Natur

1. Zum Begriff

Der Begriff der N. – abgeleitet vom Lateinischen natura (von nasci „entstehen, wachsen, geboren werden“, griechisch physis) – bezieht sich im Allgemeinen auf die nicht vom Menschen geschaffenen Strukturen, Funktionen und Beschaffenheiten der Dinge in dieser Welt. Die Extension des N.-Begriffs kann sehr umfassend mit der von Kosmos oder Universum gleichgesetzt werden, sie kann sich aber auch nur auf die Welt außerhalb des Menschen erstrecken oder – so sein häufiger umgangssprachlicher Gebrauch – sich auf Lebewesen und ihre Lebensräume beschränken.

1.1 Die Gegenbegriffe

Um die Bedeutung des N.-Begriffs zu verstehen, sind die verschiedenen Sprachkontexte zu betrachten, die sich oft erst über seine Gegenbegriffe erschließen. Kultur, Kunst, Freiheit, Mensch, Vernunft oder Gott gelten als bes. prominente Begriffe dieser Art: Gegenüber Kultur und Kunst ist N. dann das Selbst-gewordene und Nicht-geschaffene, wenngleich jede Form von Kultur und Kunst nicht ohne natürliche Elemente auskommt und Kultur daher als eine aus der „ersten N.“ hervorgegangene „zweite N.“ betrachtet werden kann; gegenüber den Gesetzen von Freiheit und Vernunft (Vernunft – Verstand) gilt die N. als ein naturgesetzlich bestimmtes Feld, obgleich N. auch als Ursprung von Freiheit und Vernunft gedacht werden kann. Seine größte Extension erfährt der Begriff, wenn nur Gott aus ihm ausgeklammert wird oder Gott naturalistisch als natürliche Substanz betrachtet wird, denn dann gehört auch der vernünftige Mensch ganz zur N. Mit diesen Beschreibungen werden Indifferenzen und Gegensätze im N.-Begriff deutlich.

1.2 Naturwissenschaft und Lebenswelt

Die modernen N.-Wissenschaften befassen sich insb. mit Zusammensetzung und Struktur von Materie und der ihr inhärenten Energieformen (Physik/Chemie) sowie mit der Vielfalt und den Funktionsweisen der lebendigen N. (Biologie). Lebensweltlich (Lebenswelt) wird N. in vielfältiger Weise nicht nur als Quelle der Versorgung und des metabolischen Austauschs, sondern auch als ästhetischer und symbolischer Gegenstand wahrgenommen, etwa als Lebensraum und Landschaft oder hinsichtlich der mythischen Bedeutung von Lebewesen (z. B. Schlange, Wolf oder Rose; Mythos), bis hin zu deren Erhebung als nationale Symbole (z. B. in Wappen). In seiner facettenreichen Geschichte sind es nicht nur die naturphilosophischen Auffassungen, sondern v. a. seine Bedeutungen in Ästhetik und Ethik, die stetig neu diskutiert werden.

2. Zur Begriffsgeschichte

2.1 Antike

Höhlenmalereien aus prähistorischer Zeit zeugen von einer frühen Auseinandersetzung des Menschen mit der ihn umgebenden N. Ähnliches gilt für die Deutung von Sternen und Planeten. In der frühantiken Welt wird die N. überwiegend als ein wildes und feindliches Gegenüber angesehen, gegen das sich der Mensch wehren muss, auf das er gleichzeitig aber überlebensnotwendig angewiesen ist. N. wird als die Welt der Götter und Dämonen gedeutet, die der Mensch nur begrenzt verstehen und verändern kann. Noch bis ins 16. Jh. hinein ist in Europa der Glaube an die N. als die Heimat der Waldgeister weit verbreitet. Doch insb. in Hesiods „Theogonie“ findet man einen wichtigen Übergang zwischen einem mythischen und einem philosophisch-wissenschaftlichen N.-Verhältnis. Die Göttergeschichten der Theogonie sind nach kosmologischen Gesichtspunkten geordnet als Resultat des Zeussieges über die Willkür der Titanen. Entscheidend ist hier nicht eine Geschichte der Weltentstehung, sondern ein Verständnis von Weltstruktur, als Prinzip und System und damit als notwendige Voraussetzung für die Bedingung der Möglichkeit einer Wissenschaft von der N. Die nachfolgenden ionischen N.-Philosophen führen die natürliche Ordnung auf ein Urprinzip zurück: Wasser (Thales von Milet), apeiron (Anaximander), Luft (Anaximenes) oder Feuer (Heraklit von Ephesos). Für das N.-Verständnis zeichnen sich in Folge mehrere Entwicklungslinien ab: physis kann zunächst verstanden werden als die eigentliche, substantielle Beschaffenheit der Dinge. Sie kann aber auch die angeborene Art des Menschen bedeuten (Gattungs-N.). Eine dritte Entwicklungslinie bezeichnet den Normalzustand gegenüber einer sekundären Abweichung (Normativität des Natürlichen). Diese Entwicklungslinien prägen bis heute die verschiedenen Verwendungsweisen von N. oder natürlich.

