Analytische Philosophie

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1. Themenbereiche der Analytischen Philosophie

Analytische Philosophie (A. P.) steht für viele, teilweise gegensätzliche philosophische Entwicklungen seit dem frühen 20. Jh. zunächst in der englischsprachigen Welt, dann zunehmend auch auf dem europäischen Kontinent. Innerhalb der westlichen Philosophie ist die A. P. die vorherrschende Richtung. Programmatisch war zunächst die Anwendung logischer Methoden zur Lösung philosophischer Probleme. Bertrand Russell, einer der Väter der A. P., entwickelte eine logische (formale) Analyse, die es gestatten sollte, die grundlegenden Bausteine der Wirklichkeit widerspruchsfrei darzustellen. Der Jenaer Mathematiker und Philosoph Gottlob Frege hatte wesentliche Begründungsarbeit für die dabei verwendete Logik geleistet. Die neue Methode beschränkte sich nicht auf logische Probleme, sondern hatte das Ziel, eine neue Philosophie zu entwickeln, die frei von Irrtümern und Widersprüchen sein sollte. Das Interesse an einer zuverlässigen, wissenschaftlichen Kriterien der Genauigkeit und Klarheit genügenden Theorie der Wirklichkeit (Realität) blieb trotz vielfältiger Veränderungen des Analyse-Begriffs über lange Zeit der gemeinsame Nenner vieler Strömungen der A. P.

Dementsprechend wurde die Frage, was wirklich ist, zu einer primär logischen und sprachphilosophischen, aber auch empirisch-wissenschaftlichen Frage nach der Struktur wahrer Aussagen (Wahrheit). Eine Modifikation erfuhr die Methodologie der A. P. durch Ludwig Wittgensteins Sprachphilosophie nach 1929. Er war skeptisch gegenüber der Anwendbarkeit naturwissenschaftlich geprägter Standards (Naturwissenschaften) zur Klärung philosophischer Probleme. Stattdessen sollte sich die Philosophie an der lebensweltlich bestimmten Praxis des Gebrauchs sprachlicher Äußerungen orientieren. Dieser Wandel der Methodologie-Auffassung zeigt, dass die A. P. keine dogmatische philosophische Methode, sondern offen für vielfältige, teilweise heterogene Methoden-Auffassungen ist. Bei aller Vielfalt der Entwicklungen sind vier Themenbereiche der A. P. bes. eng miteinander verflochten:

a) die Analyse der Bedeutung und Struktur sprachlicher Ausdrücke (sprachanalytische Bedeutungstheorie)

b) die Erforschung der methodologischen Bedingungen der Prüfung und Bestätigung wahren Wissens (Wahrheits- und Wissenstheorie)

c) die Entwicklung formaler Logiken und ihre Anwendung zur Lösung philosophischer Probleme (logische Rekonstruktion)

d) die Klärung der Grundlagen menschlichen Denkens und Bewusstseins (Philosophie des Geistes)

2. Grundlagen

Die Bedeutung der ersten drei Themenbereiche geht auf den Einfluss G. Freges auf die A. P. zurück. B. Russell, George Edward Moore, der frühe L. Wittgenstein, Rudolf Carnap und die Mitglieder des Wiener Kreises wurden durch G. Freges Logik nachhaltig beeinflusst. Er wollte der Mathematik eine neue Grundlage geben und nachweisen, dass die Arithmetik ein Teil der Logik ist. Für die A. P. entscheidend war G. Freges Untersuchung der Geltung und Struktur von Sätzen am Beispiel der Arithmetik. Sein Motiv war herauszufinden, worauf „die Berechtigung des Fürwahrhaltens beruht“ (Frege 1961: 3). Seine Forderung war, dass sich Beweise möglichst streng und lückenlos auf „Urwahrheiten“ und „Urgesetze“ (Frege 1961: 4) stützen sollten und dass sie analytisch und a priori durchgeführt werden sollten. Wie dies zu verstehen ist, machte er u. a. am Zahlbegriff klar. Er entwickelte eine argumentative Methode, den Begriff der Anzahl zu definieren. Dazu dienten ihm die Definitionen von „Begriff“ und „Gleichzahligkeit“. Er wollte erklären, dass die Zahl Begriffen und nicht etwa – einem naheliegenden Vorurteil nach – Gegenständen beigelegt wird. Über die Klärung der „Begriffsumfänge“ konnte er dann den Begriff der „Gleichzahligkeit“ definieren, der ihm wiederum als Grundlage zur Definition der Zahlen als Anzahlen diente. Ein „Begriff“ ist nach G. Freges Verständnis zunächst die „allg.e Form eines beurtheilbaren Inhalts“ (Frege 1961: 87) und dann, in Anlehnung an das mathematische Verständnis, eine „Funktion, deren Wert immer ein Wahrheitswert ist“ (Frege 1975: 28). Begriffsumfang und Wertverlauf verband G. Frege funktional, unabhängig von subjektiven oder empirischen Bedingungen.

