Kriegsfolgelasten

1. Begriff

Als K. in einem weiteren Sinne werden Besatzungskosten und alle sonstige Aufwendungen der öffentlichen Verwaltung verstanden, die im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg stehen. Dazu zählen auch Aufwendungen zur Wirtschaftsförderung, zum Lastenausgleich und zur sogenannten Wiedergutmachung. Im Bundeshaushalt werden sie unter der Bezeichnung „Soziale Leistungen für Folgen von Krieg und politischen Ereignissen“ geführt.

In einem engeren, juristischen Sinne sind K. als Rechtsbegriff zu verstehen, der durch Art. 120 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich determiniert ist. Diese Vorschrift sieht vor, dass der Bund (somit gerade nicht die Länder) die Aufwendungen für Besatzungskosten und „die sonstigen inneren und äußeren Kriegslasten“ trägt. Die in Art. 120 GG getroffene Unterscheidung nach inneren und äußeren K. grenzt Leistungen an deutsche Staatsbürger von Zahlungen an andere Staaten oder Personen bzw. Organisationen im Ausland ab. Seit einer grundlegenden Entscheidung des BVerfG im Jahre 1959 wird als K. im Sinne von Art. 120 GG nur eine Last solcher Kriegsfolgen angesehen, deren entscheidende – und in diesem Sinne alleinige – Ursache der Zweite Weltkrieg ist (BVerfGE 9, 305, 325 f.). Danach spielt auch der Zeitablauf eine Rolle für die Frage, ob eine K. vorliegt. So traten für die Not der Empfänger von Kriegsfolgenhilfen der Krieg und seine Folgen in den Jahrzehnten nach dem Krieg allmählich in den Hintergrund, bis sie schließlich nicht mehr als entscheidende Ursache für die Not angesehen werden konnten. Für die Aufwendungen zur Tilgung von Ausgleichsforderungen dagegen greifen solche Überlegungen nicht. Für sie blieben der Zweite Weltkrieg und als seine Folgen der Währungsverfall und die Währungsreform die entscheidenden Ursachen – bis zur völligen Tilgung der Forderungen. Die Annahme einer K. ist mit wachsendem zeitlichen Abstand immer schwerer zu begründen.

Juristisch kommt es zur näheren Bestimmung von K. auf das Verständnis an, das in Art. 120 GG grundgelegt ist. Zwar ermächtigt die Norm den Gesetzgeber dazu, das Nähere durch Bundesgesetze zu bestimmen. Damit ist aber nicht die Befugnis zur Legaldefinition der vom Bund zu tragenden K. umfasst. Dass nach Art. 120 Abs. 1 GG der Bund die Aufwendungen für K. „nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes“ trägt, besage nur, dass der Bundesgesetzgeber die Auswirkungen eines schon in der Verfassung enthaltenen Rechtssatzes im einzelnen festlegen, das Verfahren zum Vollzug der Verfassungsnorm ordnen und Zweifelsfragen entscheiden solle. Es ist dem Gesetzgeber nicht überlassen, zu bestimmen, welche Lasten im einzelnen als K. vom Bund zu tragen sind (BVerfGE 9, 305, 324 ff.).

Die K. in den ersten Jahren nach 1945 waren vielfältig und umfassten u. a. Aufwendungen für Aufnahme- und Durchgangslager und die innere Umsiedlung von Vertriebenen und Flüchtlingen (Flucht und Vertreibung), Fürsorgelasten für Kriegsfolgenhilfe-Empfänger, Rückführung von Deutschen, Kriegsgräberfürsorge und Suchdienst, Kriegsopferversorgung, Kriegsgefangenenentschädigung (Kriegsgefangene), Versorgung berufsmäßiger Wehrmachtsangehöriger, Ersatz von Reparationsschäden, Schuldendienst der Ausgleichsforderungen und Aufwendungen aus Finanzverträgen mit anderen Staaten zur Liquidierung von Kriegsfolgen.

Folgelasten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft sind regelmäßig keine K. im Sinne von Art. 120 GG, auch wenn ihre Ursache unmittelbar mit der Kriegsführung verbunden ist. Denn die entscheidende Ursache war der Krieg gleichwohl nicht, sondern die Art und Weise, wie das nationalsozialistische Regime den Krieg führte und besetzte Länder ausbeutete. Auch Entschädigungsleistungen an ehemalige Zwangsarbeiter, die während des Krieges in der deutschen (Rüstungs-)Industrie arbeiten mussten, fallen nicht unter die K. Ausländische Zwangsarbeiter erhielten im Wesentlichen von der im Jahr 2000 errichteten Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft Leistungen. Deutschen (zivilen) Zwangsarbeitern, die zwischen dem 1.9.1939 und 1.4.1956 für eine ausländische Macht Zwangsarbeit leisten musste, kann eine einmalige finanzielle Leistung in Höhe von 2 500 Euro nach Maßgabe der Richtlinie des Bundesinnenministeriums über eine Anerkennungsleistung an ehemalige deutsche Zwangsarbeiter vom 7.7.2016 gewährt werden. Keine K. sind sodann Lasten aus der Überwindung der Teilung Deutschlands, also insb. Lasten, die auf den Einigungsvertrag vom 31.8.1990 zurückzuführen sind. Auch Leistungen zur Bereinigung des Unrechts der SED-Herrschaft in der DDR sind keine K.

2. Gesetze und Umfang der Lasten

Aus Art. 120 GG lassen sich keine Ansprüche von Bürgern oder ausländischen Staaten gegen den Bund auf Ausgleich von K. ableiten. Entschädigungsansprüche können sich nur aus spezialgesetzlichen Regelungen ergeben. Zu solchen Gesetzen, die das Nähere zu K. regeln, zählen z. B. das „Gesetz zur vorläufigen Regelung der K. im Rechnungsjahr 1949“ vom 6.9.1949 (v. a. zu Besatzungskosten und Flüchtlingskosten), das „Gesetz zur Regelung von K. im zweiten Rechnungshalbjahr 1949“ vom 21.3.1950 (zum Ausgleich der unterschiedlichen Belastung der Länder), das BVG vom 20.12.1950 (zur Kriegsopferversorgung), das BEG vom 18.9.1953 (zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung), das HHG vom 6.8.1955 (zu Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen außerhalb BRD in Gewahrsam genommen wurden), das Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz vom 7.8.1953 sowie zahlreiche weitere Regelwerke.

Mit zunehmender zeitlicher Distanz zum Zweiten Weltkrieg sinken die K. Im Jahre 1950 betrugen sie noch ca. 10 % des Bundeshaushalts, im Jahre 2009 nur mehr ca. 2 %.