Kirchliche Lehrbefugnis

  1. I. Katholisch
  2. II. Evangelisch

I. Katholisch

Abschnitt drucken

Die vertraglich geregelte k. L. ist ein typischer Ausdruck für die Kooperation zwischen dem weltanschaulich neutralen Staat und bekenntnisgebundenen Religionsgemeinschaften. Sie betrifft den Religionsunterricht und die theologische Lehre an staatlichen Schulen und Hochschulen.

1. Religionsrecht

Mit Art. 4 GG wird allen Bürgern der BRD u. a. die Freiheit des Glaubens, des religiös-weltanschaulichen Bekenntnisses und der ungestörten Religionsausübung gewährleistet. Träger dieser Grundrechte sind Einzelpersonen und anerkannte Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaften. Verpflichtet ist die gesamte öffentliche Gewalt. Aus Art. 4 GG und Art. 137 Abs. 1 WRV ergibt sich die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates, der z. B. für Fragen der Lehre und der Sitte grundsätzlich inkompetent ist.

Die k. L. ist regelmäßig Gegenstand von Verträgen zwischen Staat und Kirche, die für die katholische Kirche i. d. R. als Konkordate abgeschlossen werden. Konkordatsrecht hat als Völkerrecht nach can. 3 CIC Vorrang vor innerkirchlichem Recht, in den Ländern wird es aufgrund parlamentarischer Zustimmung anwendbar.

Für die k. L. werden im Vertragsrecht unterschiedliche Begriffe verwendet: Für den Fall des Religionsunterrichts wird i. d. R. der Begriff missio canonica verwendet, daneben finden sich auch Begriffe wie Zustimmung oder Bevollmächtigung oder es ist von Verständigung oder Einvernehmen die Rede. Zuständig für die Erteilung der k.n L. ist der jeweilige Diözesanbischof oder dessen rechtmäßiger Vertreter. Kriterien hierfür sind Lehre und sittliche Führung bzw. Lebenswandel des zu beauftragenden Lehrers. Andere Kriterien können nicht zur Geltung gebracht werden.

Für die k. L. zur öffentlichen Lehre der Theologie an staatlichen Hochschulen wird in Konkordaten i. d. R. der Begriff nihil obstat verwendet, womit eine Erlaubnis bezeichnet wird. Der Staat verpflichtet sich regelmäßig, eine Anstellung von Theologieprofessoren erst dann vorzunehmen, wenn nach dem vertragsrechtlich festgelegten Procedere feststeht, dass der zuständige Diözesanbischof keine Einwände gegen Lehre und Lebenswandel des Betreffenden erhebt. Der Bischof ist dabei an geltendes Kirchenrecht gebunden.

Der grundgesetzlich und konkordatsrechtlich festgelegte Anspruch, dass die Lehre der Religion in Schulen und Hochschulen in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften zu erfolgen hat, muss auch in Lehre und Lebenswandel der Lehrenden realisiert werden. Entfallen diese Voraussetzungen ganz oder teilweise, kann der Diözesanbischof beim zuständigen Minister Abhilfe verlangen mit der Folge, dass eine weitere Verwendung als Religionslehrer oder Theologieprofessor ausgeschlossen ist. Für die vertragsrechtlich ermöglichte Lehrbeanstandung sind die einschlägigen kirchlichen Normen zu beachten.

