Öffentliches Sachenrecht

1. Öffentliche Sachen

Öffentliche Sachen sind nach traditioneller Lehre Vermögensgegenstände, die unmittelbar der Erfüllung eines öffentlichen Zwecks dienen und aufgrund ihrer öffentlichen Zweckbestimmung, der Widmung, eine bes. Rechtsstellung zum Schutz gegenüber zweckwidriger Nutzung aufweisen. Im Rahmen der Unterteilung des Staatsvermögens in Finanzvermögen, das durch Vermögenswerte und Erträgnisse die Durchführung staatlicher Aufgaben finanziert, und Verwaltungsvermögen, das durch seinen unmittelbaren Gebrauch der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient, werden öffentliche Sachen zumeist dem Verwaltungsvermögen zugerechnet. Zu den öffentlichen Sachen rechnen etwa Straßen, Gewässer, Schulen, Museen, Stadthallen, Spielplätze, Schwimmbäder, Verwaltungsgebäude oder Kirchen und Friedhöfe. Überwiegender Ansicht nach ist der Sachbegriff des ö. S.s losgelöst von dem des bürgerlichen Rechts zu sehen und über diesen hinausreichend, so dass etwa auch der Luftraum als öffentliche Sache qualifiziert wird. Ebenso sind auf öffentliche Sachen die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über Sachzusammenhänge nach den §§ 93 ff. BGB nicht anwendbar.

2. Kategorien öffentlicher Sachen

Anhand der Nutzungsformen öffentlicher Sachen wird unterschieden zwischen öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch, die, wie die Straßen, grundsätzlich ohne bes. Zulassung nutzbar sind, den öffentlichen Sachen im Sondergebrauch, deren Benutzung, wie die wasserhaushaltsrechtliche Nutzung von Gewässern, regelmäßig einer besonderen Erlaubnis bedarf, und den öffentlichen Sachen im Anstalts- oder Einrichtungsgebrauch, zu denen v. a. die aufgrund einer Zulassung nutzbaren öffentlichen Einrichtungen des Kommunalrechts zählen. In Abgrenzung zu diesen öffentlichen Sachen, die zusammenfassend als öffentliche Sachen im Zivilgebrauch bezeichnet werden, dienen die öffentlichen Sachen im Verwaltungsgebrauch, zu denen etwa Verwaltungsgebäude, Büroeinrichtungen oder Dienstfahrzeuge gehören, unmittelbar durch ihren verwaltungsinternen Gebrauch der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Eine Sonderstellung nehmen die res sacrae ein, die sich aufgrund ihrer kirchenrechtlich vorgegebenen Nutzung einer Einordnung in die Nutzungsformen des staatlichen Rechts als Sachen im Anstaltsgebrauch oder im Verwaltungsgebrauch entziehen. Zu den res sacrae zählen etwa Kirchengebäude, Kirchenglocken oder kirchliche Friedhöfe, wobei die res sacrae als öffentliche Sachen über die Kirchengutsgarantie nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV einen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießen.

3. Das öffentliche Sachenrecht

Das ö. S. – oder wie es auch bezeichnet wird: das Recht der öffentlichen Sachen – ist als solches in Deutschland nicht kodifiziert, findet sich aber in seinen Grundstrukturen v. a. im bundes- und landesrechtlich geregelten Straßenrecht wieder, das die Rechtsverhältnisse an gewidmeten Straßen bis hin zu den Unterhaltungspflichten regelt. Das jenseits des Straßenrechts zumeist gewohnheitsrechtlich anerkannte Recht der öffentlichen Sachen bezweckt den Schutz der öffentlichen Sachen vor zweckwidriger Nutzung, insb. durch Sachentzug aufgrund privatrechtlicher Verfügung, und regelt die Nutzung der öffentlichen Sachen, damit den Ausgleich verschiedener, z. T. miteinander konkurrierender Nutzungen einer Sache.

Eine öffentliche Sache entsteht durch Widmung als hoheitlichem Rechtsakt und durch zumeist nachfolgende tatsächliche Indienststellung. Die Widmung kann in unterschiedlichen Rechtsformen durch Gesetz, durch Rechtsverordnung, durch Satzung oder, wie im Straßenrecht üblich, durch Verwaltungsakt erfolgen. Mit der Widmung werden an der Sache öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse begründet, die bis zu einer Entwidmung als actus contrarius bestehen bleiben. Nach herkömmlicher Lehre wird das privatrechtliche Eigentum vergleichbar einer Dienstbarkeit überlagert, sodass das private Eigentum bestehen bleibt, im Umfang der Widmung allerdings mit einer öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft belastet ist. Nach der Theorie des modifizierten Privateigentums (dualistische Konstruktion) kann durch privatrechtliche Verfügung etwa ein Straßengrundstück auf einen anderen Eigentümer übertragen werden, allerdings erlangt dieser das privatrechtliche Eigentum nur belastet mit der durch Widmung begründeten öffentlichen Sachherrschaft. Nicht durchsetzen können hat sich die maßgeblich durch Otto Mayer in Anlehnung an das französische Institut des domaine public entwickelte und geprägte Theorie des öffentlichen Eigentums, nach der privates Eigentum an einer öffentlichen Sache ausgeschlossen ist und diese umfassend und allein dem öffentlichen Recht im Sinne eines öffentlichen Eigentums unterliegt, sodass daneben keine privatrechtlichen Rechtsverhältnisse bestehen. Gesetzlich normiert ist ein grundsätzlich verfassungsrechtlich mögliches öffentliches Eigentum an öffentlichen Sachen nur im baden-württembergischen Wassergesetz für Gewässer erster und zweiter Ordnung, im hamburgischen Wassergesetz für Hochwasserschutzanlagen und im hamburgischen Wegegesetz.

