Genossenschaften

  1. I. Wirtschaftswissenschaftlich
  2. II. Rechtlich

I. Wirtschaftswissenschaftlich

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1. Genossenschaften als institutionelle Innovation

Die G.s-Idee wurde 2016 von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt. In organisatorischer Hinsicht sind G. Kooperationen mit einer besonderen Governance (Eigentum, Entscheidungsfindung, Kontrolle), die gesetzlich normiert ist. G. haben eine lange Tradition und sind heute in über 100 Ländern mit etwa 800 Mio. Mitgliedern aktiv. In Deutschland gehören etwa achttausend G. ihren 20 Mio. Mitgliedern. Sie weisen eine außerordentlich niedrige Insolvenzrate auf und werden in der Bevölkerung sehr positiv wahrgenommen.

Hinsichtlich der genossenschaftlichen Governancemerkmale lassen sich Vorläufer von G. bis in das Mittelalter zurückverfolgen. Die gesellschaftspolitischen und ideologischen Wurzeln von G. können auf sozialistische (z. B. Robert Owen), liberale (v. a. Hermann Schulze-Delitzsch) und christlich-soziale Ansätze (Victor Aimé Huber, Friedrich Wilhelm Raiffeisen) zurückgeführt werden. Inzwischen hat die Betonung der Unterschiede der normativen Wurzeln ihre Bedeutung verloren. Heute kann das mitteleuropäische Modell der G., das eine Verbindung der Ideen von F. W. Raiffeisen und H. Schulze-Delitzsch darstellt, von einem romanischen und einem südeuropäischen Modell abgegrenzt werden, die einen höheren Staatseinfluss aufweisen.

Gegründet wurden im mitteleuropäischen Raum die ersten G. in den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts. Rückblickend können sie als eine institutionelle Innovation eingeschätzt werden. Es herrschte akute Armut für große Teile der Bevölkerung. Manchen Bevölkerungsgruppen fehlte jede Möglichkeit für eine wirtschaftliche Betätigung, womit auch der Aufbau einer selbständigen Existenz außer Reichweite lag. Dies galt bes. ausgeprägt für Landwirtschaft (Land- und Forstwirtschaft), Handwerk, Kleingewerbe und Handel. Die Gründung eines gemeinsamen Unternehmens in Form einer G. konnte Abhilfe schaffen. Bes. typisch zeigten sich Kooperationsursachen und -ziele bei Bank-G. Viele Menschen hatten in einer Epoche, in der der Übergang von der Naturalwirtschaft in eine monetisierte Ökonomie erst vor kurzem stattgefunden hatte, keinen Zugang zu Krediten. Diese fehlten, um als Handwerker oder Kleingewerbetreibender unternehmerisch tätig zu werden. Auf Anregung von F. W. Raiffeisen (Landwirtschaft) und H. Schulze-Delitzsch (Handwerk, Kleingewerbe) gründeten die Betroffenen Darlehenskassenvereine und Vorschussvereine, die in ihrer Governance G. entsprachen. Erst auf dieser Basis wurden einzelwirtschaftliche Finanzierungsbeziehungen möglich. Ein weiteres Beispiel ist die Entstehung von genossenschaftlichen Kooperationen im Lebensmittelhandel. Kleine Kolonialwarenhändler schlossen sich zu Einkaufs-G. zusammen, die dann ihrerseits Gemeinschaftsunternehmen für die Organisation von Leistungen gründeten. Viele genossenschaftliche Verbundgruppen im Handel und für Dienstleistungen weisen ähnliche Wurzeln auf, ebenso landwirtschaftliche Kooperationen sowie Wohnungs-G. Später begannen mittelständische Unternehmen G. zu gründen, um Kosten- und Marktnachteile gegenüber größeren Unternehmen zu kompensieren.