2. Kirchenrecht

2.1 Kirchliche Lehrbefugnis für den Religionsunterricht

Die Tätigkeit als Religionslehrer fällt nicht unter die Teilhabe aller Getauften am Verkündigungsdienst der Kirche (can. 204 § 1 CIC), sondern ist Mitwirkung an der amtlichen Verkündigung der Kirche (cann. 228 § 1 und 759 CIC), für die ein besonderer Sendungsauftrag im Sinne einer k.n L. erforderlich ist. Der geltende CIC verwendet für diese bes. amtliche Sendung nicht mehr den Begriff missio canonica, setzt ihn aber der Sache nach voraus (vgl. cann. 804 § 2 und 805 CIC). Der Ortsordinarius trägt die Verantwortung dafür, dass sich Religionslehrer durch Rechtgläubigkeit, ein Zeugnis des christlichen Lebens i. S. d. sittlichen Lebensführung und pädagogisches Geschick auszeichnen. Lehre und Sitte sind die notwendigen und hinreichenden Kriterien für die Bestätigung bzw. Ernennung von Religionslehrern und erforderlichenfalls für ihre Abberufung. Der can. 805 CIC trägt der Tatsache Rechnung, dass Religionslehrer sowohl an kirchlichen als auch z. B. an staatlichen Schulen tätig sein können und differenziert insofern die Handlungsmöglichkeiten des Diözesanbischofs. Diese Norm weist ein hohes Maß an Übereinstimmung mit den in der BRD geltenden konkordatären Bestimmungen auf. Aufgrund der k.n L. üben staatliche und kirchliche Religionslehrer den kirchlichen Verkündigungsdienst öffentlich, d. h. im Namen der Kirche aus.

2.2 Kirchliche Lehrbefugnis für die Lehre der Theologie

Die öffentliche wissenschaftliche Lehre der Theologie gehört zum amtlichen Verkündigungsauftrag der Kirche (can. 747 CIC) und steht deshalb unter der Leitung des Apostolischen Stuhls (cann. 815–817 CIC). Damit wird die Forschungs- und Lehrfreiheit (Wissenschaftsfreiheit) der Theologen (can. 218 CIC) aber nicht aufgehoben, sondern an den geoffenbarten Glauben gebunden (Art. 38 § 1 Nr. 2 VG). Für die Lehre einer theologischen Disziplin an Hochschulen ist ein Auftrag (mandatum) der zuständigen kirchlichen Autorität erforderlich (can. 812 CIC). Diese allgemeine Norm wird in der Apostolischen Konstitution VG, dem geltenden Recht für kirchliche Hochschulen i. S. d. can. 816 CIC, die in der BRD als theologische Hochschulen bzw. Fakultäten bezeichnet werden, weiter ausgeführt. Art. 25 VG setzt für alle haupt- und nebenamtlichen Dozenten der Theologie eine mit anderen Hochschulen vergleichbare hohe wissenschaftliche Qualifikation, das entsprechende Doktorat, Nachweis der wissenschaftlichen Forschung, pädagogische Eignung, ein vorbildliches Leben, Echtheit der Lehre und Pflichtbewusstsein voraus. Die k. L. in Form des nihil obstat ist nur für die selbständig Lehrenden, d. h. für Professoren und Juniorprofessoren gefordert; Assistenten sind davon ausgenommen. Für Professoren, die auf Lebenszeit ernannt werden sollen und für Juniorprofessoren, die in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis berufen werden (Tenure Track), wird mit Art. 27 § 2 VG die Erteilung des römischen nihil obstat gefordert. Art. 30 VG verlangt, in den Statuten der Hochschule u. a. den Entzug der k.n L. zu regeln. Art. 24 OrdVG legt für diesen Fall und für alle Fälle der Suspendierung oder Amtsenthebung von Dozenten den modus procedendi fest und verlangt u. a., dass der betroffene Dozent immer das Recht hat, den Sachverhalt und die Beweismittel zu kennen sowie die eigene Sichtweise darzustellen und sie zu verteidigen.

Für den Bereich der BRD sind die Normen des universalkirchlichen Hochschulrechts mit dem Akkommodationsdekret I vom 1.1.1983 an die konkordatären Verhältnisse angepasst worden. Dieses steht bis zum Abschluss eines neuen Akkommodationsdekrets zur Anpassung von VG weiter in Geltung. Am 25.3.2010 hat die Kongregation für das Katholische Bildungswesen Normen zur Erteilung des nihil obstat bei der Berufung von Professoren der katholischen Theologie an den staatlichen Universitäten im Bereich der DBK erlassen.

