Gesandtschaftsrecht

1. Recht der diplomatischen und konsularischen Beziehungen

Das G. regelt die Rechtstellung der diplomatischen Vertretungen bei anderen Staaten und Internationalen Organisationen, der konsularischen Vertretungen sowie von deren Leitern und sonstigen Bediensteten gegenüber ihrem Empfangsstaat bzw. der Internationalen Organisationen und deren Sitzstaat. Nicht darunter gefasst wird üblicherweise das interne Rechtsverhältnis gegenüber dem Entsendestaat, wie es für Deutschland u. a. im GAD vom 30.8.1990 oder im KonsG vom 11.9.1974 geregelt ist.

2. Begriff und Gegenstand

Zweck des G.s ist es, die Bediensteten des Entsendestaats vor unzulässiger Einflussnahme des Empfangsstaats zu schützen und so den ungehinderten diplomatischen und konsularischen Verkehr zu ermöglichen. Deshalb sind sie durch Vorrechte und Befreiungen rechtlich vor belastenden Maßnahmen seitens des Empfangsstaats, insb. vor unmittelbarem Zwang geschützt. Von den meisten Steuern sind sie befreit, um zu verhindern, dass ein Staat sich auf Kosten eines anderen finanziert. Stattdessen besteuert sie der Entsendestaat. Die Verpflichtung zur Einhaltung der Gesetze des Empfangsstaats bleibt unberührt. Die Rechtsdurchsetzung erfolgt allerdings ausschließlich im Wege des self contained régime: Dem Empfangsstaat sind Zwangsmaßnahmen zur Rechtsdurchsetzung grundsätzlich verwehrt, er kann den Entsandten aber des Landes verweisen (Erklärung zur persona non grata) und so seiner Rechtsordnung in gravierenden Fällen Nachachtung verschaffen. Einschränkungen der Vorrechte und Befreiungen gibt es bei Staatsangehörigen des Empfangsstaats (sogenannte Régnicolen). Während der Diplomat umfassend geschützt ist, besteht für Konsuln nur eingeschränkte Immunität, mindestens aber für Amtshandlungen. Neuerdings gibt es Bestrebungen, den Schutz der entsandten Konsuln dem der Diplomaten anzugleichen.

Zurückgehend auf den Wiener Kongress ist das G. heute in den WÜD vom 18.4.1961 und WÜK vom 24.4.1963 kodifiziert, denen nahezu sämtliche Staaten angehören und deren Bestimmungen heute als Völkergewohnheitsrecht (Gewohnheitsrecht) angesehen werden können. Beide Kodifikationen sind nicht abschließend; ergänzend gelten völkergewohnheitsrechtliche Regelungen weiter. In Deutschland sind die Einzelheiten der Behandlung bevorrechtigter Personen in einem Rundschreiben des Auswärtigen Amts (derzeit vom 15.9.2015, GMBl 2015: 1205) geregelt.

3. Diplomatische Beziehungen

Die Aufgabe diplomatischer Vertretungen (heute i. d. R. Botschaften) ist es, den Entsendestaat im Empfangsstaat zu vertreten, die dortige Entwicklung zu beobachten, darüber zu berichten und zunehmend auch in unmittelbaren Dialog mit der Gesellschaft des Empfangslandes zu treten (public diplomacy). Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen erfolgt durch formlose Willenseinigung. Die Bestellung des Missionschefs erfordert das Einverständnis des Empfangsstaats (Agrément) und erfolgt konstitutiv durch Übergabe des Beglaubigungsschreibens an das Staatsoberhaupt. Eine Akkreditierung bei mehreren Staaten (Doppel-, Mehrfachakkreditierung) ist mit Zustimmung aller Beteiligten möglich, ebenso die Mitvertretung der Interessen eines dritten Staates gegenüber dem Empfangsland (Schutzmachtvertretung).

Die früher übliche Abstufung des Rangs der Missionschefs nach der Bedeutung des vertretenen Staates (Botschafter zwischen Großmächten, ansonsten Gesandte) erfolgt heute nicht mehr, üblich ist aufgrund der souveränen Gleichheit aller Staaten nach der UN-Charta allein der Rang des Botschafters. Gesandte sind heute Stellvertreter oder weitere Mitarbeiter des Botschafters. Als politische Demonstration des Missfallens wird allerdings noch die Herabstufung der Beziehungen auf die Ebene eines Geschäftsträgers (Chargé d’affaires) praktiziert; daneben heißt der amtierende Leiter einer Vertretung bei Verhinderung des Botschafters Chargé d’affaires ad interim oder a.i. Der Vertreter des Heiligen Stuhls trägt den Titel Nuntius. Mitglieder des British Commonwealth tauschen untereinander Hochkommissare aus. Alle Diplomaten in einem Empfangsland bilden das Diplomatische Corps, dessen Sprecher (Doyen) der dienstälteste Botschafter oder nach der Praxis mancher Staaten der Nuntius ist.