2. Genossenschaftliche Governancemerkmale

G. und genossenschaftlich organisierte Unternehmensgruppen unterscheiden sich durch ihre Governancemerkmale von allen anderen Organisationen. Eine Besonderheit besteht in ihrer kooperativen Gründung, motiviert durch die Erwartung einer Kooperationsrente. Eine fehlende wirtschaftliche Teilhabe – sei sie produktiv oder konsumtiv – wird durch die gemeinsame Organisation von Leistungen für die wirtschaftliche oder sonstige Aktivität kompensiert. Dies geschieht in einem eigens dafür gegründeten Unternehmen. Es liegt also ein übereinstimmender einzelwirtschaftlicher Organisationsbedarf vor. Dieser kann den eigenen Aktivitäten vorgelagert (z. B. Beschaffung von Vorprodukten) oder nachgelagert sein (z. B. Vermarktung der eigenen Produkte). In organisatorischer Hinsicht handelt es sich um die Auslagerung von Elementen der eigenen Wertschöpfungskette in ein gemeinsames Unternehmen. Der Organisationsbedarf kann auch in der kooperativen Durchführung der Wertschöpfung bestehen (Produktiv-G.). Die kooperierenden Akteure können Privatpersonen oder Unternehmen, ihre genossenschaftlich organisierten Aktivitäten wirtschaftlicher, kultureller, gesellschaftlicher o. a. Natur sein. Entscheidend ist, dass es nicht um staatliche oder private Hilfe – also um Fremdhilfe – geht, sondern um kollektive Selbsthilfe, die privatwirtschaftlich organisiert wird. G. entsprechen dem Subsidiaritätsprinzip (Subsidiarität) durch die Kombination dezentraler mit gemeinsamen Aktivitäten. Das genossenschaftliche Geschäftsmodell ist ein Wertschöpfungsnetzwerk mit einer klaren ordnungspolitischen Ausrichtung.

Eine folgenreiche Besonderheit von G. besteht darin, dass die Eigentümer des gemeinsamen Unternehmens – die Mitglieder – gleichzeitig in einer Personalunion die Finanziers, die Anbieter und die Nutzer der gemeinsam organisierten Leistungen sind. Dies führt zu einer außergewöhnlichen Anreizkonsistenz, die einem Club entspr., der Clubgüter organisiert. Diese Personalunion begründet zusätzlich die strategische Orientierung von G. Im G.s-Gesetz ist festgeschrieben, dass G. ausschließlich Werte für die Mitglieder zu schaffen haben, deren Aktivitäten gemäß Förderauftrag zu fördern sind. Theoretisch fundiert geht es um die Schaffung des genossenschaftlichen Eigentümerwerts, des Member Values, aus der Sicht der Mitglieder. Anders als der Eigentümerwert einer börsennotierten AG, der ShareholderValue, der den Investoren unidimensional zufließt, setzt sich der Member Value bei G. aus drei Komponenten zusammen. Der unmittelbare Member Value entsteht aus der Leistungsbeziehung zwischen Mitgliedern und dem genossenschaftlichen Unternehmen durch den Bezug der gemeinsam organisierten Leistungen. Diese Leistungen unterstützen die Mitglieder in ihrer Wertschöpfung.

Der mittelbare Member Value korrespondiert mit der Eigentümerfunktion der Mitglieder, die das Unternehmen mit Eigenkapital ausstatten. Er setzt sich aus der Verzinsung des Eigenkapitals und einer damit verbundenen Ausschüttung sowie Entscheidungs- und Kontrollrechten zusammen.

Der nachhaltige Member Value bringt die Investitionsbeziehung zum Ausdruck und bewirkt einen Optionsnutzen durch die zukünftige Existenz und Leistungsfähigkeit der G. Seine Höhe wird u. a. durch die Eigenkapitalbasis, die aus den Gewinnen gebildeten Rücklagen sowie durch aktuelle Investitionen in Produkte, Prozesse und Institutionen bestimmt.

Die Vorteile der Member Value-Orientierung kommen den Mitgliedern zugute ohne mit den Nachteilen einer kurzfristig ausgerichteten ShareholderValue-Strategie konfrontiert zu werden. Eine solche maximiert den Wert des Unternehmens durch die Leistungstransaktionen mit den Kunden für die Eigentümer, die sich häufig als Investoren verstehen. Der Wert der G. hingegen wird durch die Leistungstransaktionen mit den Mitgliedern für die Mitglieder optimiert. Ex ante bewertet das Management der G. seine Entscheidungen in ihren Auswirkungen auf den langfristigen Unternehmenswert. Dies gilt zwar sowohl bei börsennotierten AGen als auch bei G. Ein grundlegender Unterschied zwischen beiden besteht hingegen in der ex post-Bewertung, wenn Eigenkapital auf dem Finanzmarkt nachgefragt wird, sichtbar z. B. im Aktienkurs. Die Unvollkommenheit von Finanzmärkten sowie die damit verbundenen Fehlbewertungen sind immer dann zu berücksichtigen, wenn das Unternehmen auf Investoren aus einem solchen Umfeld angewiesen ist. Auf die kurze Frist ausgerichtete Investorenkalküle können im Ergebnis eine langfristige Wertorientierung aushöhlen, was Unternehmen finanzmarktgetrieben macht. Da G.s-Anteile nicht gehandelt werden, entfällt die ex post-Bewertung mit ihren weitreichenden Konsequenzen. G. sind in der Realwirtschaft verankert, ohne dass unmittelbare Finanzmarkteinflüsse unternehmerische Entscheidungen konterkarieren.

