Christenverfolgung

  1. I. Theologische Aspekte
  2. II. Historische Aspekte
  3. III. Politische Aspekte

I. Theologische Aspekte

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Es muss unterschieden werden zwischen der Benachteiligung der Christen bzw. Einschränkung ihrer Glaubensfreiheit, der Bedrängnis von Christen sowie ihrer Verfolgung. Diese drei Stufen sind nicht scharf voneinander abgrenzbar. Die höchste Form christlicher Antwort auf Verfolgung ist das Martyrium.

1. Begrifflichkeit

Situationen, in denen Christen benachteiligt, bedrängt oder verfolgt werden, resultieren aus einem Mangel an Religionsfreiheit. Dieser Mangel kann gleiche Folgen für Gläubige anderer Religionen haben; es hängt davon ab, welche Religion staatlicherseits bevorzugt wird. Die Religionsfreiheit, wie sie auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil in DH 2 definiert worden ist, ist nach heutiger katholischer Auffassung die Grundlage für das Staat-Kirche-Verhältnis (Kirche und Staat). Dort, wo Religionsfreiheit herrscht und auch gesellschaftlich durchgesetzt wird, gibt es keine Verfolgung von Christen oder Anhängern anderer Religionen aufgrund ihrer Religion, möglicherweise aber aufgrund der Orthopraxie. Bei der heutigen Rede über C. wird die Tatsache als solche stärker in den Vordergrund gestellt als die möglichen Ursachen. So werden mit dem Begriff auch Situationen qualifiziert, in denen ethnische Gruppen verfolgt werden, für die das Christsein Identitätsmerkmal ist. Eine Unterscheidung zwischen ethnischer und religiöser Verfolgung ist hier nur schwer möglich. Für eine theologische und kirchliche Beurteilung der C. muss dagegen auch auf die Glaubensinhalte eingegangen werden, um derentwillen sie stattfindet.

2. Biblischer Befund

Im AT sind Aussagen über die Verfolgung der Propheten verbreitet. Das Thema ist typisch für die deuteronomistische Theologie (1 Kön 18,4; 19,1–3; 19,10; 19,14; 2 Chr 24,19–21; 36,16; Neh 9,26; Jer 2,30; 7,25 f.; 26,20–23; 26,37 f.; Hos 9,7–9). Für die Armen-Frömmigkeit des nachexilischen Schrifttums kennzeichnend ist die Aussage, dass die Armen und Gerechten durch reiche und mächtige Frevler verfolgt werden. Für die Endzeit wird eine Verfolgung des gesamten Gottesvolkes erwartet. In apokalyptischer Literatur ist die Verfolgung (verstanden als Läuterung) Voraussetzung für die Erlösung. Es wird ein verdichtetes Auftreten der gottfeindlichen Mächte erwartet (Dan 12,1; 4 Esra 13,16–20; syrBar 25;27).

Im NT werden die alttestamentlichen Motive aufgegriffen und dienen als Ausgangspunkt für die Darstellung der Verfolgung Jesu. Jesus selbst sagt den Jüngern Verfolgung voraus (Lk 6,22 f. par.; Mk 4,17 parr.; 10,30; Mt 5,10; 10,23), die bis zum Martyrium gehen kann (Mk 10,38 f. par; 13,12 parr; Joh 16,29). Diese Verfolgung kann eine Form der Nachfolge sein. Die Urgemeinde erfährt Verfolgung erstmals durch die Vertreibung aus Jerusalem (Apg 8,1) die Steinigung des Stephanus (Apg 6) und die Hinrichtung des Jakobus des Älteren (Apg 12,1 f.).