G. Freges einflussreiche Sprachphilosophie hat drei Schwerpunkte:

a) Die logische Satz-Analyse, die anders als das traditionelle Subjekt-Prädikat-Modell Sätze in „Begriffswörter“ und „Eigennamen“ gliedert und analog zu mathematischen Funktionen verknüpft. Damit wird der Wahrheits-Wert von Sätzen (das Wahre oder das Falsche) logisch ebenso entscheidbar wie der Wert einer Funktion (z. B. „3 ( )2“), wenn in die freie Argumentstelle zwischen den Klammern ( ) ein Wert eingesetzt wird. In Sätzen sind Gegenstände Einsetzungen an den freien Argumentstellen.

b) Die Klärung der Verwendung von „ist“ und des Begriffs der Allgemeinheit bildet einen weiteren Schwerpunkt. G. Frege unterscheidet den prädikativen vom identifizierenden Gebrauch von „ist“. Im Übrigen erläutert er Existenz als Begriff zweiter Stufe, d. h. er versteht sie ähnlich wie Immanuel Kant als Eigenschaft von Begriffen und nicht von Gegenständen bzw. Eigennamen. Aus diesem Grund muss sowohl für I. Kant als auch für G. Frege der ontologische Gottesbeweis scheitern. Den Begriff der Allgemeinheit erklärt G. Frege mit Hilfe sog.er Quantoren (einer bzw. einige, alle), des Allquantors und des Existenz- bzw. Partikularquantors. Beide Quantoren sind wie „Existenz“ Begriffe zweiter Stufe, in deren freie Argumentstellen Begriffe erster Stufe, d. h. Gegenstände, einsetzbar sind.

c) Den dritten Schwerpunkt bildet G. Freges Bedeutungstheorie. Seine Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung soll der weiteren Klärung der Wahrheitsbedingungen unseres Sprachgebrauchs dienen. Eigennamen wie „Morgenstern“ oder „Abendstern“ haben jeweils einen unterschiedlichen Sinn, haben aber nur eine Bedeutung, den Planeten Venus. Der Gebrauch von Namen für Gegenstände schließt die Kenntnis von Tatsachen, z. B. astronomische, ein. Der Sinn, den die Namen ausdrücken, dient dazu, die Gegenstände, die ihre Bedeutung sind, zu identifizieren. Das Sinn-Verstehen ist für G. Frege die Voraussetzung des Bedeutungs-Wissens.

G. Freges Bedeutung für die Entwicklung der A. P. ist die eines Grundlagentheoretikers. Erst B. Russell versuchte, auf G. Freges Grundlagen die neuen methodologischen Grundlagen auf die wichtigsten Fragestellungen der Philosophie anzuwenden.

3. Logischer Atomismus

B. Russell kritisierte den philosophischen Idealismus v. a. in Gestalt des britischen Hegelianismus, dem er selbst bis etwa 1898 verpflichtet war. Wie G. Frege beschäftigte sich B. Russell mit Grundlagenproblemen der Mathematik. Seine logische Konstruktion von Entitäten wie materiellen Gegenständen orientierte sich in den gemeinsam mit Alfred North Whitehead verfassten Principia Mathematica (1910/13) am Zahl-Begriff als einer logischen Konstruktion aus Klassen von Klassen.

3.1 Externe Relationen und Pluralismus

Leitende Motive der Entwicklung der A. P. gewannen B. Russell und G. E. Moore aus ihrer Kritik am monistischen Charakter des britischen Hegelianismus. Monisten wie Francis Herbert Bradley behaupteten, dass die Wirklichkeit (Realität) ein einziges, absolutes Ganzes sei, dessen Teile nur Erscheinungen des Ganzen, lediglich gedachte interne Relationen seien. Diese Relationen seien keine realen Merkmale von Dingen; außerdem führten sie leicht zu widersprüchlichen Begriffen wie „schwarzer Schimmel“ oder „rundes Viereck“. Real sei nur, was unabhängig existiere und nicht zu Widersprüchen führe. Diesen Thesen des sog.en absoluten Idealismus stellte B. Russell seine These der externen Relationen gegenüber. B. Russell erkannte, dass die Auffassung, dass es lediglich interne Relationen gebe, unverträglich mit asymmetrischen Relationen, z. B. zeitlicher Art ist. Wenn A früher als B ist, kann B nicht früher als A sein. B. Russell fasste Relationen als reale Gegebenheiten auf, die nicht auf Eigenschaften von Begriffen bzw. Subjekten oder eines absoluten Ganzen zurückführbar sind. Der irreduzible Charakter sei entscheidend dafür, dass Relationen extern und nicht intern seien. Diese Auffassung kennzeichnet B. Russells Pluralismus: es gibt analysierbare Tatsachen, die als Relationen zwischen Individuen mit bestimmten Eigenschaften existieren. Diese Tatsachen bilden unabhängige Einheiten, die als Bestandteile eines Komplexes entdeckbar sind. Seine Bestandteile können wir als externe Relationen zwischen Begriffen mit ihren Eigenschaften analysieren.