Aristoteles reagiert mit seiner Verwendung von physis auf die platonische Überordnung von demiurgischem Wirken über die sichtbare N. So ahmt physis nicht mehr (göttliche) techne nach und ist nicht mehr Resultat eines Herstellungsvorgangs (göttliche poiesis), sondern techne ahmt physis als poietisches Tun vernunftgemäß nach; damit folgt poiesis der N. der Sache. Natürliche Dinge sind jene, die von sich selbst Form gewinnen und den Ursprung von Bewegung in sich selbst haben. N. ist demnach ein Seinkönnen (dynamis), das aus sich heraus – in Form von Leben (zoi/bios) – sein Ziel (telos) i. S. d. Vollendungsgestalt (entelecheia) erreicht. Dieser aristotelische N.-Begriff wird nicht nur im Mittelalter intensiv rezipiert, sondern ist wirkungsgeschichtlich erkennbar bis hin zu modernen Theorien der Selbstorganisation (Autopoiesis).

Für die menschliche N. liegt die Pointe des aristotelischen Ansatzes darin, dass die dynamis einerseits zu begreifen ist als ein Streben (orexis), wie es der Art-N. von Lebewesen entspr., und andererseits zusätzlich als ein Handeln (praxis; Handlungstheorie), wie es nur dem Menschen zukommt. Dieses ist nicht auf ein bestimmtes Ziel (telos) hin determiniert, sondern es bedarf einer Bestimmung durch den Handelnden selbst (Handlungsgründe) im Rahmen eines geglückten Lebens (eudaimonía). Diese Elemente werden im lateinischen Mittelalter in der N.-Rechtslehre (N.-Recht) weiterentwickelt. Das ethische Verhalten zeichnet sich – ausgehend von den natürlichen Neigungen – durch das tugendgeleitete Einhalten der Vernunftordnung aus und entspr. damit dem göttlichen Gesetzeswillen (Thomas von Aquin).

2.2 Neuzeit

In der Neuzeit wird die N. zu einem rational geordneten System, das mit N.-Gesetzen beschreibbar ist. Es wird nicht mehr im „Buch der Natur“ gelesen, vielmehr zwingt man die N. mittels Experimenten auf Fragen zu antworten. Mit René Descartes wird das Prinzip „durch Berechnen beherrschen könne[n]“ (Weber 1919: 16; Herv. i. O.) zur begründenden Methode der N.-Wissenschaften. Abseits einer narrativ-mythisch zu deutenden kosmischen Struktur sieht er die ganze Körperwelt (res extensa) in ein Koordinatensystem eingespannt. N. wird rein quantitativ, ohne Rückgriff auf qualitative Momente axiomatisch beschrieben. Metaphorische Erklärungsmodelle der neuen Mechanik wandeln sich allmählich in ontologisch begründete mechanistische Körperauffassungen bis hin zum Materialismus der französischen Aufklärung mit ihrem Hauptvertreter Julien Offray de La Mettrie, dessen Hauptwerk „L’homme machine“ (La Mettrie 1748) den cartesianischen Mechanismus in eine monistische Deutung (Monismus) konvertiert. Während R. Descartes eine unsterbliche Seele für den Menschen annimmt (res cogitans), reduziert J. O. de La Mettrie den Menschen auf einen Automaten. Trotz facettenreicher naturphilosophischer und vitalistischer Gegenbewegungen im 18. und 19. Jh., die der belebten N. etwa durch die Annahme einer „Lebenskraft“ andere Gesetzmäßigkeiten als der unbelebten N. unterstellen (Christoph Wilhelm Hufeland, Hans Driesch), lassen sich die mechanistischen Einflüsse methodisch wie ontologisch bis heute verfolgen. Die Missachtung der Beschränktheit der jeweiligen Deutungsmethode durch naturwissenschaftliche oder mythische Hermeneutik (Thomas Nagel) führt bis heute zu tiefgreifenden Auseinandersetzungen über Deutungshoheiten (etwa zwischen monistischen Agnostikern und fundamentalistischen Kreationisten).