Im NT beginnt auch die theologische Reflexion der die Kirche betreffenden Verfolgungen. Nach Paulus leidet ein Christ immer als Teil des ganzen Leibes Christi (1 Kor 12,26). Die Christen sind aufgefordert, am Leiden ihres Herrn teilzunehmen (2 Tim 2,3; Phil 4,14). Dies gereicht ihnen zur Ehre (Eph 3,13). Die damit verbundenen Leiden stellen eine Prüfung dar, die die Urgemeinde jedoch nicht in einen militanten Gegensatz zu ihren Bedrängern stellt. In der Nachfolge ihres Herrn verzichten die Christen auf Vergeltung (1 Petr 3,9), sie leiden wie Christus für gute Taten (1 Petr 3,17) und beten für die Verfolger (Lk 6,28), wie es Christus am Kreuz tat. Die in der Verfolgung zu ertragenden Leiden können als Zeichen der Endzeit (Röm 8,18–23; 1 Thess 3,3; Offb 7,14) gedeutet werden, teilweise stehen sie in Verbindung mit dem Auftreten des Antichristen (Offb 13,1–10). Die Zusage der eschatologischen Teilhabe am Gottesreich ist ein Hoffnungsgut, das Leiden nicht verharmlost, sondern zum Handeln befähigt. Aus dem Bestehen der Verfolgung erwächst die Fähigkeit, über die Hoffnung Auskunft zu geben, die im Leiden trägt.

3. Weitere Entwicklung

Das Schwanken zwischen zwei entgegengesetzten Polen führte die Alte Kirche in eine Zerreißprobe: Einerseits versuchte man, in Verfolgungssituationen eine rigoristische Haltung als Nachweis der Echtheit der Bekehrung und Tiefe des Glaubens durchzuhalten, was die Verfolgungssituation verschärfte; andererseits sah man die Notwendigkeit eines Interessenausgleichs zwischen dem Imperium Romanum und der Kirchenleitung zugunsten der Mehrheit der Christen. Schließlich setzte sich im Christentum eine Haltung durch, die vorgängig zur eigentlichen Missionstätigkeit eine gegenseitige Bereitschaft zur Toleranz postulierte. Tertullians Satz „Ein Same ist das Blut der Christen“ (Tert. apol. 50,13) ist theologisch begründet; in historischer Betrachtung wuchs die Kirche allerdings bes. stark in Friedenszeiten.

Das Zweite Vatikanische Konzil macht in der dogmatischen Konstitution LG die Verfolgung der Christen zum Thema. Sofern alle Glieder Christus gleichgestaltet und in die Mysterien seines Erdenlebens aufgenommen werden sollen (LG 7), gehört dazu auch die Annahme von Armut und Verfolgung (LG 8). Jene, „die Verfolgung erdulden um der Gerechtigkeit willen“, sollen in der Kirche bes. Akzeptanz erfahren (LG 23). Nach LG 42 ist das höchste Zeugnis der Liebe die Hingabe des eigenen Lebens für andere, durch die der Märtyrer Christus gleichgestaltet wird. Zu diesem Zeugnis müssen alle bereit sein, wenn es auch nur wenigen gegeben ist (vgl. LG 50). Obwohl damit C. und Martyrium als beständige Merkmale der kirchlichen Existenz bestimmt werden, gehen nur wenige weitere Konzilstexte auf Einzelaspekte der Thematik ein (vgl. AA 4.17; PO 7; AG 42).

4. Zum Martyrium

Die Theologie des Martyriums und der Verfolgung wurde v. a. im Rückblick auf die Zeit der Verfolgung entwickelt. Die Märtyrerberichte dienten der Kirche zur Stärkung in der Konkurrenz mit anderen Religionen und christlichen Bekenntnissen. Sie sollten der desperatio fidei entgegenwirken, indem die Verhältnisse in theologischer Bewertung umgekehrt wurden: Der Märtyrer ist zur gloria Dei berufen und nicht durch die Tötung beschämt worden.

Im Leben der Kirche nimmt das Gedenken der Märtyrer einen zentralen Platz ein. Dabei bleiben häufig die konfliktiven Hintergründe, die zu einer Bedrohung oder Verfolgung der Christen führten, unbeachtet. Das Martyrium als „mit dem Tode bezeugte Treue zum heiligen Gesetz Gottes ist feierliches Zeugnis und missionarischer Einsatz“ (Johannes Paul II., „Veritatis splendor“ 93). Der Inhalt des Zeugnisses ist die christliche Liebe, die jeden anderen Wert einschließt. Die Märtyrer werden zu Zeugen des Gottesreiches, indem sie Gottes- und Nächstenliebe in Einheit leben. Die Rede von der C. darf allerdings nicht davon ablenken, dass auch Christen Verfolger waren und sind.

