Christliche Unternehmervereinigungen

1. Geschichte

Im Gegensatz zu Verbänden von Handwerkern, Bauern, Landwirten etc. schlossen sich Unternehmer im kirchlichen Raum erst spät zusammen. 1915 erfolgte die erste katholische Gründung in den Niederlanden, 1921 in Belgien und 1926 in Frankreich. Unter Teilnahme deutscher, italienischer und tschechischer Beobachter schlossen sich die drei Verbände 1931 aus Anlass des 40. Jubiläums von Rerum Novarum zur International Christian Union of Business Executives (heute UNIAPAC) mit Sitz in Paris zusammen. Bereits vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden mehrere Tagungen zu wirtschaftsethischen Themen durchgeführt. Erst nach dem Krieg kam es zu weiteren Gründungen wie dem BKU 1949. Für die deutschsprachige Schweiz wurde im selben Jahr der VCU auf ökumenischer Basis gegründet.

Im protestantischen Raum gab es Initiativen von Christen in der Wirtschaft, ursprünglich als Verband gläubiger Kaufleute und Fabrikanten in Deutschland (1902 gegründet). Die aus den USA stammende charismatisch-pfingstlerisch ausgerichtete und 1953 gegründete Bewegung Full Gospel Business Men’s Fellowship International ist in mehr als 160 Ländern aktiv und fand auch als Christ im Beruf in den deutschsprachigen Ländern Resonanz. In Deutschland besteht seit 1966 der mit der EKD verbundene AEU. Überkonfessionell ausgerichtet ist die 1957 in der Schweiz gegründete Internationale Vereinigung Christlicher Geschäftsleute und Führungskräfte mit Sitz in Zürich. Seit 2001 findet in Deutschland alle zwei Jahre ein Kongress „Christlicher Führungskräfte“ statt, in dessen Trägerkreis verschiedene Verbände christlicher Unternehmer, angestellte Manager und Selbständige vertreten sind.

2. Der Bund Katholischer Unternehmer (BKU)

Die Gründung des BKU am 27.3.1949 in Königswinter erfolgte auf Veranlassung von Josef Kardinal Frings. Vorsitzender wurde Franz Greiss, Geschäftsführer Wilfried Schreiber. Geistliche Beiräte waren lange Jahre die Münsteraner Sozialethiker Joseph Höffner (1949–1962) und Wilhelm Weber (1964–1983) sowie der Bonner Sozialethiker Lothar Roos (1984–2014). Der BKU ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Köln. Während die ersten Mitglieder bis ca. 1960 ausschließlich Männer waren, wurden in späterer Zeit auch Frauen nicht nur Mitglieder, sondern auch Bundesvorsitzende (Mechtild Löhr und Marie-Luise Dött). Der jeweilige BKU-Vorsitzende wird seit Beginn von der BDA auch in den Vorstand berufen. Nach dem Fall der Mauer wurde 1990 ein BKU-Ost gegründet, der sich noch im selben Jahr mit dem westdeutschen BKU zusammenschloss. Der BKU arbeitet nach einer Umstrukturierung 1983 in 36 Diözesangruppen (in größeren Diözesen gibt es mehrere) sowie in Arbeitskreisen auf Bundesebene zu ausgewiesenen Sachthemen. Die Umstrukturierung zur Diözesanebene erfolgte, damit in den kontroversen Debatten um Arbeitslosigkeit und Sozialstaat Unternehmer ihre Stimme in die jeweiligen diözesanen Gremien (Diözesanräte der Katholiken) einbringen können. Neben dem jährlichen Bundestreffen finden auch regionale Konferenzen, Wallfahrten usw. statt. Zur systematischen Gewinnung von Nachwuchs besteht ein „Junioren-Kreis“.

Der BKU verfolgt vier zentrale Zielsetzungen: Erstens sollen die Mitglieder ihre christliche Wertorientierung vertiefen, wozu religiöse/spirituelle Veranstaltungen angeboten werden. Durch Diskussionen im Verband sollen Beurteilungsmaßstäbe entwickelt werden, um auf neue ethische Herausforderungen in der Wirtschaft (Wirtschaftsethik) auf der Grundlage der kirchlichen Sozialverkündigung (Katholische Soziallehre) zu reagieren. Zweitens sollen christliche Wertvorstellungen in das praktische Wirtschaftsleben hineingetragen werden, durch das vorbildliche Verhalten der Mitglieder in ihrer eigenen Wirtschaftspraxis, ihrem Engagement in Wirtschaftsverbänden und Industrie- und Handelskammern sowie durch entsprechende Leitlinien, die breiter kommuniziert werden. Drittens hat der BKU eine explizite politische Zielsetzung, indem zu wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen Stellungnahmen in die politische Diskussion eingebracht werden. Viertens beteiligt sich der Verband an innerkirchlichen Debatten über wirtschafts- und sozialpolitische Fragen, um dort unternehmerischen Sachverstand einzubringen. Dabei ist bes. der Dialog mit anderen katholischen Verbänden wie der KAB, Kolping und dem KKV wichtig. Durch diesen Dialog wurde seit 1949 der Gedanke der Sozialpartnerschaft (im Gegensatz zum antagonistischen Konfliktdenken) gefördert.