Ohne die Disziplinierung des Managements durch die Finanzmärkte erfolgt die Eigentümerkontrolle der G. durch die Mitglieder, unterstützt durch den Wettbewerb auf dem Güter-, Arbeits- und Managermarkt. Eigenkapital muss von den Mitgliedern aufgebracht werden. Um Rücklagen aufzubauen, um zu investieren und um Fremdkapital zu erhalten, sind Gewinne eine grundlegende Voraussetzung. Die genossenschaftliche Governance ist auf eine langfristige Orientierung der unternehmerischen Aktivitäten angelegt, die von Eigentümern entschieden werden, welche v. a. an der Leistungsbeziehung mit der G. interessiert sind. Dass G. langfristige Strategien verfolgen, ist in der Bevölkerung bekannt und wird als sehr positiv eingeschätzt. Ein wichtiges Governancemerkmal besteht zusätzlich darin, dass die Mitglieder von G. unabhängig von der Anzahl ihrer Geschäftsanteile je eine Stimme haben. Zwar ist die Gründung von G. einzelwirtschaftlich motiviert, doch durch ihr Wirken entstehen zusätzlich positive gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Effekte.

3. Entwicklungen der genossenschaftlichen Ökonomie

Im Laufe der Jahrzehnte kam es zu einer Ausdifferenzierung der genossenschaftlichen Governancestrukturen. Neben klein bleibenden G. bildeten sich größere genossenschaftliche Netzwerke heraus, die ihre Strukturen zunehmend professionalisierten. Eine komplexe Arbeitsteilung bezieht heute Spezial- und Gemeinschaftsunternehmen sowie Verbände mit speziellen Aufgaben ein. Ausgleichs- und Solidaritätsmechanismen und Verhaltensregeln für das Zusammenwirken der Kooperationspartner wurden festgeschrieben.

Auch heute weisen manche Wirtschaftsbereiche einen hohen genossenschaftlichen Organisationsgrad auf (z. B. Landwirte, Handwerker, Einzelhandelskaufleute, Bäcker, Metzger, Steuerberater). Dennoch haben bis zum Beginn des Jahrtausends die Anzahl der G., deren Wertschöpfungsanteile sowie die Gründungen abgenommen, bevor es neuerlich zu einer Zunahme von G.s-Gründungen kam.

Die Governance von G. grenzt deren Aktivitätsbereiche ein. Heute sind es expandierende und zukunftsorientierte Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche, die ein wieder rege gewordenes Gründungsgeschehen aufweisen. Immer noch eignen sich G. zur Organisation neuer Märkte und Wertschöpfungsketten sowie für die Entwicklung bisher nicht verfügbarer Problemlösungen. Nicht selten geht es um Bereiche, aus denen sich der Staat zurückzieht und die daher neu zu organisieren sind, z. B. bestimmte Bereiche der öffentlichen Infrastruktur, was ein wichtiger Anwendungsbereich im Zusammenhang mit der Budgetsituation von Kommunen geworden ist. Die Schließung von Infrastrukturlücken durch genossenschaftliche Selbsthilfe kann Wirtschafts- und Lebensräume aufwerten. Andere Beispiele finden sich in der Informations- und Kommunikationstechnologie. So wurde etwa in Deutschland eine zentrale Registrierungsstelle für alle Domains unterhalb der Top Level Domain „.de“ mit der Gründung der DENIC eG genossenschaftlich aufgebaut. Intensiv wird die genossenschaftliche Organisation von Daten-Clouds für mittelständische Unternehmen erwogen, um die Abhängigkeit von externen Dienstleistern zu vermeiden und die Eigentümer der Daten als Eigentümer der Cloud gleichzeitig zu den Nutzern der Cloud-Leistungen zu machen. Die genossenschaftliche Organisation wird zu einem Vertrauensanker. Zusätzlich entstehen G., die den Breitbandausbau mittels Glasfasertechnik beschleunigen und den Mitgliedern größere Bandbreitenreserven sichern sollen. In ihren Dimensionen bisher kaum absehbar ist die Gründung genossenschaftlicher Plattformen der Sharing Economy. Sie sollen es den Nutzern ermöglichen, die Kooperationsrente selbst abzuschöpfen und nicht externe Investoren zu beglücken, womit der Kritik am Plattformkapitalismus entgegengewirkt wird, dieser sei nur die digitalisierte Form einer ohnehin abzulehnenden Wirtschaftsordnung.

