Amts- und Rechtshilfe: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 14. November 2022, 05:53 Uhr

1. Begriff

Die Begriffe A. und R. beschreiben beantragte Hilfeleistungen zwischen verschiedenen, aber nicht zwingend unterschiedlichen Rechtsträgern zugeordneten Behörden (dann: A.) oder zwischen Justizbehörden bzw. Gerichten (dann: R.) bei der Durchführung ihrer Aufgaben.

Beteiligte eines R. oder A.-Verhältnisses sind stets eine ersuchte und eine ersuchende Stelle.

Die unterstützte Tätigkeit muss nach einer im Vordringen befindlichen Ansicht nicht unbedingt hoheitlicher Natur sein; es reicht ein Bezug zu einer öffentlichen Aufgabe aus. Bei der Unterstützung von Tätigkeiten rein fiskalischer Natur (Fiskus) liegt hingegen keine A. vor.

Der Begriff der Behörde ist weit auszulegen (Verwaltung). Er umfasst auch die Behörden der Verfassungsorgane und der mittelbaren Staatsverwaltung; nicht aber Private, Kirchen oder Parteien.

Mit Blick auf den Begriff der R. ist nicht abschließend geklärt, ob es auf die Qualifikation der ersuchten Maßnahme als eine richterliche, d. h. der Judikative vorbehaltene Tätigkeit ankommt oder ob R. jede Hilfeleistung ist, die von einem Gericht erbracht wird. Jedenfalls muss es sich bei der ersuchten Stelle um ein Gericht handeln.

R. u. A. ist von anderen funktional ähnlichen Instituten (Organleihe, Vollzugshilfe, Mandat, Delegation, Verwaltungshilfe) abzugrenzen.

2. Regelungsbefund

R. u. A. sind auf der einen Seite Ausdruck sinnvoller und ressourcenschonender Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ebenen und Organisationseinheiten staatlicher und überstaatlicher Gewalt, deren Ziel eine auch im Ergebnis möglichst optimale Erfüllung von Verwaltungsaufgaben ist.

Auf der anderen Seite sind R. u. A. aus dem Blickwinkel der bundes- und rechtsstaatlichen Gewaltenteilung nicht unproblematisch, weil diese auf einer Verantwortungs- und Zurechnungsklarheit staatlicher Kompetenzen bei deren Verteilung auf unterschiedliche Verwaltungsträger und deren Behörden basiert.

Vor diesem Hintergrund unterstreicht Art. 35 Abs. 1 GG für die Behörden des Bundes und der Länder die grundsätzliche Zulässigkeit und Gebotenheit von R. u. A. die daher keiner weiteren Vereinbarung zwischen den Beteiligten bedarf. Die Formulierung der Regelung stellt anders als die ihrer Vorgänger (Art. 4 Nr. 11 RV 1871 bzw. Art. 7 Nr. 3 WRV waren Regelungen zur Gesetzgebungskompetenz) sicher, dass R. u. A. auch zwischen Reich/Bund einerseits und Staaten/Ländern andererseits zu leisten ist.

Außerdem haben Gerichte und Verwaltungsbehörden nach Art. 44 Abs. 3 GG (Art. 27 Abs. 4 Verfassung Niedersachsen, Art. 41 Abs. 2 Verfassung Nordrhein-Westfalen) einem Untersuchungsausschuss des Bundestags (bzw. des Landtags) R. u. A. zu leisten.

Eine Präzisierung von Begriff und Verfahren enthalten für die A. von Behörden des Bundes §§ 4 ff. VwVfG; die Länder verfügen über ähnliche Vorschriften in ihren LVwVfGen. Dabei hat jede Behörde nach dem für sie jeweils anwendbaren Recht zu handeln und die Zulässigkeit des Ersuchens oder seiner Annahme bzw. Verweigerung zu beurteilen; die Zulässigkeit der zu unterstützenden Handlung richtet sich nach dem Recht der ersuchenden Behörde.

Die §§ 4 ff. konkretisieren die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 35 Abs. 1 GG und können Ausdruck eines allg.en Rechtsgedankens auch überall dort herangezogen werden, wo anderweitige Vorschriften nicht existieren oder lückenhaft sind.

Weiterhin finden sich ähnliche bereichsspezifische Vorschriften in §§ 111 ff. AO, §§ 3 ff., 68 SGB X, § 3 FVG, § 19 ZollVG, §§ 15 f. BDSG, § 197 Abs. 2 BauGB.