Ein weiteres Anliegen des BKU ist es, dass die Bedeutung von Unternehmern in der kirchlichen Sozialverkündigung hinreichend und in rechter Weise Anerkennung findet. Dazu arbeiten Mitglieder des BKU im ZDK, in den Diözesanräten, aber auch in der römischen Kurie mit dem „Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden“ zusammen.

Zentrale inhaltliche Frage der Arbeit des BKU war seit dem Bochumer Katholikentag 1949 über lange Zeit die im sozialen Katholizismus bes. stark umstrittene Mitbestimmungsproblematik (Mitbestimmung). Bes. einflussreich war der BKU in der Rentenreform 1957, weil W. Schreiber und J. Höffner einen bedeutsamen Einfluss auf die Gesetzgebung ausüben konnten. Später kamen neben der Weiterentwicklung der Rentenversicherung Fragen der Kranken- und Pflegeversicherung hinzu. Die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand, der Schutz des arbeitsfreien Sonntags wie die Familienpolitik waren ebenfalls prominente Anliegen. Aufgrund der immer wichtiger werdenden Problematik internationaler Wirtschaftsbeziehungen wandte sich der BKU später auch Fragen der Europa- und der Entwicklungspolitik zu und engagierte sich auch praktisch entwicklungspolitisch. Dabei ist ihm die Verbreitung des Konzepts der Sozialen Marktwirtschaft wichtig. Gemeinsam mit dem AEUwurden Themen wie die Humanisierung der Arbeitswelt sowie die energie- und umweltpolitische Diskussion (Konflikt um Kernenergie) aufgegriffen. Der 1974 gemeinsam dem AEU gegründete Zusammenschluss zur ACU, der seit 1978 die deutsche Mitgliedschaft in der UNIAPAC innehatte, löste sich auf Wunsch des AEU 1990 wieder auf.

Der politische Einfluss des BKU beruht darauf, dass man seinen Vorstellungen ökonomischen Sachverstand und wirtschaftliche Umsetzbarkeit nicht absprechen konnte, dass er aber zugleich auch mit dem Fundament der Soziallehre der Kirche auf einer gesellschaftlich breiter anerkannten Wertgrundlage beruht. Indem einflussreiche BKU-Mitglieder zugleich Abgeordnete im Deutschen Bundestag waren, konnten sie diese Positionen in Parteien und Parlamente einbringen. Der BKU ist Mitglied bei UNIAPAC. Eine BKU-Tochter ist ORDO SOCIALIS, Vereinigung zur Förderung der Christlichen Gesellschaftslehre.

3. Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer (AEU)

Auf Initiative des Textilunternehmers Walter Bauer, Mitglied im Freiburger (Bonhoeffer-)Kreis, der vor 1945 die Wirtschaftsordnung der Nachkriegszeit konzipierte, wurde 1966 der AEU als ein eingetragener Verein mit Sitz in Karlsruhe gegründet. W. Bauer war erster Vorsitzender. Der Zusammenschluss war von der verfassten Kirche rechtlich wie organisatorisch unabhängig, aber mit der EKD verbunden. Der AEU versteht sich als Gegenpol zu den kirchlichen Arbeitnehmerorganisationen (Christliche Arbeitnehmerorganisationen) wie den Arbeitsstellen Kirche und Wirtschaft der Landeskirchen. Er fördert die geistig-ethische Auseinandersetzung unter den Mitgliedern. Diesem Ziel dienten auch gemeinsame Seminare von Pfarrern und Unternehmern. Der AEU setzt sich für die Soziale Marktwirtschaft (Soziale Marktwirtschaft) ein, die maßgeblich von Protestanten in Widerstandskreisen zum Nationalsozialismus (Widerstand) konzeptionell entworfen worden war.

