Wissenschaftsrat

1. Übersicht

Der W. ist ein wissenschaftspolitisches Beratungsgremium, das sich mit den Rahmenbedingungen befasst, unter denen in Deutschland studiert, gelehrt und geforscht wird. 1957 gegründet, wirken in diesem Gremium Vertreter aus Wissenschaft und Politik gleichberechtigt zusammen, um die Bundesregierung und die Regierungen der Länder in zentralen Fragen des deutschen Wissenschaftssystems zu beraten. Als wichtiges Instrument des kooperativen Föderalismus übernimmt der W. eine doppelte Vermittlungsfunktion, nämlich zwischen Wissenschaft und Politik einerseits sowie zwischen Bund und Ländern andererseits. Er hat eine Empfehlungs-, aber keine Entscheidungsfunktion. Da in die Erarbeitung der Beschlüsse allerdings alle relevanten Entscheidungsträger eingebunden werden, sind die Chancen einer Umsetzung seiner Vorschläge hoch.

2. Selbstverständnis

Mit seinen Empfehlungen will der W. sowohl Gestaltungsspielräume aufzeigen als auch Planungssicherheit herstellen und so die Dynamik des Wissenschaftssystems unterstützen. Die wissenschaftspolitischen Gestaltungsvorschläge des W.s gehen von der Voraussetzung aus, dass erfolgreiches Arbeiten in Wissenschaft und Forschung nur dann möglich ist, wenn auch der strukturell erforderliche Rahmen gegeben ist. Zentrale Aufgabe dieses Beratungsgremiums ist es zu klären, wie ein solcher Rahmen für das Gesamtsystem wie für einzelne Sektoren und Einrichtungen beschaffen sein muss (personell, institutionell und finanziell), sowie welche Faktoren ihn jeweils prägen und beeinflussen. Dabei zeichnet den W. seine sektorenübergreifende Betrachtungsweise aus, die alle wesentlichen Teile des deutschen Wissenschaftssystems mit deren Strukturmerkmalen in den Blick nimmt, seien es staatlich wie privat finanzierte Hochschulen oder außeruniversitäre Forschungseinrichtungen.

3. Historie

Der W. ist das älteste wissenschaftspolitische Beratungsgremium in Europa und wurde am 5.9.1957 von Bund und Ländern auf der Grundlage eines Verwaltungsabkommens gegründet. In den Anfangsjahren der noch jungen Republik regelten zunächst die Länder die gemeinsame Finanzierung von Forschungseinrichtungen („Königsteiner Abkommen“ von 1949 auf Grundlage von Art. 30 GG). Doch schon bald wurden Forderungen nach einer bundesweiten Vergabe finanzieller Mittel für die Entwicklung und den Aufbau des deutschen Wissenschaftssystems laut. Deshalb wurde mit der Etablierung des W.s eine Einrichtung geschaffen, die erstmals einen Gesamtüberblick über die wissenschaftliche Arbeit in der BRD geben und den Regierungen von Bund und Ländern Vorschläge für die Förderung der Wissenschaft unterbreiten sollte.

Rückblickend können seit Ende der 1950er Jahre vier Phasen der wissenschaftspolitischen Entwicklung unterschieden werden, die der W. wesentlich mitgeprägt hat: In den 1960er und 1970er Jahren stand der Ausbau des Wissenschaftssystems, insb. des Hochschulsystems im Vordergrund. Es folgte eine Phase, die unter dem Vorzeichen wissenschafts- und hochschulpolitischer Reformen stand – bei einer gleichzeitigen Verminderung des Mittelzuflusses. In der Phase der deutschen Wiedervereinigung legte der W. durch Begutachtungen und Empfehlungen die Basis für den Aufbau einer leistungsfähigen Wissenschaftslandschaft in den neuen Ländern. Schließlich kamen mit Beginn des neuen Jahrtausends Themen wie die Differenzierung der Wissenschaftslandschaft, Förderung von Spitzenforschung, Chancengleichheit (Chancengerechtigkeit, Chancengleichheit) von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Leistungsbewertung und Governance auf seine Agenda.

4. Struktur und Arbeitsweise

Der W. ist ein Beratungsgremium, in dem eine Wissenschaftliche Kommission (Wissenschaftler sowie Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens) sowie eine Verwaltungskommission (Vertreter von Bund und Ländern) gleichberechtigt zusammenwirken. Den Vorsitz hat ein Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission, das durch die Vollversammlung für ein Jahr gewählt wird (mit Option auf Wiederwahl). Das Gremium tagt viermal im Jahr und fasst seine Beschlüsse in der Vollversammlung. Sie müssen von einer Zweidrittelmehrheit getragen werden, was die Suche nach konsensfähigen Lösungen fördert und die Chance auf Umsetzung der Empfehlungen erhöht. Die Ergebnisse werden anschließend in Form von Empfehlungen und Stellungnahmen veröffentlicht.

5. Aufgaben und Themenfelder

Der W. verfolgt das Ziel, in Deutschland ein leistungsstarkes, funktional und auch institutionell differenziertes Wissenschaftssystem zu ermöglichen und zu unterstützen, das vielfältig kooperativ und wettbewerblich miteinander vernetzt sein soll und in mannigfacher Weise in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur hineinwirken kann. Daher betrachtet er es als eine seiner zentralen Aufgaben, an der nachhaltigen Weiterentwicklung des deutschen Wissenschaftssystems mitzuwirken und es international konkurrenzfähig auszugestalten.

Dafür erarbeitet der W. übergreifende Strukturempfehlungen zu Fragen des Wissenschafts- und Hochschulsystems, z. B. zum Verhältnis von Hochschule und Arbeitsmarkt, zur Bedeutung wissenschaftlicher Weiterbildung oder zu Fragen von Effektivität und Effizienz in Wissenschaft und Forschung, zu Konkurrenz und Kooperation im Verhältnis von staatlicher außeruniversitärer Forschung und Hochschulen oder zur Differenzierung und Internationalisierung des Wissenschaftssystems. Der andere wichtige Arbeitsbereich sind gutachtliche Stellungnahmen im Rahmen evaluativer Verfahren, bspw. zur Beurteilung einzelner Forschungs- und universitätsmedizinischer Einrichtungen, großer Forschungsinfrastrukturen, der Begleitung und Durchführung der Exzellenzstrategie oder der Akkreditierung privater Hochschulen.

Beide Aufgaben – sowohl die Strukturempfehlungen als auch die evaluativen Verfahren – stehen in einer fruchtbaren Wechselwirkung und ermöglichen in ihrer Zusammenschau umfassende Einblicke in das Wissenschaftssystem.