Ehe

  1. I. Sozialethik
  2. II. Theologie
  3. III. Soziologie
  4. IV. Rechtswissenschaft

I. Sozialethik

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E. bezeichnet die gesellschaftlich ausgezeichnete Institution der intimen Geschlechterbeziehung, die durch Recht, Sitte und Religion legitimiert und geregelt sowie auf Dauer angelegt ist. Sie kennt in der Regel einen feierlichen Akt des Eingehens. Gesellschaftliche Regelungen beziehen sich v. a. auf den Personenbestand (Ein- oder Mehrehe; Geschlechtszugehörigkeit der E.-Gatten), auf Eingehen und Ende der E., auf die Rechte und Pflichten der E.-Leute untereinander sowie auf das Verhältnis zum umfassenden Gemeinwesen. Ein Regelungsbedarf ehelicher Partnerschaft ergibt sich nicht allein aus der Logik der Geschlechterbeziehung, sondern bes. im Blick auf die Zeugung von Nachkommenschaft. Die Zuständigkeit für Kinder, ihre Erziehung sowie ihre Einbeziehung in die Generationen- und Erbverhältnisse (Erbrecht) brauchen gesellschaftliche Klärungen. Eine strikte Trennung von ehe- und familienbezogenen Gesichtspunkten erweist sich als schwierig und problematisch, weil die gemeinsame Elternverantwortung nicht außerhalb der Paarbeziehung geschieht, das E.-Recht also auch das Paar in seiner Elternverantwortung wahrnehmen muss.

1. Anthropologischer Bezug, kulturelle Bedingtheit und christliche Prägung der Ehe

Die Institution E. bezieht sich auf Gegebenheiten menschlicher Existenz. In spezifischer Weise greift sie die geschlechtliche Verschiedenheit als Mann und Frau, das sexuelle Verlangen und die mit der Sexualität verbundene Möglichkeit der Zeugung von Nachkommenschaft auf. In unspezifischer Weise hat E. mit der Sozialfähigkeit und -bedürftigkeit der Menschen zu tun, die in Kommunikation, verlässlichen Beziehungen und Solidarität ihr Leben gestalten und dabei Kultur und Gesellschaft entwickeln. Die anthropologische Bedeutung (Anthropologie) wird christlich in der Rede von der E. als Gottes Schöpfung, Stiftung oder gute Gabe zum Ausdruck gebracht. Angesichts der kulturellen Vielfalt der E.-Formen, der Unterschiedlichkeit und Veränderung von E.-Vorstellungen in den biblischen Texten selbst und in der Geschichte des Christentums sowie aufgrund der unterschiedlichen gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen, unter denen Intimität zu gestalten ist, lässt sich jedoch nicht ahistorisch eine bestimmte E.-Struktur als vorgegebene Ordnung fixieren. Vielmehr ist die Institution E. unter spezifischen sozio-kulturellen Bedingungen in Ausrichtung auf die normativen Prinzipien von Gleichheit, Freiheit und Solidarität gesellschaftlich so zu gestalten, dass sie gelingende, bereichernde und stabile Intimbeziehungen ermöglicht und stützt. Zugleich ist die Ausgestaltung des E.-Lebens durch die Paare selbst ein eigenständiger Prozess der Interpretation und Adaption der Institution, in dem sie zugleich weiterentwickelt wird. Normative Regelungen moralischer und rechtlicher Art haben heute zugleich den durch Autonomieansprüche (Autonomie) und gesellschaftliche Vielfalt (Diversität) gewachsenen Gestaltungsraum zu achten und dennoch Ansprüche an die Gemeinsamkeit der Lebensführung und die wechselseitige Solidarität zu formulieren, ohne die der eigentliche Sinn der Institution verloren ginge. Da für das Leben in Partnerschaft die E. zu einer „Wahlinstitution“ geworden ist, insofern nichteheliche Formen ohne soziale Diskriminierung gewählt werden können, haben sich weite Gestaltungsräume der Lebensführung in intimen Beziehungen entwickelt, die staatlicherseits zu schützen sind, da ihnen menschen- und grundrechtlicher Freiheitsschutz zukommt.

Das heutige gesellschaftliche Verständnis der E. verdankt sich wesentlich einem vom Christentum getragenen Entwicklungsprozess, bei dem in Aufnahme von und in abgrenzender Auseinandersetzung mit der kulturellen Umwelt wichtige Einsichten zu Tage gekommen sind: die Betonung der Unauflöslichkeit der E.; die Herausarbeitung des E.-Konsenses von Mann und Frau als ehebegründendem Akt, womit Zwang oder Bevormundung durch Eltern, Verwandtschaft und gesellschaftliche Kräfte unterbunden werden sollen; die damit verbundene Stärkung der Stellung der Frau, auch wenn deren gleiche Würde durch das Festhalten an der hierarchischen Struktur der E. lange verdunkelt wurde; die Durchsetzung eines öffentlichen Aktes, in den die Konsenserklärung eingebunden ist. Mit dieser Entwicklung rücken Mann und Frau, die sich zur E. zusammenfinden und eine neue Familie gründen, in das Zentrum des Familiensystems; die verwandtschaftlichen Abstammungslinien sind der Partnerbeziehung nachgeordnet. Insgesamt wurde so vom Christentum ein wichtiger Beitrag zu einem von Liebe, umfassender personaler Zuneigung, Verlässlichkeit und Solidarität bestimmten E.-Verständnis geleistet. Er stellt eine der größten gesellschaftlichen Erfolgsgeschichten des Christentums mit durchaus emanzipatorischem Charakter (Emanzipation) dar.