Bei der Erteilung der k.n L. kommt dem Diözesanbischof die zentrale Rolle zu. Er prüft, ob die Voraussetzungen für die Berufung eines Professors erfüllt sind, und gibt im positiven Fall die entsprechende Erklärung (nihil obstat) gegenüber der staatlichen Autorität ab. Generell gelten dies.n Einstellungsvoraussetzungen für Professoren wie sie nach staatlichem Hochschulrecht gelten. Darüber hinaus werden das Vollstudium der katholischen Theologie mit einem kirchlich anerkannten Abschlussexamen sowie ein kanonisches Doktorat verlangt. Gemäß Konkordatsrecht bezieht sich das nihil obstat auf Lehre und Lebenswandel des Kandidaten. Für die Erteilung der k.n L. ist die umfassende Würdigung der Person und des wissenschaftlichen Werkes des Kandidaten erforderlich.

Handelt es sich nicht um die erste Lebenszeitberufung des Kandidaten, erteilt der Diözesanbischof die k. L. Im Fall der ersten Lebenszeitberufung muss vom Diözesanbischof nach Prüfung aller Voraussetzungen das römische nihil obstat beantragt werden. Weil die Konkordate durchgängig nur das bischöfliche nihil obstat erwähnen, bindet diese kirchliche Vorschrift nur den Diözesanbischof in seinem Handeln gegenüber der staatlichen Behörde. Sowohl der Diözesanbischof als auch der Heiligen Stuhl entscheiden über die Erteilung der k.n L. i. d. R. innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Eingang des jeweiligen Antrags. Gegen die Ablehnung der k.n L. kann zunächst beim zuständigen Diözesanbischof, dann bei der Bildungskongregation hierarchischer Rekurs eingelegt werden (cann. 1732–1739 CIC).

3. Lehrbeanstandung

Die k. L. kann von derselben Autorität, die sie erteilt hat, bei Vorliegen triftiger Gründe entzogen werden. Die Gründe können sowohl in der Lehre als auch in der Lebensweise des Betreffenden liegen. I. d. R. wird ein mehrstufiges Verfahren zu beachten sein (vgl. Art. 24 OrdVG): Zunächst soll versucht werden, den Konflikt in einem Gespräch zwischen dem Dekan und dem Dozenten beizulegen. Ist das nicht möglich, soll die Angelegenheit in einem zweiten Schritt vor dem zuständigen Gremium der Hochschule verhandelt werden. In einem dritten Schritt ist der zuständige Diözesnabischof einzuschalten und in einem vierten Schritt steht der Rekurs zum Hl. Stuhl offen.

Die DBK hat am 4.5.1981 ein formelles Lehrbeanstandungsverfahren beschlossen, bei dem das Verfahren auf der Ebene der DBK geführt wird. Antragsberechtigte sind sowohl der zuständige Ordinarius als auch ein beanstandeter Autor. Verfahrensbeteiligte sind die Glaubenskommission der DBK, eine Theologenkommission sowie eine Bischofskommission als Entscheidungsinstanz. Ggf. können Gutachter und Berater beigezogen werden. Für den Autor besteht Anwaltszwang, der beteiligte Ordinarius kann einen theologischen Berater beiziehen. Entscheidungen der Bischofskommission werden sowohl dem Ordinarius als auch dem Autor mitgeteilt. Alternativ dazu kommt auch ein Verfahren vor der Kongregation für die Glaubenslehre nach der am 29.6.1997 erlassenen Ordnung in Frage.