3.2 Formale Analyse

B. Russells bes.s Interesse galt ontologischen und wissenschaftstheoretischen Fragen (Wissenschaftstheorie). Die Verbindung zwischen beiden bildet seine Bedeutungs- und Wahrheitstheorie (Wahrheit). In ihr findet die von G. Frege entwickelte logische Methode ihre Anwendung und Weiterentwicklung. Die Logik betrachtete B. Russell als Kern der Philosophie. Sie soll im Gegensatz zur monistischen Logik des britischen Hegelianismus atomistisch sein. Damit soll sie der Tatsache gerecht werden, dass es „viele unterschiedliche Dinge“ gibt, und die „Mannigfaltigkeit der Welt nicht aus Stufen einer einzigen unteilbaren Wirklichkeit“ (Russell 1967: 125–134) besteht (Realität). In einer logisch exakten Sprache gebe es eine direkte Entsprechung zwischen den Wörtern eines Satzes und den Bestandteilen der Tatsachen, die er zum Ausdruck bringt. Eine Ausnahme wären lediglich logische Operatoren wie „und“, „oder“, „nicht“, „wenn – dann“. Eine Sprache dieser Art würde jeden einfachen Gegenstand nur mit einem Wort, jede zusammengesetzte Tatsache oder Menge von einfachen Gegenständen mit einer Kombination von Worten zum Ausdruck bringen. Alle Kombinationen wären von den Worten abgeleitet, die für die einfachen Gegenstände stehen. Diese Sprache wäre nicht nur atomistisch, sondern rein analytisch, insofern sie die logische Struktur der als wahr oder falsch behaupteten Tatsachen unmittelbar darstellen würde. Die Syntax dieser logisch exakten Sprache, die kein Vokabular wie eine natürliche Sprache enthält, wird in den Principia Mathematica entworfen. Als Maxime der logischen Analyse, die hier synonym mit „wissenschaftlicher Philosophie“ ist, gilt, dass „wo immer möglich, abgeleitete Entitäten durch logische Konstruktionen ersetzt werden sollen“ (Russell 1967: 149). B. Russell verbindet diese Maxime mit Wilhelm von Ockhams Ökonomie-Maxime, nach der eine Pluralität von Entitäten, also logischen Atomen, nicht ohne Notwendigkeit angenommen werden soll: die Bedeutung zusammengesetzter Zeichen und des Realen und Wahren soll mit möglichst wenigen, einfachen Elementen bestimmt werden.

3.3 Theorie der Beschreibung

B. Russells Bedeutungstheorie ist eine Referenztheorie. Er entwickelte sie in „On Denoting“ (1905) als Theorie der Beschreibung. Beschreibende Ausdrücke sind nach B. Russells Verständnis unvollständige Zeichen (z. B. „der Autor von Waverly“), die ein Einzelding nicht unmittelbar bezeichnen und daher selbst keine Bedeutung haben. Dagegen „referieren“ Eigennamen (z. B. „Scott“) direkt auf Gegenstände oder Personen, die ihre Bedeutungen sind. B. Russell akzeptierte G. Freges Differenz von Sinn und Bedeutung nicht, sondern beharrte auf einer strengen Gleichsetzung der Bedeutung eines Namens mit dessen Referenz (denotation). Da B. Russell W. von Ockhams Ökonomie-Maxime folgte, eine strenge Gleichsetzung jedoch die Menge der Entitäten vergrößern würde, war er gezwungen, eine Reihe von Ausdrücken als Eigennamen auszuschließen. Die Theorie der Beschreibung soll dies leisten und zeigen, dass definite Beschreibungen keine Namen von Gegenständen sind. Diese Einschränkung ist der Preis der strengen Gleichsetzung von Bedeutung und Referenz. B. Russell wollte mit seiner Auffassung von Referenz eine Ontologie aus irreduziblen Elementen sichern. Er meinte, mit der analytischen Methode könnten philosophische Probleme besser verstanden werden, ohne dass alle gelöst werden könnten.

Gilbert Ryle setzte diese Strategie der Verminderung philosophischer Probleme fort. Er sah die Aufgabe der Philosophie darin, Ausdrücke zu analysieren, die zu systematischen Irrtümern, zu sog.en Kategorienfehlern führten. Er meinte, eine logische Analyse könne anders als eine grammatikalische solche Ausdrücke in ihrer korrekten Form darstellen. Damit werde die Vermischung von logischer und grammatikalischer Analyse aufgehoben. Ein typisches Beispiel einer solchen Vermischung fand G. Ryle in René Descartes’ Lehre von Körper und Geist. Sie sei der Grund für traditionelle philosophische Probleme.