Der Begriff des Martyriums im klassischen Sinn (Tötung in odium fidei) wird heute oft durch Einbeziehung der Verfolgung um der Gerechtigkeit willen erweitert, die als indirektes Glaubenszeugnis gilt. Christen sehen sich aufgefordert, totalitäre Systeme (Totalitarismus), Unwahrheit, Unrechtssysteme, Siegergeschichten aufzudecken und Alternativen vorzuleben. Diese Alternativen können Einsätze für christliche Werte wie Menschenwürde, Gerechtigkeit, Solidarität, Option für die Armen sein. Sie können als solche zum Ärgernis für die Gesellschaft werden und Verfolgung wegen prophetischer Anklage evozieren. Hinter dieser stehen dann atheistische, antiklerikale Bewegungen oder Formen der Verabsolutierung des Staates; häufig ist aber auch „Gewalt nur aus materiellen Gründen oder umständehalber in brutaler Weise“ gegen Christen gerichtet („Mafia-Mord“) (Riccardi 2002: 23). „In den neuen politischen Theologien (Politische Theologie) und den Befreiungstheologien der Gegenwart erscheint Nachfolge Jesu so in einer sozial-ethischen Gestalt als durch ‚gewaltlosen Widerstand‘ geprägten Kampf für die Menschenrechte und die Rechte der Marginalisierten“ (Weckel 1998: 33).

Die Ökumene, die durch die Märtyrer sichtbar wird, ist immer wieder von Johannes Paul II. betont worden (vgl. TMA 37; „Ut unum sint“ 1; 83 f.). Bekenner und Opfer der verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften sind Zeichen der Hoffnung durch das Zeugnis für Recht, Gerechtigkeit, Verteidigung der Grundrechte des Menschen und seiner übernatürlichen Berufung. Es ist die gemeinsame Hingabe für das Reich Gottes und an die Sache des Evangeliums, durch die jede Spaltung überwunden ist („Ut unum sint“ 1). Man kann von einem Dialog der Bekehrung sprechen („Ut unum sint“ 83): „Wenn man für den Glauben zu sterben vermag, beweist das, dass man das Ziel auch dann erreichen kann, wenn es sich um andere Formen desselben Anspruchs handelt“ („Ut unum sint“ 84).

II. Historische Aspekte

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1. Historischer Rahmen

Die antiken Kirchenhistoriker zählen für die Zeit des Römischen Reiches zehn C.en. Als früheste dieser Maßnahmen gilt das Vorgehen Neros gegen Christen in Rom nach dem Brand der Stadt im Jahr 64 n. Chr.; als letzte wird die „Große Verfolgung“ unter Diokletian und Galerius (303–311 n. Chr.) angesehen. Die christlichen Quellen stellen die C. als gezieltes gewaltsames Vorgehen einzelner Herrscher gegen christliche Bekenner dar. Augustinus wendet sich jedoch gegen die Engführung der Verfolgungsgeschichte auf staatliche Akte und betont das den Christen auch aus privater Initiative zugefügte Leiden. In der Tat sind bis in die zweite Hälfte des 3. Jh. n. Chr. keine überregionalen, dezidiert antichristlichen Maßnahmen von römischen Behörden nachzuweisen, wohl aber lokal begrenzte Übergriffe. In der neueren Forschung wird daher der Einfluss der nichtchristlichen Bevölkerung auf das staatliche Vorgehen betont. Die erste C. im engeren Sinn bewirkten die Anweisungen Valerians 257/258 n. Chr.

2. Vorwürfe gegen die Christen

Römische Quellen des frühen 2. Jh. n. Chr. (Tacitus, Plinius der Jüngere, Sueton) beschuldigen die Christen des gemeinschädlichen „Aberglaubens“ (superstitio). Sie heben deren vermeintliche „Menschenfeindlichkeit“ hervor (odium humani generis), gemeint sind wohl christlicher Rigorismus, Exklusivismus und insb. die Weigerung der Teilnahme am Opferkult (deos non colere), damit Störung des Einvernehmens mit den Göttern (pax deorum). Zudem schrieb man den Christen Vergehen wie Inzest und Menschenopfer zu. Dies folgte dem römischen Diskurs bzgl. fremden bzw. rezenten Kulten (Bacchanalien-Dekret, 2. Jh. v. Chr.). Ausschlaggebend war wohl auch die Bezugnahme des Christentums auf eine von den römischen Behörden als Unruhestifter verurteilte Gründergestalt. In dieser Sicht stellten die Christen eine gefährliche politische Bewegung dar.