G. werden auch gegründet, um das Fehlen eines lokalen Angebots von Leistungen zu kompensieren. Bes. relevant ist dies in der Nahversorgung, nicht nur mit Lebensmitteln, sondern ebenso mit logistischen, kulturellen, ärztlichen, sozialen u. a.n persönlichen Dienstleistungen. Die genossenschaftliche Gründung von Dorfläden und -gasthäusern hat große Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

Genossenschaftliche Lösungen werden auch gewählt, um Vertrauensgüter und wissensbasierte Leistungen zu organisieren. Da deren Qualität erst eingeschätzt werden kann, wenn sie tatsächlich genutzt werden, gewinnt die Identität der Anbieter große Bedeutung. Der Wunsch Ausbeutbarkeit zu vermeiden und Entscheidungs- und Kontrollrechte in wichtigen Lebensbereichen zu definieren, hat zur Gründung von G. im Gesundheits- und Pflegebereich sowie von Senioren- und Familien-G. geführt. Genossenschaftlich organisierte Wissenschaftler streben mehr Unabhängigkeit in der wirtschaftlichen Verwertung ihrer Forschungsergebnisse an. Zusätzlich werden genossenschaftliche Kooperationen auch vereinbart, um Unabhängigkeit von dominanten Anbietern zu erreichen und um mehr Transparenz über Leistungen zu gewinnen, z. B. durch Energie-G.

Bes. für Handwerker und freiberuflich tätige Personen (freie Berufe) ist es herausfordernd aus ihrer Tätigkeit kontinuierliche Einkommensströme zu generieren. Handwerker- und Berater-G. sowie Künstler- oder Ärzte-G. sind die Antworten. G. nehmen hier die Organisationsform virtueller Unternehmen an, in denen projektbezogen zusammengearbeitet wird. Dies tun auch mittelständische Unternehmen, die eine organisatorische Einbindung komplexer Projekte suchen. G. werden auch heute noch gegründet, um die Auslagerung und gemeinsame Organisation von unternehmensnahen Dienstleistungen und Aufgaben zu bewerkstelligen. Auf diese Weise können nicht nur Kostenvorteile erreicht werden, sondern die resultierende Spezialisierung ermöglicht die Entwicklung zusätzlicher Kompetenzen wie die Interessenvertretung in der Politik, digitale Lösungen sowie Innovationen als Antworten auf Trends in Wirtschaft und Gesellschaft.

4. Herausforderungen und Perspektiven

Die Neugründungen und die hohe Akzeptanz deuten auf positive Perspektiven der G. hin, was dadurch unterstützt wird, dass sie ihre Stärken in gesellschaftlichen Umbrüchen und wirtschaftlichem Wandel bes. gut nutzen können. Die Entwicklungen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft beinhalten Wandel. Die genossenschaftliche Governance zeichnet sich durch die Konsistenz von Geschäftsmodell und strategischer Orientierung mit einem Wertegerüst aus. Menschen formulieren steigende Anforderungen an Unternehmen. Ehrlichkeit und Transparenz stehen im Vordergrund. Nachhaltige Strategien, realwirtschaftliche Verankerung, Nähe und Identität gewinnen an Bedeutung. Kontrollmöglichkeiten und die Bereitschaft zur Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung durch Unternehmen werden gefordert, Stabilität, Sicherheit und Verlässlichkeit gewünscht. Der Member Value korrespondiert mit gesellschaftlichen Werten. Der unmittelbare Member Value weist eine direkte Verbindung zu realwirtschaftlicher Verankerung, Nähe und Identität auf, während der mittelbare Member Value der Möglichkeit zur Kontrolle und der Bereitschaft zur Verantwortung entspr. Der nachhaltige Member Value bringt Langfristigkeit sowie Stabilität und Sicherheit zum Ausdruck. Die von den Menschen eingeforderten Werte sind jene Werte, die in der genossenschaftlichen Governance umgesetzt werden.