2. Ehe als soziale Ressource

E. und die weitere Gesellschaft wirken in verschiedener Weise aufeinander ein und stellen sich wechselseitig Leistungen zur Verfügung. Die Bereicherung des Lebens und die Erweiterung realisierbarer Freiheit, die die E. für das Paar selbst bringt, ist Verpflichtungsgrund für den Schutz der E. durch das Gemeinwesen, das dem Wohlergehen der Person verpflichtet ist. Darüber hinaus profitiert das Gemeinwesen von Leistungen, die aus der E. entspringen. Wiewohl es vielfältige Übereinstimmungen zwischen nichtehelichen Partnerschaften und E. gibt, unterscheiden sich Charakteristik und in deren Folge Leistungen der E. teilweise deutlich von denen informeller Partnerschaften. Das Versprechen lebenslanger Treue und Verlässlichkeit eröffnet in der Unbedingtheit und Unbefristetheit der wechselseitigen Annahme und Anerkennung einen Raum der gemeinsamen und je eigenen Entwicklung. In ihm sind dann auch „Projekte“ mit einem (lebens-)langen Zeithorizont möglich. Des Weiteren schafft die öffentliche und rechtlich wirksame Erklärung des E.-Konsenses eine neue Wirklichkeit der Liebesbeziehung. Das Paar gibt sein Versprechen vor Zeugen ab, erklärt öffentlich seine Zusammengehörigkeit und bindet sich selbst in seinen Zusagen rechtlich. Nach innen ist diese rechtliche Selbstbindung auch ein Schutz des schwächeren Partners. Nach außen weiß die Gesellschaft so um diese Beziehung und kann sich auf deren solidarische Verbundenheit in ihrem rechtlichen Charakter und mit bleibenden Wirkungen selbst über ein Scheitern der Beziehung hinaus sicherer verlassen als auf informelles Zusammenleben. Die Institution E. hat so nach innen und außen strukturierende Wirkung; sie verbindet die intime Liebesbeziehung als Zentrum der Privatheit mit der Öffentlichkeit der Gesellschaft und höchste Emotionalität mit rechtlicher Zusage und Verpflichtung.

Auf dieser Grundlage erweist sich die E. als eine wichtige gesellschaftliche Ressource, von der das Gemeinwesen profitiert: E.-Partner stützen sich in ihrer umfassenden Lebensgemeinschaft gegenseitig in vielfältiger Weise, auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Diese Solidarität, die teilweise rechtlich fundiert ist, entlastet das Gemeinwesen nicht unerheblich, da sie den Umfang der zu erbringenden finanziellen Unterstützungs- und sozialen Dienstleistungen reduziert. Trotz hoher, aber in den letzten Jahrzehnten nicht gestiegener Scheidungswahrscheinlichkeit weisen E.n unter allen Partnerschaften die größte Stabilität auf. Insofern Trennungen und Scheidungen nicht nur mit persönlichen Belastungen verbunden sind, sondern auch die Armutsgefährdung erhöhen, entsteht aus der Stabilität der Beziehungen sowohl für das Paar als auch für die Gemeinschaft ein Nutzen.

Weiterhin erleichtert das Vertrauen auf die Dauerhaftigkeit der Partnerschaft biografisch bedeutsame Entscheidungen mit weitem Zeithorizont, insb. die Entscheidung für Kinder, die eine unkündbare Eltern-Kind-Beziehung freisetzt. Die Präsenz beider Eltern und ihre wechselseitige Unterstützung, die sich als wichtiger Faktor im Erziehungsgeschehen darstellt, ist hier am ehesten gesichert. E. ist nach wie vor die Lebensform, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Familiengründung führt, zumal der Kinderwunsch häufig schon Motiv der E.-Schließung ist. Von einem Auseinandertreten von E. und Familie kann zwar insofern gesprochen werden, als mittlerweile in Deutschland und in der EU gut ein Drittel der Kinder außerhalb der E. geboren wird; jedoch bleibt die E. selbst weiterhin deutlich stärker als jede andere Lebensform auf eine Erweiterung zur Familie bezogen. Ihre demographische Bedeutung ist erheblich.

3. Anforderungen an den Schutz der Ehe

Aufgrund ihrer Leistungen besteht ein gesellschaftliches Interesse an der E. und es ergeben sich Verpflichtungen des Staates ihr gegenüber. Zu erwarten ist nicht eine Förderung, die die E. gegenüber anderen Lebensformen privilegiert, sondern eine rechtliche und wirtschaftliche Behandlung, die ihrer Idee und Lebensrealität gerecht wird.

Der Schutz der Privatheit und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gewährleisten grundsätzlich, dass von den Beteiligten gewollte intime Beziehungen unter Erwachsenen frei von staatlicher Reglementierung gelebt werden können und nicht an bestimmte Formen, wie etwa die E., gebunden sind. Zugleich ist aber nicht nur nach kirchlichem Verständnis, sondern in Deutschland auch durch den „besonderen Schutz der Ehe“ in Art. 6 des GG und generell durch das anerkannte Menschenrecht (Menschenrechte) der Freiheit zur E.-Schließung der Staat gehalten, das Rechtsinstitut der E. zu gewährleisten. Die Freiheit, die E. einzugehen, bedeutet auch, dass staatlicherseits formulierte E.-Hindernisse möglichst gering sein müssen, schließt aber Definitionen der E.-Fähigkeit nicht grundsätzlich aus. Die E.-Schließungsfreiheit bedeutet in einem negativen Sinn zugl., dass niemand zur E.-Schließung gezwungen werden darf.

Da die E. für die Beteiligten ein positives Gut ist und zudem die Kosten der Lebensführung reduziert, benötigt die E. keine wirtschaftliche Förderung durch den Staat, sondern nur eine ihrer Lebenssituation entsprechende Behandlung im Unterhalts-, Sozial- und Steuerrecht. Die eheliche Lebensgemeinschaft umfasst normativ und empirisch auch den wirtschaftlichen Bereich und begründet finanzielle Solidaritätspflichten zwischen den E.-Partnern. Angesichts des auf Lebenszeit gegebenen E.-Versprechens werden diese auch bei Trennung und Scheidung nicht grundsätzlich hinfällig, da die Lebensplanung auf diese Zusage setzen darf. Sozialethisch ist bei Bejahung der Verpflichtung zur eigenen Sicherung des Lebensunterhalts an der nachwirkenden Solidaritätspflicht und damit am nachehelichen Unterhalt festzuhalten. Bei dieser sind die durch Sorge- und Erziehungsarbeit in E. und Familie erbrachten Leistungen bes. zu berücksichtigen.

In steuerlicher Hinsicht ist das E.-Gattensplitting keine Privilegierung; die gemeinsame Besteuerung ist der Wirtschaftsgemeinschaft E. angemessen. Die diskutierte Umstellung auf eine Individualbesteuerung ist mit einer individualistisch-liberalistischen Gesellschaftsperspektive eng verbunden, insofern hier Einzelpersonen betrachtet werden, ohne wesentliche Beziehungsstrukturen zu berücksichtigen, in denen diese Personen stehen. Die unterstellte wirtschaftliche Autarkie der Partner und völlige Symmetrie ihrer Einkommen verfehlt die Lebensrealität von E.-Paaren – insb. mit Kindern – und sanktioniert jede Abweichung vom Gleichverdienst durch Erhöhung der Steuersumme. Beim selben Haushaltseinkommen ergäben sich nämlich in Abhängigkeit von der Verteilung der Einkommen auf die Partner unterschiedliche Steuerlasten.