4. L. Wittgensteins Tractatus und der logische Positivismus

Die formale bzw. logische Analyse erreicht im logischen Positivismus des sog.en Wiener Kreises (insb. 1926–36) einen Höhepunkt. Die Mitglieder dieses Kreises, u. a. Moritz Schlick, R. Carnap, Otto Neurath und Kurt Gödel, entwickelten das Programm einer wissenschaftlichen Philosophie, das sich gegen die Auffassung von Philosophie als Metaphysik richtete und an den wissenschaftlichen Idealen der Mathematik und der Naturwissenschaften orientierte. Aussagen sollten nur dann als sinnvoll anerkannt werden, wenn sie nach wissenschaftlichen Standards verifiziert werden können. Das Prinzip der Verifikation spielt im logischen Positivismus eine entscheidende Rolle als Kriterium zur Unterscheidung von tatsächlichen Problemen und Aussagen gegenüber Scheinproblemen und Pseudoaussagen. Letztere seien für die traditionelle Philosophie kennzeichnend und die Ursachen ihrer Kontroversen.

4.1 Verifikation

Das Verifikations-Prinzip wird von den Positivisten nicht zur Bestimmung des Wahrheitswerts einer Aussage, sondern zur Klärung der notwendigen Voraussetzungen einer solchen Bestimmung verwendet. Der wahre oder falsche Gebrauch einer Aussage setzt voraus, dass sie Bedeutung hat. Die Bedeutung einer Aussage basiert auf der Bedeutung ihrer Wörter. Deren Bedeutung wird durch Definitionen erklärt. Die Bedeutung der in den Definitionen neu auftauchenden Wörter wird, soweit sie nicht weiter definierbar sind, schließlich durch Akte des Zeigens und Hindeutens „gegeben“. Die Wahrheits-Bedingungen einer Aussage sind so identisch mit ihrer Bedeutung. D. h. die Bedeutung einer Aussage ist die Methode ihrer Verifikation. Die Verifizierbarkeit einer Aussage kann sich auf empirische Bedingungen beziehen, die unmittelbar gegeben sind (direkte Verifikation) oder auf die erwartbaren Ergebnisse künftiger Erfahrung (indirekte Verifikation).

Die positivistische Methode ist allerdings nicht so klar, wie es scheint. Nicht nur bei Aussagen über individuelle Sachverhalte, sondern auch bei Aussagen, die den Charakter sog.er Naturgesetze haben, kann die Zahl der prüfbaren Bedingungen bzw. Fälle ihres Auftretens nicht endlich sein. Aussagen dieser Art gelten als Hypothesen, die nicht endgültig verifizierbar sind. Gleichwohl bleibt das Verhältnis zwischen wahrnehmbaren Sinnesdaten und den wissenschaftlichen Aussagen z. B. der Physik problematisch. Selbst wenn uns Sinnesdaten in Form von sog.en Protokoll- oder Beobachtungs-Sätzen zur Verfügung stehen, ist offen, wie sie zu verstehen sind: haben sie einen privaten oder öffentlichen Charakter, und lassen sie sich mit Gewissheit annehmen oder sind sie korrigierbar?

Weiterhin ist der logische Status des Verifikationsprinzips unklar. Wenn nur analytische (tautologische) und empirisch verifizierbare Aussagen Bedeutung haben können, ist es schwierig, das Verifikationsprinzip selbst als Aussage zu verstehen, die Bedeutung hat. Denn dieses Prinzip ist weder analytisch noch empirisch. R. Carnap war sich dieser Schwierigkeit bewusst. Er wollte sie lösen, indem er das Verifikations-Prinzip als Resultat der Philosophie als einer Logik der Wissenschaft interpretierte. Diese Logik ist eine Theorie der formalen Struktur der Sprache der Wissenschaft, ihrer logischen Syntax. Die Verifikation von Aussagen verstand R. Carnap als Nachweis ihrer syntaktischen Konsistenz innerhalb einer Wissenschaftssprache. Wenn die Verifikation auf syntaktische Konsistenz reduziert wird, hängt ihr Erfolg primär an der gewählten Wissenschaftssprache, wird damit von konventionalen Bedingungen abhängig und büßt ihren starken prinzipiellen Anspruch ein.

4.2 Bild-Theorie der Bedeutung

L. Wittgenstein hatte mit seiner ersten und einzigen Publikation zu seinen Lebzeiten, dem Tractatus logico-philosophicus (1921), großen Einfluss auf den Positivismus des Wiener Kreises. Die Philosophie dieses Kreises kann aber nicht mit L. Wittgensteins Tractatus gleichgesetzt werden. Die Bedeutung eines Satzes (Proposition) ist im Tractatus von dessen Wahrheitsbedingungen abhängig. Sie legen fest, was der Fall sein muss, damit eine Proposition als ganze wahr ist. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, ist die Proposition falsch. Die Grundbausteine der Beschreibung der Wirklichkeit (Realität) sind die Elementaraussagen. Ihre Wahrheit ist als Übereinstimmung der Form des Satzes mit der Form des Sachverhaltes zu verstehen, den der Satz als Bild der Wirklichkeit repräsentiert. Wenn die bildliche Form der Proposition die tatsächliche Form des Sachverhalts spiegelt, ist die Proposition wahr, andernfalls falsch. Aber auch eine falsche Proposition hat einen Sinn, wenn sie einen möglichen Sachverhalt repräsentiert. Sinn hat eine Proposition, wenn ihre eigene bildliche bzw. logische Form als Verknüpfung von Namen die Form eines möglichen Sachverhalts darstellt. Die Wahrheit zusammengesetzter sog.er molekularer Propositionen ist abhängig vom Wahrheitswert der Elementarsätze und der Art ihrer wahrheitsfunktionalen Verknüpfung durch Junktoren („und“, „oder“, „nicht“, „wenn – dann“). L. Wittgenstein hat die Regeln dieser Verknüpfung im Tractatus erläutert und die Wahrheitsfunktionen in einer Wahrheitstafel dargestellt.

