustimmung der Betreuten legitimiert sehen. Auch sie besitzt moralische Grenzen: Grundsätzlich darf sie weder die (noch verfügbaren) Fähigkeiten zur Selbstentscheidung und -gestaltung lähmen, noch dem Betreuten ohne Not die Sorge um sein eigenes Leben abnehmen, auch wenn dieser sich dadurch noch so zufrieden gestellt fühlt. Advokatorische B. kann sich bei ihren stellvertretenden Entscheidungen auf eine ausdrückliche und freiwillige Zustimmung nicht mehr rückbeziehen, weil die betreute Person in einer solchen Fallkonstellation dazu nicht (mehr) in der Lage ist. Bes. legitimationsbedürftig wird B. dort, wo sie gegen den erklärten Willen des Betreuten für dessen Wohl entscheidet und handelt. Hier berührt B. das Paternalismusproblem (Paternalismus): Paternalistische Entscheidungen können verstanden werden „as the intentional overriding of one person’s preferences or actions by another person, where the person who overrides justifies this action by appeal to the goal of benefiting or of preventing or mitigating harm to the person whose preferences or actions are overridden“ (Beauchamp/Childress 2009: 208). Ein weicher Paternalismus liegt vor, wenn der Betreuer gegen den erklärten Willen interveniert, um den Betreuten vor einer letztlich von ihm selbst nicht erfassten Konsequenz seiner Entscheidung zu schützen, etwa dann, wenn der Betreute Willensäußerungen in einem Zustand tätigt, in dem er etwa auf Grund einer schwerwiegenden Depression zu einer überlegten Entscheidung nicht fähig ist und seine aktuelle Willensbekundung eigentlich nicht freiwillig erfolgt. Ein harter Paternalismus unterstellt zwar eine wohlbedachte und damit substantiell freiwillige Entscheidung des Adressaten, übergeht ihn aber aus Gründen schwerwiegender Selbstgefährdungen (Beauchamp/Childress 2009: 208).

Paternalistische B.s-Entscheidungen sind legitim, wenn sie das beabsichtigen, „was wir für uns tun würden, wenn wir vernünftig wären“ (Rawls 1979: 281). Da über die Vernünftigkeit einer Lebensführung verschiedene Maßstäbe existieren, muss der paternalistisch Handelnde unterstellen, „nach Entwicklung oder Wiedergesundung würde der Betroffene unsere für ihn ergangene Entscheidung billigen und anerkennen, daß wir das Beste für ihn getan haben“ (Rawls 1979: 282). Damit diese Unterstellung nicht im Bereich bloßer Fiktion verbleibt oder einem verhängnisvollen Irrtum aufsitzt, muss jede advokatorische B. prinzipiell zum Ziel haben, dass der Betroffene in erreichbarer Zukunft die stellvertretende Entscheidung billigen oder missbilligen kann. Für die B. von Kindern und Jugendlichen bedeutet dies die Pflicht einer Erziehung zur Mündig- bzw. Selbständigkeit. Wenn angesichts einer schweren unumkehrbaren Erkrankung am Lebensende eine solche Zieloption unrealistisch ist, hat sich die advokatorische Entscheidung am mutmaßlichen Willen des Betreuten zu orientieren, der sich im Blick auf die zurückliegende Lebensgeschichte als Dokumentation seiner zentralen Lebensauffassung zu erkennen gibt („biographische Autonomie“). Zwar ist auch die Ermittlung des mutmaßlichen Willens nicht vor Irrtümern gefeit. Wenn sie aber vom Betreuer gemeinsam mit nahestehenden und Personen (Angehörige, Freunde usw.) erfolgt, dürfte sie am ehesten das treffen, was der Betreute für sich entscheiden würde, wenn er noch könnte.