Die katholische Soziallehre betont traditionell im Blick auf E. und Familie, dass diese älter sind als der Staat, die E. somit in einem gewissen Sinn dem Staat vorgegeben und er in seiner Regelungszuständigkeit eingeschränkt ist. Er ist zum Schutz der E. verpflichtet, aber nicht zu deren beliebiger Gestaltung ermächtigt, sondern an das lebensweltliche Verständnis der E. gebunden, das in Deutschland und vielen anderen Ländern von der Tradition des christlichen E.-Konzeptes zehrt und wesentliche Elemente bewahrt hat. Gegenwärtig ist in besonderer Weise gesellschaftlich und politisch strittig, ob gleichgeschlechtlichen Partnerschaften eine E.-Schließung ermöglicht werden kann und soll. In der Veränderung eines Kernelements des tradierten kulturellen E.-Verständnisses geht dieser Vorschlag über die rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften deutlich hinaus. Während für ihre Gleichstellung mit der E., soweit gleiche Rechte und Pflichten wie in der E. übernommen werden und gleiche gesellschaftliche Leistungen erbracht werden, Gerechtigkeitsargumente sprechen, erscheint die Öffnung der E. und damit die Veränderung des kulturellen E.-Verständnisses für eine rechtlich angemessene Anerkennung nicht unabdingbar und von erheblichem Konfliktpotenzial. Ein erheblicher Teil der Religionsgemeinschaften würden eine solche Ausweitung des E.-Begriffs für ihren Bereich nicht übernehmen, sodass daraus auch ein weiteres Auseinanderfallen des kirchlichen und des staatlichen E.-Verständnisses resultieren würde. Fraglich bleibt weiterhin, ob sich eine entsprechende Rechtsänderung auf ein in diesem Sinn gewandeltes gesellschaftliches E.-Verständnis berufen kann.

II. Theologie

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1. Ehe als naturale Lebensgemeinschaft

In der öffentlichen Debatte säkularer Gesellschaften steht die E. unter Druck: Einerseits wird die Befürchtung geäußert, durch die fortschreitende Individualisierung, die staatliche Anerkennung alternativer Lebensformen und die zunehmende Verlagerung familiärer Aufgaben nach außen stehe die klassische E. vor ihrer Auflösung. Andererseits werden neue Zwänge der Familie betont, etwa die Schwierigkeit, E. und Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Angesichts dieser Herausforderungen lohnt sich ein Blick auf die Institutionalisierungsgeschichte, um die ethisch-kulturelle Dimension des Zusammenlebens zu ergründen. Und dies umso mehr, als die katholisch-theologische Sicht von E. stets beide Aspekte betont: die sogenannt Natur-E. als öffentliche Erklärung von zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts zu lebenslanger Treue und auf der anderen Seite die sakramentale Darstellung des Bundes Christi mit seiner Kirche, also dem getauften Volk Gottes, als Bund der Liebe und Treue. Schon in Platons „Symposion“ wird die Komplementarität der Geschlechter durch die Vorstellung erklärt, der Mensch sei ursprünglich ein Kugelwesen gewesen, das auseinander geschnitten worden sei und nun unaufhörlich seine „andere Hälfte“ suche (189e). Aristoteles geht einen Schritt darüber hinaus, indem er betont, da der Mensch den natürlichen Trieb habe, sich zu verbinden, könnten das Männliche und das Weibliche nicht ohne einander bestehen. Daher beginne in diesem natürlich vorgegebenen Drang des Zusammenlebens die Vergesellschaftung des Menschen. Diese Anthropologie lässt Aristoteles den Menschen als ein „zôon syndyastikón“ und „zôon politikón“ (NE 1162a) begreifen, als ein auf Gemeinschaft und auf Verbindlichkeit angewiesenes Lebewesen. Um dieses den Menschen unbeliebig Vorgegebene human zu gestalten und in eine Ordnung zu bringen, entstand die E. als Institution. Die Ausgestaltung dieser naturalen und biologischen Prädisposition ist immer kulturell geprägt; dies wird auch mit der aktuellen Unterscheidung von biologischem Geschlecht (sex) und sozial-kulturellem Geschlechtsverhalten (gender) zum Ausdruck gebracht. So lassen sich in der Geschichte sowohl Formen der Monogamie als auch der Polyandrie finden. Anliegen einer christlichen Ethik muss es in diesem Zusammenhang jedoch sein, die Würde des einzelnen Menschen (theologisch gesehen: als Geschöpf und Abbild Gottes) zu wahren und zu verteidigen und sich somit gegen jede biologistische, psychoanalytische oder historisch-materialistische Reduktion der E. auszusprechen, gemäß dem thomanischen Axiom „gratia non destruit, sed supponit et perficit naturam“: Die göttliche Gnade zerstört nicht die Natur des Menschen und sein natural-kulturelles Streben, sondern setzt es voraus und vollendet es, was freilich als Vollendung auch eine Zerstörung inhumaner Praxis des Zusammenlebens bedeuten kann. Dies geschieht in christlicher Tradition mit dem Begriff der Liebe: „Darum wird Gott im Christentum nicht als Person, sondern als Personengemeinschaft verstanden“ (Spaemann 2011: 25). Und genau deswegen ist die E. nach katholischer Lehre eines von sieben Sakramenten (Sakrament), ein „mysterion“ als geheimnisvoller Eid, als Zeugnis für eine unsichtbare geglaubte Realität, vermittels derer die göttliche Gnade eine naturale Wirklichkeit entfaltet und zum Optimum hin vollendet.