3. Rechtsgrundlage und Verfahren bis zur Decischen Verfolgung

C. als staatliche Handlungen sind weitgehend rechtsförmige Vorgänge („Christenprozesse“) gewesen. Quellenbasis für die frühe Zeit ist insb. die Korrespondenz zwischen dem Statthalter der Provinz Bithynia-Pontus (Nordwest-Türkei), Plinius dem Jüngeren, und Kaiser Trajan vom Anfang des 2. Jh. n. Chr., hinzu kommen in ihrer Authentizität differenziert zu bewertende, christlich tradierte Märtyrerakten. Bis in das 3. Jh. ist kein allgemeines, abstraktes Gesetz gegen Christen nachweisbar. Tertullian spricht juristisch unspezifisch davon, die Existenz von Christen sei verboten. Christenprozesse gehörten allerdings bereits um 100 n. Chr. zur administrativen Praxis und standen oft in Zusammenhang mit lokalen Unruhen. Sie bewegten sich im Rahmen der „außerordentlichen“ Rechtsprechung durch den Princeps und seine Stellvertreter in Rom bzw. durch Statthalter in den Provinzen. Deren Zielsetzung musste die Wahrung der öffentlichen Ordnung sein. Die Beschuldigung lautete auf Zugehörigkeit zum Christentum („Christianus sum“, nomen ipsum). Formale Prozessvoraussetzung war seit Trajan die Erhebung der Anklage durch eine Privatperson (delatio). Dies schloss eine aktive Verfolgung von staatlicher Seite grundsätzlich aus.

Der Gerichtsvorsitzende ermittelte durch Verhör Namen und Status des Beschuldigten sowie das Bekenntnis zum Christentum. Bei Bestreiten des Vorwurfs unterzog er die Angeklagten einem Opfertest. Wer vor paganen Götterbildern das Opfer vollzog, wurde freigelassen. Bei Beharren im Christentum drohte die Todesstrafe. Bezeugt sind ab dem 3. Jh. n. Chr. auch nicht-letale Körperstrafen, Haft, Verbannung und Zwangsarbeit. Gemäß der üblichen Strafbemessung erfolgte die Hinrichtung bei sozial hochgestellten Personen (honestiores) durch Enthauptung, bei übrigen Delinquenten (humiliores) durch wilde Tiere bei den Spielen (damnatio ad bestias). Folter wurde eingesetzt, um den Abfall vom Christentum zu erzwingen.

4. Die Verfolgungen des 3. und 4. Jh.

Decius schrieb 249 n. Chr. für alle (freien?) Einwohner des Reichs ein Opfer (supplicatio) an die traditionellen Götter vor (hierüber auf Papyrus erhaltene Bescheinigungen). Hintergrund war die militärisch und politisch angespannte Lage des Römischen Reichs. Eine direkte Stoßrichtung dieses Edikts gegen die Christen ist jedoch nicht nachweisbar. Das Opfer an die traditionellen Götter wandelte sich so von einem prozessualen Beweismittel, dass ein Beschuldigter tatsächlich vom Christentum abgefallen war, zu einem allgemeinen, religiös motivierten und staatlich sanktionierten Gebot zur Sicherstellung der pax deorum.

Valerian erneuerte 257 n. Chr. das Opfergebot. Seine Anordnungen (Verschärfung mit Androhung der Todesstrafe 258) zielten direkt auf den christlichen Klerus (Opfergebot für die Gemeindeleiter, Versammlungsverbot) und auf Vermögenswerte hochrangiger Gläubiger, mithin auf die Funktionsfähigkeit der Gemeinden (Gemeinde). Dieser Übergang zu einer erstmals zentral angeordneten C. wird mit dem rasanten Wachstum des Christentums in Zusammenhang gebracht (nach Keith Hopkins modellhaft ca. 200 000 Christen um das Jahr 200, ca. 6 Mio. um 300 n. Chr.).