II. Evangelisch

Abschnitt drucken

1. Einführung

Die Frage der L. bzw. -erlaubnis steht am Anfang evangelischer Kirchen. Denn die Inquisition verfolgte Martin Luther wegen falscher Lehre. Sein Prozess enthält bereits drei zentrale Themen, die bei k.r L. strittig sind: Er setzt eine Autorität voraus, die über die Lehre urteilen kann. Bis heute lehnen die evangelischen Kirchen ein hierarchisches Lehramt ab und verstehen sich als Interpretationsgemeinschaft der Schrift. Zweitens ging in M. Luthers Prozess kirchliches und staatliches Handeln Hand in Hand. Dagegen ist für das Selbstverständnis evangelischer Kirche – jedenfalls grundsätzlich – die Unterscheidung der beiden Regimente Gottes konstitutiv. Schließlich begegnet bereits in der Causa Lutheri das pragmatische Problem, Entscheidungen zur Lehre umzusetzen. Offenkundig gelang es nicht, die reformatorischen Einsichten zu eliminieren.

2. Reformatorische Perspektive

Zentraler Bezugspunkt für das evangelische Verständnis von Lehre ist nicht das Dogma, sondern das Bekenntnis. Inhaltlich bezieht es sich auf die Bibel und hier wiederum auf das Christuszeugnis. Von daher wies M. Luther 1523 in der Schrift „Dass eine christliche Versammlung oder Gemeinde Recht und Macht habe, alle Lehre zu urteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen, Grund und Ursach aus der schrift“ (WA 11: 408–416) der Gemeinde das Recht zur Beurteilung der Lehre zu. Dem entsprach der dem Protestantismus eigene Bildungsimpetus. Allerdings wurde diese Position nicht praktisch. Es entwickelte sich der liturgische Akt der einmaligen Ordination, in dem der i. d. R. akademisch ausgebildete Theologe die Befugnis zur öffentlichen Lehre erhielt, die er dann auf der Kanzel seiner Parochie realisierte.

3. Lehrbeanstandungen

Nach der langen Periode des landesherrlichen Kirchenregiments und entsprechender disziplinarrechtlicher Regelungen lehrmäßiger Beanstandungen kehrten die evangelischen Kirchen am Anfang des 20. Jh. zu ihren skizzierten Grundsätzen zurück. So begann das 1910 vom König ratifizierte preußische Irrlehregesetz programmatisch: „Wegen Irrlehre eines Geistlichen findet fortan ein disziplinarisches Verfahren nicht statt“ (zit. n. Beutel 2013: 54). Es wurde ein eigenes, auf Konsens zielendes Verfahren für Lehrfragen eingerichtet. Tatsächlich endeten bisher nur vier Lehrverfahren gegen Pfarrer mit deren Entlassung, wobei jeweils für ihre materiellen Bedürfnisse gesorgt wurde. Hermeneutisch stellt sich dabei die Herausforderung: „In konkreter Auseinandersetzung mit einer dem Verfahren unterworfenen Lehre muß entfaltet werden, was als kirchliche Lehre gegenwärtig verantwortet werden kann“ (Robbers 1994: 148). Konkret standen die Ablehnung des Apostolicums, die Forderung nach Anerkennung des päpstlichen Primats sowie der Versuch, Gott als mathematische Formel zu fassen, zur Diskussion.

4. Lehrbefugnis außerhalb des Pfarramtes

Eine L. bzw. -erlaubnis erhalten nicht nur Pfarrer, sondern auch andere Funktionsträger, die im Auftrag der evangelischen Kirche lehren. Dabei fungieren Theologieprofessoren nach den gegenwärtigen Ordnungen für Lehrverfahren zuerst als sachkundige Mitglieder in den entsprechenden Kommissionen. Die jeweilige Kirchenleitung nimmt nur bei der Berufung ins akademische Amt zur Lehre des Vorgesehenen – nicht zu dessen Lebenswandel – gutachterlich Stellung. Regelungen zu einem nachträglichen Beanstandungs- und Abhilfeverfahren fehlen. Dass bei dieser Rechtslage Probleme auftreten können, zeigte das langwierige Verfahren in der Causa Gerd Lüdemann. Nach 1945 wurde auch für die Lehrer an den öffentlichen Schulen mit der Vokation ein Instrument geschaffen, um die Befugnis für die Erteilung von Religionsunterricht zu verleihen. Es dient mittlerweile v. a. der Wertschätzung und Begleitung der Religionslehrkräfte.