Es können prinzipiell vier historisch rekonstruierbare Formen der E. unterschieden werden: die institutionelle E. im Dienst des Fortbestandes der Familie oder Sippe mit der Sicherung der Erbfolge und der Unauflöslichkeit als rechtlicher Grundform, die Bündnis-E. mit der Verbindung von Institution und intensiver emotionaler Zusammengehörigkeit, die Verschmelzungs-E. mit der deutlichen, auch romantisierenden Betonung der emotionalen Beziehung nach Kategorien individualisierter Bedürftigkeit und des gegenseitigen situativen Begehrens, die partnerschaftliche E. mit der Betonung der Autonomie der Partner und der E. als Vertrag mit der Möglichkeit der Auflösung. Im Anschluss daran betont auch die katholische Kirche in der E.-Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils das Recht auf freie Partnerwahl; im Hintergrund steht das Ideal einer freien und bewussten Lebensentscheidung für die lebenslange und exklusive Bindung an einen anderen Menschen (GS 49). Darüber hinaus wird neben der Hinordnung auf Nachkommenschaft der partnerschaftliche Bund der E.-Leute erwähnt: „E. und eheliche Liebe sind ihrem Wesen nach auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft ausgerichtet. […] Die E. ist aber nicht nur zur Zeugung von Kindern eingesetzt, sondern die Eigenart des unauflöslichen personalen Bundes und das Wohl der Kinder fordern, dass auch die gegenseitige Liebe der E.-Gatten ihren gebührenden Platz behalte, wachse und reife“ (GS 50). So kann die E. als „eine Art Schule reich entfalteter Humanität“ verstanden werden (GS 52). Damit ist aus Sicht der Moraltheologie und Sozialethik die grundlegende moralische Dimension der E. angesprochen. Von einer klinisch reinen Natur-E. kann nicht die Rede sein; stets ist Natur überformt von kulturellen und moralischen Deutemustern versuchter Humanisierung. Wer Natur sagt, meint immer einen Standard von Idealisierung und Normativität. Grundlegend für das Humanum muss das Kriterium der Personalität sein, das freilich postmodern weit stärker als früher individualisierend interpretiert wird. In jeder E. muss die individuelle Würde der Person geschützt sein; dieser Schutz der Würde bleibt jenseits aller Wertverschiebungen von Disziplin und Treue zu Gleichheit und Autonomie die moralische Basis des Zusammenlebens. In dieser Sicht stellt die E. die Keimzelle der Gesellschaft dar und bildet den Ort, an dem die primäre Sozialisation des Menschen erfolgt. Hier werden Verantwortung, Solidarität und Gemeinwohlorientierung (Gemeinwohl) erlernt. Daher stehen E. und Familie nach Art. 6 GG unter dem besonderen Schutz des Staates, auch wenn weiterhin in der juristischen Debatte, nicht zuletzt im Umfeld der Zulassung von homosexuellen eingetragenen Partnerschaften (Eingetragene Lebenspartnerschaft), strittig ist, ob und wie aus dieser Formulierung ein Abstandsgebot bezüglich der heterosexuellen E. gegenüber anderen Partnerschaften zu erschließen sei. Auch die beiden römischen Bischofssynoden (Oktober 2014 und Oktober 2015) zum Thema der E. und Familie betonen den Wert der Natur-E. als Vorbereitung auf die Schule der Heiligkeit in einer sakramentalen E., insofern eine Erziehung und Formung zu wirklicher hingebender Liebe zum anderen Menschen gelingt. Ob dieser andere Mensch auch ein biologisch andersgeschlechtlicher Mensch sein muss oder ob gemäß dem Gesetz der Gradualität auch auf Treue ausgerichtete homosexuelle Partnerschaften (Homosexualität) einen Anfang des Weges zur Heiligkeit bilden können, wurde kontrovers diskutiert; die Synode hielt abschließend aus katholischer Sicht am Ideal der heterosexuellen lebenslangen treuen E. als normativer Lebensform fest.

2. Ehe als Sakrament

Die E. ist als naturhafte Realität durch die Schöpfung eine Stiftung Gottes, in deren Bestimmung Unauflöslichkeit und Pflicht zur Treue zum Kern der christlichen Botschaft gehören. Im sogenannten Paradies, verstanden als ursprüngliche Idee Gottes und ursprüngliche Ordnung des Menschen in einem idealen Garten Eden, wird die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen, typologisch realisiert in Adam und Eva, gerade als Vollendung der Schöpfung und Kennzeichen des vollkommenen Ebenbildes Gottes verstanden. Zugleich erscheint sie als grundlegende ethische Aufgabe des Menschen, weil nicht die Natur an sich, sondern erst eine Kultur des Zusammenlebens der Versuchung zum Bösen – Gott und den Mitmenschen als Feind zu verstehen und als Kain aus dem Weg zu räumen – zu widerstehen vermag. Natur wird stets als kultivierte Personalität verstanden; in dieser Sicht unterscheidet das Naturrecht des Hochmittelalters drei normative Dimensionen: eine universale Dynamik des Seienden schlechthin, eine zielgerichtete Wesensnatur von Tier und Mensch sowie eine spezifische Zielgerichtetheit der menschlichen vernünftigen Natur auf der Grundlage der drei naturalen Neigungen zu Selbsterhaltung, Kommunikation und Sexualität. Die E. steht im Dienst an einer Kultur des menschlichen Zusammenlebens; das ist der Schöpfungsauftrag Gottes, der mit dem Auszug von Adam und Eva aus dem Paradies und dem Brudermord von Kain an Abel zerbricht und im mosaischen Gesetz angesichts der Herzenshärte der Menschen mühsam als „minimum morale“ rekonstruiert wird; das ist die Offenbarung des neuen Gesetzes der Liebe in der Person Jesu mit dem Rückgriff auf das Ideal der E. „am Anfang“. Immerhin begegnet schon in Hos 11,1–11 die Vorstellung, die E. sei ein Bild für den Bund Gottes mit seinem Volk. Dennoch bleibt es bei der mosaischen Möglichkeit der E.-Scheidung. Jesus stellt die ursprüngliche Ordnung wieder her und erklärt die alttestamentliche Regelung der Scheidung mit Wiederheirat für ungültig; dies wird im NT an fünf Stellen bezeugt (Mt 5,31 f.; 19,3–11; Mk 10,2–12; Lk 16,18; 1 Kor 7,10–16). Die „Unzuchtsklausel“ in Mt 5,32 kann wohl weniger als Regelung für den E.-Bruch als vielmehr für die illegale Verwandtschafts-E. (vgl. Apg 15,28 f.) verstanden werden. In den ersten frühchristlichen Jh. gilt nach dem Zeugnis des „Briefes an Diognet“ (Diogn. 5,6): „Die Christen heiraten wie die anderen“; seit dem 4. Jh. entwickelt sich ein kirchlicher Ritus als Angebot zur E.-Schließung hinzu. Zugleich wird in der E.-Lehre des hl. Augustinus betont, dass die E. Sakrament sei. Der Bund von Mann und Frau ist sichtbares Zeichen der unsichtbaren Realität Gottes und seiner Liebe, durch drei fundamentale Güter (oder E.-Zwecke) ausgezeichnet: die Zuneigung der E.-Gatten (sacramentum: Heilung des falschen Begehrens), die Treue zueinander (fides) und den Wunsch nach Nachkommenschaft (proles). „Augustinus betrachtet die auf Fortpflanzung ausgerichtete sexuelle Vereinigung von Mann und Frau eindeutig als positives Grundelement innerhalb einer Ehe“, bleibt aber „konsequent auf der Linie seiner normativen Finalisierung der Ehe“ (Münk 2014: 79). Immer ist hier der Hintergrund der Auseinandersetzung mit Pelagius auf der einen und mit den Manichäern auf der anderen Seite zu beachten; Augustinus versucht die Mitte zwischen leibfeindlichem Dualismus und naturalistischer Weltfreudigkeit zu halten.