Immanuel Kant bemüht sich, durch die Verbindungen zwischen Empirismus und Rationalismus einen strengen Dualismus zu überwinden und eine Zwei-Welten-Theorie zu vertreten. Für I. Kant existiert die Welt der N.-Gesetze, die phänomenale Welt, einerseits, und die Welt der Freiheitsgesetze, die intelligible Welt, andererseits. Der Mensch gehört beiden Welten an als Sinnenwesen (homo phainomenon) und als Freiheitswesen (homo noumenon). Die damit verbleibende Dualität hat I. Kant aber nie aufheben können, denn beiden Seiten sind auch in der Auflösung der dritten Antinomie je eigene Wirkungskreise zugeordnet. Im Deutschen Idealismus lassen sich Tendenzen erkennen, den Dualismus von Mensch und N. und die rein physikalistische Betrachtungsweise der N. hinter sich zu lassen. Insb. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling wendet sich gegen die mechanistisch denkenden N.-Wissenschaften und eine abstrakt-logische Behandlung der N. in der Philosophie. N. als natura naturata ist Produkt und Ergebnis, N. als natura naturans ist Produktivität und Prozess. Indem er diese scholastische Beschreibung der inneren Differenz der N. einführt, die bereits bei Baruch de Spinoza ihren Platz hat, beschreibt F. W. J. Schelling N. als Manifestation von Menschlichem und Göttlichen im Rahmen eines kontinuierlichen Schöpfungsprozesses. Der Mensch muss durch seine Stellung in der N. die – durch den Sündenfall – verlorene Einheit mit der N. zurückerlangen. N.-Geschichte ist damit auch Geistgeschichte, sie ist des Menschen transzendentale Vergangenheit, „transzendentale Geschichte des Ichs“. Georg Wilhelm Friedrich Hegel erweitert die Idee des Geistes in der N. auf entwicklungslogische Weise. Für ihn ist die Seele die „Immaterialität der Natur“ (Hegel 1827: 366), der „Schlaf des Geistes“ (Hegel 1827: 366; Herv. i. O.) wie der aristotelische νοῦς, dem alle Möglichkeiten innewohnen.

2.3 Moderne

In der Moderne wird N. endgültig zum manipulierbaren Gegenstand der Technik. Der szientifische Naturalismus legt nahe, dass letztlich nur die N.-Wissenschaften die Welt deuten können (Wilfrid Sellars) und es auch prinzipiell möglich sein muss, das Intentionale und damit Normative in einer solchen Deutung abbilden zu können (scientia mensura). Aus der metaphysischen Behauptung einer holistischen N.-Vorstellung, die davon ausgeht, dass alles N. ist, ergibt sich die methodologische Form des Naturalismus. Denn den N.-Wissenschaften wird ein Vorrecht der Erklärung von N. als ganzer zugebilligt, denn die Welt ist, wie N.-Wissenschaft sagt, dass sie ist (Willard Van Orman Quine). Die Welt wird durch die N.-Wissenschaften „entzaubert“ (Max Weber). Kritisch betrachtet erklärt der naturwissenschaftliche Zugang zur N. nur ihr Funktionieren und trägt entscheidend zur Technikentwicklung, aber wenig zum Sinnanspruch des Menschen bei (Edmund Husserl). Ohne Orientierungsleistung wird jedoch die Verfügungsleistung sinnlos.

