Gleichstellungspolitik

G. ist die Beeinflussung sozialer Verhältnisse und Strukturen mit dem Ziel des Abbaus von Benachteiligung aufgrund des Geschlechts. Geschlecht ist ein Strukturmerkmal der Gesellschaft und gilt als Faktor sozialer Ungleichheit. Dessen Wirkung abzubauen, ist Ziel der G.

1. Gesetzliche Grundlagen

Die rechtlich-normative Grundlage der Gleichberechtigung von Männern und Frauen formuliert Art. 3 Abs. 2 GG. Im Zuge der Verfassungsreform (1994) wurde er durch einen Handlungsauftrag an den Staat ergänzt: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Auf internationaler Ebene ist die CEDAW das umfassendste internationale Menschenrechtsdokument für die Rechte der Frau. Es verpflichtet Staaten zu Maßnahmen zur Durchsetzung rechtlicher und tatsächlicher Gleichstellung von Frauen. Wegweisend war auch die Vierte Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen von Peking 1995. In der „Aktionsplattform von Peking“, verpflichtend für alle Mitgliedstaaten der VN, werden für zwölf gesellschaftliche Bereiche konkrete Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter benannt.

Zudem sind die Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsrichtlinien der EU auch für Deutschland bindend und haben die G. wesentlich beschleunigt. Bereits der Vertrag zur Gründung der EWG (1957) enthielt mit dem damaligen Art. 119 den Grundsatz auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Ab Mitte der 1970er Jahre präzisieren sich Gleichstellungsregelungen in den Verträgen und Richtlinien. Heute ist Gleichstellung im EUV, im AEUV und auch in der EuGRC verankert. Die Europäische Kommission und der EuGH haben insb. seit Mitte der 1990er Jahre die Entwicklung der G. auch in Deutschland forciert.

Mit dem AGG (2006), das vier EU-Richtlinien umsetzte, wurden zudem die Zielgruppen für ein Verbot von Diskriminierungen ausgeweitet. Das AGG bezieht sich auf direkte und indirekte Diskriminierung in Beruf und Beschäftigung, im Sozialrecht, im Privatrecht sowie im Beamtenrecht. Verboten sind Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, des Alters und der sexuellen Identität.

2. Gleichstellungspolitik im föderalen Staat

G. ist auf allen Ebenen des politischen Systems angesiedelt, in Form sowohl von gesetzlichen Bestimmungen als auch von institutionellen Zuständigkeiten. Auf der Bundesebene wurde das Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit 1985 auch im Titel um die Frauenpolitik als zusätzlichem Aufgabengebiet erweitert. 2001 trat das BGleiG in Kraft, das die Umsetzung der Geschlechtergleichstellung in der Bundesverwaltung, in den Bundesgerichten und in den Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts vorsieht. Auch finden sich hier die Regelungen zur Ausarbeitung der Gleichstellungspläne und der Wahlen der Gleichstellungsbeauftragten in der Verwaltung. Es wurde 2015 neu formuliert und enthält seitdem auch Regelungen für die Privatwirtschaft. Überarbeitet wurden auch die Vorschriften zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege; ferner müssen künftig alle Behörden und Gerichte des Bundes Zielvorgaben zur Erhöhung des Frauenanteils auf der Führungsebene festlegen. Auch die Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte der Gleichstellungsbeauftragten wurden gestärkt. Das neue BGremBG von 2015 sieht die paritätische Vertretung von Frauen und Männern in Gremien vor, soweit der Bund Mitglieder für diese bestimmen kann. Dazu gehören u. a. Aufsichts- und Verwaltungsräte. Zunächst wird der Mindestanteil 30 % Frauen und 30 % Männer betragen; ab 2018 soll der jeweilige Anteil auf 50 % erhöht werden.

In den Bundesländern wurden ab Mitte der 1980er Jahre ebenfalls sogenannte Frauenfördergesetze verabschiedet. Heute existieren in allen Bundesländern Landesgleichstellungs- oder Landesgleichberechtigungsgesetze. Deren Zuständigkeiten und Reichweite variieren. In einigen Ländern beschränken sie sich auf die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes; andere Länder sehen entsprechende (grund-)gesetzliche Verpflichtung für jegliches Verwaltungshandeln. Die Landesgesetze regeln ferner die Rahmenbedingungen für Gleichstellungsarbeit der Kommunen (z. B. für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten: Bestellung ab welcher Bevölkerungszahl, Aufgabe haupt- oder nebenamtlich …), zu Spielräumen bei der öffentlichen Auftragsvergabe oder in Hinblick auf Gender-Quoten für Gremien. Die Akteure auf Länderebene beraten sich in der GFMK.