Diese von Augustinus idealisierte „Paradieses-E.“, als Zusammenleben von Mann und Frau ohne sündhafte Lust, und die von ihm skizzierten E.-Ziele bilden nach Joseph Ratzinger den Versuch, „die Frage nach der Versittlichung des Geschlechtlichen […] nicht punktuell, sondern aus einem personal-sozialen Zusammenhang“ zu beantworten; dies muss dann konsequent weitergedacht werden als „Versittlichung des Sexuellen in seiner Humanisierung, nicht in seiner Naturalisierung. […] Nicht dann ist die Erfüllung des Geschlechtlichen sittlich wertvoll, wenn sie naturgemäß geschieht, sondern dann, wenn sie der Verantwortung vor dem Mitmenschen, vor der menschlichen Gemeinschaft und vor der menschlichen Zukunft gemäß geschieht“ (Ratzinger 1969: 99). Die augustinischen E.-Zwecke werden auf der Grundlage des von Papst Nikolaus I. im Brief an die Bulgaren 866 genannten Konsenses der Brautleute und in Anlehnung an den altrömischen Grundsatz „consensus facit nuptias“ in der Hochscholastik (Scholastik) aufgegriffen. Thomas von Aquin unterstreicht in seiner „Summa theologiae“: Das erste Ziel der E. entspricht dem Menschen als Lebewesen, das zweite dem von den Tieren unterschiedenen Vernunftwesen, das dritte dem Menschen als Christ, der an die zu beantwortende Liebe Gottes glaubt. In seiner „Summa contra gentiles“ bezeichnet er die eheliche Liebe als Freundschaftsliebe. Das Konzil von Trient bestätigt 1563 endgültig die Sakramentalität der E. Damit kommt eine längere Entwicklung zum Abschluss, in der seit dem 12. Jh. allmählich die E. als kanonistisch verwaltetes Rechtsinstitut herausgestellt wurde. Im Dekret „Tametsi“ 1561 werden alle klandestinen Konsenserklärungen untersagt und zugleich im Anschluss an Eph 5,30–32 die sakramentale Teilhabe der Brautleute an der Liebe Christi zu seiner Kirche herausgestellt. Diese explizit theologische Sicht der E. wird lehramtlich von Pius XI. 1930 in der Enzyklika „Casti connubii“ in naturrechtlicher Tradition aufgegriffen und vom Zweiten Vatikanischen Konzil wie auch von Paul VI. 1969 in der Enzyklika „Humane vitae“ und bes. dann im Personalismus Johannes Pauls II., bes. in seinem Apostolischen Schreiben „Familiaris consortio“ von 1981, entfaltet. Die eheliche Liebe „wird durch den eigentlichen Vollzug der Ehe in besonderer Weise ausgedrückt und verwirklicht. Jene Akte also, durch die die Eheleute innigst und lauter eins werden, sind von sittlicher Würde; sie bringen, wenn sie human vollzogen werden, jenes gegenseitige Übereignetsein zum Ausdruck und vertiefen es, durch das sich die Gatten gegenseitig in Freude und Dankbarkeit reich machen“ (GS 49). Bemerkenswert ist dabei die durchgehende Perspektive einer nötigen und auch möglichen Heilung und Heiligung der naturhaften sexuellen Zuneigung hin zu einer wirklich personalen Hingabe in der Ausdruckshandlung der Sexualität. Weder Keuschheit noch Leidenschaft stehen in sich und sind letzte Ziele; sie empfangen beide ihre letzte ethische Qualität durch die bewusste Hinordnung auf das Ziel einer wachsenden hingebenden Liebe zu Gott und zum Mitmenschen. Eine solche personale Liebe in Absetzung von jeder Verzwecklichung der anderen Person drückt sich aus in der Sexualität von ehelicher Treue und Verbindlichkeit; dies erklärt die Festlegung des katholischen Lehramtes auf die exklusive Bindung der Sexualität an die eheliche Treue und die Ablehnung der vor- und außerehelichen Sexualität. Menschliche Sexualität als vollkommenster Ausdruck körperlicher Liebe wird gebunden an den vollkommensten Ausdruck geistiger Liebe, nämlich das Versprechen lebenslanger Treue und Hingabe. Dies kann als Höchstform einer sakramentalen Humanisierung der menschlichen Natur verstanden werden. Die menschliche Person bringt sich selbst und ihre Grundentscheidung zum Guten in einer folgerichtigen und lebensbindenden Tat der Liebe zum Ausdruck und verwirklicht sich gerade darin selbst als leibhafte Person in der hingebenden Beziehung zu einer anderen Person. Dies geschieht unter Getauften in der Form des unauflöslichen Sakramentes. Das wird allerdings, über die natürlichen E.-Zwecke hinaus, einen expliziten Glauben der E.-Leute an Gottes Berufung zur Heiligkeit im Sakrament der E. erfordern; eine Strategie voraussetzungsloser Sakramentalisierung ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Glauben der Spender wie Empfänger des Sakramentes wird sich, zumal in säkularisiertem Kontext, nicht bewähren. Von daher ist zu überlegen, wie in Zukunft stärker und präziser zwischen einer vollkommenen sakramentalen und unvollkommenen sakramentalen E. zu unterscheiden ist, „die zwar sakramental gültig (ratum) geschlossen wurde, aber nie im Glauben vollzogen (consummatum) worden ist, und die von der Kirche aufgelöst werden könnte wie eine Ehe, die nie leiblich vollzogen wurde. […] In beiden Fällen wäre die Ehe sozusagen anfanghaft, aber defizitär sakramental“ (Schmidt 2015: 435). Desungeachtet besteht das dringende Desiderat einer ausführlicheren und gründlicheren Vorbereitung auf das E.-Sakrament, evtl. auch in Form eines längeren E.-Katechumenats. Bewusstheit und Freiheit der lebenslangen Entscheidung für den von Gott gnadenhaft anvertrauten Menschen in der E. verdichten sich dann zum unauflöslichen Sakrament der Liebe Gottes.