Die Bild-Theorie der Bedeutung im Tractatus aber auch der Begriff der Verifikation in den Philosophischen Bemerkungen L. Wittgensteins unterscheiden sich deutlich von den Auffassungen des logischen Positivismus. Der Bild-Theorie liegt ein logisch-atomistisches, nicht empirisches Verständnis von Propositionen zugrunde, deren Bedeutung und Wahrheit nicht wie im Positivismus von unmittelbar gegebenen Wahrnehmungssituationen oder empirischen Verifikations-Bedingungen abhängig ist. L. Wittgenstein gab das Prinzip der Verifikation in seiner späteren Sprachphilosophie gänzlich auf.

5. Sprachspiele und formale Analyse

Das Selbstverständnis der A. P. als einer formalen, logischen Analyse zur Bestimmung allg.er Eigenschaften von Sätzen wurde bereits in den 30er Jahren kritisiert. L. Wittgensteins Skepsis gegenüber dem „Streben nach Allgemeinheit“ war ein entscheidendes Motiv für seine Entwicklung des Begriffs der Familienähnlichkeiten. Danach gibt es keine allg.en Eigenschaften und Merkmale, die allen Fällen des Gebrauchs eines Satzes gemeinsam sind. Es gibt aber immer Merkmale, die sich ähnlich sind und „ineinandergreifen“ und im Sprachgebrauch Familien bilden. Diese Merkmale ähneln sich so wie die Nase, die Augenbrauen oder der Gang der Mitglieder einer Familie, die ansonsten unterschiedlich aussehen. Der Gebrauch eines Satzes hat keine scharf definierten Grenzen. Seine Bedeutung ist, wie L. Wittgenstein meinte, nicht anhand genereller Eigenschaften, etwa seiner Syntax oder des Sachverhalts, den er beschreibt, bestimmbar. Ein Satz oder ein Wort haben diejenige Bedeutung, die ihnen von Personen im Gebrauch gegeben werden. Über den Gebrauch lässt sich keine wissenschaftliche Untersuchung anstellen. Es gibt keinen einheitlichen, fundamentalen Gebrauch einer Sprache, sondern eine Vielfalt von Gebrauchsweisen. L. Wittgenstein erläutert diesen vielfältigen Gebrauch sprachlicher Ausdrücke und Sätze in seinen Philosophischen Untersuchungen mit dem Begriff der Sprachspiele. Dieser Begriff enthält ganz unterschiedliche Aspekte: z. B. das Erlernen primitiver Sprachen durch Kinder, das Benennen von Gegenständen. Das Wort „Sprachspiel“ besagt, „daß das Sprechen der Sprache ein Teil einer Tätigkeit, oder einer Lebensform“ ist (Wittgenstein 1989: § 23). Sprachspiele sind Gebrauchsweisen von Wörtern und Sätzen, die in eine Lebensform, eine Praxis eingebettet sind. Wörter und Sätze im Sprachspiel haben die Bedeutungen, in denen sie gebraucht werden.

Ein Grundbegriff dieser Gebrauchstheorie der Bedeutung ist der Regel-Begriff. Wie jedes Spiel folgt das Sprachspiel bestimmten Regeln, die als „Gepflogenheiten“ (Gebräuche, Institutionen; Wittgenstein 1989: § 199) die Verständlichkeit der verwendeten Ausdrücke und Sätze gewährleistet. Regeln werden durch „Abrichten“ (Wittgenstein 1989: §§ 5 f.) erlernt und „blind“ (Wittgenstein 1989: § 219) befolgt. Die Kriterien des richtigen Regel-Folgens liegen in der „Praxis“, in der gemeinsamen menschlichen Handlungsweise, nur dort und nicht in einer rechtfertigenden Theorie.