2. Relevanz und Akzeptanz

Die gesellschaftliche Bedeutung der (gesetzlich bestellten) B. wird durch den demographischen Wandel (Demographie) erheblich zunehmen. Ihre Akzeptanz dürfte bes. von zwei Faktoren abhängen: Verlässlichkeit und Selbstbeschränkung. Älter werdende Menschen werden davon ausgehen können, dass ihnen im Bedarfsfall eine ausreichende und qualitativ hochwertige B. zur Verfügung steht. Nur so werden sie die Souveränität aufbringen können, ihr Lebensschicksal ohne Angst der Entscheidungsmacht Anderer anzuvertrauen und sich in sorgende Obhut zu begeben. Wie wichtig dies ist, zeigt die stetig wachsende Zahl von B.s-Verfügungen, mit der viele ältere Menschen Vorsorge treffen. Zu dieser Letztverlässlichkeit der B. gehört das Vertrauen in deren Selbstbeschränkung auf das unabweisbar Nötigste. Denn die Geborgenheit der B. wird zwar als ultima ratio einer zerbrechlichen Lebensführung von vielen gewünscht, zugl. aber als Quelle von Bevormundung und Willkür gefürchtet – bes. im Angesicht des nahenden Todes. Nur so ist die breite gesellschaftliche Zustimmung zur Neufassung des B.s-Rechtes verständlich, die die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen in einer Weise festschreibt, dass sie den Betreuer zum bloßen Vollzugsorgan einer früheren Verfügung des Betreuten degradiert. Diese Festlegung widerspricht der Grundlogik der rechtlichen B. Sie steigert die Gefahr einer negativen Selbstbindung dramatisch. Zudem lässt die hohe Fallzahl, für die Berufsbetreuer zuständig sind, kaum eine individuell personenorientierte Entscheidung zu. Hier liegt eine große Verantwortung bes. des Staates, seinen grundrechtlichen Gewährleistungsverpflichtungen (Art. 2 f. GG) nachzukommen.

III. Pädagogische Perspektiven

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1. Bildungstheoretischer Hintergrund

B. als pädagogischer Grundbegriff leitet sich aus der anthropologischen Tatsache (Anthropologie) der Erziehungsbedürftigkeit von Kindern ab und begründet von daher den pädagogischen Erziehungs-, Bildungs- und B.s-Auftrag der erwachsenen Generation gegenüber den Heranwachsenden. Neben der Familie als biologischer und sozialer Gruppe mit einer personalen Bindung an die Kinder nehmen auch Institutionen der Kindertages-B. ergänzend den Bildungs- und B.s-Anspruch wahr: Krippen (unter 3 Jahre), Tagesstätten für Kinder – Kitas (3–6 Jahre; Kindertagesstätte), Horte für Schulkinder (6–12), Sonderkindergärten, Tagesmütter und -väter, Kindertagespflege usw. In der modernen arbeitsteiligen Gesellschaft benötigen Familien Unterstützung durch Institutionen, um Kinder zu erziehen und zu fördern. Der Gesetzgeber formuliert im Sozialgesetzbuch (SGB VIII § 1) ein Recht der Kinder auf Pflege, Förderung von Entwicklung und Erziehung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit und Schutz.

Diese Rechte der Kinder (Kinderrechte) sollen durch Erziehung, Bildung und B. ab der frühesten Kindheit gewährleistet werden. B. bedeutet, dass sich Erzieher sowie Kindheitspädagogen (Kindheitspädagoge) professionell in einer Tagespflegeeinrichtung um ein Kind kümmern. Sie begleiten es in seinem Entwicklungs- und Bildungsprozess und geben ihm Geborgenheit. Der B.s-Begriff umfasst weiter die Begriffe Pflege, Schutz und Fürsorge, die Voraussetzungen für Bildung und Erziehung darstellen. Pflege bedeutet, Kindern emotionale Unterstützung, Liebe und Akzeptanz ihrer Fähigkeiten und Potentiale entgegenzubringen, ihre Bedürfnisse zu sichern und ihnen Geborgenheit zu vermitteln. Beschützen heißt, ein Kind in die Umwelt einzuführen und vor Schaden körperlicher und seelischer Art zu bewahren. Fürsorge meint die Verpflichtung, für das Wohl der Kinder Sorge zu tragen und ihre Interessen zu wahren.

