Insolvenz

  1. I. Wirtschaftswissenschaftlich
  2. II. Rechtlich

I. Wirtschaftswissenschaftlich

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I. bedeutet, dass ein Schuldner seinen Zahlungsverpflichtungen insgesamt nicht mehr nachkommen kann. Bei natürlichen Personen und Personengesellschaften führt akute Zahlungsunfähigkeit bzw. Illiquidität zur I., bei Kapitalgesellschaften zusätzlich Überschuldung, d. h. eine negative Eigenkapitalposition. Mit Einführung der InsO 1999 wurde außerdem die drohende Zahlungsunfähigkeit ein I.-Grund. Andere Begriffe für I. sind Konkurs (das Zusammenlaufen der Gläubiger), Bankrott (juristisch eine Straftat nach §§ 283, 283a StGB) und Pleite.

1. Wirtschaftliche Bedeutung

In Deutschland ist die Zahl der I.en bis 2010 stark angestiegen, als es insgesamt 168.458 neue I.en gab. Seither sank die Zahl auf zuletzt (2015) 127.683, wobei in 9.715 Fällen eine Verfahrenseröffnung mangels Masse abgelehnt wurde. Die größte Zahl an mangels Masse abgelehnten I.-Verfahren wurde mit 24.984 bereits 1998 direkt vor Einführung der InsO erreicht, die also (nicht nur) in dieser Hinsicht Verbesserungen gebracht hat. Die Zahl der Unternehmens-I.en erreichte 2009 ihren Höhepunkt mit 32.687 und lag 2015 bei 23.123.

Für die 2009 eröffneten und bis 2013 abgeschlossenen I.-Verfahren ergaben sich für die Gläubiger Verluste von insgesamt 12,8 Mrd. Euro, da für I.-Forderungen von 13,1 Mrd. Euro nur 350 Mio. Euro zur Verteilung an die Gläubiger zur Verfügung standen, was einer Deckungs- bzw. I.-Quote von 2,7 % entspricht. Bei Unternehmens-I.-Verfahren, von denen erst 56 % abgeschlossen waren, lag die I.-Quote bei 3,9 %, bei Verbraucher-I.-Verfahren bei 1,9 %.

Neben den direkten Verlusten für die Gläubiger gibt es indirekte Verluste z. B. durch beendete Arbeitsverhältnisse oder Lieferbeziehungen. Volkswirtschaftlich noch weit bedeutender sind die Rückwirkungen auf grundsätzlich alle Vertrags- und vor allem Kreditbeziehungen sowie alle vorhandenen Unternehmen und geplanten Unternehmensgründungen, nicht nur die akut von einer I. betroffenen.

2. Probleme vor der Insolvenz

Eine mögliche I. wirkt auf jeden Vertrag zurück. Wenn das I.-Recht zu lax und schuldnerfreundlich ist, wird die Kreditvergabe von den Gläubigern eingeschränkt, während ein sehr strenges I.-Recht die Aufnahme von Krediten und die Gründung von Unternehmen unattraktiver macht. Die steuerliche Bevorzugung von Fremdkapital trägt zu einer geringen Eigenkapitalquote bei, was wiederum zu mehr I.en und geringeren I.-Quoten führt. Außerdem gebrauchen fast alle Kreditgeber einschließlich Lieferanten Sicherungsrechte, die im normalen Geschäftsverkehr zu zusätzlichen Kosten führen, doch vor allem I.-Verfahren komplizierter und die Verteilung der I.-Masse ungleicher machen, da sie den gesicherten Gläubigern eine deutlich höhere Befriedigung ihrer Ansprüche als die allgemeine I.-Quote in Aussicht stellen.

In krisengefährdeten Unternehmen stellt sich die Frage nach den richtigen Anreizen zur Anmeldung eines I.-Verfahrens. Manager und Unternehmer versuchen häufig, eine I. zu vermeiden und durch Glück oder besonders riskantes Verhalten wieder aus der Krise zu kommen. Auch einzelne Gläubiger werden eher eine individuelle Befriedigung ihrer Ansprüche anstreben als ein allgemeines I.-Verfahren mit regelmäßig sehr niedriger I.-Quote. Strafrechtliche Sanktionen schrecken nur bedingt und von besonders eklatanten Formen der I.-Verschleppung ab. Ökonomische Anreize können die verantwortlichen Manager und Eigentümer zur freiwilligen I.-Eröffnung bringen, die aber nicht missbräuchlich gegen Gläubiger oder Konkurrenten einsetzbar sein sollte.