III. Soziologie

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Die E. hat in der Gegenwartsgesellschaft eine Bedeutungserosion zu verzeichnen. 2021 gab es ca. 17,4 Mio. E.n, und das sind um 2,2 Mio. weniger als 1996 (StBA 2021). Seit kurzem ist die E. in Deutschland nicht mehr die häufigste Lebensform, sondern wird von den Alleinstehenden mit mehr als 18 Mio. überflügelt. Nicht nur die jährlichen E.-Schließungen sind rückläufig, sondern auch die Heiratshäufigkeit. Damit wird erfasst, wie viele Personen entsprechend der aktuellen Heiratsneigung zumindest einmal im Leben heiraten: Während es Anfang der 1970er Jahre noch 93 % der Frauen und 87 % der Männer waren, sind es gegenwärtig noch rund 69 % bzw. 63 % (BIB).

1. Monopolverlust und Pluralisierung

Wenngleich dies auf den ersten Blick nahe zu liegen scheint, zeichnet sich kein genereller Niedergang von Paarbeziehungen ab. Im Gegenteil: Je mehr traditionelle Vergemeinschaftungsformen brüchig werden, desto mehr wird das Bedürfnis nach Intimität und emotionaler Absicherung auf die Zweisamkeit fokussiert und das Individuum „in die Suche nach dem Partnerglück hineingetrieben“ (Beck 2005: 37). Vollzogen hat sich eine Entkoppelung von Liebe und E. Der Monopolverlust der E. geht mit einer Pluralisierung von Beziehungsformen einher. Für Paare stehen unterschiedliche gesellschaftlich akzeptierte Beziehungsformen offen, in denen das gemeinsame sexuelle Erleben fest eingeschrieben und ein gemeinsamer Alltag gestaltbar ist. Stark zugenommen haben nichteheliche Lebensgemeinschaften (NEL), worunter das unverheiratete Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt verstanden wird. Nach dem Mikrozensus 2021 gibt es derzeit 3,26 Mio. verschiedengeschlechtliche NEL. Gerade bei jungen Paaren sind sie sogar verbreiteter als E.n. Weithin gängig ist es inzwischen, dass E.n aus vorangegangenen NEL entstehen. Eine weitere wichtige Form ist die bilokale Paarbeziehung oder Distanzbeziehung; sie zeichnet sich durch das Fehlen eines gemeinsamen Haushalts aus. Zu ihrer Verbreitung tragen erhöhte Anforderungen an die Berufsmobilität ebenso bei wie wachsende Autonomieansprüche der Paare. Aufgrund der Haushaltsfixierung des 1996 eingeführten neuen Lebensformenkonzeptes weist die amtliche Statistik zu dieser Lebensform keine Zahlen aus. Im Mikrozensus werden diese Beziehungspersonen als Alleinlebende erfasst. Aufgrund von Surveydaten ist aber davon auszugehen, dass diese Lebensform eine ähnlich hohe Verbreitung wie NEL aufweist. Nicht aufgrund der Wohnform, sondern aufgrund ihrer geschlechtsgleichen Besetzung tragen zudem die gleichgeschlechtliche Paarbeziehungen zur Pluralisierung bei. Für sie wurde in Deutschland zunächst mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft eine eigene Rechtsform geschaffen, die der E. ähnlich, aber mit ihr nicht identisch war. Am 1. Oktober 2017 trat das sog. Eheöffnungsgesetz in Kraft, das die E.-Schließung für gleichgeschlechtliche Ehepaare ermöglichte. Bis 2022 hatten nach Einführung des Gesetzes 10 043 gleichgeschlechtliche Paare geheiratet.

2. Heiratsalter – Liebe – Familiengründung

Es wird nicht nur weniger, sondern auch später geheiratet. Der Trend zur Früh-E., der in der unmittelbaren Nachkriegszeit noch zu konstatieren war, wurde Mitte der 1970er Jahre durch ein Anwachsen des Heiratsalters abgelöst. Seit 1990 ist das durchschnittliche Heiratsalter für beide Geschlechter um ca. fünfeinhalb Jahre angestiegen. Ledige Männer heirateten 2022 im Durchschnitt mit 35,1 und ledige Frauen mit 32,6 Jahren. Die Paarbildung und auch der Heiratsentschluss ist heute eine exklusive Angelegenheit des Paares. Die Beteiligungsrechte der Eltern an der Paarbildung sind auf ein bloßes Informationsrecht geschrumpft. Weiterhin bildet die romantische Liebe die Grundlage für die Paarbildung, wenngleich sich diese kulturelle Vorgabe im Laufe des 20. Jh. verändert hat. Der hohe Kulturerfolg der romantischen Liebe hat eine Individualisierung der Aufbauphase bewirkt, die ihren Niederschlag auch in der Verschiebung der Leitkriterien der Paarbildung findet: Statt sozialer Merkmale wie sozialer Status, Einkommen oder Arbeitskraft stehen die einzigartigen persönlichen Qualitäten der geliebten Person im Zentrum.

Im Westen geht die E.-Schließung noch überwiegend der Familiengründung (Familie) voraus. Viele westdeutschen Paare machen den Schritt zum Standesamt (und zum Traualtar), wenn ein Kind erwartet oder gewünscht wird. Schon dadurch wird eine wesentliche Verschiebung erkennbar, da nicht mehr die E.-Schließung die Familiengründung legitimiert, sondern der Kinderwunsch die E. Diese kindorientierte E.-Schließung ist aber – wie die große Zahl an kinderlosen E.-Paaren zeigt – nicht das einzige aktuell vorkommende Heiratsmuster in Westdeutschland. Anders als im Westen (knapp 29 %) ist in Ostdeutschland die Anzahl der unehelichen Geburten deutlich höher; 52,5 % aller Kinder werden außerhalb einer E. geboren. Die Zahlen zeigen, dass im Osten überwiegend die Familiengründung einer möglichen Heirat vorausgeht. Deutlich werden in den beiden Teilen Deutschlands damit unterschiedliche Familiengründungsmuster. Wichtig erscheint v. a. zu erkennen, dass die E.-Schließung und Familiengründung mittlerweile zu biografischen Optionen wurden, für die sich Paare entscheiden können oder nicht. Die nichtehelichen Familien und die kinderlosen E.n machen zudem eine fortschreitende Entkoppelung von E. und Familie sichtbar.