Doch es wirken auch Gegenkräfte, die der empirische Befund zeigt. Eine abnehmende Bedeutung der G. drückt sich in einem sinkenden Anteil der genossenschaftlichen Wertschöpfung an der gesamten Wertschöpfung, der G. an allen Unternehmen, der neu gegründeten G. an allen neu gegründeten Unternehmen sowie genossenschaftlicher Kooperationen an allen Kooperationen aus. Für G. existieren externe und governancespezifische Herausforderungen. Zu nennen sind die Gefahr der Überbeanspruchung gemeinsamer Leistungen sowie Trittbrettfahrerprobleme, die aus kollektivem Eigentum resultieren können. Mögliche Fehlentwicklungen steigen mit der Heterogenität der Mitglieder sowie mit der G.s-Größe. Zwar eint die Mitglieder ein homogener Organisationsbedarf, was Unterschiede in den Voraussetzungen und Anforderungen an die G. jedoch nicht ausschließt. Diese können die Entscheidungsfindung erschweren oder strukturelle Verlierer schaffen. Zusätzlich weisen G. Prinzipal-Agenten-Beziehungen auf, die Konfliktpotenziale sowohl zwischen den Mitgliedern – das horizontale Dilemma – als auch zwischen dem gemeinsamen Unternehmen und Mitgliedern – das vertikale Dilemma – hervorrufen können. Heterogene Zielfunktionen in Kombination mit Informationsproblemen können opportunistisches Verhalten fördern. Ein häufiger Kritikpunkt seitens der Mitglieder ist die Verselbständigung des Managements. Erfolgreiche G. zeichnen sich dadurch aus, dass sie es schaffen ein stabiles Gleichgewicht zwischen ihren dezentralen und zentralen Elementen herzustellen und dass sie in der Lage sind, die Anpassung an sich verändernde Umweltanforderungen zu bewältigen, ohne die Mikrostruktur der genossenschaftlichen Kooperation zu gefährden. Die damit verbundenen Aufgaben stellen sich – dem genossenschaftlichen Kooperationsmodell entspr. – nicht nur einer jeden G., sondern auch der genossenschaftlichen Ökonomie mit ihren spezialisierten Unternehmen und Verbänden insgesamt.

II. Rechtlich

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1. Grundlage

Das von Hermann Schulze-Delitzsch verfasste erste preußische G.s-Gesetz vom 27.3.1867 wurde Vorbild für das bald darauf vom Norddeutschen Bund erlassene Gesetz vom 4.7.1868, das später für das Deutsche Reich übernommen wurde. Dieses obschon seitdem vielfach ergänzte und (v. a. durch die große GenG-Novelle 1973) geänderte GenG v. 1.5.1889 gilt im Wesentlichen noch heute. Hinzugetreten ist die Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22.7.2003 über das Statut der SCE.