Wenn es eine solche Theorie nicht gibt, kann der Gebrauch einer Sprache nicht vollständig und exakt definiert werden. Dann ist auch eine logische Bestimmtheit von Sätzen wie sie G. Frege annahm, unmöglich. L. Wittgenstein orientierte sich nicht an einer idealen, sondern an der gesprochenen Sprache. Er empfahl den Verzicht auf eine Theorie der Sprache und forderte, dass an die Stelle von Erklärung die Beschreibung dessen treten müsse, wie die Sprache arbeitet. L. Wittgensteins Philosophie bot eine Fülle von Ansätzen, die in den 50er und 60er Jahren von einer Reihe von Autoren der Philosophie der Normalen Sprache aufgegriffen, weiterentwickelt und mit eigenen Überlegungen verknüpft wurde. Sein Begriff des Regel-Folgens fand in modifizierter Form Anwendung in der von John Langshaw Austin und John Searle entwickelten Theorie der Sprechakte. Sie erklärt den Gebrauch von Äußerungen als sprachliches Handeln (Handeln, Handlung) und ihre Bedeutungen als bestimmte Arten von Sprach-Handlungen, die in oder durch die Äußerungen in bestimmten Situationen vollzogen werden. L. Wittgensteins Auffassung von Kriterien und Begründungen griff Peter Strawson in seiner analytischen Transzendentalphilosophie auf. L. Wittgensteins Kritik am Ideal des wissenschaftlichen Erklärens wurde von der Philosophie der Sozialwissenschaften aufgegriffen, die dem Verstehen sozialer Phänomene gegenüber ihrer Erklärung einen Vorrang gibt. Indirekt löste L. Wittgensteins Kritik die spätere Kontroverse zwischen Erklären und Verstehen aus.

6. Analytische Ontologie

6.1 Ontologische Verpflichtungen

Willard Van Orman Quine gab der A. P. wichtige Impulse. Er griff die von G. Frege und B. Russell begründete Tradition logisch-semantischer Analyse auf. Wie diese lehnte er jede Ontologie ab, die Nichtexistentem wie Fabelwesen oder Universalien (z. B. Röte) einen ontologischen Status zubilligt. W. V. O. Quine entwickelte ein neutrales Kriterium zur Bestimmung der ontologischen Verpflichtungen (ontological commitments) sprachphilosophischer Analyse (Sprachphilosophie). Er bestritt, dass singulären Termen (z. B. Eigennamen) dadurch Bedeutung verliehen wird, dass es ihnen korrespondierende tatsächliche, mögliche oder fiktive Entitäten gibt. Für eine solche Zuordnung von Bedeutung fehlt ein klares Kriterium der Identität, das es erlauben würde, unter den möglichen individuellen Entitäten zu unterscheiden. Ohne Identität, so W. V. O. Quine, gebe es aber keine Entität. Außerdem werde eine unhaltbare Abhängigkeit zwischen Benennungen und Bedeutungen angenommen. Ein singulärer Term könne auch sinnvoll verwendet werden, ohne dass etwas existieren muss, auf das er sich bezieht.

6.2 Kritik am Positivismus

W. V. O. Quines Anknüpfen an die Frege-Russell-Tradition schließt seine Kritik an zwei empiristischen Dogmen nicht aus, die im logischen Positivismus Geltung hatten. Das eine behauptet eine fundamentale Verschiedenheit zwischen analytischen (auf Bedeutungen, nicht auf Tatsachen rekurrierenden) und synthetischen (auf Tatsachen beruhenden) Wahrheiten (Wahrheit). Das zweite Dogma ist das des Reduktionismus, dass jede sinnvolle Aussage mit einer logischen Konstruktion eine Aussage auf der Basis von Termen ist, die sich unmittelbare auf Erfahrung beziehen. Die Unterscheidung von analytischen und synthetischen Wahrheiten bezweifelte W. V. O. Quine, weil die Gleichheit der Bedeutung synonymer Ausdrücke in analytischen Aussagen (z. B. „Ein Junggeselle ist ein unverheirateter Mann“) unklar sei. Da diese Synonymie selbst problematisch sei, weil sie häufig auf Tatsachen des Gebrauches von Ausdrücken beruhe, könne sie nicht erklären, was Analytizität bedeute. Weiterhin sei der Anspruch, dass analytische Aussagen unabhängig von Erfahrung wahr, d. h. apriori wahr seien, nicht aufrechtzuerhalten, da jede Aussage offen für Modifikation oder Widerlegung sei. Der Grund hierfür sei, dass jede Aussage in einem Ganzen, einem Netz von Aussagen stehe, die mit ihr verbunden seien. Deshalb könne die Entscheidung über die Wahrheit einer Aussage nicht von ihr allein, sondern nur von der Wahrheit jenes Ganzen der Aussagen abhängig sein (Holismus). Der Holismus schließt die Möglichkeit einer unmittelbaren Bezugnahme auf Sinnesdaten und damit den Reduktionismus aus, da jede empirische Aussage in einem jeweiligen Ganzen an Überzeugungen einer Theorie steht. Dieses Ganze des Wissens, auch die Gesetze der Physik oder die reine Mathematik seien „a man-made fabric which impinges on experience only along the edges“ (menschliche Erzeugnisse, die nur entlang der Kanten mit Erfahrung in Berührung stehen; Quine 1953: 42).