Die C. unter Diokletian und seinem Mitregenten Galerius wurde 303/304 n. Chr. durch eine Serie von vier kaiserlichen Erlassen eingeleitet. Zunächst sollte die christliche Infrastruktur (Zerstörung der Kirchenbauten, Auslieferung der Heiligen Schriften, Einziehung der Vermögenswerte, Versammlungsverbot) vernichtet und Christen aus staatlichen Funktionen entfernt werden, es schlossen sich die Inhaftierung der Kleriker, endlich ein allgemeines, mit der Todesstrafe bewehrtes Opfergebot an. Das Ausmaß der diokletianischen C. war regional uneinheitlich (mit Schwerpunkt im Osten).

5. Ende der Verfolgungen

Im Jahr 311 erließ Galerius ein Edikt, in dem er das Scheitern der Verfolgung eingestand und den christlichen Kultvollzug erlaubte. Offenbar fand die Verfolgung, die auf die Kooperation der städtischen Funktionseliten und Statthalter angewiesen war, vor Ort oft nicht mehr hinreichende Unterstützung. Künftig sollten Galerius zufolge alle religiösen Gruppierungen auf ihre je spezifische Weise die Gottheit um staatliche Prosperität und Wohlergehen der Kaiser bitten. In Kleinasien und im Nahen Osten setzte Maximinus Daia die Verfolgung bis 312/31 fort. Daia ergänzte die Maßnahmen um eine Reorganisation paganer Kulte. Das fälschlich so bezeichnete „Mailänder Toleranzedikt“ Konstantins und des Licinius von 313 bekräftigte die Anerkennung des christlichen Glaubens und ging nur in den Restitutionsverfügungen über den Erlass des Galerius hinaus.

Schwer zu veranschlagen ist die Größenordnung der Opfer der C.en. Moderne Forscher (William Hugh Clifford Frend, Robin Lane Fox) nehmen für die Zeit vor der „Großen Verfolgung“ eher drei- als vierstellige Opferzahlen an. Bezüglich der C. der Jahre 303 bis 311 listet Euseb für Palästina, ein Kerngebiet der antichristlichen Maßnahmen, 91 Märtyrer auf. Aufgrund der unterschiedlichen Intensität der C. lässt sich diese Zahl jedoch nicht auf das Imperium Romanum insgesamt hochrechnen.

Quellen

III. Politische Aspekte

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1. Die Lage zu Beginn des 21. Jh.

Christen, deren Hoffnung auf ein Reich zielt, das nicht von dieser Welt ist, sind für jeden politischen Totalitätsanspruch eine Provokation, selbst als loyale Staatsbürger. Zu Beginn des 21. Jh. hat die C. stark zugenommen, insb. in Syrien und im Irak, klassischen Regionen des Christentums. In rund 100 Ländern werden Christen auf Grund ihres Glaubens diskriminiert. Sie stellen rund 80 % aller Opfer religiöser Verfolgung. Mit Nordkorea steht ein kommunistisches Land seit Jahren an der Spitze. Danach aber kommen auf den ersten 15 Plätzen der von der USCIRF erarbeiteten Liste der CPC fast nur Länder, die sich auf den Islam berufen: Somalia, Syrien, Irak, Afghanistan, Saudi-Arabien, die Malediven, Pakistan, Iran, Jemen, Sudan, Eritrea, Libyen und Ägypten; stark islamisch geprägte und autoritär regierte postsowjetische Staaten wie Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan; Staaten, in denen Muslime und Christen vergleichbar stark vertreten sind, wie Nigeria, oder die aggressive islamische Minderheiten haben, wie die Zentralafrikanische Republik. Unter den nicht islamisch geprägten Staaten, die als CPC eingestuft werden, befinden sich neben Myanmar mehrere kommunistisch regierte Länder wie China, Kuba und Vietnam.

2. Motive und Formen der Christenverfolgung

Hauptmotiv der C. in den islamisch geprägten Staaten ist ein Extremismus, der die Scharia zur Grundlage der Staats- und Rechtsordnung macht. In Nordkorea ist eine diktatorische Paranoia Hauptmotiv. In manchen Fällen, z. B. im Sudan, mischen sich beide Motive, in anderen können Stammeskonflikte verstärkendes Motiv sein.