Man muss zwischen den Begriffen Erziehung und Bildung trennen. Erziehung wird definiert als „Unabhängigwerden des Zöglings […] von seinen Erziehern“ und als „nicht-reziproke Interaktionen, in denen natürliche und professionelle Pädagogen auf Lernprozesse Heranwachsender in der Absicht einwirken, Bildungsprozesse in Gang zu setzen“ (Benner 2015: 482), die dann keiner edukativen Einwirkung mehr bedürfen. Erziehung in der Familie zeichnet sich aus durch die Liebe zu und die Akzeptanz der Kinder, sie macht die Abhängigen tendenziell unabhängig. (Familien-)Erziehung ist intentional und wert- sowie zielorientiert; sie geschieht aufgrund formulierter Ziele und setzt ein System von Handlungsstrategien und Regeln, denen gesellschaftliche Normen (Norm) zugrunde liegen. Die Beziehungen in der Familie sind reziprok, Kinder und Eltern beeinflussen einander und das Familiensystem besteht aus Gewohnheiten, Deutungsmustern, Traditionen (Tradition) und Perspektiven, die im günstigen Fall einen kohärenten Rahmen für Bildung herstellen, ein Mikrosystem, das gemeinsam mit professioneller Kinderbetreuung ein Mesosystem bilden kann. Das wichtigste Ziel ist die moralische Orientierung mit Bezug zu Werten und Regeln.

2. Bildung und Betreuung in Institutionen

Bildung ist der Schlüssel für die Zukunft jedes einzelnen Kindes und zugleich der bestimmende Faktor für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft. Die frühkindliche Bildung (Früherziehung) verläuft idealerweise ganzheitlich und greift Ergebnisse vieler wissenschaftlicher Disziplinen auf. Sie wird als aktiver, sinnlicher, kognitiver, ästhetischer, volitiver und sozialer Aneignungs- und Gestaltungsprozess von Welt definiert. Die Auseinandersetzung des Kindes mit der gegebenen räumlich-dinglichen und sozialen Umwelt geschieht in Interaktionen mit Menschen und Dingen. Bildung setzt also von Geburt an Angebote der Umwelt voraus, die durch Selbststeuerung des Kindes angeeignet werden und enthält sowohl kognitive, sinnlich-körperliche als auch soziale Erfahrungen, aus denen Bedeutungen konstruiert werden und sich Muster des erwartbaren Verhaltens der Umwelt der Eltern und Familie entwickeln. Das Subjekt wird als Konstrukteur seiner Wirklichkeit verstanden. Bildung ist zum einen Selbstbildung und selbstgesteuert, bedarf aber der Angebote an Sachwissen, damit Lernen und Erfahrung in Ko-Konstruktion mit den Eltern und Erziehern entstehen: Bildung „ist der Prozess der Entwicklung von Sach-, Selbst- und Sozialkompetenz, als Potenzialentwicklung der Einzelnen und der Familie als Ganzem“ (Macha 2011: 9).

Frühkindliche Bildung und B. umfassen viele Aspekte, die in der institutionellen B. durch die Fachkräfte beachtet und gefördert werden: Anregungen zur Exploration durch spielerisches Aneignen von Sachwissen im Tempo und zu den Themen der Kinder mit dem Ziel der Kompetenzentwicklung. Vielfältige sinnliche Wahrnehmungen und Erfahrungen dienen der Welterfahrung der Kindes. Es bilden sich Muster der Erinnerung und des Erwartbaren, die später durch Gestalten oder Sprache ins Bewusstsein gelangen und zum „Begreifen“ werden. Die Teilhabe der Kinder an der täglichen Gestaltung ist wichtig und die Beachtung von Situationen des Alltags und in der Natur. Der Abbau von sozialer Ungleichheit und die Förderung von Chancengleichheit (Chancengerechtigkeit, Chancengleichheit) bleibt eine wichtige Aufgabe institutioneller B.

Die 16 Bundesländer formulieren auf dieser Basis ihre Bildungsprogramme für die Kinder-B., z. B. das BayKiBiG von 2005 oder das Berliner Bildungsprogramm. Es besteht ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Drei- bis Sechsjährige (KiFöG). Die Orientierung an hoher pädagogischer Qualität von Kinder-B. wird betont. Inhaltliche Schwerpunkte sind z. B. die Bindung an Eltern und Erzieher als Voraussetzung für frühe Bildung: Im Unterschied zum leistungsorienten Schulsystem liegen im System der institutionellen B. von Kindern die pädagogischen Schwerpunkte auf sozialen Aktivitäten, auf der Kooperation zwischen Eltern, Erziehern und Kindheitspädagogen (Kindheitspädagoge), auf der langsamen Eingewöhnung der Kinder, auf der räumlichen Gestaltung, auf angemessener Bewegung, Gesundheit und auf gesunder Ernährung sowie auf kindlicher Salutogenese.