Kirchliche Wahlen

  1. I. Katholisch
  2. II. Evangelisch

I. Katholisch

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1. Grundsätzliches

Die Wahl ist eine der rechtlichen Möglichkeiten, Ämter und Funktionen in der katholischen Kirche zu besetzen. Daneben werden viele kirchliche Aufgaben durch Ernennung oder Berufung von Personen seitens der übergeordneten Autorität vergeben. Die Spannbreite k.r W. reicht von der Wahl der Mitglieder pfarrlicher Gremien, der Funktionäre kirchlicher Vereine und vieler Ordensoberer bis zur Papstwahl. Unter dem Einfluss einer demokratischen Kultur der Gesellschaft auf die Kirche, aber auch aufgrund des vom Zweiten Vatikanischen Konzil betonten Gedankens, dass alle Gläubigen die kirchliche Sendung mittragen, wird in der Wahl vielfach die angemessenste Form auch zur Vergabe kirchlicher Ämter und Funktionen gesehen. Seitens der Mitglieder des Wahlkörpers bedarf es dann auch entsprechender eigener Kompetenz für die geforderte Entscheidung.

K. W. bezwecken lediglich die Findung geeigneter Personen für bestimmte Aufgaben. Die Legitimation des amtlichen Wirkens der einmal gewählten Personen erwächst aus der Übernahme des Amtes oder der Funktion. Sie bedarf stets auch einer sakramentalen Grundlage (Sakrament), nämlich der kirchlichen Initiation (Taufe, Firmung, Eucharistie) und für bestimmte Aufgaben auch der entsprechenden Stufe des Weihesakraments (Diakonat, Presbyterat, Episkopat).

2. Allgemeine rechtliche Regelung

Die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zu k.n W. liegen in cann. 119, 164–179 CIC (bzw. cann. 947–960 CCEO) vor. Sie haben jedoch subsidiären Charakter und greifen nur dann, wenn für eine Wahl keine speziellen Regelungen gelten. Dies ist sehr häufig in Form eigener Statuten oder Wahlordnungen der Fall, wodurch den besonderen Umständen der betroffenen Gemeinschaft und der zu übertragenden Aufgabe jeweils besser entsprochen werden kann.

Die allgemeinen Wahlbestimmungen schreiben die Durchführung der Wahl innerhalb von drei Monaten nach Freiwerden des Amtes vor. Das Wahlgremium ist vom Vorsitzenden einzuberufen. Die Gültigkeit der Wahl ist von der Wahrung verschiedener Erfordernisse abhängig, insb. von der Anwesenheit der Mehrheit der Mitglieder des Wahlgremiums und der Nichtbeteiligung Fremder. Für eine erfolgreiche Wahl ist die absolute Mehrheit der Stimmen der anwesenden Wahlberechtigten erforderlich. Im dritten Wahlgang findet eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit der höchsten Stimmenzahl bzw., bei gleicher Stimmenzahl, zwischen den beiden älteren Kandidaten statt. Bei Wahlen, die nicht der Bestätigung durch die zuständige Autorität bedürfen, übernimmt der Gewählte sofort mit Annahme der Wahl das Amt (z. B. Wahl des Diözesanadministrators), sonst nach Erhalt der Bestätigung. Eine mögliche Sonderform ist die Auftragswahl, bei der Wahlmänner im Auftrag des eigentlichen Wahlkörpers die Wahl durchführen. Ferner kennt die kirchliche Rechtstradition die Inspirationswahl, bei der sich alle Mitglieder des Wahlkörpers spontan und einmütig auf einen Kandidaten festlegen. Anstelle einer eigentlichen Wahl kann ggf. auch eine Bittwahl bzw. Wahlbitte (Postulation) durchgeführt werden, womit die zuständige Autorität gebeten wird, einen wegen eines rechtlichen Hindernisses nicht wählbaren Kandidaten für das Amt zuzulassen; dafür ist eine Zweidrittelmehrheit der Stimmberechtigten erforderlich.

3. Besondere Wahlen

3.1 Papstwahl

Die Papstwahl ist durch ein eigenes kirchliches Gesetz, die Apostolische Konstitution „Universi Dominici Gregis“ vom 22.2.1996, geregelt (AAS 88 [1996] 305–343); 2007 und 2013 wurden einzelne Bestimmungen dieses Gesetzes modifiziert. Demnach sind zur Wahl des Papstes aktiv wahlberechtigt jene Kardinäle, die zu dem Zeitpunkt, als die Vakanz des Papstamtes eingetreten ist, das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Passiv wählbar ist jeder volljährige männliche Katholik. Für eine erfolgreiche Wahl ist stets die Zweidrittelmehrheit der Wahlberechtigten erforderlich. Die Wahl erfolgt ausschließlich durch schriftliche Abstimmung aller Wahlberechtigten; eine Wahl durch Inspiration oder durch Wahlmänner (Kompromisswahl) ist ausgeschlossen. Der Gewählte hat das Papstamt sofort mit Annahme der Wahl inne bzw., wenn er noch nicht Bischof ist, mit der unverzüglich zu erteilenden Bischofsweihe.