Die Mitglieder treffen sich in 17 Regionalgruppen. Es wurden dafür evangelische Unternehmer in herausragenden Führungspositionen (z. B. Vorstandsvorsitzende von DAX-Unternehmen) sowie auch Führungskräfte aus der Kirche gewonnen. Der AEU bringt unternehmerische Sichtweisen und Kompetenzen in die innerkirchliche Willensbildung ein, z. B. bei wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen, wie für die umfangreichen kirchlichen Aktivitäten, die Organisation und Leitungsstrukturen der Kirche sowie der Diakonie (Diakonisches Werk). Mitglieder des AEU wirken in Synoden, in Kammern der EKD, in Seminaren evangelischer Akademien etc. mit. Weiterhin ist der AEU mit dem Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik verbunden.

4. Der Verband Christlicher Unternehmer (VCU)

Der ökumenisch ausgerichtete und 1949 für die deutschsprachige Schweiz gegründete VCU ist in sieben Regionalgruppen aufgeteilt. Dort treffen sich die Mitglieder zu einem regelmäßigen Austausch zur Diskussion aktueller ethischer Herausforderungen im Wirtschaftsleben. Der VCU gehört UNIAPAC an. Der VCU hat ca. 400 Mitglieder, die sich in ihrem persönlichen Leben wie im Geschäftsleben an christlichen Werten orientieren wollen. Er hat 1968 eine gemeinnützige Stiftung Offene Hand „Swisshand“ zur Unterstützung der Selbsthilfe in Ländern der Dritten Welt gegründet. Die Stiftung vergibt vorwiegend Mikrokredite.

5. International Christian Union of Business Executives (UNIAPAC)

Der internationale Zusammenschluss katholischer Unternehmerverbände expandierte seit 1948 nach Lateinamerika. Der Vatikan hatte UNIAPAC 1957 als katholische Organisation (Katholische Organisationen) anerkannt und einen Kardinal als Protektor bestellt. Es gibt je einen geistlichen Beirat für Südamerika und Europa. UNIAPAC öffnete sich 1962 ökumenisch und trägt seither den gegenwärtigen Namen, weist aber immer noch ein spezifisch katholisches Profil auf.

Neben den zwölf europäischen Unternehmerverbänden gehörten ihm 2015 elf afrikanische Länderorganisationen und 13 Verbände aus elf mittel- und südamerikanischen Staaten an. Weiterhin gibt es mit Libanon und Thailand lediglich zwei Verbände im arabisch-asiatischen Raum. Die Gesamtzahl der Mitglieder beläuft sich auf ca. 16 000. Der Sitz ist Paris. UNIAPAC ist von der UNO bzw. UN-Sonderorganisationen als NGO anerkannt. Sie arbeitet bes. mit der ILO und der UNESCO zusammen.

Etwa alle drei Jahre werden weltweite Kongresse für internationale Führungskräfte veranstaltet, weiterhin Seminare und Konferenzen. UNIAPAC widmet sich vor allem wirtschaftsethischen Fragen (Wirtschaftsethik), die sich aus der globalen Wirtschaft ergeben: etwa die Rolle transnationaler Konzerne, Schuldenerlasse für Staaten der Dritten Welt oder nach der Finanzkrise (Finanzmarktkrise) 2008 die Tätigkeit internationaler Banken und des globalen Finanzmarktes (Finanzmärkte). Die Ziele von UNIAPAC sind die Stärkung der persönlichen Wertüberzeugungen der Mitglieder, die Humanisierung ihres Unternehmens, der Interakteure ihres Unternehmers bis hin zur gesamten Gesellschaft, die Organisation eines internationalen Austausches zwischen Unternehmensleitern aus vielen Teilen der Welt, die Etablierung christlicher Unternehmensvereine in Ländern, in denen solche nicht bestehen, die Vertretung der Mitgliedsorganisation in internationalen Organisationen auf der Basis christlich-sozialen Denkens. UNIAPAC beteiligt sich auch am interreligiösen Dialog, z. B. durch Kongresse mit muslimischen Unternehmern über wirtschaftsethische Fragen.

6. Bewertung

Der BKU und der AEU sind in ihren jeweiligen Kirchen anerkannte Organisationen, die als etablierte Gesprächspartner angesehen werden, die in Kirche und Politik erfolgreich hineinwirken. Aufgrund der Veränderungen in der Wirtschaft sind bei ihnen nicht nur Eigentümerunternehmer, sondern mittlerweile auch angestellte Manager und Selbständige sowie Wissenschaftler vertreten. Unternehmerverbände verfügen gesellschaftlich, politisch und innerkirchlich über mehr Einfluss, als dies ihre schmalen Mitgliederzahlen zum Ausdruck bringen. Die häufig gehobene Stellung ihrer Mitglieder ermöglicht ihnen den Zugang zu Eliten (Elite) in anderen Teilbereichen (Politik, Kirche etc.) der Gesellschaft.