3. Instabilität und Kettenbiografie

Stark zugenommen hat darüber hinaus die Instabilität von E.n. Mittlerweile ist davon auszugehen, dass knapp 40 % der jungen E.n keinen Bestand haben werden. Noch höher ist das Trennungsrisiko von nichtehelichen Lebensformen einzuschätzen. Anders als zu den Scheidungen liegen aber zu diesen Lebensformen keine amtlichen Statistiken vor. Die hohe Instabilität der E. hängt ganz wesentlich damit zusammen, dass sie immer weniger als eine verbindliche Institution aufgefasst wird, sondern als eine Gefühlsgemeinschaft, deren Bestand an die Fortdauer der Gefühle füreinander gebunden ist. Ein großer Teil der Geschiedenen heiratet ein weiteres Mal. Seit den 1960er Jahren steigt der Anteil der Folge-E.n an der Gesamtzahl der E.-Schließungen an. Allerdings ist die Wiederverheiratungsneigung rückläufig. Auch nach einer Scheidung werden nichteheliche Beziehungsformen immer attraktiver. Scheidungen oder überhaupt Trennungen haben zur Folge, dass es stets eine große Zahl von Singles, also Personen ohne Paarbeziehung, gibt. Das (Wieder-)Single-Sein ist in aller Regel allerdings nur eine biografisch mehr oder weniger lange Übergangsphase, bis es wieder gelingt, eine neue Paarbeziehung einzugehen. Trennung und der erneuerte Beziehungsaufbau sind zu wiederkehrenden kritischen Lebensereignissen – „kritisch“, weil sie als belastend erlebt werden – im individuellen Lebenslauf geworden. Das führt dazu, dass inzwischen die Kettenbiografie die dominante Form der Beziehungsbiografie ist.

4. Erwerbsorientierung und Partnerschaft

Die für das bürgerliche Familienmodell typische Arbeitsteilung mit einem erwerbstätigen E.-Mann und einer für Haushalt und Kinder zuständigen E.-Frau findet sich zumindest als lebenslange Form kaum noch. Selbst wenn verheiratete Frauen kleine Kinder haben, ist ihre Erwerbstätigkeit immer stärker der Normalfall. Im vereinten Deutschland sind allerdings weiterhin zwei unterschiedliche Geschlechterarrangements vorhanden. Im Osten dominiert weiterhin das Doppelverdienermodell mit (staatlicher) Kinderbetreuung. Dieses Modell zeichnet sich dadurch aus, dass beide vollzeitig in den Arbeitsmarkt einbezogen werden und ein großer Teil der Kinderbetreuung außerfamilial geleistet wird. Im Westen dominiert die Eineinhalb-Personen-Erwerbstätigkeit, die sich aus der Vollzeittätigkeit des Vaters und der Teilzeittätigkeit der Mutter zusammensetzt. Eng damit verbunden ist das mittlerweile dominante Leitbild der Partnerschaft, das durch den Anspruch einer prinzipiellen Gleichheit der Geschlechter gekennzeichnet ist. Männern wie Frauen werden die gleichen Rechte und Pflichten zuerkannt. Diese Entwicklung hat sich in Ost- wie Westdeutschland vollzogen. Die ostdeutschen Frauen haben jedoch – ohne dass geschlechtstypische Zuweisungen im privaten Raum völlig verschwunden wären – die traditionelle Arbeitsteilung im Haushalt stärker aufgebrochen als die westdeutschen.

IV. Rechtswissenschaft

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1. Die Ehe als Gegenstand des Rechts

Die E. ist nicht Resultat intentionaler Rechtsentwicklung, sondern eine vom Recht vorgefundene soziale Institution. Gleichwohl unterliegt sie nicht allein außerrechtlichen Einflüssen wie Sitte, Religion oder Kultur, sondern wird von alters her auch durch das Recht geprägt. Bis in die Gegenwart ist sie Gegenstand des kirchlichen (Kirchenrecht) und des staatlichen Rechts. Im staatlichen Recht Deutschlands ist die E. Gegenstand sowohl des Verfassungsrechts als auch des einfachen Rechts.

2. Der Ehebegriff des staatlichen Rechts

Weder das GG noch das BGB enthalten eine Definition der E., sondern setzen sie voraus. Für den grundgesetzlichen E.-Begriff, der aufgrund des Vorrangs der Verfassung auch für das zivilrechtliche E.-Verständnis maßgeblich ist, sind aufgrund seiner Anknüpfung an historisch ausgeprägte Strukturmerkmale der E. fünf Wesensmerkmale konstitutiv. Hiernach ist E. zunächst ausschließlich die Ein-E. als Vereinigung eines Mannes und einer Frau (Monogamie). Polygame Beziehungen erfüllen den verfassungsrechtlichen E.-Begriff nicht. Zu den konstitutiven Begriffsmerkmalen der E. gehört sodann die Geschlechtsverschiedenheit der E.-Partner, auf die das Verfassungsrecht wegen der generellen familiären Finalität der E. abstellt. Diese prinzipielle Finalität ist unabhängig von der individuellen Fähigkeit oder Bereitschaft der E.-Partner zur Zeugung von Nachkommen. Gleichgeschlechtliche Verbindungen sind vom E.-Begriff ausgeschlossen. Das gilt auch insofern, als ein etwaiger Kinderwunsch durch Adoption oder Reproduktionsmedizin zu erfüllen gesucht wird, da hierdurch nicht die Frage des E.-Begriffs, sondern des Familienbegriffs (Familie) aktualisiert wird. Konstitutiv für den grundgesetzlichen E.-Begriff ist ferner das sogenannte Konsensprinzip. Hiernach setzt die E. einen freien und übereinstimmenden Entschluss von Frau und Mann voraus. Die Formalien des E.-Schließungsrechts dienen der Sicherstellung dieses Konsenses. Weiteres Wesensmerkmal der E. ist deren grundsätzliche Unauflöslichkeit, das sogenannte Lebenszeitprinzip. Hiernach ist die E. auf Dauer angelegt, auch wenn im Falle eines Scheiterns ausnahmsweise ihre Auflösung möglich ist. An diesem Merkmal fehlt es bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften, selbst wenn sich diese im konkreten Fall als dauerhafte Beziehungen erweisen. Schließlich ist die staatliche Mitwirkung bei der E.-Schließung konstitutiv für den verfassungsrechtlichen Begriff der E. Sie wird einfachgesetzlich sichergestellt durch das Erfordernis der standesamtlichen Beurkundung. E.-Schließungen, die ohne Mitwirkung des Staates ausschließlich nach einem kirchlichen bzw. religiösen Ritus vorgenommen werden, genügen dem E.-Begriff des Art. 6 Abs. 1 GG nicht.

3. Die Verfassungsgarantie der Ehe

Die E. steht nach Art. 6 Abs. 1 GG „unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“. Hieraus resultieren verschiedene Gewährleistungsdimensionen. So enthält die Bestimmung ein Grundrecht, eine Institutsgarantie und eine wertentscheidende Grundsatznorm.