Im Gegenzug wird N. aber auch in Ästhetik und Ethik wiederentdeckt und derart aufgewertet, dass sie nicht mehr als bloßes Objekt erscheint. Es eröffnen sich moderne N.-Zugänge jenseits des Naturalismus.

3. Natur im ästhetischen Argument

Die wilde, nicht-zivilisierte, aber selbstorganisierte Seite an der N. ist das, was sie vom Menschen unterscheidet. In ihr können nicht vom Menschen verursachte Bewegung und Entstehen wahrgenommen werden. Dieser ästhetische Blick auf N. hat Wandlungen durchgemacht, die davon abhängen, ob man N. mehr als Subjekt oder mehr als Objekt betrachtet.

Von der Antike bis in die Neuzeit ist die Schönheit der N. auch als ein Symbol für ihr Gutsein angesehen worden. In der N. waltet ein göttlicher Werkmeister, der dieses Schöne für die Ewigkeit gedacht hat. Der Gedanke der N. als schöner Widerschein göttlicher Ordnung trägt sich im christlichen Mittelalter fort und prägt auch das Kunstverständnis dieser Zeit. Zu diesem Ideenkreis gehört auch die anthropozentrische Vorstellung, die natürliche Ordnung sei für die Menschen „schön“, zu ihrem Wohlgefallen geschaffen.

Mit der Renaissance kommt ein ästhetischer N.-Zugang zur Geltung, der in der N. zwar noch nicht ihren neuzeitlichen Selbstzweck sieht, der aber dem Menschen Anlass bietet, zu sich selbst zu finden (Oswald von Wolkenstein). Als Schlüsseltext gilt Francesco Petrarcas Schilderung von der Besteigung des Mont Ventoux aus Neugierde und reinem Verlangen. Wie in der zeitgenössischen Landschaftsmalerei entwickelt sich bei F. Petrarca eine neue N.-Erfahrung, bei der sich ästhetische und kontemplative Sichtweisen miteinander verbinden. Gleichwohl wendet sich F. Petrarca im Verlauf seiner Betrachtung wieder von der N. ab und der zivilisierten Kultur zu.

In Neuzeit und Moderne werden etwa von I. Kant, Theodor W. Adorno oder Joachim Ritter dem N.-Schönen ein selbstzwecklicher Stellenwert zugeschrieben. Das N.-Schöne ist nach I. Kant aufgrund der Interesselosigkeit ästhetischer N.-Erfahrungen gut für den moralischen Anspruch des Menschen.

Allmählich wird dieses Paradigma durch das der Selbstorganisation der N. abgelöst, die der Mensch bewundernd wahrnimmt als etwas ohne menschliche oder göttliche Einwirkung. Die vom Menschen unabhängige, selbständige Prozessualität, die sich den Sinnen anbietet, macht N. ästhetisch bedeutsam. Dabei ist der Eigenwert nicht als absolut zu verstehen, sondern muss in der ästhetischen Praxis des Menschen verortet werden; es ist die Anerkennung der N. als eine nicht-menschliche Sphäre in ihrem Anderssein und in ihrer Fremdheit: Das Erlebnis der Betrachtung ist in sich gut. Gerade die ökologische Krisensituation (Krise) der Moderne veranlasst zu einer Revision des N.-Verhältnisses auch im ästhetischen Sinne. Die affektive Teilnahme am Wahrgenommenen und die Selbstorganisation der N. durch Wahrnehmung wieder in den Wahrnehmungsbegriff zu integrieren, soll in den Mittelpunkt einer neuen N.-Ästhetik rücken (Gernot Böhme), um zu einem gesunden N.-Verhältnis zu gelangen. Denn mit der Verleugnung seiner N. wird „nicht nur das Telos der auswendigen Naturbeherrschung, sondern das Telos des eigenen Lebens verwirrt und undurchsichtig“ (Horkheimer/Adorno 1969: 61). Hier verbinden sich ästhetischer und ethischer Anspruch des N.-Verhältnisses. In der politischen Praxis zeugt die Einrichtung von N.-Schutzgebieten und Wildnisreservaten von einer Haltung, die das Eigensein der N. in Form ästhetischer Anerkennung würdigt, indem N. sich selbst überlassen wird.

