Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in Deutschland (VELKD)

1. Geschichtliche Skizze

Die VELKD wurde am 8.7.1948 als Zusammenschluss von neun lutherischen Landeskirchen in Eisenach durch die Verfassungsgebende Generalsynode gegründet. Die Anfänge kirchlicher Vereinigungsbestrebungen im Luthertum reichen ins 19. Jh. zurück. Nach Bildung einer lutherischen Bischofskonferenz 1927 und des Zusammenschlusses lutherischer Kirchen innerhalb der DEK wurde 1934 ein Lutherischer Rat zur Profilierung des Luthertums innerhalb der Bekennenden Kirche gegründet. Dieser wurde zwei Jahre später abgelöst vom Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirchen Deutschlands, dem sogenannten „Lutherrat“, der die Vorläuferorganisation der VELKD bildete. Die erste Generalsynode wählte 1949 den bayerischen Landesbischof Hans Meiser zu ihrem Leitenden Bischof. Für die Verwaltung wurde ein Lutherisches Kirchenamt mit Sitz in Hannover eingerichtet. Durch die Teilung Deutschlands erheblich beeinträchtigt, bildete sich seit 1960 im Zusammenschluss der Landeskirchen in Sachsen, Thüringen und Mecklenburg ein östlicher Zweig, die VELK in der DDR, der bis 1988 existierte. Nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit wurden die östlichen Landeskirchen erneut Mitglieder der VELKD. Im Zuge der gegen Ende des 20. Jh. einsetzenden Debatten um die Bedeutung konfessioneller Identitäten für das Selbstverständnis des deutschen Protestantismus und die Zukunft der evangelischen Kirchen wurden im Rahmen des sogenannten Verbindungsmodells die konfessionellen Bünde der VELKD und der UEK enger mit der EKD verbunden. Seit 2007 unterhält die VELKD eine Amtsstelle im Kirchenamt der EKD; Anfang 2018 wurde diese in einen Amtsbereich überführt, um die Zusammenarbeit mit der EKD weiter zu verzahnen.

2. Zentrale Lehraussagen

Die Formierung der Deutschen Christen im Nationalsozialismus machte deutlich, wie groß die Gefahr ist, das Zeugnis des Evangeliums in den Dienst einer totalitären Ideologie zu stellen. Vor diesem Hintergrund war und ist das theologische Selbstverständnis der VELKD von ihrer Gründung bis in die Gegenwart durch die Orientierung am Corpus der lutherischen Bekenntnisschriften des 16. Jh. geprägt. Bes. Bedeutung kommt dabei dem Augsburgischen Bekenntnis von 1530 zu. Für die VELKD bilden die Bekenntnisse den zeitübergreifend aktuellen Schlüssel zur Erschließung und zum lutherischen Verständnis des Evangeliums in der Heiligen Schrift. Den Angelpunkt der theologischen Reflexion bildet die fortlaufende Auseinandersetzung mit Martin Luthers Lehre von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnade. Vor dem Hintergrund der konfessionspolitisch wie theologisch spannungsvollen Rezeptionsgeschichte der „Barmer Theologischen Erklärung“ von 1934 innerhalb der VELKD erfolgte anlässlich des 75-jährigen Jubiläums des Dokumentes eine eingehende Neubesinnung. Der Theologische Ausschuss der VELKD arbeitete die Bedeutung des in reformierten und unierten Landeskirchen bedeutenden Textes auch für lutherische Kirchen heraus. Einige Landeskirchen haben die Erklärung seitdem in ihre Kirchenverfassungen aufgenommen. Die VELKD betreibt ihre theologische Arbeit im Schnittfeld von wissenschaftlicher Theologie, kirchenleitendem Handeln und Herausforderungen gemeindlicher Praxis. Sie konzentriert sich v. a. auf die Bereiche der theologischen und juristischen Grundsatzarbeit, der Pflege und Weiterentwicklung des Agendenwerkes einschließlich liturgischer Fragen sowie auf gemeindepraktische Themen. In ökumenischer Hinsicht ist die VELKD der theologischen Einsicht verpflichtet, dass die gemeinsame Verantwortung für das Zeugnis des Evangeliums das gemeinsame Ringen um das Verständnis der christlichen Wahrheit mit sich führt. Die ökumenische Arbeit bildet einen eigenen Arbeitsbereich, der vom Amtsbereich der VELKD in Kooperation mit dem Deutschen Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes (LWB) verantwortet wird.