Die Formen der C. sind vielfältig. Sie reichen von gesellschaftlicher Diskriminierung über staatliche Reglementierung des Lebens der Gläubigen bis zu Vertreibung, Inhaftierung, Folter und Hinrichtung. In Nordkorea sind zahlreiche Christen in „Rehabilitationszentren“ genannten Arbeitslagern eingesperrt. Der Besitz einer Bibel reicht für Inhaftierung und auch Hinrichtung. In der Juche-Ideologie des Regimes, einer Mischung aus Personenkult um die Kim-Dynastie und militärischem Sozialismus, werden die Menschen nach ihrer Loyalität zum System klassifiziert. Dabei rangieren die Christen unter den „feindlichen“ Klassen am Ende der Liste. In China besitzen Christen zwar deutlich größere Freiheiten, sehen sich aber als Mitglieder der staatlich anerkannten wie der im Untergrund agierenden Kirchen massiven Repressionen ausgesetzt. Verhaftungen und die Zerstörung von Kirchen werden als Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung deklariert.

Ein islamisch geprägtes Herrschaftssystem ohne religiöse Diskriminierung hat es noch nie gegeben, auch wenn nicht jedes dieser Systeme Christen blutig verfolgt hat. Die Diskriminierung anderer Religionen einschließlich der Legitimation von Gewalt ist in verschiedenen Suren des Koran (z. B. 2, 190–194; 4,76; 4,89; 5,33; 8,60; 9,5; 9,29) grundgelegt. Selbst Menschenrechtserklärungen des Islam, wie die Kairoer Erklärung von 1990, dokumentieren dies: „Alle in dieser Erklärung aufgestellten Rechte und Freiheiten unterliegen der islamischen Scharia“ (Art. 24) und: „Die islamische Scharia ist der einzige Bezugspunkt für die Erklärung oder Erläuterung eines jeden Artikels in dieser Erklärung“ (Art. 25). Zu Beginn des 21. Jh. hat blutige C. in Regionen des Nahen Ostens und Afrikas einen neuen Höhepunkt erreicht. Terroristische Milizen wie der IS in Syrien und im Irak, Al-Nusra in Syrien, Boko Haram in Nigeria, Al-Shabaab in Somalia, die Taliban in Afghanistan und Pakistan sowie Al Qaida weltweit verfolgen Christen und gemäßigte Muslime durch tödliche Terrorakte (Terrorismus), Exekutionen, Vertreibungen (Flucht und Vertreibung), Entführungen, Versklavungen und Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen sowie die Zerstörung kirchlicher Gebäude. Im Irak lebten 1990 1,2 Mio. Christen, 2014 noch rund 300 000: ein Ergebnis der Vertreibung durch den IS aus Gebieten mit hohem Christenanteil und 1700-jähriger christlicher Tradition wie Mossul, Karaqosch und Alqosch. In Syrien lebten vor dem Ausbruch des Krieges im März 2011 rund 1,8 Mio. Christen, 2016 noch rund 800 000. Christen und Jesiden wurden Opfer von Massenexekutionen – ein Genozid.

Schleichende Islamisierung der Gesellschaft durch Scharia-Gesetzgebung, eigene „Blasphemie-Gesetze“ und Konversionsverbote, durch die Weigerung von Polizei und Justiz, Straftaten gegen Christen zu verfolgen, oder durch das Verbot, Kirchen zu errichten oder zu renovieren, ist eine bedrohliche Entwicklung. Dies gilt insb. in Ländern, die vom sunnitischen Wahhabismus geprägt sind, wie Saudi-Arabien, das Apostasie, Blasphemie, Zauberei und Werbung für den Atheismus durch ein Gesetz vom Februar 2014 als Terrorakte einstuft, die Verhaltensregeln der Scharia mittels einer eigenen Tugendpolizei kontrolliert und christliche Kirchen so wenig duldet wie öffentliche Gebetstätten anderer Religionen, selbst schiitischer Muslime. Noch dramatischer ist die Lage in Afghanistan, weil Christen dort nicht nur der sunnitischen Dominanz und Intoleranz, sondern auch den Gewaltattacken der Taliban ausgesetzt sind. Im Irak wiederum werden neben den Christen die Sunniten von der schiitischen Mehrheit, die seit dem Fall des Regimes von Saddam Hussein 2003 die Regierung stellt, diskriminiert. Auch im Iran, in dem der schiitische Islam Staatsreligion ist, hat sich die Lage nicht verbessert. Von dem Ende 2010 beginnenden „Arabischen Frühling“ haben Christen nicht profitiert. In vielen Ländern betrachten sie sich als Verlierer dieser Rebellion. Verbesserungen trotz fortbestehender Diskriminierung gibt es im Vergleich zum Regime der Muslimbrüder seit 2014 nur in Ägypten.