3. Liquidation oder Sanierung

Ein insolventes Unternehmen kann liquidiert oder saniert werden. Bei der Liquidation werden typischerweise die noch vorhandenen Werte des Unternehmens einzeln verkauft. Es ist allerdings auch möglich, überlebensfähige Teilbetriebe oder das noch laufende Unternehmen als Ganzes zu verkaufen. In jedem Fall stehen die Verkaufserlöse als I.-Masse zur Verteilung an die Gläubiger zur Verfügung. Bei der Sanierung führt hingegen der I.-Verwalter oder auch die bisherige Unternehmensleitung das Unternehmen oder einen Teilbetrieb fort, um die Ansprüche der Gläubiger besser befriedigen, aber z. B. auch Arbeitsplätze erhalten zu können.

Zumindest theoretisch ist die Entscheidung über Liquidation oder Fortführung eines Unternehmens unabhängig von der I. Auch solvente Unternehmen sollten liquidiert werden, wenn das ihren Wert erhöht, während insolvente Unternehmen unter der gleichen Bedingung fortzuführen sind. Das gelingt jedoch häufig nicht, zumal der Fortführungswert unsicher ist.

4. Verteilung der Insolvenzmasse

I.-Forderungen müssen angemeldet und überprüft werden. Die Verteilung einer feststehenden I.-Masse nach einer Liquidation ist dann jedoch einfach. Gesicherte Gläubiger werden vorab und separat befriedigt. Auch Masseschulden, die nach Eröffnung des I.-Verfahrens entstanden sind oder auf einem Sozialplan beruhen, sind vorab zu begleichen. Vorrangige I.-Forderungen wurden abgeschafft. Nach den normalen I.-Gläubigern sind nachrangige I.-Gläubiger und zuletzt die Eigentümer zu bedienen, d. h. bei durchschnittlichen I.-Quoten im niedrigen einstelligen Prozentbereich i. d. R. gar nicht.

Bei Fortführung des Unternehmens durch den I.-Verwalter oder den Schuldner steht der Wert des Unternehmens den Gläubigern zu. Diese können über einen I.-Plan abstimmen, der die Art der Fortführung und auch Mittelverteilung regelt. Dabei ist es möglich, den bisherigen Eigentümern einen Unternehmensanteil zu belassen, obwohl nicht alle Gläubiger vollständig befriedigt wurden, wenn dies den Unternehmenswert voraussichtlich so stark erhöht, dass die Gläubiger insgesamt mehr bekommen.

5. Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung

Wenn die I. nicht Unternehmen und Unternehmer, sondern Privatpersonen einschließlich kleinen Selbständigen mit weniger als 20 Gläubigern betrifft, ist in Deutschland ein vereinfachtes Verbraucher-I.-Verfahren möglich. Dazu schlägt der Schuldner einen Schuldenbereinigungsplan vor. Diesem müssen die Gläubiger zustimmen, wobei die Zustimmung einer Minderheit (nach Köpfen und Forderungssummen) durch das Gericht ersetzt werden kann, wenn die Minderheit dadurch weder im Vergleich zur Durchführung eines regulären I.-Verfahrens mit Restschuldbefreiung noch gegenüber den übrigen Gläubigern schlechter gestellt wird.

Die Restschuldbefreiung können alle insolventen natürlichen Personen nach sechs Jahren erhalten, wenn sie am Anfang ihre Vermögensverhältnisse offenlegen und auch in den Folgejahren den pfändbaren Teil ihres Einkommens abführen. Mangelt es an Wohlverhalten, kann auf Antrag eines Gläubigers die Restschuldbefreiung versagt werden. Dann bleibt das gesamte Einkommen bis zur Pfändungsgrenze für 30 Jahre pfändbar, was jedoch insb. bei größeren Schulden die Anreize zur Einkommenserzielung erheblich reduziert.

6. Staatsinsolvenz

Die I. des Staates ist weder in Deutschland noch international formal geregelt, aber faktisch trotzdem möglich. Dies kann dann zu langen Verhandlungen oder auch zur einseitigen Zahlungseinstellung führen, was die Aufnahme zukünftiger Kredite verhindert oder zumindest erheblich erschwert.

II. Rechtlich

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Wenn ein Schuldner seine Schulden nicht bezahlt, muss der Gläubiger klagen und das Urteil vollstrecken. Das führt aber zu einem unerwünschten Wettlauf der Gläubiger, wenn das Vermögen des Schuldners nicht für alle Gläubiger ausreicht. Für diesen Fall stellt der Staat ein geordnetes Konkurs- bzw. I.-Verfahren zur Verfügung, das zum Ziel hat, das Restvermögen des Schuldners in einem Gesamtvollstreckungsverfahren für alle Gläubiger zu verwerten und den Erlös gleichmäßig – proportional zum geschuldeten Betrag – an sie zu verteilen. Dieses Verfahren ist in Deutschland seit dem 1.1.1999 in der InsO geregelt, die ganz unabhängig davon gilt, ob der Schuldner Unternehmer oder Verbraucher bzw. natürliche oder juristische Person ist und ob das Unternehmen des Schuldners saniert werden kann oder liquidiert werden muss.