Auf kommunaler Ebene sind bundesweit etwa 1 400 Beauftragte, oft in Gleichstellungsbüros, zuständig für Fragen, die mit Geschlechtergleichstellung zu tun haben. Nach innen bringen sie Initiativen ein, beraten und sind zuständig für Personalentwicklung und Belange der Beschäftigten der Verwaltung; nach außen ist es ihre Aufgabe, gleichstellungspolitische Initiativen in ihren Kommunen zu initiieren und zu begleiten, etwa Initiativen zum Abbau von Gewalt gegen Frauen und zum Schutz Betroffener.

3. Akteure

Kennzeichnend für die G. ist die hohe Zahl an nicht-staatlichen Akteuren, frauenpolitischen Gruppen und Verbänden. In Deutschland hat, wie in anderen westeuropäischen Staaten, die Zweite Frauenbewegung ab Ende der 1960er Jahre Themen der Gleichstellung stark forciert, auf Benachteiligung von Frauen öffentlichkeitswirksam aufmerksam gemacht und zur Institutionalisierung der Frauenpolitik beigetragen. Zu den Forderungen gehörten u. a. das Recht auf Selbstbestimmung, die Abschaffung des § 218, die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und die Gründung von Frauenhäusern sowie die Gleichbehandlung am Arbeitsplatz.

Großen Einfluss nicht-staatlicher Akteure gibt es auch auf der Ebene der EU. Hier wird, insb. für die zweite Hälfte der 1990er Jahre, von einem „velvet triangle“ (Woodward 2004) gesprochen, einem Netzwerk zwischen „Femokratinnen“ (in der Bürokratie, z. B. in der Kommission, weiterhin tätige ehemalige Aktivistinnen und Frauenbeauftragte), Akteurinnen der Frauenbewegung und Wissenschaftlerinnen.

4. Leitbild und Maßnahmen

Das Leitbild von Gleichstellung hat sich in den letzten Jahren konkretisiert. Etwa formuliert die Bundesregierung, ihr Ziel sei „nicht eine Politik für Frauen oder Männer, sondern vielmehr eine Politik, die Frauen und Männern gleiche Chancen bietet“ (BMFSFJ 2014: 10). Aufgabe sei „das Aufbrechen ungerechter Strukturen und Mechanismen sowie der Wandel von traditionellen Rollenmustern hin zu einer Gleichstellung von Frauen und Männern in Partnerschaft, Familie und Beruf“ als „politische, soziale, kulturelle und ökonomische Aufgabe“ (BMFSFJ 2014: 10). Dem Ersten Gleichstellungsbericht im Auftrag der Bundesregierung aus dem Jahre 2011 liegt als Leitbild des Geschlechterverhältnisses einerseits die Berufstätigkeit, andererseits die Übernahme von Sorgearbeit für Kinder und Pflegebedürftige von Männern und Frauen gleichermaßen zugrunde. Das bedeutet die Abkehr vom klassischen westdeutschen Modell des männlichen Haupternährers, das mit dem Fehlen einer eigenständigen ökonomischen Absicherung vieler Frauen einherging. Es ist Aufgabe der G., die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass die steigenden Erwerbswünsche sowie die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen unterstützt werden. Der Bedarf an entsprechenden Maßnahmen und der Nachholbedarf Deutschlands im Vergleich zu anderen westlichen Demokratien zeigt sich im Übrigen an Gleichstellungsindizes. Deutschland liegt beim Gender Equality Index des EIGE nur im Mittelfeld der EU-Staaten. Bes. hoch ist die Geschlechterdiskrepanz u. a. in der Erwerbsrate, gemessen an Vollzeitäquivalenten, beim Gehalt, beim Anteil familiär geleisteter Pflegearbeit sowie bei Führungspositionen. Das Gehaltsgefälle liegt laut Eurostat bei 22 % (2014).

Alledem entgegenwirkende G. ist natürlich ressortübergreifende Querschnittspolitik. Dem soll auch die Strategie des Gender Mainstreamings Rechnung tragen. Gender Mainstreaming wurde auf der Vierten Weltfrauenkonferenz entwickelt, von der EU forciert und soll bei der Planung, Durchführung und Bewertung sämtlichen Verwaltungshandelns die Berücksichtigung von Gleichstellung sowie der Lebenswirklichkeiten von Frauen und Männern zum durchgängigen Leitprinzip machen. Kritisiert wird derzeit die mangelnde Berücksichtigung von Gender Mainstreaming sowie unzulängliches Engagement bei der Durchsetzung dieses Konzepts sowohl in der deutschen als auch in der EU-Politik.