Großes Risiko tragen Konvertiten. Sie riskieren nicht nur gesetzliche Diskriminierung, sondern auch gesellschaftliche und familiäre Ächtung. Für strenge Interpretationen des Islam gilt Konversion zum Christentum als Staatsverrat. Auf den Malediven kann Konvertiten die Staatsbürgerschaft entzogen, in Malaysia können sie bis zu drei Jahren in islamischen Umerziehungslagern festgehalten werden. Anti-Konversionsgesetze gibt es auch in Myanmar und in verschiedenen nördlichen Bundesstaaten Indiens. V. a. konvertierte Hindus sehen sich der Verfolgung durch nationalistische Hindu-Organisationen, die der Bharatiya Janata Party nahestehen, ausgesetzt. In Myanmar erfahren Christen und andere religiöse und ethnische Minderheiten, durch ein Gesetz zum Schutz von Rasse und Religion 2015 noch verstärkt, durch die buddhistische Minderheit Gleiches. Ein nicht geringeres Risiko tragen christliche Missionare insb. von evangelikalen Gemeinschaften. Verfolgung gab es in den 1970er und 1980er Jahren auch in einigen mittel- und südamerikanischen Ländern, in denen die herrschenden Militärs Christen, die sich für Landreformen und soziale Gerechtigkeit einsetzten, als Kommunisten betrachteten und inhaftierten, vertrieben oder ermordeten, wie am 24.3.1980 den Erzbischof von San Salvador Oscar Romero.

3. Reaktionen auf die Christenverfolgung

In der Öffentlichkeit des säkularen Westens wird C. weitgehend ignoriert. Dies belastet die Verfolgten, insb. wenn auch die Kirchen schweigen. Jedoch wiegeln manchmal auch vor Ort Kirchenvertreter ab, wenn etwa C. im Norden Nigerias von Bischöfen allein auf soziale Gründe oder Stammeskonflikte zurückgeführt wird. Die Gründe für das Schweigen des Westens sind vielfältig: Desinteresse an Religion; deren Verdrängung in den Bereich des Privaten; Vorbehalte gegen die christliche Missionierung; Interesse an einem möglichst positiven Islambild, das mit christlichen Werten oder rechtsstaatlichen Verfassungen kompatibel sein soll; Sorge, dass Islamkritik C. noch verstärken könnte; Interesse von Politik und Wirtschaft an funktionierenden Beziehungen mit den ölreichen und strategisch wichtigen Staaten des Nahen Ostens. Letzteres hat zur Folge, dass auch das State Department die CPC-Einstufung der USCIRF nicht in jedem Fall übernimmt, obwohl die Religionsfreiheit nach dem International Religious Freedom Act von 1998 eine Leitlinie der amerikanischen Diplomatie und Außenpolitik sein soll.

In Deutschland hat nach einem Bundestagsbeschluss von 2010 der Einsatz für Religionsfreiheit wichtiger Bestandteil der deutschen Außenpolitik zu sein. Das Parlament erwartet von der Bundesregierung einen Bericht zur Lage der Religionsfreiheit weltweit unter besonderer Berücksichtigung der Christen. Innerhalb der katholischen Kirche haben die Päpste Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus wiederholt die C. angesprochen, sich unermüdlich für Religionsfreiheit eingesetzt sowie verfolgte Christen durch Selig- und Heiligsprechungen geehrt. Benedikt XVI. forderte u. a. die Aufhebung des Blasphemie-Gesetzes in Pakistan. Franziskus nannte die C. der Gegenwart schlimmer als diejenige in den Anfängen der Kirche. Auch die Deutsche Bischofskonferenz (Bischofskonferenzen) und die EKD haben sich des Themas angenommen. Die katholische Kirche hat den 26.12. und die EKD den 2. Sonntag der Passionszeit zum Gebetstag für die verfolgten Christen erklärt. Organisationen, die die C. weltweit beobachten und regelmäßig Lageberichte veröffentlichen, sind die USCIRF, Open Doors und Kirche in Not.