Anglikanische Kirche, Church of England

Die Anglikanische Kirche (A.K.; Church of England) ist die historisch auf die Anfänge der Christianisierung in Britannien zurückgehende Ortskirche des englischen Volkes, die sich selbst als katholisch und zugleich, durch die englische Reform des 16. Jh. geprägt, reformiert beschreibt. Sie hat das dreifache geistliche Amt von Bischof, Priester und Diakon in historischer Sukzession bewahrt, entwickelte dessen Form weiter und lässt Frauen zum Diakonen-, Priester- und inzwischen auch Bischofsamt zu. Infolge der kolonialen Ausbreitung Englands in der Neuzeit entstand auf allen Kontinenten eine Gemeinschaft von sich selbst verwaltenden, in Verbindung mit dem Bischofssitz von Canterbury stehenden Diözesen, Provinzen und regionalen Kirchen, die sich selbst als Kirchen der Anglikanischen Gemeinschaft (Anglican Communion) bezeichnen.

1. Geschichtliche Skizze

Nachdem das Christentum in England schon früh während der römischen Herrschaft Gestalt angenommen hatte, konnte es sich erst nach dem 6. Jh. durch das Wirken der iro-schottischen Mönche in England ausdehnen. Erster Erzbischof von Canterbury wurde 601 der von Papst Gregor I. entsandte Mönch Augustin. Französische Einflüsse kamen mit der normannischen Invasion Wilhelms I. im Jahr 1066 nach England. Während das Mittelalter durch Spannungen zwischen der Krone und der Kirche geprägt war, erhielten aufgrund der verweigerten Annullierung der Ehe Heinrichs VIII mit Katharina von Aragon reformatorische Ideen Einfluss in England, wurden aber nie offiziell übernommen. 1533/34 wurde die römische Jurisdiktion in England abgeschafft; Heinrich VIII. wurde Oberhaupt der A. K. in weltlichen Angelegenheiten. Ein eigenes Profil gewann die englische Reform durch das von Erzbischof Thomas Cranmer 1549 verfasste erste English Prayer Book; 1550 erschien ein reformiertes Ordinale, 1662 das endgültige Book of Common Prayer. Unter der Regentschaft Elisabeths I. wurden die 39 Articles of Religion in ihrer endgültigen Form im Jahr 1571 veröffentlicht. In der Mitte des 18. Jh. kam es zu einer bemerkenswerten innerkirchlichen Erneuerung durch nonkonformistische Gemeinschaften. 1833 setzte die Oxford-Bewegung (Tractarian Movement) eine katholische Erneuerung in Gang, deren Einfluss allerdings nach der Aufnahme John Henry Newmans in die römisch-katholische Kirche (1845) zurückging. 1867 kam es zur Einberufung der ersten Lambeth-Konferenz anglikanischer Bischöfe auf Weltebene. Die dritte Lambeth-Konferenz 1888 in Chicago bekräftigte das „Lambeth Quadrilateral“ mit vier Artikeln als Grundlage des anglikanischen Glaubens: die Heilige Schrift, die altkirchlichen Glaubensbekenntnisse, Taufe und Eucharistie und den historischen Episkopat. Es dient seitdem als Grundlage des Anglikanismus.

2. Zentrale Lehraussagen

Die Kirche von England versteht sich als „Teil der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche, die den einen wahren Gott, Vater, Sohn und Heiligen Geist, anbetet“. Seine Lehrautorität bezieht der Anglikanismus aus der Heiligen Schrift und den Glaubensbekenntnissen der Alten Kirche. Zu den „geschichtlichen Bekenntnisformeln“ der Kirche von England zählen die 39 Artikel des Glaubens (Articles of Religion), das Book of Common Prayer und die Ordnung für die Weihe von Bischöfen, Priestern und Diakonen. Das historische Ordinale (1550, 1662) für Bischöfe, Priester und Diakone ist in der Praxis durch das Common Worship Ordinale (2000) abgelöst worden. Eine weitere Quelle der anglikanischen Lehre ist das kanonische Recht. Zur Zerreißprobe für die anglikanische Gemeinschaft sind in den letzten Jahren die Ordination von Frauen zu Bischöfen (Bischof) und der Umgang mit homosexuell eingestellten Priestern und Bischöfen geworden.