2. Begriff, Eigenart und genossenschaftliche Grundsätze

Eingetragene Genossenschaften (eG) i. S. d. GenG sind „Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes zu fördern“ (§ 1 Abs. 1), und im G.s-Register eingetragen sind. Andere Ziele darf eine eG nicht verfolgen. Sie ist also eine gesetzlich zweckgebundene Vereinigungsform. Kennzeichnend für diese bes. Rechtsform ist, dass sie einen nichtkapitalistischen Zweck verfolgt. Anders als insb. die Kapitalgesellschaften (AG, GmbH; Gesellschaftsrecht) will die eG ihren Mitgliedern keine zinswirtschaftliche Kapitalrendite (Dividende und steigender Veräußerungswert des Gesellschaftsanteils) verschaffen, sondern diesen die Chance bieten, sich durch Geschäftsabschlüsse mit dem auf gemeinschaftliche Rechnung betriebenen genossenschaftlichen Unternehmen selbst zu fördern (sogenannte naturale Selbsthilfeförderung). Die eG strebt also Gewinn nicht für sich, sondern für ihre Mitglieder an, denen sie Förderleistungen zur Verfügung stellt, die für diese unmittelbar nützlich sind. Da sich der wesentliche Fördergeschäftserfolg in den Mitgliederwirtschaften niederschlägt, ist er bei der eG selbst betriebswirtschaftlich schwer messbar (sogenannte Operationalisierung des Fördererfolgs). Einen genossenschaftlichen Förderzweck können freilich kraft Satzung auch Gesellschaften anderer Rechtsform (insb. AG, GmbH) verfolgen. Aber die aus dem übergesetzlichen allgemeinen G.s-Begriff abgeleiteten genossenschaftlichen Grundsätze der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung, die aus der Selbsthilfe folgende Doppelfunktion der Mitglieder als gemeinschaftliche Betreiber und Kunden des genossenschaftlichen Unternehmens (Identitätsprinzip), das Demokratieprinzip sowie der grundlegende Förderzweck kommen in der besonderen Rechtsform der eG am besten zum Tragen. Dementsprechend baut die bewusst personalistisch ausgestaltete Vereinigungsform der eG auf der persönlichen Mitgliedschaft und nicht auf der lediglich zweckdienlichen Kapitaleinlage der Genossen (§§ 7 Nr. 1, 19 Abs. 1 GenG) auf. Die Mitglieder dürfen jederzeit aus der eG austreten, wobeidie Satzung freilich eine bis zu fünfjährige Kündigungsfrist vorsehen kann (§§ 65 Abs. 1, 67a GenG). Sie erhalten dann aber lediglich ihr Geschäftsguthaben ausgezahlt (§ 73 Abs. 2 S. 2 GenG). Auf die Rücklagen und das sonstige Vermögen haben sie keinen Anspruch (§ 73 Abs. 2 S. 3 GenG). Infolgedessen hat die eG kein festes, sondern ein (obschon nur begrenzt) veränderliches Gesellschaftskapital. Darin liegt eine für die eG typische Eigenkapitalschwäche, die durch förderwirtschaftlich gebundene Rücklagen auszugleichen ist. Freilich kündigt selten eine Vielzahl von Mitgliedern zugleich. Zudem kann die Satzung ein Mindestkapital festsetzen, das auch durch Abfindungsansprüche ausscheidender Mitglieder nicht unterschritten werden darf (§ 8a Abs. 1 GenG). Kraft Satzung dürfen auch Personen, die für die Nutzung oder Produktion der Güter und die Nutzung oder Erbringung der Dienste der G. nicht in Frage kommen, als investierende Mitglieder zugelassen werden (§ 8 Abs. 2 S. 1 GenG). Dabei muss aber sichergestellt werden, dass die nichtnutzenden Mitglieder die nutzenden nicht in wesentlichen Angelegenheiten überstimmen können (§ 8 Abs. 2 S. 2 GenG).

Als förderwirtschaftlicher Personalverein darf die eG, soweit die Satzung das gestattet, auch das Nichtmitgliedergeschäft betreiben (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 GenG), dies aber nur, um auf diese Weise ihre Mitglieder überhaupt oder wirksamer fördern zu können und nur soweit sie die Drittkunden nicht als Mitglied zu gewinnen vermag. Die eG muss anders als eine Kapitalgesellschaft kein Mindestkapital aufbringen, sondern darf ihr eigenverantwortlich zu bildendes Vermögen allmählich erwirtschaften. Die G.s-Gläubiger werden durch eine nicht nur formelle, sondern auch materielle Gründungsprüfung (§§ 11, 11a GenG) sowie die Pflichtmitgliedschaft in einem genossenschaftlichen Prüfungsverband (§ 54 GenG) geschützt. Außerdem trifft die Mitglieder eine, freilich (gem. § 6 Nr. 3 GenG) in der Satzung beschränk- und gänzlich ausschließbare Nachschusspflicht in der G.s-Insolvenz (§ 105 Abs. 1 GenG).