Während sich im Straßenrecht Regelungen finden, die für eine das privatrechtliche Eigentum überlagernde, durch Widmung begründete öffentliche Sachherrschaft sprechen, fehlt es für andere öffentliche Sachen, gerade für die öffentlichen Sachen im Einrichtungs- und Verwaltungsgebrauch, an einer gesetzlichen Grundlage. Der zum leading case für das ö. S. gewordene Hamburger Stadtsiegelfall, in dem ein auf öffentlicher Sachherrschaft gegründeter Herausgabeanspruch hinsichtlich des als öffentliche Sache zu qualifizierenden Hamburger Stadtsiegels durch die Stadt Hamburg gegenüber einer Antiquitätenhändlerin letztlich gerichtlich verneint wurde (OVG Münster, NJW 1993: 2635–2637; BVerwG, NJW 1994: 144 f.), verdeutlicht, dass ohne gesetzliche Grundlage sich eine das privatrechtliche Eigentum überlagernde öffentliche Sachherrschaft nicht begründen lässt. Soweit gewohnheitsrechtlich versucht wird, eine entsprechende Grundlage zu schaffen (Gewohnheitsrecht), wird sich diese im Einzelfall wie allgemein nur schwer nachweisen lassen, sodass jenseits der Straßen und Gewässer ohne gesetzliche Grundlage eine öffentliche Sachherrschaft durch Widmung nicht entstehen kann.

Der Widmung kommt als hoheitlicher Zweckbestimmung jedoch eine nutzungsrechtliche Funktion zu, indem sie den Nutzungszweck der Sache, damit den Kreis der Nutzungsberechtigten und den Nutzungsumfang, im Rahmen der gesetzlichen Regelungen festlegt. Straßenrechtlich wird unterschieden zwischen Gemeingebrauch, Sondernutzung und Anliegergebrauch. Nach den straßenrechtlichen Regelungen ist, bei allen Unterschieden im Wortlaut, die Nutzung der Straße für jedermann im Rahmen der Widmung zum Verkehr und der Straßenverkehrsvorschriften zulassungsfrei möglich. Der dadurch bestimmte Gemeingebrauch erstreckt sich allerdings nur auf die Nutzung der Straße zum Verkehr, damit zur Fortbewegung, wobei eine widmungskonforme Unterbrechung wie das Parken und zumeist auch der kommunikative Verkehr, etwa das Verweilen und das Gespräch in Fußgängerzonen, mitumfasst sind. Dagegen bedürfen darüber hinausgehende Straßennutzungen, soweit sie nicht für die Grundstücksnutzung durch den Straßenanlieger erforderlich sind (Anliegergebrauch), als Sondernutzung einer im Ermessen der Behörde stehenden Sondernutzungserlaubnis, damit einer behördlichen Genehmigung im Einzelfall oder der Zulassung allgemein durch Satzung. Vergleichbar wird für die Nutzung öffentlicher Einrichtungen, etwa von Stadthallen, Museen oder Schwimmbädern, unterschieden zwischen den innerhalb des Widmungszwecks liegenden Nutzungen, bei denen nach den Gemeindeordnungen dem Einwohner im Rahmen des geltenden Rechts regelmäßig ein Zulassungsanspruch zusteht, und den Sonderbenutzungen, d. h. Nutzungen öffentlicher Einrichtungen über den Widmungszweck hinaus. Bei Gewässern kommt dem Gemeingebrauch wasserhaushaltsrechtlich nur noch rudimentäre Bedeutung zu, etwa für das Wasserschöpfen mit kleineren Gefäßen, sodass die Sondernutzung mittels Erlaubnis und Bewilligung im Zentrum und Mittelpunkt steht. Bei Sachen im Verwaltungsgebrauch wird durch die Widmung grundsätzlich nur die interne Nutzung ermöglicht, d. h. der Gebrauch durch die Verwaltung selbst, nicht dagegen werden Nutzungsansprüche durch den Bürger begründet.