3.2 Bischofswahl

Can. 377 § 1 CIC sieht für die lateinische Kirche vor, dass der Papst die Bischöfe frei ernennt oder die rechtmäßig gewählten bestätigt. Tatsächlich bildet die Bischofswahl in der westlichen Kirche die Ausnahme. In den deutschen Bistümern mit Ausnahme der beiden bayerischen Kirchenprovinzen (Bamberg, München) sowie im Erzbistum Salzburg in Österreich wird der Diözesanbischof aufgrund konkordatsrechtlicher Regelungen vom Domkapitel aus einer vom Papst vorgelegten Dreierliste gewählt. In den Schweizer Bistümern Basel, Chur und St. Gallen ist das Wahlrecht des Domkapitels noch weiterreichend. Die Bischöfe der katholischen Ostkirchen werden weit überwiegend durch die Synode der Bischöfe der einzelnen Kirche eigenen Rechts gewählt (cann. 180–189 CCEO).

3.3 Pfarrerwahl

Das allgemeine Kirchenrecht favorisiert die freie Übertragung des Pfarramtes durch den Diözesanbischof (can. 157 CIC). Das Pfarramt wird daher regelmäßig durch bischöfliche Ernennung übertragen. Abgesehen von wenigen Sonderfällen in anderen Ländern gibt es eine Wahl des Pfarrers durch die Pfarrangehörigen aufgrund besonderer staatskirchenrechtlicher Voraussetzungen (Staatskirchenrecht) in vielen Kantonen der Schweiz.

II. Evangelisch

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1. Geschichtliches

Kirchenwahlen haben die Bildung kirchlicher Körperschaften und Organe auf der Ebene der Gemeinde (Kirchenvorstand, Presbyterium u. a.), des Kirchenkreises (Kirchenkreissynode u. a.), der Gesamtkirche (Synode, Kirchentag, Kirchenleitungen u. a.) und der kirchlichen Zusammenschlüsse (EKD u. a.) zum Gegenstand. Die Wahlen zu kirchlichen Ämtern werden mit diesem Begriff nicht erfasst. Die Regelung des Wahlverfahrens bedeutet eine wichtige kirchenrechtliche Vorentscheidung für die Zusammensetzung kirchlicher Körperschaften. Aus diesem Grund ist das Wahlrecht ein zentraler Bestandteil der Kirchenverfassungen. Die Einzelheiten werden in Wahlgesetzen und Ausführungsbestimmungen festgelegt.

In den Kirchenordnungen des 16. Jh. finden sich in der Beteiligung der Organe der politischen Gemeinde erste Anfänge kirchlichen Wahlrechts. Die eigentlichen Grundlagen sind jedoch erst in den Ordnungen des 19. Jh. anzutreffen. Vorbild ist u. a. die Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung von 1835. Zu einer grundlegenden Neuordung des Wahlrechts kam es nach 1918. Negativ ausgenutzt wurde das kirchliche Wahlrecht durch die „braunen Wahlen“ des Jahres 1933. Gewählt wurden seinerzeit die „Deutschen Christen“ auf Druck der Partei.

Die Entwicklung des kirchlichen Wahlrechts nach 1945 ist zunächst durch die Vorschläge der Bekennenden Kirche bestimmt, wonach Kirchenwahlen etwas anderes bedeuten als Wahlen im weltlichen Raum. Es ist das Verdienst von Oskar Kühn (1967), die verschiedenen Ausgestaltungen des Wahlrechts der Gliedkirchen der Evangelischen Kirchen zusammengestellt zu haben, das seither jedoch erheblich verändert wurde.

2. Heutige Regelungen

Ausgehend vom Gemeindeprinzip, ist die unmittelbare Wahl (Urwahl) auf die Bestellung der Organe der Kirchengemeinde beschränkt, wenn man von den Urwahlen zur Synode der Landeskirche in Württemberg absieht. Die Wahlen zu den Synoden der Kirchenkreise und Gesamtkirche werden weithin durch Siebwahlen (mittelbare Wahlen) ersetzt, d. h. die Kirchenvorstände bilden die Synoden des Kirchenkreises und diese die der Gesamtkirche. In den einzelnen Gliedkirchen haben sich verschiedene Mischformen herausgebildet.

In den einzelnen Wahlgesetzen ist nunmehr auch die Berufung vorgesehen, durch die das Wahlergebnis ergänzt und korrigiert werden kann.

Kritisch erwähnt werden muss allerdings das Wahlrecht der Nordkirche, das eine Vielzahl von getrennten Wahlvorgängen vorschreibt, um eine breite Repräsentation kirchlicher Aktivitäten zu garantieren. Diese Ziele wurden nur z. T. erreicht, die Wahlverfahren sind umständlich. Viele Personengruppen sind nicht wahlberechtigt, was z. T. verfassungsrechtlich bedenklich ist.

Heute kann sich eigentlich niemand mehr für die Beibehaltung des Siebwahlsystems einsetzen. Es ist nur historisch erklärbar.

3. Direktwahl als Zukunftsmodell

Der Weg sollte für Direktwahlen frei gemacht werden. Dies wird ein einschneidender Vorgang sein. Er schafft Beteiligung der wahlberechtigten und mündigen Mitglieder der Kirche. Die in die Synode Gewählten – Laien, Pastoren, Mitarbeiter und Vertreter der Dienste und Werke – können auf eine andere Legitimation verweisen. Sie sind nicht mehr Vertreter einer Gruppe, eines Wahlgremiums, sondern Vertreter der gesamten wahlberechtigten Mitglieder. Die so gewählten Mitglieder der Synode werden ein anderes Mandatsbewusstsein haben. Die Direktwahlen werden auch dazu beitragen, dass die Wahlbeteiligung zunimmt und das Wahlrecht vereinfacht wird.