3.1 Art. 6 Abs. 1 GG als Freiheitsrecht

Als Grundrecht schützt Art. 6 Abs. 1 GG den Autonomie- und Lebensbereich der E. Die Vorschrift enthält ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in die spezifische Privatsphäre der E.-Partner. Dieses erfasst zunächst die E.-Schließungsfreiheit, verstanden als die Freiheit der Entscheidung über E.-Schließung, Wahl des E.-Partners und Zeitpunkt einer E.-Schließung. Diese Freiheit darf auch durch gesetzliche Bestimmungen, welche die Voraussetzungen der E.-Schließung sowie deren Form regeln, nicht unterlaufen werden. Sie wird ergänzt durch die Gewährleistung der freien Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch die E.-Partner. Daher ist es dem Staat bei der Ausgestaltung seiner Rechtsordnung untersagt, ein spezifisches inhaltliches Bild der E.-Verhältnisse zu formen und verbindlich bzw. drängend vorzuschreiben. Insb. wird von der Freiheit der E.-Gestaltung die Verteilung der Aufgaben in der E. sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich erfasst. Jede Festlegung einer Rollenverteilung hinsichtlich Erwirtschaftung des Einkommens, der Haushaltsführung und der Kinderbetreuung ist allein Sache der E.-Partner.

Auch wenn die E. ihrem Begriff nach auf Dauer angelegt ist, steht Art. 6 Abs. 1 GG im Falle ihres Scheiterns der ausnahmsweise erfolgenden Auflösbarkeit nicht entgegen. Allerdings enthält Art. 6 Abs. 1 GG kein Recht auf E.-Scheidung: Zwar kann die Vorschrift das Scheitern einer E. in der Lebenswirklichkeit nicht verhindern, doch wird damit die E.-Scheidung nicht selbst zum Schutzinhalt von Art. 6 Abs. 1 GG. Bei der einfachgesetzlichen Regelung der E.-Scheidung ist der Gesetzgeber aufgrund des Lebenszeitprinzips zu einer auf die Aufrechterhaltung der E. gerichteten Ausgestaltung des E.-Rechts verpflichtet. Dieser Pflicht entspricht, wenn die zivilrechtlichen Bestimmungen vorsehen, dass eine E. weder durch die einseitige Auflösungserklärung eines E.-Gatten noch durch das schlichte Einvernehmen beider E.-Gatten beendet werden kann, sondern hierfür – spiegelbildlich zum staatlichen Mitwirkungsakt bei der E.-Schließung – ein staatlicher Auflösungsakt erforderlich ist. Kommt es zur rechtsgültigen Scheidung einer E., erhalten die bisherigen E.-Partner wieder ihre E.-Schließungsfreiheit, also das Recht der Wiederverheiratung.

3.2 Art. 6 Abs. 1 GG als Institutsgarantie

Als Instituts- bzw. Einrichtungsgarantie gewährleistet Art. 6 Abs. 1 GG den Bestand und die wesensbestimmenden Strukturmerkmale des Rechtsinstituts E., die folglich der gesetzgeberischen Verfügungsgewalt in ihrem Kernbestand entzogen sind. Das bedeutet Schutz gegen gesetzgeberische Maßnahmen, durch die bestimmende Merkmale des der Verfassung zugrunde liegenden E.-Begriffs beeinträchtigt werden. Damit steht Art. 6 Abs. 1 GG nicht nur der gesetzgeberischen Abschaffung, sondern auch wesenskernrelevanten Änderungen des Rechtsinstituts der E. entgegen. Das gilt etwa für die gesetzliche Einführung einer jederzeitigen Kündbarkeit der E. durch die E.-Partner oder die gesetzliche Ermöglichung der Mehr-E.

3.3 Art. 6 Abs. 1 GG als wertentscheidende Grundsatznorm

Als wertentscheidende Grundsatznorm folgt aus Art. 6 Abs. 1 GG eine verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des die E. betreffenden privaten (Privatrecht) und öffentlichen Rechts. Hieraus resultiert für den Staat nicht nur das Verbot der E.-Beeinträchtigung und der E.-Benachteiligung, sondern auch das Gebot des E.-Schutzes und der E.-Förderung. Aus der verfassungsrechtlich einzigartigen Anordnung des „besonderen“ Schutzes folgt zudem, dass der E. eine verfassungsrechtlich vorgegebene exklusive Stellung zukommt. Aus Art. 6 Abs. 1 GG resultiert daher nicht nur die Zulässigkeit, sondern das Gebot, die E. gegenüber sonstigen Formen menschlicher Verbindungen zu privilegieren. Das verkennt die Rechtsprechung, die in Deutschland das BVerfG zu den eingetragenen Lebenspartnerschaften entwickelt hat und in deren Konsequenz es in verfassungswidriger Weise zu einer ungeschriebenen Änderung des Verfassungstextes gekommen ist. Demgegenüber ist daran zu erinnern, dass Art. 6 Abs. 1 GG Regelungen entgegensteht, die den „besonderen“ Schutz der E. dadurch beeinträchtigen, dass deren wesentliche Rechtswirkungen auch nichtehelichen Lebensgemeinschaften oder gleichgeschlechtlichen Beziehungen zuerkannt werden. Dem Gesetzgeber ist zwar nicht jegliche rechtliche Anerkennung nichtehelicher oder gleichgeschlechtlicher Lebensformen versagt, ihm sind indessen bei der Regelung der jeweiligen Rechtsverhältnisse Grenzen gesetzt und nur punktuelle Annäherungen an die E. gestattet.

4. Das Verhältnis von staatlichem und kirchlichem Eherecht

Zur rechtlichen Ordnung der E. tragen nicht nur die Regelungen des staatlichen Rechts, sondern auch religionsrechtliche Bestimmungen bei. Das belegt neben dem jüdischen und islamischen Recht insb. das Recht der christlichen Kirchen, wie die ehebezogenen Regelungen namentlich des kanonischen Rechts (Kirchenrecht) bezeugen. Während das staatliche E.-Recht als Teil der staatlichen Ordnungsaufgabe auf die weltlichen Bezüge der E. beschränkt ist, erfassen die religionsrechtlichen Vorschriften, die in Ausfüllung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV) und der korporativen Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) erlassen werden, die E. in ihrer theologischen Dimension. Mit besonderer Deutlichkeit zeigt dies das kanonische Recht, das die E. als Sakrament behandelt. Das Verhältnis ehebezogener Normen des staatlichen und des kirchlichen Rechts wird von fünf Charakteristika geprägt: von trennungsbasierter Parallelgeltung, inhaltlicher Unabhängigkeit, prinzipieller Perspektiv- und Zweckdivergenz, von unterschiedlichen Regelungsschwerpunkten sowie von fehlender Identität, aber hinreichender Kompatibilität der E.-Begriffe.