Das Personal der diplomatischen Vertretungen teilt sich in die zur Diplomatenliste angemeldeten Diplomaten, das Verwaltungs- und technische Personal sowie das dienstliche Hauspersonal, wobei die beiden letzteren Gruppen nur abgestufte Vorrechte und Befreiungen genießen, allerdings zumindest Amtsimmunität. Den Familienangehörigen der Diplomaten stehen die gleichen Vorrechte und Befreiungen wie dem Entsandten zu, um auch insoweit unzulässige Einflussnahmen auf diesen zu unterbinden. Bestimmte Einschränkungen der Vorrechte und Befreiungen aus Gründen der Gegenseitigkeit (Reziprozität) oder als Gegenmaßnahme (Retorsion, Repressalie) sind zulässig.

Zu den Vorrechten und Befreiungen gehören die Unverletzlichkeit (Verbot jeglicher Zwangsmaßnahmen) der Mission und ihrer Archive. Entgegen landläufiger Meinung ist das Gelände der Mission nicht „exterritorial“, sondern gehört weiterhin zum Hoheitsgebiet des Empfangsstaates, der lediglich auf die Ausübung seiner Hoheitsbefugnisse auf dem Gelände weitgehend verzichtet. Zu den Vorrechten und Befreiungen gehören darüber hinaus die Unverletzlichkeit der Person und der Wohnung des Diplomaten, die Befreiung von Zöllen und den meisten Steuern, das Recht auf Flaggenführung, auf freie Kommunikation (diplomatisches Kurierwesen), auf freie Durchreise zum und vom Dienstort sowie auf Immunität von den meisten Gerichtsverfahren. Der Verzicht auf diese Immunität kann nicht durch den Diplomaten selbst, sondern nur durch den Entsendestaat erklärt werden, da sie in dessen Interesse gewährt wird.

Diese Regeln gelten mutatis mutandis auch für Vertretungen bei Internationalen Organisationen, wobei der genaue Umfang i. d. R. im Sitzabkommen der Organisation oder einem speziellen Privilegienprotokoll festgelegt wird. Deren Bediensteten werden darin abgestufte beschränkte Vorrechte und Befreiungen eingeräumt, zumindest Immunität für Amtshandlungen, um die Internationalen Organisationen in ihrer Handlungsautonomie zu schützen.

Nur durch Völkergewohnheitsrecht geregelt ist die Sondermission, die vergleichbare Vorrechte und Befreiungen genießt, sofern sie zwischen Entsende- und Empfangsstaat (formlos) vereinbart ist.

4. Konsularische Beziehungen

Die Aufgabe der konsularischen Vertretungen ist insb. der Schutz und die Förderung der wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen sowie der Beistand für eigene Staatsangehörige, insb. gegenüber den Behörden des Empfangsstaats. Dabei können sie auch Hoheitsakte (z. B. Vernehmungen, Belehrungen, Entgegennahme von Erklärungen) zumindest gegenüber eigenen Staatsangehörigen ausüben. Die Aufnahme konsularischer Beziehungen erfolgt üblicherweise im Rahmen der Aufnahme diplomatischer Beziehungen, kann aber auch separat vereinbart werden.

Der Leiter der konsularischen Vertretung bedarf der ausdrücklichen Zulassung durch den Empfangsstaat (Exequatur). Hier ist die Abstufung in die Rangklassen Generalkonsul und Konsul, je nach Bedeutung der konsularischen Vertretung, noch gebräuchlich. Mitglieder konsularischer Vertretungen genießen nur eingeschränkte Vorrechte und Befreiungen. Darüber hinaus werden üblicherweise Angehörige des Empfangsstaats oder dort ständig ansässige Personen ad personam mit der ehrenamtlichen Wahrnehmung konsularischer Aufgaben betraut (Wahlkonsularbeamte oder Honorarkonsuln), deren Vorrechte allerdings noch weiter beschränkt sind.