Eingeleitet wird dieses Verfahrens durch einen Antrag an das örtliche Amtsgericht als I.-Gericht. Ihn kann entweder der Schuldner oder ein Gläubiger stellen. Er führt zur Eröffnung des Verfahrens, sofern das Vermögen des Schuldners ausreicht, um die Verfahrenskosten zu bezahlen (anderenfalls unterbleibt die Eröffnung „mangels Masse“), und der Schuldner insolvent ist. Der Begriff der I. ist im Gesetz grundsätzlich mit Zahlungsunfähigkeit umschrieben: Der Schuldner ist insolvent, wenn er dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, einen wesentlichen Teil seiner fälligen Schulden zu bezahlen. Der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit gilt für alle Schuldner, also für natürliche Personen, insb. Verbraucher, ebenso wie für juristische Personen, insb. Gesellschaften. Diese sind auch dann insolvent, wenn sie überschuldet sind, ihr Vermögen (Aktiva) also die Schulden (Passiva) übersteigt und eine Fortführung des Unternehmens unwahrscheinlich ist (Fortbestehensprognose). Der Schuldner kann den I.-Antrag auch stellen, wenn seine Zahlungsunfähigkeit noch nicht eingetreten ist, mittelfristig aber einzutreten droht.

Wird das I.-Verfahren eröffnet, so setzt das I.-Gericht einen I.-Verwalter ein, der das Vermögen des Schuldners in Besitz nimmt, es verwaltet und verwertet und letztlich die Gläubiger aus dem Erlös befriedigt. Sehr häufig werden die dem Schuldner gehörenden Vermögensgegenstände, die in ihrer Gesamtheit die I.-Masse bilden, einzeln veräußert. Das führt meistens nur zu einem geringen Erlös, weil nur der Zerschlagungswert realisiert werden kann. In der Unternehmer-I. versuchen daher die I.-Verwalter nach Kräften, das Unternehmen als Einheit zu veräußern (sogenannter asset deal) und dadurch den Fortführungswert (going concern) zu erlösen.

Bei der Verwaltung und Verwertung der I.-Masse muss der I.-Verwalter viele Besonderheiten beachten. Zunächst ist bedeutsam, dass an vielen Vermögensgegenständen Sicherungsrechte bestehen, so dass der Erlös (nach Abzug der Kosten) an den gesicherten Gläubiger auszuschütten ist (abgesonderte Befriedigung) und für die ungesicherten Gläubiger nicht zur Verfügung steht. Ähnlich privilegiert sind aufrechnungsbefugte Gläubiger. Das Gesetz regelt ferner das Schicksal der schwebenden Vertragsbeziehungen und räumt dem I.-Verwalter grundsätzlich das Recht ein, sich für oder gegen die Erfüllung des Vertrages zu entscheiden, sofern es nicht – wie insb. für Miet- und Arbeitsverträge – die Fortführung des Rechtsverhältnisses bis zur ordentlichen Kündigung vorsieht.

Ein besonderes Thema ist die I.-Anfechtung. Vielfach hat der Schuldner vor dem I.-Antrag noch Vermögenswerte auf Dritte übertragen, also bspw. ein Grundstück an ein Familienmitglied verschenkt oder einen drängelnden Gläubiger bezahlt. Das Gesetz ermöglicht es dem I.-Verwalter unter bestimmten Voraussetzungen, diese Vermögenswerte im Wege der I.-Anfechtung zurückzuholen und dadurch die I.-Masse anzureichern. Das gilt insb. für Leistungen in den letzten drei Monaten vor dem I.-Antrag, darüber hinaus aber auch für unentgeltliche Zuwendungen in den letzten vier Jahren und für mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommene Leistungen in den letzten zehn Jahren vor dem I.-Antrag.

Ist das Vermögen verwertet, werden aus dem Erlös zuerst die Verfahrenskosten (Gebühren für Gericht und I.-Verwalter) und die sogenannten Masseverbindlichkeiten (Ausgaben für die Durchführung des Verfahrens, z. B. nach Verfahrenseröffnung angefallene Energiekosten) beglichen. Danach erhalten die Gläubiger auf ihre Ansprüche im Wege der quotalen Erlösverteilung eine Zahlung, die im Durchschnitt bei drei bis fünf Prozent liegt. Der nicht befriedigte Teil der Forderungen kann, wenn der Schuldner später wieder zu Vermögen kommt, vollstreckt werden. Redliche Schuldner erhalten Restschuldbefreiung, wenn es sich um natürliche Personen handelt und sie sechs Jahre lang jede zumutbare Tätigkeit annehmen und den pfändbaren Teil ihres Einkommens über einen Treuhänder an ihre Gläubiger abführen.