3. Charakteristische Strukturen

Aktuell setzt sich die VELKD aus den sieben Landeskirchen in Bayern, Hannover, Sachsen, Mitteldeutschland, Norddeutschland, Braunschweig und Schaumburg-Lippe zusammen. Die gemeinsame Orientierung am lutherischen Bekenntnis bildet die Grundlage dafür, dass die VELKD sich nicht als Kirchenbund, sondern als eine Kirche versteht. Die Vereinigte Kirche versteht sich als eine Institution, die das vielfältige Spektrum lutherischer Kirchen und Theologien in Gemeinschaft und Einheit verbindet und öffentlich darstellt. Das höchste beschlussfassende Organ der Vereinigten Kirche bildet die Generalsynode, die mit der Synode der EKD und der Vollversammlung der UEK zeitlich und sachlich verbunden ist. Charakteristisch für die Generalsynode ist die regelmäßige Teilnahme von Gästen aus dem Kontext der weltweiten Ökumene, insb. des LWB. An den gesetzgebenden Beschlussfassungen und Verordnungen ist die Bischofskonferenz beteiligt, die sich daneben aber auch im Rahmen ihrer jährlichen Klausurtagung mit theologischen Themen befasst. Aus diesem Organ wählt die Generalsynode eine Person zum Leitenden Bischof bzw. zur Leitenden Bischöfin der VELKD, der bzw. die diese als geistliches Oberhaupt in der Öffentlichkeit repräsentiert. Die Verantwortung für die geschäftsführenden Aufgaben zwischen den jährlichen Tagungen der Generalsynode obliegt der Kirchenleitung, in der alle Gliedkirchen mit Sitz vertreten sind. Die Arbeit der Organe wird von den Fachreferaten im Amtsbereich der VELKD flankiert. Daneben stellt die VELKD mit dem Gemeindekolleg der VELKD in Neudietendorf, dem Theologischen Studienseminar Pullach und dem Liturgiewissenschaftlichen Institut der VELKD in Leipzig Bildungseinrichtungen für die kirchliche Öffentlichkeit bereit.

4. Aktuelle Bedeutung in Staat und Gesellschaft

Die Vereinigte Kirche beteiligt sich auf verschiedenen Ebenen an der Reflexion und Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen. Mit dem Martin-Luther-Bund unterhält sie ein Diaspora-Werk, das weltweit lutherische Minderheitenkirchen unterstützt. In Zusammenarbeit mit dem LWB fördert sie im Rahmen des sogenannten Weltdienstes langfristige Hilfs- und Entwicklungsprogramme in internationalen Krisengebieten. Des Weiteren arbeitet der LWB eng zusammen mit der Diakonie Katastrophenhilfe und BfdW/EED. Im nationalen Kontext ist die VELKD mittelbar an der eingehenden Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen und sozialethischen Fragen befasst. Der Leiter des Amtsbereiches der VELKD hat im Rahmen des sogenannten Verbindungsmodells auch die Leitung der Abteilung „Öffentliche Verantwortung“ im Kirchenamt der EKD inne.

5. Ökumenisches Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche

Der Catholica-Arbeit kommt eine herausragende Bedeutung zu. Ein Bischof oder eine Bischöfin der Gliedkirchen wird mit dem Amt des oder der Catholica-Beauftragten betraut und repräsentiert die VELKD gegenüber der römisch-katholischen Kirche (Katholische Kirche). Seit 1976 finden theologische Gespräche im Rahmen von bilateralen Arbeitsgruppen zwischen der Kirchenleitung der VELKD und der Deutschen Bischofskonferenz statt. Bisher erfolgten drei Dialogrunden zu den Themen „Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament“, „Communio Sanctorum“ und „Die Würde des Menschen“. Die Arbeitsergebnisse wurden 1984, 2009 und 2017 publiziert. Über ihre Verbindung zum LWB partizipiert die VELKD auch an der weltweiten Entwicklung und Gestaltung der ökumenischen Beziehungen und Dialoge (Ökumene; Interreligiöser Dialog). Auf internationaler Ebene führt der LWB Dialoge mit dem Päpstlichen Rat für die Förderung der Einheit der Christen zu kontroverstheologischen Themen. Eine herausragende Station auf dem Weg zum von beiden Seiten angestrebten Ziel der vollen und sichtbaren Einheit der Kirche bildet die 1999 von LWB und Einheitsrat verabschiedete „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“.