Entsprechende Regelungen zur R. enthalten die verschiedenen Justizgesetze: §§ 156 ff. GVG, §§ 14, 99 VwGO, §§ 161 f. StPO, § 13 FGO, § 5 SGG, § 27 BVerfGG, §§ 278 Abs. 3, 488 Abs. 3 FamFG, § 2 FGG, § 13 ArbGG, § 99 BRAO.

3. Supra- und internationales Recht

R. u. A. weisen auch eine supra- und internationale Dimension auf, bei der die Hilfeleistung der Ermöglichung hoheitlichen Zugriffs in solche Bereiche und auf Personen ermöglicht, die ansonsten aufgrund der territorialen und/oder personalen Souveränität dritter Staaten unerreichbar blieben.

Art. 6 g) AEUV begründet eine Befugnis der EU für entsprechende Unterstützungs-, Koordinierungs- und Ergänzungsmaßnahmen. R. u. A. zwischen den Mitgliedstaaten der EU wird in deren Politikbereichen durch Sekundärrechtsakte geregelt. Auch für den Verkehr zwischen den Staaten außerhalb der EU bzw. außerhalb unionaler Kompetenzen existieren vertragliche Regelungen zur R. oder A. wie etwa die Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen sowie über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen (Übersicht H. J. Knack/H.-G. Henneke 2014: vor § 4 Rdnr. 25 ff.).

4. Voraussetzungen und Grenzen der innerstaatlichen R. u. A.

Die A. verschafft den beteiligten Behörden keine Erweiterung ihrer Zuständigkeiten und Befugnisse. Sie erlaubt und organisiert lediglich die temporäre, unterstützende und komplementäre Hilfe der ersuchenden durch die ersuchte Behörde. Sie hat grundsätzlich ohne Geltendmachung von Kosten zu erfolgen (§ 8 VwVfg).

Die Vorschriften über die R. u. A. regeln nur die Beziehungen zwischen den Behörden bzw. Gerichten; sie erweitern keine Befugnisse. Greift die ersuchte Behörde im Zuge der A. in Rechte Dritter ein (sog.e gesteigerte A.), bedarf sie hierfür einer gesetzlichen Eingriffsermächtigung jenseits der Vorschriften über die A. Dies gilt auch und v. a. für die Fälle eines Informationsaustausches zwischen Behörden, da auch ein solcher Datentransfer ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Dateninhaber ist.

Voraussetzungen und Grenzen der A. sind beispielhaft aus §§ 4 ff. VwVfG zu entnehmen.

Die ersuchende Behörde kann A. erbitten, wenn sie selbst zu einer Amtshandlung – etwa aus personellen oder organisatorischen Gründen – nicht in der Lage ist oder aber bei ihr ein eigenes Handeln einen wesentlich größeren Aufwand verursachte als bei der ersuchten Behörde. Die ersuchte Behörde kann das Ersuchen ablehnen, wenn sie zu dessen Wahrnehmung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist oder sonst erhebliche Nachteile drohen (vgl. zu einer zwingenden oder einer fakultativen Zurückweisung des Gesuchs § 5 VwVfG).

Nach § 7 VwVfG bleibt die ersuchende Behörde stets Herrin des Verfahrens und trägt die entsprechende Verantwortung. Die ersuchte Behörde kann also keine Befugnisse einer fremden Behörde wahrnehmen, die ihr bei der Erfüllung eigener Aufgaben nicht zu Gebote stünden. Aus dem gleichen Grunde richtet sich daher die Durchführung der A. nach dem Recht, das für die ersuchte Behörde gilt (§ 7 Abs. 1 VwVfG).

Nach § 7 Abs. 2 VwVfG trägt die „ersuchende Behörde […] gegenüber der ersuchten Behörde die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der zu treffenden Maßnahme. Die ersuchte Behörde ist für die Durchführung der Amtshilfe verantwortlich“. Damit wird zum einen im Innenverhältnis der Beteiligten die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der gesamten Maßnahme, zu der die A.-Handlung beiträgt, auf die ersuchende Behörde übertragen. Die ersuchte Behörde trifft die Verantwortung für die A.-Handlung.

Diese Verteilung der Verantwortlichkeiten hat Konsequenzen für Rechtsschutz und Haftung, da der Bürger sich zum einen gerichtlich gegen die Behörde wenden muss, die unmittelbar ihm gegenüber gehandelt hat; zum andern haftet ihm die ersuchte Behörde, wenn ein Schaden unmittelbar durch eine A.-Handlung mit Außenwirkung eingetreten ist.