6.3 Begriffliche und ontologische Relativität

W. V. O. Quine argumentierte, dass wir uns nicht vom Netz eines Begriffs-Systems befreien können, um festzustellen, wie die Welt unabhängig von diesem System, in dem sie beschrieben wird, tatsächlich ist. Eine Folge dieser Überzeugung ist, dass es keine grundlegende Differenz zwischen wissenschaftlichem Wissen und Ontologie gibt. Wenn es unmöglich ist, sich direkt auf Sinnesdaten zur Verifikation der Bedeutung von Ausdrücken und Begriffen zu beziehen, kann die Unbestimmtheit (indeterminacy) ihrer Bedeutung nicht ausgeschlossen werden. Dann ist die Beziehung zwischen der Bedeutung eines Ausdrucks und seiner Referenz niemals eindeutig. Es bleibt die Möglichkeit, auf einen bestimmten Sinnesreiz (stimulus) mit unterschiedlichen sprachlichen Ausdrücken zu reagieren. Unser Gebrauch von Ausdrücken, aber auch deren Übersetzung in andere Ausdrücke mit gleicher Bedeutung, ist durch die bloßen Beobachtungs- und Sinnesdaten unterbestimmt und deshalb von einer begrifflichen Relativität geprägt, die nicht überwindbar ist. Diese Relativität liegt der ontologischen zugrunde. Unsere Begriffe von Bedeutung und Referenz sind, wie W. V. O. Quine argumentierte, immer relativ im Hinblick auf einen bestimmten, konventional gewählten Bezugsrahmen (frame of reference). Über Gegenstände könne man „nur relativ zu der Rahmentheorie mit ihrer eigenen, … letztlich unerforschlichen Ontologie“ sprechen (Quine 1975: 74). Es gibt weder einen letzten Rahmen noch letzte Tatsachen, auf die eine Theorie Bezug nehmen könnte (Unerforschlichkeit der Referenz).

Neben Fragen der Ontologie wurden auch andere traditionelle philosophische Probleme von der A. P. thematisiert. Die Semantik möglicher Welten behandelte Probleme der Metaphysik und Erkenntnistheorie unter veränderten methodologischen Voraussetzungen. Die von G. Frege und B. Russell entwickelten Instrumente der logischen Analyse wurden dabei modifiziert, weil die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit für die Klärung philosophischer Probleme deutlich wurden. Gleichwohl bilden sie den Kern und die Standards analytischer Argumentation, die sich auch bei der Interpretation und Weiterentwicklung traditioneller Ansätze als fruchtbar erwiesen hat.

7. Philosophie des Geistes

Mit großer Intensität wird in der A. P. seit den 1920er Jahren im Rahmen des weiten Geist-Körper-Problemfeldes der Philosophie des Geistes das Thema „Bewusstsein“ diskutiert. Auch dieses Thema hat eine Vorgeschichte, die in die Zeit von René Descartes zurückreicht, in der, angeregt von Thomas Hobbes und John Locke, mechanistische und materialistische Versuche unternommen wurden, das Bewusstsein zu erklären. Sowohl René Descartes als auch Gottfried Wilhelm Leibniz wehrten sich gegen solche Versuche. Immer wieder wurden im 19. und v. a. im 20. Jh. materialistische Erklärungen angeboten (Materialismus), die in Gestalt behavioristischer, naturalistischer und evolutionärer Theorien (Behaviorismus/Behavioralismus; Naturalismus; Evolution) die Existenz des Bewusstseins als irreal eliminierten. Die Abwehr dieser Auffassung durch namhafte Philosophen wie B. Russell, A. N. Whitehead und L. Wittgenstein änderte kaum etwas an der wachsenden Zahl derer, die dem Materialismus in der Philosophie des Geistes zuneigten. G. Ryle mokierte sich in seinem Buch Der Begriff des Geistes mit dem Slogan „Geist in der Maschine“ über die Cartesianische Tradition, und in den frühen 1950er Jahren argumentierten australische Philosophen (u. a. Ullin T. Place, John Jamieson Carswell Smart, sog.er Australian materialism) dafür, dass das Bewusstsein ein zerebraler, letztlich physikalischer Prozess sei, und dass Geist und Gehirn identisch seien (sog.e Identitäts-Theorie). In den 1960er Jahren fand der Funktionalismus mit der Behauptung Gehör, dass mentale Zustände oder Ereignisse im Wesentlichen durch die für sie typischen Ursachen und Wirkungen bestimmt werden könnten. Es stellte sich aber bald heraus, dass dieser Erklärungsversuch das Bewusstsein nicht besser erklärte als der frühere Behaviorismus. Unbefriedigend war und ist auch, dass der Funktionalismus zwischen Wesen, die kein Bewusstsein haben (etwa Fledermäuse oder Roboter) und Wesen mit Bewusstsein nicht unterscheiden kann, solange sie rein funktional nicht unterscheidbar sind. Donald Davidson eröffnete mit seiner These des anomalen Monismus eine neue Debatte. Die These richtete sich gegen die Überzeugung, dass bestimmte Typen neurophysiologischer Prozesse im Gehirn mit bestimmten Typen mentaler Zustände oder Ereignisse identisch seien. Davidson glaubte mit seinem anomalen Monismus aber weiter, dass einzelne mentale Ereignisse mit einzelnen neurophysiologischen identisch seien. Auf eine knappe Formel gebracht war seine Position, dass Geist und Gehirn ontologisch zwar identisch, begrifflich aber verschieden seien. Deswegen könnten mentale und physikalische Prozesse nicht wechselseitig ineinander übersetzt werden. Davidson und viele seiner Anhänger waren und sind überzeugt, dass alle mentalen Ereignisse und Zustände physikalische Ursachen im Gehirn, aber nicht alle diese physikalischen auch mentale Ereignisse zur Folge haben (sog.e Supervenienz-Hypothese). In der Handlungstheorie schien diese Auffassung mentaler Ereignisse geeignet zu sein, die Verursachung von Handlungen zu erklären (sog.e Ereignis-Kausalität; Handeln, Handlung). Tatsächlich kann auf diese Weise aber die aktive Rolle der handelnden Person, die im Kontext ihrer Lebenswelt aus bestimmten, rational erklärbaren Gründen handelt, nicht befriedigend erfasst werden. Die Position der Akteurs-Kausalität (agent-causation, Erasmus Mayr) wird diesem Bedürfnis gerecht und schafft gleichzeitig die Grundlage für eine Erklärung von Willensfreiheit und menschlicher Verantwortung.