3. Verfassung (Organisation)

Drei Pflichtorgane, Vorstand (§ 24 GenG), Aufsichtsrat (§ 36 GenG) und Generalversammlung (§ 43 GenG), tragen die genossenschaftliche Organisation. Das GenG versucht, die eigenverantwortliche (d. h. weisungsfreie) Unternehmensleitung durch den Vorstand (§ 27 Abs. 1 GenG) mit möglichst viel basisdemokratischer Teilhabemöglichkeit der Mitglieder zu verbinden. So werden die Vorstands- und Aufsichtsratmitglieder von der Generalversammlung gewählt (§§ 24 Abs. 2 S. 1, 36 Abs. 1 S. 1 GenG), allerdings der Vorstand nur, wenn (was freilich die Regel ist) die Satzung nichts anderes bestimmt und dazu den Aufsichtsrat befugt. Beide Organe müssen aus Genossen bestehen (§ 9 Abs. 2 GenG: Grundsatz der Selbstverwaltung). Jeder Genosse hat in der Generalversammlung grundsätzlich lediglich eine Stimme (§ 43 Abs. 3 S. 1 GenG: Prinzip der persönlichen Stimmrechtsgleichheit aller Genossen). Mehrstimmrechte sind nur begrenzt zulässig (§ 43 Abs. 3 GenG). Stimmvollmachten sind erlaubt. Ein Bevollmächtigter darf aber nicht mehr als zwei Mitglieder vertreten (§ 43 Abs. 5 S. 1 u. 3 GenG). Bei Groß-G. mit mehr als 1 500 Mitgliedern beschränkt sich freilich die Selbstverwaltung derjenigen Genossen, die außerhalb der dann kraft Satzung einführbaren Vertreterversammlung (§ 43a GenG) bleiben, zwangsläufig auf das aktive und passive Recht der Vertreterwahl. Immerhin kann die Satzung vorsehen, dass bestimmte Beschlüsse (insb. Satzungsänderungen und Grundlagengeschäfte) der Generalversammlung vorbehalten bleiben (§ 43a Abs. 1 S. 2 GenG).

4. Prüfungswesen

Jede eG muss einem Prüfungsverband angehören, dem staatlich das Prüfungsrecht verliehen ist (§§ 54, 63 GenG). Die genossenschaftliche Pflichtprüfung (§ 53 Abs. 1) dient sowohl dem Schutz der G.s-Mitglieder vor Einlageverlust, Nachschüssen und eigenwirtschaftlichen Rückschlägen als auch dem Schutz der G.s-Gläubiger vor Forderungsausfall. Prüfungsziel ist über die gewöhnliche Wirtschaftsprüfung hinaus die Feststellung der Vermögensverhältnisse der eG sowie der Organbesetzung und Organtätigkeit sowie der Fördertauglichkeit und wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung. Vor allem hat der Prüfungsverband darauf zu achten, dass die eG den für ihre Mitglieder unmittelbar nützlichen Förderzweck einhält und muss dazu im Prüfungsbericht Stellung nehmen. Aufgrund der historisch gewachsenen umfassenden Aufgabe der Prüfungsverbände, die G.s-Idee zu wahren und zu fördern, hat die genossenschaftliche Pflichtprüfung nicht nur vergangenheitsbezogene Kontroll-, sondern zugleich zukunftsgerichtete Beratungsfunktion (sogenannte Betreuungsprüfung). Darüber hinaus machen es sich die Prüfungsverbände i. d. R. auch zur Aufgabe (§ 63b Abs. 4 S. 1 GenG), die Mitgliederinteressen sowie die genossenschaftlichen Gesamtbelange auf wirtschafts- und rechtspolitischem Gebiet gemeinsam wahrzunehmen, die Mitglieder betriebswirtschaftlich zu beraten und kollektive Garantie- und Einlagesicherungseinrichtungen zu schaffen.

5. Genossenschaftsverbund

Als gesetzlich zweckgebundener Vereinigungsform sind der eG nur förderzweckdienliche Beteiligungen an anderen Gesellschaften gestattet (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 GenG). Gemeinnützigen Bestrebungen darf sie nur dienen, soweit das nicht ihren alleinigen oder überwiegenden Zweck ausmacht (§ 1 Abs. 2 Nr. 2). Praktisch erheblich wird dies v. a. im mehrstufigen G.s-Verbund. So sind die i. d. R. vorwiegend aus natürlichen Personen bestehenden Primär-G. meist in Sekundär- bzw. Zentral-G. organisiert. Letztere wiederum sind ihrerseits oft zu einem genossenschaftlichen Spitzeninstitut auf Landes- oder Bundesebene zusammengeschlossen (sogenannter zwei- oder dreistufiger Aufbau). Neben diesem genossenschaftlichen Kernverbund bildet sich oft mittels vielfältiger Unternehmensbeteiligungen ein genossenschaftlicher Nebenverbund. Am ausgeprägtesten ist dieser bei den Kredit-G., die v. a. die Anteile von Investment- und Versicherungsgesellschaften sowie Bausparkassen halten. Diese mehrstufige genossenschaftliche Verbundwirtschaft findet ihre eigens genossenschaftliche Rechtfertigung in der sämtliche Verbundstufen durchziehenden Basisbezogenheit aller Unternehmensziele auf die Förderbedürfnisse der Primärgenossen.