3. Die Struktur der Kirche von England/Anglikanischen Gemeinschaft

Die Kirche von England besteht aus 41 Diözesen in Großbritannien, die in zwei Provinzen aufgeteilt sind, Canterbury und York. Dazu kommt die Diözese in Europa. Die Kirche von England ist keine Mitgliederkirche, sie führt keine Mitgliederlisten und lebt von der persönlichen Zustimmung der Gemeindemitglieder. Wie alle Kirchen der Anglikanischen Gemeinschaft ist sie sowohl episkopal als auch synodal strukturiert. Die Leitung der Synode liegt beim Bischof. Die Bischöfe stehen ihren Synoden, die Erzbischöfe der Generalsynode vor. Die Bischöfe haben eine bes. Verantwortung für die Lehre, die Liturgie und das Amt. In sensiblen Angelegenheiten stimmt die Generalsynode nach Kammern (Houses) ab (Bischöfe, Geistliche und Laien), so dass in der Praxis jede Kammer ein Vetorecht hat.

Auf allen Kontinenten leben etwa 85 Millionen Menschen, die sich Anglikaner nennen (oder Mitglieder der Episkopalkirche in den USA); sie sind über mehr als 165 Länder verteilt. Die Anglikanische Gemeinschaft ist keine global verfasste Kirche. Die Mitgliedskirchen, manchmal auch „Provinzen“ genannt, sind für ihre eigenen Angelegenheiten verantwortlich, einschließlich der Liturgie und des Kirchenrechts. Die Kirchen der Anglikanischen Gemeinschaft werden konstitutionell von vier „Instrumenten der Gemeinschaft“ zusammengehalten: der Lambeth-Konferenz (Treffen aller anglikanischen Bischöfe), dem Primates’ Meeting (Treffen der präsidierenden Bischöfe), dem Anglican Consultative Council (Klerus und Laien) und dem Amt des Erzbischofs von Canterbury.

4. Die anglikanischen Kirchen in der Ökumene

Anglikaner zählen bis heute zu den treibenden Kräften der internationalen ökumenischen Bewegung, insb. des ÖRK und seiner Vorläuferbewegungen. In der Bonner Vereinbarung von 1931 wurde erstmals Interkommunion zwischen den Kirchen der Anglikanischen Gemeinschaft und der Altkatholischen Kirche der Union von Utrecht vereinbart. Die „Meissener Gemeinsame Feststellung“ von 1988 zwischen der Kirche von England und der EKD enthält eine Erklärung über die gegenseitige eucharistische Gastfreundschaft und ist eine Verpflichtungserklärung, nach der vollen, sichtbaren Einheit zu streben. Die „Porvooer Gemeinsame Feststellung“ von 1992 zwischen allen vier britischen und irischen A.K.n und den nordischen und baltischen Lutherischen Kirchen enthält auf der Basis eines gemeinsamen Verständnisses von Wesen und Zweck der Kirche und fundamentaler Übereinstimmung über den Episkopat im Dienst der Apostolizität der Kirche eine Erklärung über eine volle Kirchengemeinschaft. Das „Concordat of Agreement“ von 1999/2000 zwischen der ELCA und der Episkopalen Kirche erklärt volle Gemeinschaft zwischen den betreffenden Kirchen. Eine ähnliche Vereinbarung wurde 2001 zwischen der A. K. von Kanada und der ELCC durch die „Erklärung von Waterloo“ getroffen. Damit ist die A. K.n-Gemeinschaft die am vielfältigsten ökumenisch verbundene christliche Kirche der Welt.

Die Frage der Gültigkeit der anglikanischen Weihen hat Papst Leo XIII. 1896 abschlägig beschieden. Trotzdem führt die Römisch-katholische Kirche (Katholische Kirche) seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil theologische Dialoge mit der Anglikanischen Gemeinschaft. Die ARCIC erreichte in ihren ersten Berichten über das geistliche Amt, die Ordination und die Eucharistie wesentliche Übereinstimmungen, die aber nicht gegenseitig ratifiziert wurden. Die jahrelange intensive Arbeit an der Frage der Autorität in der Kirche konnte nicht zu einem Konsens geführt werden. Um das ökumenische Miteinander weiter zu fördern, wurde eine Kommission von Bischöfen beider Seiten für Einheit und Sendung einberufen (IARCCUM). Irritationen gibt es um das von Seiten des Vatikans vorangetriebene Anglikanische Ordinariat für anglikanische Geistliche und Gläubige, die aufgrund der Frauenordination zur katholischen Kirche übertreten.