Viele Impulse in der Philosophie des Geistes gingen von der Debatte um die sog.e Qualia aus. Qualia sind rein privat empfundene mentale Phänomene, die sich einer genauen sprachlich-begrifflichen Beschreibung entziehen, etwa Farb-, Geruch- und Geschmackwahrnehmungen. Diese Phänomene eignen sich dafür, die Unhaltbarkeit materialistischer Thesen zum Verhältnis zwischen Geist und Gehirn nachzuweisen. Die Pointe einer Diskussion, die Frank Jackson auslöste, ist, dass phänomenales Wissen etwa von Farben nicht aus physikalischem abgeleitet werden könne (sog.es Wissens-Argument). Wenn das phänomenale aber nicht aus physikalischem Wissen abgeleitet werden könne, gebe es eine Erklärungslücke (Joseph Levine). Die Versuche, das Bewusstsein dennoch materialistisch (Paul Churchland), zumindest aber naturalistisch (Ruth Garrett Millikan) zu deuten, gingen unvermindert weiter. Ebenso meldeten sich auch die Gegner dieser Auffassungen zu Wort. Saul Kripkes Argumente gegen eine materialistische Erklärung des Geist-Gehirn-Verhältnisses griff David Chalmers auf, vertiefte sie in einer Reihe anti-reduktionistischer Argumente und verband sie mit Positionen, die bereits in der Semantik möglicher Welten entwickelt worden waren. Keiner der erwähnten Autoren erinnerte daran, dass bereits im 18. Jh. französische und im 19. Jh. deutsche Materialisten den ausführlichen Versuch gemacht hatten, das Bewusstsein zu erklären.

8. Neurophilosophie

Mechanistische Erklärungsversuche mentaler Phänomene und des menschlichen Denkens insgesamt haben in der Neurophilosophie seit einiger Zeit eine neue Heimat gefunden. Es gibt sie in verschiedenen Varianten, die sich teilweise wechselseitig ausschließen. Eine Variante ist die wissenschaftstheoretische Analyse neurowissenschaftlicher Forschung, die den Versuch macht, die neurowissenschaftlichen Begriffe systematisch zu erfassen und den Stellenwert mechanistischer Erklärungen neuronaler Prozesse kritisch zu beurteilen (u. a. Carl Craver). Eine weitere weist Unklarheiten bei der Interpretation bildgebender Verfahren nach (u. a. Julio Bermúdez) und stellt die Möglichkeit, menschliche Gedanken mit Hilfe solcher Verfahren lesen zu können, in Frage. Generelle Kritik an der Identifikation von Denken und neuronalen Prozessen üben Sprachphilosophen (u. a. Peter Hacker, John Searle, Alva Noe; Sprachphilosophie). Die neurowissenschaftliche Forschung hat darüber hinaus einerseits zu einer Rückbesinnung auf die Möglichkeiten der philosophischen Erklärung der Einheit des Bewusstseins und Selbstbewusstseins geführt (Susan Hurley). Andererseits wird die Leistungsfähigkeit der Neurowissenschaften für das philosophische Verständnis menschlicher Wahrnehmung positiv gewürdigt. Diese Wissenschaften fördern aber nur dann eine objektive Bestimmung der mentalen Repräsentation der physischen Wirklichkeit (Realität), wenn diese Repräsentation nicht individualistisch oder subjektivistisch missverstanden wird (Tyler Burge).