4. Natur im ethischen Argument

Während sich die neuzeitliche Ethik über die Idee einer universalen Vernunft auf formale und prozedurale Elemente konzentriert, erlebt mit der „Rehabilitierung der praktischen Philosophie“ (Riedel 1972/74) im 20. Jh. der N.-Begriff in praktischer Absicht eine Renaissance. Durch die negativen Auswirkungen der tiefgreifenden Eingriffe in die menschliche und außermenschliche N. gerät N. als Grenze und Orientierung hinsichtlich ihrer Struktur- und Funktionsleistung etwa im medizinischen oder im ökologischen Handeln wieder in den Fokus. Es wird der Anspruch erhoben, sie als eine Orientierungsgröße anzuerkennen, ohne selbst normativ zu sein und die Ethik entdeckt sie in neoaristotelischen Ansätzen als materiale Anreicherungen des Prozeduralen im moralischen Geschehen. Ethik ist damit nicht mehr nur Metaethik oder analytische Ethik des linguistic turn in der Philosophie (Richard Rorty), sondern sie wird wieder praktisch. Dies führt in der Mitte des 20. Jh. nicht nur zu neuen Ethikansätzen, sondern auch zu Formen von angewandten Ethiken, die sich mit den Chancen und Grenzen im Umgang mit der N. befassen (Bioethik).

Neoaristotelische Ansätze sehen in der menschlichen Strebe-N. nicht nur einen Ausgangspunkt, positiv zu achtende Güter zu entwickeln, sondern auch Grenzen der Gestaltung zu formulieren (Martha Craven Nussbaum, John Finnis). Hier greifen sie auf ein Konzept der Gattung zurück, welches das vernünftige Handeln immer als das Handeln eines Wesens begreift, das eine N. nicht nur hat, sondern diese auch ist. Gattungsethisch betrachtet wird ein Eingriff in die N. des Menschen stets darauf zu befragen sein, in welcher Weise durch Manipulation der ersten N. (Leib und Leben) auch die zweite N. (Geist und Integrität) gefährdet wird, weil mit dem Eingriff die Gesamtheit der Gelingensbedingungen zur Disposition steht. Dieses Motiv greift Abseits von aristotelischen Ansätzen etwa auch Jürgen Habermas in der Erweiterung seines diskursethischen Modells (Diskursethik) auf. Mit den empirischen Gelingensbedingungen und dem aspirativen Gelingenswunsch verbindet sich ein Anspruch auf Grundrechte hinsichtlich der fundamentalen „Anfangsbedingungen“ (Höffe 1992: 12) des gelingenden Lebens. Nur im Verständnis dieser Anfangsbedingungen, die auch immer einen naturalen Charakter haben, kann für den Einzelnen gewährleistet werden, im Sinne seiner eigenen Wahl und Einsicht ein „gutes“ und selbstverantwortetes Leben zu führen.

Das langfristige Manipulationspotential technischen Könnens in der Moderne erfordert auch ein geschichtsphilosophisches Umdenken. Geschichte kann nicht mehr losgelöst von N.-Geschichte betrachtet werden, weil die natürliche Herkunft des Menschen (erste N.) nicht mehr nur als Negativfolie des Vernunftwesens gedacht werden kann und kulturelles Handeln (zweite N.) vermehrt die erste N. irreversibel verändert (Geschichte, Geschichtsphilosophie). Nachhaltiges und an Verträglichkeiten ausgerichtetes Handeln (Nachhaltigkeit) in naturgeschichtlicher Verantwortung ist dann genau jenes Handeln, das eine Ergänzung der auf reine Effektivität gerichteten instrumentellen Vernunft durch eine Orientierung gebende Vernunft verlangt, da eine zielgerichtete Folgenevaluation nur nach normativen Maßstäben und nicht einfach nach technischen Erfordernissen erfolgen kann.